Kaffee, Zigarette.
Las den gestrigen Abend in Benjamin Steins „Leinwand“, ich saß zunächst mit Seraphe auf dem Sofa, wir verhakten uns ineinander, wurden schließlich zu einem Wesen mit zwei Köpfen, zwei Büchern, einem Wesen, das sich voneinander entfern hatte, weil jeder Kopf dieses Wesens in einem anderen Buch, einem anderen Roman, tauchte; Seraphe durschwamm einen King-Roman, ich aber den Stein, der großartig ist, der angefüllt ist mit Sätzen, Kleinoden, die man mit fiebrigem Blick zwischen die Finger nimmt, dreht und wendet. Man starrt sie an, riecht nie daran, denn weder wirken sie veraltet noch vergammelt; im Gegenteil, sie entstammen einem edlen Geschlecht, keuchen die Würde hoheitlicher Gefilde aus. Kein Satz scheint ungeschickt formuliert, es steigert sich bis zu jenen, die man sich ausschneiden möchte, um sie an die Kühlschranktür oder die eigene Stirn zu hängen.
Nach dem Sofa schleppte ich mich – das Buch nicht außer Acht lassend – hinüber ins Bett, ich kroch unter die Decke, von draußen plätscherten die Gespräche der Nachbarn ins Zimmer, hell und grell; ich ließ mich nicht beirren, las weiter, bis meine Augen schmerzten. Erst dann schlief ich ein, träumte, nur daran ERINNERN kann ich mich nicht; wüsste aber nun einen, den ich deshalb angehen könnte. Stein sei Dank.
Die Parallelpathologie hat zumindest eine eifrige Leserin, nämlich Melusine, die, so schrieb sie, die Texte ihrem Lebensgefährten vorträgt. Das freut mich, obwohl mir der dort auftauchende Rohm doch ein äußerst fragwürdiger Geselle zu sein scheint.
Halt!
Nicht nur Melusine liest dort, erfuhr ich doch von Seraphe, dass auch ihrer Schwester sich bereits in die Parallelpathologie verirrt hat, ihre so liebenswerte Schwester, die ich mit dem Namen Gina hier einführen werde.
Willkommen Gina!
Heute werde ich nur wenige Sätze schreiben. Wir wollen später noch in die Stadt; am Abend sind wir bei einer weiteren Schwester Seraphes geladen, deren Sohn nach einem Jahr Aufenthalt in Afrika wieder in die Kälte Deutschlands zurück musste, und den wir mit reichlich Alkohol an diesem Abend feiern wollen.
Ich linse in den Kaffeebecher. Leer. Also werde ich mir Nachschub besorgen, ich werde eine Zigarette rauchen und dann …
Und jetzt liest hier noch ein Dritter mit…
Herzlich Willkommen!
„Kein Satz scheint ungeschickt formuliert“
Das ist die Blogsprache die ich so liebe, da läßt es zwar an Deutlichkeit fehlen, aber immerhin schien ihnen das Buch ja trotzdem gefallen zu haben, trotz dieser doch sehr herben Kritik
Lieber Reinzufall,
leider kann ich mit Ihrem Beitrag nicht besonders viel anfangen. Da ist keine „herbe“ Kritik zu finden, zumal ich gar keine formulierte, sondern nur Leseeindrücke wiedergab, befinde ich mich doch mitten in der Lektüre. Die Rezension zum Buch wird folgen und an Textem gehen; sicherlich aber werde ich sie auch hier veröffentlichen. Aber eines kann ich schon vorwegnehmen: Es ist ein mehr als beeindruckender Roman, den man jedem Leser ans Herz legen kann, was sage ich, ans Herz legen muss.