Neue «Opening Encyclopaedia» von Chessbase
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Fachmännische Betreuung eines riesigen Partien-Materials
Dr. Peter Martan
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Erneut präsentiert Deutschlands bekanntester Schachsoftware-Produzent Chessbase eine aktuelle Ausgabe seiner traditionellen «Opening Encyclopaedia». Die mit knapp 100 Euro nicht eben billige DVD kommt wie gewohnt mit einer fulminanten Fülle (neuen) Materials daher.
Vorneweg ein kleiner Hinweis für User wie mich, die vor längerer Zeit die letzte Version des «ChessBase Readers» installiert haben: Die Datenbank lässt sich zwar ggf. mit einer alten Version starten, funktioniert aber evtl. trotzdem nicht fehlerfrei. Bei mir war es so, dass die Links zur Info und zu den alten Datenbanken Fehlermeldungen erzeugten; Erst nach Neuinstallation lief die Sache. Und noch ein Tip: Dass die Gebrauchsanleitung (abgesehen von den ersten Schritten der Installation, im Cover beschrieben) lediglich auf der DVD im Stammverzeichnis als «cb9readerGER.pdf» vorliegt, findet man auch nicht gleich heraus… Andererseits ist es natürlich komfortabel, die Datenbank auch von «Fritz» bzw. dem «ChessBase»-Datenbankprogramm aus starten zu können; dort hat man auch die volle Online-Hilfe-Unterstützung, welche im Reader nicht aktiv ist. Dessen Hauptvorteil gegenüber dem reinen Datenbankprogramm ist der Titel- und Informationstext, der gleichzeitig als Menüführung durch das gesamte Partienmaterial dient.
Imposante Geschwindigkeit der Suche
Das Blättern in dem nach Text, Partien, Spielern, Turnieren, Kommentatoren, Quellen, Mannschaften und Eröffnungen geordneten Material ist einem Browser ähnlich und intuitiv erfassbar. Mit entsprechenden «Schlüsseln» kann man dann noch nach Themen, taktischen und strategischen Motiven sowie nach Endspielen suchen. Dabei imponiert die Geschwindigkeit, mit der das riesige Material z.B. nach bestimmten Brettstellungen durchforstet wird – auf einem modernen Rechner nur wenige Minuten -, um nach bestimmten Brettstellungen zu suchen. Auf der DVD sind 4,4 GB, über 3,35 Millionen Partien, auf Festplatte installiert werden davon nur 30 MB. Dazu kommt, dass Statistiken blitzschnell erstellt werden, z.B. die Performance zweier beliebiger Kontrahenten.
«Erfinder des modernen Schachs»
Um, was den Inhalt anbelangt, mit dem Ende anzufangen, weil es mir historisch so besonders gut gefallen hat: Unter dem Titel «Erfinder des modernen Schachs» geht Großmeister Curt Hansen, gleichsam als Anhang des Verzeichnisses, in zwei Teilen Fragen der Urheberschaft von Zügen in Eröffnungssystemen nach. Erstes Beispiel: Schwarzer Bauernvorstoß h7-h5 der Scheveninger/Paulsen-Variante im Sizilianer, wie ihn heutzutage z.B. Igor Miladinivoc verficht. Hansen bringt als für ihn erste Partie, «in welcher der Nachziehende in diesem modernen Aufbau offenbar recht genau wußte was er tat», aus der Schachgeschichte die Partie Yates-Bogoljubow (Moskau 1925), in der Schwarz 13… h5!? zog. Das Beispiel gefällt mir auch so, weil es Isaac Lipnitzky in seinem Buch «Fragen der modernen Schachtheorie» ebenfalls bringt. Offenbar war die Partie damals wirklich ebenso beachtet wie folgenreich, und so etwas ist natürlich schachhistorisch immer spannend zurückzuverfolgen. In nicht weniger als 80 Partiebeispielen wird die Entwicklung der Idee dann historisch weiterverfolgt und kommentiert. Im zweiten Teil erörtert Hansen dann noch umfangreicher und strategisch vielschichtig das Problem, wie sich das Motiv des Abtausches des Königs-Fianchettoläufers (Lg2/Lg7) gegen den Sc3/Sc6 entwickelt hat. Von den Anfängen des Läufer-Fianchettos, das ja um 1900 noch etwas Neues war und noch z.B von Richard Teichmann als «diese dumme Doppelloch-Eröffnung» bezeichnet wurde, bis hin zu der modernen Idee, diesen Läufer auch noch abzutauschen, ein weiter Weg… Ihm geht Hansen in 255 Partien nach – für schachistorisch Interessierte ein besonderer Leckerbissen.
Fachspezifische Betreuung aller Kapitel
Jedes Eröffnungssystem hat eine einleitende Beschreibung von einem anerkannten Fachmann des entsprechenden Themas, der das Material dem Kapitel zuordnet und kommentiert. Von Lubomir Ftacnik werden einige Kapitel besprochen. Willkürlich greife ich den Englischen Angriff des Sizilianers heraus. Ftacnik nennt eine Variante daraus nach Veselin Topalov, weil er nach seiner Partie gegen Peter Leko in San Luis 2005 «die theoretische Diskussion als amtierender Weltmeister eröffnete». (Anmerkung der Redaktion: zwar kam der Zug 9… Sd7 schon einmal in einer Fernpartie zwischen Vladimir Stancl und Jan Schwarz 2003 vor, fand aber damals offenbar nicht sonderlich Beachtung.) Ftacnik zeigt in 24 Partien, gespielt zwischen 2000 und 2006, dass in diesen Partien die Statistik von 55% für Schwarz in dieser Variante zu der Schlussfolgerung am Ende des Kapitels berechtigt: «Die Topalov-Variante ist hier um zu bleiben.» (Anmerkung d.Red.: Tatsächlich habe ich die fragliche Variante nach 2006 nur noch 10 mal in der Internationalen Meisterpraxis gefunden, alle 2007, davon ging allerdings nur noch eine für Schwarz aus, vier mal gewann Weiß bei 5 Remis. Nach 2007 fand ich kein Beispiel mehr, offenbar ist es doch wieder etwas stiller geworden darum.)
Hochkarätige Kommentatoren
Erst recht kann man in wenig gespielten Eröffnungssystemen keine Vollständigkeit des Variantenbaumes erwarten. Z.B. erörtern Alexander Bangiev und Peter Leisebein sehr schön meine geliebte Larsen-Eröffnung anhand von 107 Partien, von denen zehn kommentiert sind. Dass sie alle aber nur ein einziges Abspiel bis zum 5.Zug dokumentieren, tut dem System zuviel Abbruch. Man muss sich dabei allerdings vor Augen halten, dass selbst eine derartig große Sammlung von Partien unmöglich ein wirklich komplettes Nachschlagewerk der gesamten Schachtheorie sein kann, sondern immer nur einen mehr oder weniger repräsentativen Querschnitt bieten kann. Außerdem kann man natürlich mit «Fritz» oder «ChessBase» die Datenbank von der DVD auf Festplatte installieren, um dort dann Partien hinzufügen. Dass die ganze Datenbank sowohl im «Reader» als auch in «Fritz» als Eröffnungsbuch im Chessbase-eigenen ctg-Format verwendbar ist, muss gar nicht eigens erwähnt werden für Fans, ist aber natürlich ein mächtiges Feature, das die Vielseitigkeit der Formate ausmacht: Eröffnungsbücher zu erstellen und zu editieren hat ebenso große Nützlichkeit für die meisten Hobby- und Profi-Spieler wie die Möglichkeit, kommentierte Partien platzsparend abzuspeichern.
