Ich bin keine Theoretikerin
Mein Blick auf die Welt, meine Haltung, mein Handeln sind maßgeblich vom Erleben geprägt, wie sehr Herkunft, Geschlecht, Rollenbilder, finanzieller Hintergrund, eine Religion, die Geburt dies- oder jenseits einer Grenze oder ein bestimmtes Wirtschaftssystem ein Leben zu bestimmen imstande sind. Wie Türen auf- oder zugehen – je nachdem, wer anklopft.
Ich arbeite seit vielen Jahren mit Menschen, die „am Rand der Gesellschaft stehen“.
Ich schreibe.
Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn? Ja.
Sozialromantik? Dazu bin ich zu nah dran. Da, wo ich mich aufhalte, ist konkretes Handeln gefragt. Und (mehr denn je), auch einmal ordentlich an den Verhältnissen zu rütteln.
In meinen Romanen dominieren die leisen Töne.
Ich mag keine Schablonen, weil sie starre, vorgefertigte Bilder verfestigen, die nichts von der Wirklichkeit erzählen – nicht einmal von Sehnsüchten oder Träumen. Superheldinnen, Superhelden, Serienkiller, Wirtschaftsbosse und langbeinige Schönheiten interessieren mich nicht sonderlich.
Das Leben findet hier statt: In der Nachbarwohnung. Zwei Straßen weiter. Dort, wo Menschen sich mit dem Alltag herumschlagen und ihn mehr oder weniger gut bewältigen, in Fallen stolpern, sich im gesellschaftlichen oder zwischenmenschlichen Dickicht verheddern – und mit allen Mitteln versuchen, wieder auf die Beine zu kommen.
Gut die Hälfte davon sind Frauen. Sie sichtbar zu machen, ins Licht zu holen, immer wieder, immer neu, ist das, was uns alle hier verbindet.
Wie eine Studie der US-britische Autorin Nicola Griffith belegt, gibt es in der Literaturszene nach wie vor deutliche Vorbehalte gegenüber frauenzentrierten Geschichten. „In dieser Kultur ist die männliche Perspektive immer noch die reale, der Standard. Frauenstimmen sind dagegen nur Details“, stellt sie fest.
Dagegen gilt es anzugehen. Es gibt für mich keinen Grund, den Status quo zu akzeptieren.
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