Fazit: In dieser Schach-Enzyklopädie findet sich nicht nur eine sehr große und relevante Partiensammlung, sondern auch deren historisch exakte Aufbereitung – notabene von hochklassigen Kommentatoren: Anand (262 Partien), Bangiev (1614!), Marin (457), Kasparov (48)oder Kramnik (59) sind nur einige besonders klingende Namen. Was diese Autoren als Schachspieler zu sagen haben, findet man wohl in keinem einzelnen Lehrbuch derart umfangreich und schon gar nicht in dieser Funktionalität eines elektronischen Nachschlagwerkes.
Chessbase: Opening Encyclopaedia 2009, DVD-ROM (inklusive deutsche Version des Eröffnungslexikons 2009)
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Screenshots: «Opening Encyclopaedia» 2009 (Chessbase)
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Wer bin ich?
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Women Power (V)
Hineingeboren in eine Mathematiker-Familie, brachte man mir das Schachspiel schon im vierten Lebensjahr bei. Und folgerichtig startete ich meine Karriere als sog. «Wunderkind», welches im Alter von 9 Jahren mit 9 Punkten aus 9 Partien seinen ersten überregionalen Sieg in einem ansonsten nur von Jungs bestrittenen Turnier erzielte. Meine weiteren Lorbeeren: (Ex-)jugoslawische Meisterin, Belgrader Meisterin, danach IM- und anschließend Frauen-GM-Titel, und schlussendlich Vorstoß in die absolute Weltspitze als zweimalige Drittplatzierte der FIDE-Weltrangliste.
Aber ehrgeizig wie ich schon von Kindheit an bin, genügte und genügt mir das Schach allein nicht, auch beruflich strebte ich stets nach Höherem. Also musste noch ein Doktor-Titel her – aber damit nicht genug: seit September letzten Jahres bin ich sogar Professorin an einer Universität meines Heimatlandes in der «Faculty of Culture and Media».
Besonders stolz bin ich darauf, dass auf der Liste meiner Schach-Opfer auch eine ganze Menge sehr prominenter Namen stehen: Die Klinge kreuzte ich mit solchen berühmten Großmeistern wie Anand, Miles oder Nisipeaunu, oder wie Chiburdanidze, Cramling, Zhu Chen, und Z. Polgar bei den Frauen – und sie alle zogen schon mal den Kürzeren gegen mich. Ein taktisch spannendes Exempel meiner Spielkunst findet sich nachstehend.
Also: Wer bin ich?
1.d4 d5 2.c4 c6 3.e3 Sf6 4.Sc3 a6 5.Dc2 g6 6.Sf3 Lg7 7.Ld3 0-0 8.0-0 Lg4 9.Se5 Le6 10.Ld2 Sfd7 11.Sxd7 Sxd7 12.c5 b5 13.Se2 Te8 14.a4 Sf6 15.Ta3 Db8 16.Tfa1 Db7 17.b4 Ld7 18.f4 Tab8 19.axb5 axb5 20.Ta7 Dc8 21.Sg3 Tb7 22.T7a6 Dc7 23.T1a3 Lc8 24.Sf1 Tb8 25.Ta7 Lb7 26.Da2 Dc8 27.Le1 De6 28.f5 gxf5 29.Lg3 Sg4 30.Lxb8 Txb8
31.Txb7! Txb7 32.Ta8+ Lf8 33.Txf8+ Kxf8 34.Da8+ Kg7 35.Dxb7 Sxe3 36.Dc7 Sg4 37.Df4 Df6 38.Sg3 1-0
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Frauen brauchen ihre Chance – Statistischer Auslese-Effekt benachteiligt Frauen –Sexismus in der Schachszene – Schach zu Uhlepingsten
Wer bin ich?
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Women Power (III)
Man nannte mich das größte Naturtalent, welches das Frauen-Schach meines Landes je hervorgebracht habe. Einer der imposantesten Triumphe in meiner noch jungen Karriere war sicher der Gewinn der Junioren-Weltmeisterschaft in Istanbul. (Die Jugend-Weltmeisterschaft U18 hatte ich bereits drei Jahre zuvor in den Palmarés-Kranz gehängt.)
Inzwischen habe ich trotz meines jungen Alters (Jhg. 1985) schon mit einer ganzen Reihe hochprominenter (Schach-)Größen in ernsthaften oder auch Show-Wettkämpfen die Klingen gekreuzt: Zu meiner illustren Gegnerschaft zählten u.a. die Klitschko-Box-Brüder, Moderator Harald Schmidt oder auch das Schach-Genie Garry Kasparow.
Man sagt mir eine besondere Portion zähen Ehrgeiz nach – und dieser zahlt sich u.a. in langwierigen Endspielen aus, wie beispielsweise in dem folgenden gegen die äußerst starke, heute erst 14 Jahre junge und doch bereits als die Nummer Fünf der aktuellen Frauen-Weltrangliste rangierende Chinesin Hou Yifan (mit Schwarz). Man beachte ebenfalls das vorausgehende Läufer-Manöver im 21. Zug, welches eine Reihe vorteilhafter Abtausche einleitet.
Also: Wer bin ich?
Wer bin ich?
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Women Power (II)
Obwohl ich letztes Jahr erst zwanzig geworden bin, bewegt sich meine internationale Wertungs-Zahl inzwischen rapide auf die 2’300-Elo-Marke zu. Was bedeutet, dass man mich ins offizielle Slowenische Damen-Nationalkader wählte. In dieser Funktion nahm ich 2007 an der Europa-Mannschafts-Meisterschaft teil, wo ich mit einem Score von «5 aus 8» reüssierte. Natürlich hoffe ich, dass ich in meiner Schach-Laufbahn nun nächstens eine weitere wichtige Hürde zu nehmen vermag, nämlich den FIDE-Titel «International Women Grand Master» IWGM. Denn als Großmeisterin steht mir an Schach-Turnieren oft die eine oder andere kleinere Annehmlichkeit zu.
Einer meiner besten Kämpfe am Brett gelang mir vor drei Jahren als «Schwarze» gegen Dafnae Trujillo, wobei das Turm-Manöver ab 28. Zug besonders erwähnenswert ist:

Wer bin ich?
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Women Power (I)
Hallo Schach-Freunde!
Ihr meint, dass ich die Männer gleich reihenweise umlege? Da liegt Ihr völlig richtig! Denn es muss einer schon mächtig was draufhaben, wenn er mir widerstehen will. Dabei kämpfe ich keineswegs mit den Waffen einer Frau – trotzdem lassen meine Angriffe so manchen er-«mattet» niedersinken. Meinem kraftvollen und doch verführerischen Spiel erliegen sie eben (fast) alle, ob nun Amateur oder Meister, ob Macho oder Casanova. Was allerdings kein Wunder ist: Mit einem Rating von fast 2’400 Elo lag und liegt mir so manches Turnier zu Füßen (und das nicht nur in den Niederlanden, wo ich lebe). – Wenn Du mir nicht glaubst, dann sieh Dir nachfolgend mal an, wie ich (im Jahre 2006) als die Anziehende schön langsam meinen großmeisterlichen Partner – er ist übrigens ein sehr bekannter englischer Schach-Autor – umgarne, um ihn auf dem Höhepunkt des Games mit wenigen Schlägen in die Knie zu zwingen, bis er schließlich völlig geschafft in den Seilen hängt:
Bobby Fischer in Reykjavik gestorben
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Tod eines Schach-Genies
Wunderkind, Monomane, Antisemit, Querdenker, Psychokiller, Intelligenzbestie, Landesverräter, Genie – über die Person und das Leben des Ex-Schach-Weltmeisters Robert James «Bobby» Fischer existieren ebenso viele widersprüchliche Urteile, wie sich Legenden um ihn ranken. Der begnadete Schachspieler aus Chicago, der im Sommer 1972 im isländischen Reykjavik als Gegner von WM Boris Spassky die bis anhin unangefochtene, jahrzehntelange russische Hegemonie im Schach fast im Alleingang vernichtete (Bild rechts) und es dadurch mitten im Kalten Krieg als Schachspieler auf die Titel-Seiten sämtlicher großer Zeitungen der Welt schaffte, war Zeit seines Lebens für seine Mit- und Umwelt ein Rätsel. Nach seiner Besteigung des Schach-Thrones, die im Westen einen noch nie dagewesenen Boom des Schachspiels gerade auch unter Kindern und Jugendlichen auslöste, zog sich Fischer abrupt vom Profi-Schach zurück und lebte zwei Jahrzehnte lang wie ein Phantom (Bild unten).
Vorgestern starb der «König des Schachs» erst 64-jährig in Island an Nierenversagen. Die Schach-Welt hat eine ihrer skurrilsten Figuren verloren. Der bekannte New Yorker Schach-Biograph Harold Schonberg in seinem Buch «Die Großmeister des Schach» über Fischer: «Sein Leben strahlt eine Mischung von Erhabenheit und Lächerlichkeit aus, wie sie nicht nur im Schach, sondern in allen Bereichen menschlicher Betätigung einzigartig dasteht.»
Unter Fischers weltweiter Fan-Gemeinde gilt des genialen Exzentrikers sechste WM-Match-Partie gegen (seinen späteren Freund) Spassky als nur eine seiner zahllosen Glanz-Leistungen am Brett. Wir bringen sie nachfolgend in einer (vollständig automatisierten) Kommentierung durch das bekannte Schach-Programm «Fritz» – auch als reizvolle Gegenüberstellung von menschlicher Kultur-Leistung und reinem Computer-Produkt. (Walter Eigenmann)
Fischer – Spassky, Reykjavik 1972
6. WM-Match-Partie
(Kommentar: Fritz10-P4/3Ghz(120s)
D59: Damengambit (Tartakower-Variante)
1.c2-c4 e7-e6 2.Sg1-f3 d7-d5 3.d2-d4 Sg8-f6 4.Sb1-c3 Lf8-e7 5.Lc1-g5 0-0 6.e2-e3 h7-h6 7.Lg5-h4 b7-b6 8.c4xd5 Sf6xd5 9.Lh4xe7 Dd8xe7 10.Sc3xd5 e6xd5 11.Ta1-c1 Lc8-e6 12.Dd1-a4 c7-c5 13.Da4-a3 Tf8-c8 14.Lf1-b5 a7-a6 15.d4xc5 b6xc5 16.0-0 [ 16.Sf3-d4 De7-a7 17.Sd4xe6 a6xb5 18.Da3xa7 Ta8xa7 19.Se6xc5 Ta7-c7 20.b2-b4 Sb8-a6 21.a2-a3 Sa6xc5 22.Tc1xc5 Tc7xc5 23.b4xc5 Tc8xc5 24.Ke1-d2 Kg8-f8 25.Th1-c1 Tc5xc1 26.Kd2xc1 Kf8-e7 27.g2-g4 Ke7-d6 28.Kc1-d2 Kd6-e6 29.Kd2-d3 Ke6-e5 30.h2-h4 g7-g5 Castillo,G-Butterworth,J/IECG 2001/MegaCorr4/½-½ (47)] 16…Ta8-a7 [ 16…De7-a7 17.Lb5-a4 a6-a5 18.Da3-d3 Sb8-d7 19.Tf1-d1 Ta8-b8 20.La4xd7 Da7xd7 21.b2-b3 a5-a4 22.h2-h3 a4xb3 23.a2xb3 d5-d4 24.Sf3-e5 Dd7-e8 25.Se5-c4 Le6xc4 26.b3xc4 d4xe3 27.Dd3xe3 De8xe3 28.f2xe3 Tb8-b3 29.e3-e4 Tb3-e3 30.Td1-e1 Te3xe1+ 31.Tc1xe1 Makarichev,S (2500)-Sturua,Z (2395)/Moscow 1979/MCD/½-½ (42)] 17.Lb5-e2 Sb8-d7 Neuerung [ 17…a6-a5 18.Tc1-c3 c5-c4 ( 18…Sb8-d7 19.Tf1-c1 Tc8-e8 20.Le2-b5 Le6-g4 21.Sf3-d2 d5-d4 22.e3 d4 c5xd4 23.Da3xe7 Te8xe7 24.Tc3-c8+ Kg8-h7 25.Sd2-b3 Sd7-e5 26.Tc8-d8 Ta7-c7 27.Tc1xc7 Te7xc7 28.f2-f4 Lg4-d7 29.f4xe5 Ld7xb5 30.Sb3xd4 Tc7-c1+ 31.Kg1-f2 Tc1-d1 32.Td8-d6 1-0 Furman,S-Geller,E / Moskau 1970/MCD (32)) 19.Da3xe7 Ta7xe7 20.b2-b3 c4xb3 21.Tc3xc8+ Le6xc8 22.a2xb3 Te7-c7 23.Tf1-a1 Lc8-b7 24.Ta1xa5 Tc7-c1+ 25.Le2-f1 Lb7-a6 26.Sf3-d2 La6xf1 27.Sd2xf1 Tc1-b1 ½-½ Richard,A-Terry,B/IECC Email 2000/MegaCorr4] 18.Sf3-d4 [ 18.Le2xa6?? der Bauer ist nicht zu nehmen 18…Tc8-c6 19.Da3-d3 Tc6xa6-+] 18…De7-f8 [ 18…Sd7-f6 19.Sd4xe6 ( 19.Le2xa6? läuft nicht 19…Le6-d7-+) 19…f7xe6 20.Tf1-d1= ( 20.Le2xa6 ist und bleibt taktisch widerlegt 20…Tc8-c6-+) ] 19.Sd4xe6+/= [ 19.Le2xa6?? vergiftet… 19…Tc8-a8 20.Sd4xe6 f7xe6-+] 19…f7xe6
20.e3-e4 [ 20.Le2xa6?? Weiß schlägt einen vergifteten Bauern 20…Tc8-c6 21.Da3-d3 Ta7xa6-+] 20…d5-d4 Schwarz gewinnt Raum 21.f2-f4 [ 21.Le2xa6?? das Schlagen des Bauern ist schlecht 21…Tc8-c6 22.Da3-d3 Ta7xa6-+] 21…Df8-e7 22.e4-e5 Tc8-b8 [ 22…Sd7-b6 23.Da3-d3± ( 23.Le2xa6? ist falsch 23…Tc8-a8-+) ] 23.Le2-c4 Kg8-h8 24.Da3-h3 Sd7-f8 [ 24…Tb8xb2!? 25.Lc4xe6 Ta7-c7±] 25.b2-b3 a6-a5 26.f4-f5 e6xf5 [ 26…De7-g5 27.f5xe6 ( 27.Lc4xe6?! Sf8xe6 28.f5xe6 Ta7-c7+/=) 27…Sf8-g6 28.Tc1-c2±] 27.Tf1xf5+- Sf8-h7 28.Tc1-f1 De7-d8 [ 28…a5-a4 29.Dh3-g3 a4xb3 30.Lc4xb3+-] 29.Dh3-g3 Ta7-e7 [ 29…Tb8-c8 30.e5-e6 Tc8-a8 31.Tf5-f7 Ta7xf7 32.Tf1xf7+- ( 32.e6xf7?! Dd8-f8+-) ] 30.h2-h4 Tb8-b7 31.e5-e6 Tb7-c7 32.Dg3-e5 Dd8-e8 [ 32…d4-d3 33.Tf5-f3 d3-d2 34.Tf3-d3+-] 33.a2-a4 De8-d8 34.Tf1-f2 [ 34.Tf1-f3 und Weiß hätte es noch leichter 34…Dd8-e8+-] 34…Dd8-e8 [ 34…d4-d3 ändert den Lauf der Dinge nicht 35.Tf2-d2 Tc7-d7 36.De5xc5+-] 35.Tf2-f3 De8-d8 [ 35…d4-d3 ändert nichts am Ausgang der Partie 36.Tf3xd3 Tc7-c8 37.Td3-f3+-] 36.Lc4-d3 [ Besser: 36.Tf5-h5 erleichterte Weiß die Gewinnführung 36…d4-d3 37.Tf3xd3+-] 36…Dd8-e8 [ 36…Dd8-g8+- ist ein letzter Versuch] 37.De5-e4 Sh7-f6 [ 37…Te7xe6?? wird durch Matt widerlegt in 3 38.Tf5-f8+!! Mattangriff 38…Sh7xf8 39.Tf3xf8+ De8xf8 40.De4-h7#] 38.Tf5xf6 g7xf6 39.Tf3xf6 Kh8-g8 40.Ld3-c4 Kg8-h8 41.De4-f4 1-0
Links zum Thema
– «Searching for Bobby Fischer» (You Tube)
– Kommentare berühmter Großmeister
zum Tode Fischers (You Tube)
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Heute vor … Jahren
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Schach-Amateur Euwe wird Weltmeister
Am 15. Dezember 1935 gewinnt in Amsterdam der 34-jährige holländische Mathematik-Lehrer und Versicherungs-Statistiker Max Euwe als Amateur die Schach-Weltmeisterschaft. Mit dem denkbar knappsten Ergebnis von 15,5 zu 14,5 Punkten schlägt er als Herausforderer das zu dieser Zeit als unbesiegbar geltende exil-russische Schach-Genie Alexander Aljechin (Bild: Nach der 24. Runde, rechts Aljechin)
Für das Match wurde eine Kampfbörse von 10’000 Dollar ausgesetzt, es begann am 3. Oktober in Amsterdam und wurde anschließend in mehreren verschiedenen Städten Hollands fortgesetzt. Aljechin ging schon bald (wie erwartet) mit 6:3 in Führung, doch der zähe und geduldige Holländer kämpfte sich wieder heran und gewann schließlich nach 9 Siegen, 8 Niederlagen und 13 Unentschieden.
Eine der schönsten Partien spielten die beiden in Zandvoort (in der 26. Runde), wonach der als Journalist vor Ort berichtende Großmeister S. Tartakower sie auf den bis heute verbreiteten Ehrennamen «Die Perle von Zandvoort» taufte:
M. Euwe – A. Aljechin, WM-Match, Zandvoort 1935
(26. Partie, A90/Holländische Verteidigung)1.d4 e6 2.c4 f5 3.g3 Lb4+ 4.Ld2 Le7 5.Lg2 Sf6 6.Sc3 O-O 7.Sf3 Se4 8.O-O b6 9.Dc2 Lb7 10.Se5 Sxc3 11.Lxc3 Lxg2 12.Kxg2 Dc8 13.d5 d6 14.Sd3 e5 15.Kh1 c6 16.Db3 Kh8 17.f4 e4 18.Sb4 c5 19.Sc2 Sd7 20.Se3 Lf6 21.Sxf5 Lxc3 22.Sxd6 Db8 23.Sxe4 Lf6 24.Sd2 g5 25.e4 gxf4 26.gxf4 Ld4 27.e5 De8 28.e6 Tg8 29.Sf3 Dg6 30.Tg1 Lxg1 31.Txg1 Df6 32.Sg5 Tg7 33.exd7 Txd7 34.De3 Te7 35.Se6 Tf8 36.De5 Dxe5 37.fxe5 Tf5 38.Te1 h6 39.Sd8 Tf2 40.e6 Td2 41.Sc6 Te8 42.e7 b5 43.Sd8 Kg7 44.Sb7 Kf6 45.Te6+ Kg5 46.Sd6 Txe7 47.Se4+ 1:0
Bereits im Vorfeld der Weltmeisterschaft löste der stille und bescheidene, nach allen Augenzeugen-Berichten stets ausnehmend fair kämpfende Gentleman Euwe in seinem Heimatland eine wahre Schach-Euphorie aus, er wurde gefeiert wie ein Star und verhalf dem Königlichen Spiel zu einer bis anhin noch nicht dagewesenen Verbreitung (Bild: Euwe-Statue im «Max-Euwe-Zentrum» Amsterdam).
In der Folge publizierte der schachtheoretisch äußerst profunde, stets den logisch-wissenschaftlichen Aspekt des Schachs betonende Systematiker eine Fülle von Eröffnungs-, Mittelspiel- und Endspiel-Monographien. In der gesamten Schach-Welt als herausragende Persönlichkeit anerkannt, wählte ihn 1970 die Internationale Schachföderation FIDE zu ihrem Präsidenten. Eine seiner letzten großen Herausforderungen war deshalb die Organisation des «Jahrhundert-Matchs» mitten im Kalten Krieg zwischen dem Amerikaner Bobby Fischer und dem Russen Boris Spassky 1972 in Reykjavik/Island. (Walter Eigenmann)
Schach-Weltmeisterschaft 2007
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Viswanathan Anand ist neuer Schach-Weltmeister
In der 14. und letzten Runde der Schach-Weltmeisterschaft in Mexiko einigte sich der Inder Viswanathan Anand mit seinem ungarischen Gegner Peter Leko auf Remis und sicherte sich dadadurch (in der Nachfolge des Russen Vladimir Kramnik) den FIDE-WM-Titel. Als einziger Spieler dieser WM blieb Anand ohne eine einzige Niederlage – eine souveräne Leistung des 38-jährigen Schachgenies.
Mit diesem Sieg in einem der schwersten Turniere der Neuzeit heimste Anand den bislang größten Triumph in seiner an großen Erfolgen reichen Profi-Laufbahn (u.a. war er viermaliger «Schach-Oscar»-Preisträger) ein. Die Schachwelt ist sich einig darüber, dass mit Viswanathan Anand einer der stärksten und auch sympathischsten Spieler der Schachgeschichte diesen höchsten Thron im Schach besteigt. ■
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1. Anand,Viswanathan....... 9.0
2. Kramnik,Vladimir........ 8.0
3. Gelfand,Boris........... 8.0
4. Leko,Peter.............. 7.0
5. Svidler,Peter........... 6.5
6. Morozevich,Alexander.... 6.0
7. Aronian,Levon........... 6.0
8. Grischuk,Alexander...... 5.5
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Levon Aronian – Viswanathan Anand
Weltmeisterschaft 2007 (Mexico)
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 c6 5.Lg5 h6 6.Lh4 dxc4 7.e4 g5 8.Lg3 b5 9.Se5 h5 10.h4 g4 11.Le2 Lb7 12.0-0 Sbd7 13.Dc2 Sxe5 14.Lxe5 Lg7 15.Tad1 0-0 16.Lg3 Sd7 17.f3 c5 18.dxc5 De7 19.Kh1?! a6 20.a4 Lc6 21.Sd5 exd5 22.exd5 Le5 23.f4 Lg7 24.dxc6 Sxc5 25.Td5 Se4 26.Le1 De6 27.Txh5 f5 28.Kh2 Tac8 29.Lb4 Tfe8 30.axb5 axb5 31.Te1 Df7 32.Tg5 Sxg5 33.fxg5 Txc6 34.Lf1 Txe1 35.Lxe1 Te6 36.Lc3 Dc7+ 37.g3 Te3 38.Dg2 Lxc3 39.bxc3 f4 40.Da8+ Kg7 41.Da6 fxg3+ 0:1
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Schach-Kinderstar Magnus Carlsen
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Sechzehnjähriger gewinnt Biel 2007
Schach-Kinderstar Magnus Carlsen hat das diesjährige Internationale Groβmeister-Turnier von Biel gewonnen. Der 16-jährige Norweger setzte sich im Stechen in der fünften Schnellpartie gegen den Amerikaner Alexander Onischuk durch. Carlsen hatte nach zwei Niederlagen in Folge in der letzten Runde mit einem Sieg über Radjabov wieder zu Onischuk aufschlieβen können.
Alexander Onischuk (2) – Magnus Carlsen (1) – Yannick Pelletier (3)
Der Einheimische Yannick Pelletier verpasste durch ein Remis gegen Judit Polgar den Sprung ganz an die Spitze, kann als Teilnehmer mit der geringsten ELO-Zahl mit dem 3. Rang aber sehr zufrieden sein.
1. | Magnus Carlsen | (Norway, 2710) | 5.5 | (24.25) |
2. | Alexander Onischuk | (USA, 2650) | 5.5 | (23.00) |
3. | Yannick Pelletier | (Switzerland, 2583) | 5 | (22.00) |
4. | Judit Polgar | (Hungary, 2707) | 5 | (21.75) |
5. | Alexander Grischuk | (Russia, 2726) | 5 | (21.50) |
6. | Teimour Radjabov | (Azerbaijan, 2746) | 5 | (20.75) |
7. | Bu Xianghzi | (China, 2685) | 3.5 | (16.25) |
8. | Loek van Wely | (Netherlands, 2679) | 3.5 | (15.75) |
9. | Alexander Motylev | (Russia, 2648) | 3.5 | (15.50) |
10. | Boris Avrukh | (Israel, 2645) | 3.5 | (14.75) |
Carlsen – Onischuk, Grandmaster Tournament Biel (5), 28.07.2007 [Autom. Kommentierung: Fritz10/Intel-PC] D43: Damengambit (Botwinnik-Variante)
1.d2-d4 Sg8-f6 2.c2-c4 e7-e6 3.Sg1-f3 d7-d5 4.Lc1-g5 h7-h6 5.Lg5xf6 Dd8xf6 6.Sb1-c3 c7-c6 7.Dd1-b3 d5xc4 8.Db3xc4 Sb8-d7 [ 8…Df6-d8 9.e2-e4 Lf8-e7 10.Lf1-d3 b7-b5 11.Dc4-b3 Sb8-d7 12.0-0 0-0 13.Ta1-d1 a7-a6 14.Ld3-b1 Dd8-b6 15.Db3-c2 c6-c5 16.e4-e5 g7-g6 17.d4-d5 Lc8-b7 18.d5-d6 Le7-d8 19.Sc3-e4 c5-c4 20.Dc2-d2 Kg8-g7 21.Tf1-e1 Ta8-c8 22.h2-h4 h6-h5 23.Dd2-f4 Wirthensohn,H (2420)-Stean,M (2490)/Biel 1981/MCD/1/2-1/2 (38)] 9.e2-e3 g7-g6 10.Lf1-e2N [ 10.Ta1-d1 Lf8-g7 11.Lf1-e2 0-0 12.0-0 e6-e5 13.Td1-d2 e5xd4 14.Sf3xd4 Df6-e7 15.Tf1-d1 Sd7-b6 16.Dc4-d3 Lc8-e6 17.Dd3-e4 Tf8-e8 18.Sd4xe6 De7xe6 19.De4xe6 Te8xe6 20.Sc3-b1 Te6-e8 21.b2-b3 Lg7-f8 22.Le2-f3 a7-a5 23.a2-a4 Lf8-b4 24.Td2-d3 Kg8-f8 Milic,B-Trifunovic,P (2500)/Zagreb 1949/EXT 2000/1/2-1/2 (37)] 10…Lf8-g7 11.0-0 0-0 12.Tf1-d1 Will d5 spielen 12…e6-e5 13.Sc3-e4 Df6-e7 14.d4-d5 c6xd5 15.Dc4xd5 Sd7-b6 16.Dd5-c5 De7xc5 17.Se4xc5 Lc8-g4 18.h2-h3 Weiß droht Materialgewinn: h3xg4 18…Ta8-c8 19.Sc5xb7 Lg4-e6 20.b2-b3 Der Gegner darf nicht nach a4+c4 20…Tc8-c2 Schwarz droht Materialgewinn: Tc2xe2 21.Le2-f1 Sb6-d5 [ 21…Tf8-b8 22.Sb7-a5=] 22.Lf1-c4+/= Weiß droht Materialgewinn: Lc4xd5 22…Sd5-c3 23.Td1-d2 Tc2xd2 24.Sf3xd2 e5-e4 25.Kg1-f1 Tf8-b8 26.Sb7-c5 Le6xc4+ 27.Sd2xc4 [ 27.b3xc4? Sc3-a4 Abzugsangriff: c3, g7-a1 28.Sc5xa4 Lg7xa1-+] 27…Tb8-b5 Schwarz droht Materialgewinn: Tb5xc5 28.Sc5-a6 Lg7-f8 [ 28…Tb5-h5 29.a2-a3+/=] 29.b3-b4+/= Lf8xb4 [ 29…Lf8-g7!?+/= lohnt die Prüfung] 30.a2-a4+/- Tb5-b7 31.Ta1-c1 Sc3-d5 32.Tc1-b1 f7-f5 33.a4-a5 Kg8-g7 [ >=33…Tb7-e7 34.Sa6xb4 Te7-b7+-] 34.Sc4-e5 f5-f4 [ 34…Tb7-e7 35.Se5-c6 ( 35.Sa6xb4?! ist schnell zu verwerfen 35…Te7xe5 36.Sb4-c6 Te5-e6 37.Tb1-b7+ Kg7-f8=) 35…Lb4xa5 36.Sc6xa5+-] 35.e3xf4 e4-e3 36.f2xe3 Sd5xe3+ 37.Kf1-g1 Se3-d5 38.Kg1-h1 Tb7-b5 [ 38…g6-g5 macht keinen großen Unterschied 39.f4xg5 Tb7-e7 40.g5xh6+ ( 40.Sa6xb4?! Te7xe5 41.Sb4-c6 Te5xg5+-; 40.Tb1xb4?! wäre weniger gut 40…Sd5xb4 41.g5xh6+ Kg7-h7 42.Sa6xb4 Te7xe5+/=) 40…Kg7xh6 41.Se5-g4+ ( 41.Tb1xb4?! Te7xe5 42.Tb4-b5 Te5-g5+-) 41…Kh6-g5 42.Tb1xb4 ( 42.Sa6xb4?! Te7-b7+-) 42…Sd5xb4 43.Sa6xb4+-] 39.Se5-c6 1-0
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Das Fischer-Random-Schach
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«Chess960» und die Schach-Programme
Walter Eigenmann
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Mehr und mehr sorgt in der Schach-Szene eine neue Spiel-Art für Gesprächsstoff: das sog. Chess960 (auch «Fischer-Random-Chess / FRC» oder «FullChess»). Und es war nur eine Frage der Zeit, bis in den einschlägigen Computerschach-Foren die Anregung auftauchte, diese «Schach-Variante» auch in die Entwicklung kommender Software einfließen zu lassen. Ist Chess960 im Zusammenhang mit Computerschach tatsächlich nicht bloß modisches «Modern Talking», sondern ein ernstzunehmender neuer Sound?
Die nachfolgende kleine Untersuchung – geschrieben im Januar 2003 – resultierte aus dem sehr interessanten Ansatz des deutschen Programmierers und FullChess-Experten Reinhard Scharnagl FRC&Smirf, welcher im ehemaligen Fach-Forum «Computerschach Extra» anregte, das Fischer-Random-Chess inskünftig verstärkt bei neuer Schachsoftware zu integrieren. Dabei wurde auch kontrovers die Frage diskutiert, ob mit einer programm-spieltechnischen Berücksichtigung dieses Chess960 nicht überhaupt eine spürbare Spielstärke-Steigerung herkömmlicher Engines zu erreichen wäre.
I. Praeludium
Im Laufe einer fast 450-jährigen, öffentlich zugänglichen Spiel-Praxis (Rom 1560, R.Lopez-G.Leonardo: 1.e4 e5 2.f4 d6 3.Lc4 c6 4.Sf3 Lg4 5.fxe5 dxe5 6.Lxf7 Kxf7 7.Sxe5 Ke8 8.Dxg4 Sf6 9.De6 De7 10.Dc8 Dd8 11.Dxd8 Kxd8 12.Sf7 1-0) sowie aufgrund der seit über 500 Jahren andauernden theoretisch-systematischen Forschung (Spanien 1497: Lucena-Lehrbuch) hat die abendländische Schachgeschichte so einiges zu Tage gefördert über die folgende, nicht ganz unbekannte Position:
Beispielsweise meint die klassische Eröffnungslehre zu dieser Stellung u.a:
1. Die Figuren sind baldmöglichst in die Schlacht zu werfen; Zeit-Nachteile pflegen sich in positionelle Nachteile, diese wiederum sich in materielle Nachteile zu verwandeln.
2. Die entscheidenden Konfrontationen gehen erfahrungsgemäß in der Brett-Mitte vonstatten; dies bei der anfänglichen Figuren-Postierung zu berücksichtigen ist von größter Wichtigkeit.
3. Einer schnellen bwz. vollständigen Figuren-Entwicklung, aber auch einer Zentrum-besetzenden und gleichzeitig Raum-greifenden Wirkung des Aufmarsches leisten die Bauernzüge 1.e2-e4 e7-e5 (allenfalls noch 1.d4-d4 d7-d5) den besten Dienst.
Dass die sog. hypermodernde Schule teils entgegengesetzte Prinzipien vertrat, bleibe hier unerörtert. Sicher ist jedenfalls: nach diesen drei Eröffnungs-Forderungen funktionierte (und funktioniert noch) der Partie-Anfang auf hohem und höchstem Niveau – seit Greco (Greco-N.N., Rom 1619: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 etc. 1-0) bis in unsere Tage hinein (Movsesian-Morozevich, WCT 2002: 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 etc. 0-1).
Nun liegt es «in Sachen Computerschach» nahe, mal die neueste Schach-Software im Hinblick auf ihre Partie-Anfänge zu befragen. (In etwas anderem Zusammenhang hat das der Autor bereits früher in einem Artikel des Fachmagazins «Computer-Schach & -Spiele» getan; vergl. Nr.5/2002, oder hier: Strategie 2.)
Wir lassen also (mit einer Bedenkzeit von 60Min/Engine auf einem P3/866Mhz/128Mb-Hash/PB off) einige der aktuell stärksten Programme die ersten paar Züge ab Grundstellung (selbstverständlich ohne Opening-Books) spielen, um herauszufinden, ob die besten Programmierer das vom Menschen erarbeitete Eröffnungs-Knowhow tradieren.
Das Ergebnis mag den einen oder anderen überraschen…
CM9000/Kleinert – Hiarcs 8
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6
Chess Tiger 14.0 – Junior 7
1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d3 c6 4.Sf3 d5
Aristarch 4.4 – Pharaon 2.62
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 exd4 5.Sxd4 Lb4
SOS.3 f.A. – Pepito 1.55
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6
List 5.04 – Ruffian 1.0.1
1.e4 e6 2.d4 d5 3.exd5 exd5 4.Ld3 Sc6
Comet B54 – Yace 0.99.56
1.Sf3 d5 2.d4 e6 3.e3 Sf6
Crafty 19.01 – Gandalf 4.32h
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Sf6
LambChop 10.88 – Nimzo 8
1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 Sbd7 4.Sf3 e5
…aber es besteht kein Zweifel: im Jahre 2003 vermögen Maschinen die «humanoid» entwickelten Grundsätze des als erfolgreich bestätigten Partie-Beginnens selbstständig zu reproduzieren. (In wie weit dann die Software auch im Mittelspiel den «Geist» eines gewählten Eröffnungssystems realisieren kann, ist wieder eine ganz andere Frage…)
Quasi in Reinkultur wird die Klassik «kopiert» von zwei erst seit kurzem auf dem Markt befindlichen (und von vielen Testern inzwischen als die beiden stärksten Engines gehandelten) Programmen:
Fritz 8 – Shredder 7
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.Sc3 Sf6 5.d3 d6
Ob von Menschen oder von Maschinen: Besser lässt sich eine Partie Schach nicht eröffnen. Wohl origineller, sicher innovativer, bestimmt auch attraktiver – aber nicht besser!
II. Punctus contra punctum
Szenenwechsel. Mainz, im Sommer 2002: Neben zahlreichen Amateuren treffen sich über 50 internationale Titelträger, darunter 14 sog. Super-Großmeister (= >2600 ELO) zu einem ganz besonderen Rapidschach-Spektakel: dem «Chess960-Open». (Sieger: GM Peter Svidler mit fulminanten 9 aus 11).
Hochkarätig besetzte Open gibt’s inzwischen wie Sand am Meer, doch dieses im Rahmen der «Chess Classic Mainz» organisierte «Chess960» zeichnete eine exquisite Spezialität aus: gespielt wurde nach den Regeln des sog. «Full Chess» (auch bekannt als «Fischer Random Chess»/FRC oder eben «Chess960»).
Zum Regelwerk (siehe auch hier:) dieses «Vollschachs» darf ich hier den Programmierer und FRC-Spezialisten Reinhard Scharnagl zitieren, der ein eifriger Verfechter dieser «Schach-Variante» ist und auf seiner instruktiven Homepage erläutert:
«Das FullChess unterscheidet sich nur unwesentlich vom traditionellen Schach:
a) die Anfangsstellung der Offiziere wird nach bestimmten Regeln ausgelost: der König steht immer irgendwo zwischen zwei Türmen, es gibt sowohl einen schwarzfeldrigen wie auch einen weissfeldrigen Läufer;
b) man hat spezielle Regeln für eine allgemeiner gefasste Rochade.»
Jedenfalls hatten sich in Mainz die Herren Großmeister (darunter so illustre Namen wie Jussupov, Vaganjan, Hort, Portisch, Lobron, Epishin oder Gallagher) also mit Anfangsstellungen wie z.B. der folgenden herumzuschlagen:
Eine der 960 FRC-Positionen
Bevor wir auf diese Anfangsposition im Zusammenhang mit Computerschach näher eingehen, mögen einige Zitate von Spitzenspielern die Verwirrung umschreiben, mit der auf diese (von Bobby Fischer 1996 in Buenos Aires proklamierte) Schach-Novität quer über alle Leistungsklassen hinweg reagiert wird:
– Alexandra Kostenjuk: «Für mich ist das nichts. Das ist zu kompliziert»
– Anand Viswanathan: «Chess960 ist wie eine Stadt ohne Stadtplan zu durchstreifen»
– Vadim Milov: «Nur Improvisation und Phantasie spielen eine Rolle»
– Dimitri Komarow: «Zu anstrengend. Man muss vom ersten Zug an kämpfen»
– Kiril Georgiew: «Ich habe Probleme mit der Eröffnung»
– Michael Adams: «Es ist sehr schwierig, eine schlechte Fischer-Random-Stellung zu verteidigen»
– Peter Svidler: «Schwarz sollte vielleicht häufiger symmetrische Stellungen anstreben»
– Krishnan Sasikiran: «Manchmal mache ich Züge, die ich im normalen Schach nie ausführen würde»
– Arthur Jussupow: «Probier’s einfach mal!»
Solche Äußerungen treffen genau die ungeheure Herausforderung, welche diese Erfindung des Jahrhundert-Genies Fischer an eine historisch gewachsene bzw. geschulte Schach-Denkweise stellt: Das prinzipielle Wirkungsgefüge der Figuren, auch die grundlegenden Strategeme des herkömmlichen Schach (dessen Grundstellung übrigens auch eine «Variante» des FRC ist!) bleiben erhalten, aber sie sind in total unkonventionellen, ja bizarren Konstellationen zu realisieren, und die «klassischen» Verhaltensweisen aller «Richtungen» und «Schulen» (inkl. die so erfolgreich-vielgerühmte Mustererkennung des traditionellen Großmeister-Schachs) werden völlig außer Kraft gesetzt. Definitiv ausgehebelt ist jegliches Memorieren von «Datenbank-Wissen», und sei es noch so enzyklopädisch. Die altehrwürdig-historische (und allzuoft historisierende) «Theorie» hat ausgespielt, auf schachliche Erfahrungswerte kann nur noch sehr rudimentär zurückgegriffen werden.
III. Fuga
Kehren wir nun wieder zu unserer obigen «VollSchach»-Grundstellung zurück, um zu überlegen, welche Anforderungen sie an die «Eröffnungsstrategie» stellt. Anschließend werde dieses zu absolutem Anti-Schablonen-Denken zwingende Figuren-Arrangement sechs der besten aktuellen Engines als Turnier-Grundlage vorgesetzt.
Zuvor ist allerdings noch ein kleiner Rochade-Exkurs vonnöten – denn leider ist ausgerechnet dieser interessante, das Spielgeschehen oft blitzartig verändernde Zug des Fischer-Random-Chess in gegenwärtiger Schach-Software meines Wissens noch nirgends implentiert. Wohl beginnen die ersten GUI’s die Option «Fischer-Schach» bereitzustellen – das dem FullChess vorausgegangene Shuffle-Chess ist schon seit längerem Menue-Punkt verschiedener Oberflächen -, doch mit dem spezifischen «Fischer-Rochieren» können die Programme (noch) nicht umgehen.
Die Chess960-Rochade funktioniert nach den folgenden Regeln (ich zitiere nochmals die oben erwähnte Homepage von Reinhard Scharnagl):
1. Rochieren ist nur zwischen jeweils noch unbewegtem König und Turm auf deren Grundreihe möglich.
2. Nach einer Rochade mit dem rechten Turm steht der König auf der g-Linie und der rochierte Turm auf der f-Linie, nach einer Rochade mit dem linken Turm steht der König auf der c-Linie und der rochierte Turm auf der d-Linie (es ist bei einigen Varianten sogar möglich, dass nur eine der Figuren ihre Position ändert).
3. Eine Rochade ist nur statthaft, falls zwischen dem König und seinem Zielfeld höchstens der beteiligte Turm steht, und wenn zwischen dem Turm und dessen Zielfeld höchstens der beteiligte König steht (daraus folgt insbesondere, dass die Felder zwischen beiden Figuren frei sein müssen).
4. Keines der Felder vom König bis zu seinem Zielfeld (beide inklusive) darf von Schach bedroht sein (speziell nach Schachgebot bleibt ein Rochieren also untersagt).
Berücksichtigend, dass für ein herkömmliches Programm ab obiger FRC-Stellung keine Rochaden mehr möglich sind, könnte sich eine erste oberflächliche Stellungseinschätzung folgendermaßen präsentieren:
1. Die Position ist – für FRC-Verhältnisse – relativ «einfach»: Die Damen können recht schnell entwickelt werden; die h-Läufer sind bereits aggressiv «fianchettiert»; die Springer werden schnell zentralisiert;
2. Ein Problem ist die Entwicklung der a-Türme, die nur umständlich durch die beiden Manöver a4/a5 & Ta3/Ta6 (schneller, aber schwächend) oder a3/a6 & Kh2/Kh6 (langsamer, aber sicher) in Position zu bringen sind;
3. Gute Bauernzüge könnten sein: 1.d3/d6 (d4/d5!?), g3/g6, f4/f5;
4. Ein extrem kombinatives Spiel (wie in zahlreichen anderen FRC-Startstellungen) ist nicht zu erwarten;
5. Die Eröffnungswahl ist entschieden eine Frage des Temperaments…
Um einen kleinen Vergleich Mensch-Maschine anstellen zu können, entnahm ich die fragliche Position dem Mainzer Turnier. Zur Illustration also einige «großmeisterlichen» Partie-Anfänge:
Teske-Dautov:
1.f4 g6 2.g4 d6 3.e4 c5 4.d3 Sc6 5.Lc3 Sd4 etc. ½-½
Svidler-Bologan:
1.f4 g6 2.e4 c5 3.Lf2 d6 4.d3 Lc6 5.Sde3 f5 6.g3 etc. 1-0
Lobron-Motylev:
1.g3 c5 2.c4 Sc6 3.d3 g5 4.Lc3 Lxc3 5.Sxc3 d6 etc. 0-1
Milov/V-Bischoff:
1.d4 g6 2.d5 e6 3.e4 exd5 4.exd5 d6 5.Lc3 Lxc3 etc. ½-½
Wie wir oben gesehen haben, sind Schachprogramme eindeutig im Hinblick auf das klassische Schach optimiert. Für die Bewertungsfunktionen einer Engine muss das FRC-Spiel also eine ebenso große Desorientierung sein, wie es Irritation ist für die Mustererkennung des Menschen.
Die folgende Partie zeigt das (60Min/Engine, P3/866Mhz, 128Mb Hash, PB off, 3-&4-Nalimov’s):
Fritz 8 – Hiarcs 8
1.d4?! Fritz war neben Shredder das zweite Programm, welches diesen zweischneidigen, wenn auch raumgreifenden Bauernvorstoß spielte. Denn nach 1…g5 ist der Bauer praktisch nur mit dem verpflichtenden 2.d5 vernünftig zu halten: c3 nähme dem d-Springer sein bestes Entwicklungsfeld, und e3 beengte unnötig die Dame. 2…g4? Völlige Orientierungslosigkeit! Der Zug schränkt weder die gegnerische Entwicklung ein, noch fördert er die eigene; und er ist weder drohend noch verteidigend. Ein Rückfall in die Zeiten der ersten Kaufhaus-Schachdinger vor über 20 Jahren… 3.Lc3 Lxc3 4.Sxc3 d6 Dass es gut ist, einen unentwickelten gegen einen bereits bedrohlich postierten Läufer abzutauschen, hat ein Fritz zwar intus, aber in frühestem Stadium seine Dame mit 5.Dh6? motivlos im Trüben fischen zu lassen straft die oben erwähnte, bewiesene Fähigkeit zum schnellen Entwickeln Lügen. 5…f5 6.h3 Sf7 7.Dh4 e5 8.hxg4 Txg4 9.Dh2 Tg6 10.g3 Th6 11.Dg2 FRC-Stellungen demonstrieren deprimierend, wie «un-menschlich» Schachprogramme spielen (können)… 11…Sg6 12.Sd2 Ld7 13.Df1 a6 14.Lg2 Ta7 Vielleicht der «interessanteste» Zug der ganzen Partie… Die «Haltlosigkeit» der Engines ist offensichtlich. Es scheint, als lasse Bobby Fischer jeglichen Programm-Code einfach ins Leere laufen. (Eher zufällig kam es in der Folge zu einem weißen gedeckten f-Freibauern, der Fritz schließlich im 54. Zug einen Endspiel-Sieg «bescherte»). 1-0
In obiger Partie kommt der Betrachter keinen Augenblick auf die Idee, dass das Ziel jeder Schachpartie das Mattsetzen des gegnerischen Königs ist. Ganz anders im nächsten Game: hier sucht der Weiße schon bald die Konfrontation am «Königsflügel». Auffallend ist, welch hohe Priorität Shredder der schnellen Entwicklung seines eingesperrten Turmes einräumt.
Es scheint überhaupt ein nützliches Strategem im FRC- bzw. Shuffle-Chess zu sein, sich grundsätzlich sofort der Entfaltung der problematischsten Figur/en zu widmen, da später, bedingt durch die unvermeidlichen kombinativen Scharmützel, dazu oft nicht mehr die Zeit bleibt. Denn viele Chess960-Start-Konfigurationen neigen entweder dazu, taktisch sehr schnell zu explodieren, oder dann wird per Abtausch-Serien das Mittelspiel gleich ganz umgangen. In beiden Fällen ist natürlich fatal, wenn eine oder mehrere Figur/en deutlich «lahmen».
Shredder 7 – CM9000/Kleinert
1.d4 e6 2.g4 g5 3.e3 d6 4.Dd2 Lc6 5.Lxc6 Sxc6 6.a4 f5 7.gxf5 exf5 8.Ta3 Se6 9.Tb3 g4 10.Sg3 Sg5 11.Dd3 Sf3 12.Th1 Tf8 13.Lc3 a6 14.h3 f4 15.Se2 fxe3 16.hxg4 exf2 17.Sxf2 Sg5 18.d5 Se5 19.De3 Tf3 20.Dxg5 Txf2 21.Sd4 De8 22.Tb4 Tf7 23.Te1 Df8 24.Sc6 Sxc6 25.dxc6 Lxc3 26.Txb7 Kc8 27.bxc3 Tf1 28.Txf1 Dxf1 29.Kb2 Df7 30.Tb4 h6 31.De3 1-0
Wieder völlig anders präsentiert sich das «Naturell» der Programme in dem folgenden Blitzkrieg. Er demonstriert das Aufeinandertreffen zweier total heterogener Engines: der Chessmaster als aggressiver «Bilderstürmer» (seine Königssicherheit tendiert oft gegen Null) zertrümmert den mit traditionellem Schachwissen hervorragend bestückten Fritz in nur 26 Zügen:
CM9000/Kleinert – Fritz 8
1.g4 g6 2.Sc3 c6 3.e3 Dc7 4.d4 d5 5.f4 Man beachte nun das folgende, an sich positionell höchst bemerkenswerte Fritz’sche Springer-Manöver: Über d7, b6 und c8 wird der c-Hüpfer auf das aussichtsreiche Feld d6 entwickelt. Solches Schach kann dazu führen, dass Programme wie Fritz inzwischen GM-Turniere gewinnen – im unerschlossenen Dschungel einer FRC-Stellung ist es einfach doof. 5…Sd7 6.Sd2 Sb6 7.a4 Sc8 8.Se2 Sd6 9.c4 dxc4 10.Sxc4 Ld7 11.e4 Rohe Gewalt gegen abwartendes Lavieren – und ein Stellungsbild für die Götter… 11…Lc8 12.Se3 f6 13.e5 Se8 14.Ta3 g5 15.Dc2 h6 16.Lg3 fxe5 17.fxe5 Während die aktuelle Number One der Schweden-Liste ihre Figuren auf der Grundreihe versammelt hat, stehen fast alle weißen Kämpfer zum finalen Punch bereit. Die Situation verdient ein Foto:
Der Rest ist Schweigen: 17…e6 18.Tc1 Dg7 19.d5 Sc7 20.dxc6 b6 21.a5 b5 22.Sc3 La6 23.Se4 Dg6 24.Sc5 Dxc2 25.Sxc2 Lc8 26.Sb4 1-0
IV. Postludium
Die Antwort auf die Frage, wie es möglich ist, dass eines der stärksten und erfolgreichsten Programme der Computerschach-Geschichte – erinnert sei nur an das unlängst beeindruckende 4:4 zwischen Fritz und BGN-Weltmeister Vladimir Kramnik in Bahrein – einen derart suizidalen Masochismus an den Tag legt, kann nur lauten: Je genauer bzw. erfolgreicher eine Software auf die Gesetze des traditionellen Schach abgestimmt ist, desto größere Schwierigkeiten hat sie in derart unorthodoxen Figurenkonstellationen.
Diese Feststellung ist bloß auf den ersten Blick trivial. Denn dem widerspricht die offensichtliche Performance; die beiden (wahrscheinlich) besten Programme im «Klassik»-Schach gewannen auch mein kleines Shuffle-Turnier.(Übrigens blieb die Hierarchie mehrheitlich auch im Mainzer «Chess960» gewahrt: die GM vor den IM, die IM vor den FM, Sieger wurde mit Svidler der gleichzeitig ELO-Stärkste).
Turnier «Chess960»
Programm 1 2 3 4 5 6
1 Shredder 7 ** ½1 10 1½ 1½ 01 6.5/10
2 Fritz 8 ½0 ** 1½ 00 11 11 6.0/10
3 Chess Tiger 14 01 0½ ** 11 ½½ 01 5.5/10
4 CM9000 Klein. 0½ 11 00 ** ½½ 10 4.5/10 22.75
5 Hiarcs 8 0½ 00 ½½ ½½ ** 11 4.5/10 19.25
6 Junior 7 10 00 10 01 00 ** 3.0/10
(60Min/Engine – P3/866Mhz 2003)
Natürlich ist dieses 30-Partien-Ranking statistisch irrelevant und obendrein mit dem erwähnten Rochade-Schönheitsfehler behaftet – zufällig aber, glaube ich, ist es nicht; das Ergebnis sähe ziemlich sicher auch nach 300 Partien sehr ähnlich aus. Denn da jede Engine hinsichtlich des Fischer-Schach vergleichbare Schwierigkeiten hat, sind insgesamt (wie im «richtigen Leben») halt doch wieder die am wenigsten schlechten die besten…
Mein vorläufiges Fazit:
Spielen Menschen «Fischer» oder «Shuffle», steht v.a. die allgemeine Spiel-Intelligenz auf dem Prüfstand. «Intelligentes Spiel» in diesem Falle meint zuvorderst einfach mal, die je bunt zusammengewürfelte Grundreihen-Schar in ein einigermaßen vernünftig koordiniertes Figurenspiel zu zwingen. Denn dieses ist die vielleicht größte Schwierigkeit beim Fischer-Random-Chess: die Organisation eines zielgerichteten Zusammenspiels des eigenen Heeres, dessen Kräfte in je total anderem Kontext als bisher agieren müssen.
Dieser letzten Forderung kann das dynamische Denken des Menschen weit eher entsprechen als das statische Evaluieren der Schach-Software. Ich kann jedenfalls nicht sehen, inwiefern bei Programmen das Studium des FRC-Verhaltens zu einer Verbesserung eben dieser Programme führen könnte. Es sei denn, man schriebe sie kräftig um, was aber wiederum mindestens eine der 960 möglichen Positionen ausklammerte – abgesehen davon, dass hier die Grenze zwischen «ändern» und «neu» sehr fließend wäre… Anders gesagt: «Chess960» ist für die momentanen Schachprogramme einfach 959 Mal ein völlig anderes Spiel. ■
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