Archiv für April 2013

Bücherverbrennung Bonn 1933 – 2013

Donnerstag, 18. April 2013

Teil1: Der Höhepunkt der Aktion „Wider den undeutschen Geist“

Der 10. Mai 1933 in Bonn

„Ein langsam niedergehender Mairegen und Mitternacht. Und doch: mehrtausendköpfig die Menge, die auf dem Markt schon seit Stunden ausharrt. Langsam schieben sich die braunen Kolonnen der Nationalsozialisten und dann das Feldgrau des Stahlhelms zwischen die Mauern der Bevölkerung hindurch auf das weite Karree. Mit Sporengeklirr und wehenden Fahnen marschieren die Chargierten der Korporationen und die Aktivitas an und nehmen um den Scheiterhaufen Aufstellung. Dann – natürlich ohne Tritt! – eine große Gruppe von Studentinnen und schließlich die Freistudenten. Der Markt ist gefüllt. Grell leuchten die Scheinwerfer auf das Rathaus. Die große Freitreppe liegt in einer Flut von Licht. Hier haben sich die Führer der Nationalsozialisten, der Studentenschaft eingefunden und hier sind auch die Dozenten der Hochschulen versammelt. …“

General-Anzeiger für Bonn und Umgebung vom 11. Mai 1933 (Nr. 14628, S. 3) „Flamme empor! Die Bonner Studenten-Kundgebung ‚Wider den undeutschen Geist’“

Die Rede von Walter Schlevogt, dem Führer der Bonner Studentenschaft bildete den Auftakt: „Man stehe in einer Revolution, die aber erst begonnen habe. So sei auch mit dem flammenden Feuer nicht die Aktion gegen den undeutschen Geist vollbracht, sondern erst eingeleitet. Ihr Ziel sei die Ausrottung aller undeutschen Geistesproduktion.“ General-Anzeiger für Bonn und Umgebung vom 11.5.1933.

Der Germanist Hans Naumann fasste danach sein Credo folgendermaßen zusammen.
„Fliegt ein Buch heute Nacht zuviel ins Feuer, so schadet das nicht so sehr, wie wenn eines zu wenig in die Flammen flöge. Was gesund ist, steht schon von allein wieder auf.“

Der Kunsthistoriker Eugen Lüthgen geht in seiner Feuerrede noch einmal auf das Kultur- und Literaturverständnis des Nationalsozialismus ein.

„Groß ist die Zahl der Verführer und Schänder des deutschen Geistes. Hinein in die Flammen mit dem Gift des Klassenkampfes und des Materialismus, mit den Zeugen der Dekadenz und des moralischen Verfalls; hinein in die Flammen mit dem Werk eines Kautzky und Marx, eines Heinrich Mann, eines Glaeser und Kästner. (…) Den Flammen überantwortet auch die Verfälscher unserer Geschichte, die statt Ehrfurcht vor dem Großen unserer Vergangenheit die Herabwürdigung predigten oder in volksfremden Journalismus demokratischjüdische Frechheit bekundeten. Hinein in die Glut mit dem, was artfremden Geistes bei Emil Ludwig, Werner Hegemann, Theodor Wolff, Georg Bernhard und Erich Maria Remarque. Wer immer aber das kostbarste Gut unseres Volkes, die deutsche Sprache dünkelhaft verhunzt, wer in anmaßender Frechheit Wert und Würde des deutschen Volksgeistes antastet, auch der gehört, wie Alfred Kerr, Tucholsky und Ossietzky, mit seinem Werk auf diesen Scheiterhaufen. (…) So werfen wir auch im Geiste hinein in diese Flammen die wurzellosen Machwerke der bildenden Kunst, die Spiegelbilder der Zeit der Korruption und Zersetzung, allen Schmutz und Schund, der dem unkünstlerischten Grundsatz folgte, den es je in weiter Welt gab, dem Grundsatz der Formzertrümmerung.“

Die Zitate sind einem Artikel von Dr. Ingrid Bodsch, Direktorin des Stadtmuseums Bonn und der Broschüre „Kampf wider den undeutschen Geist“, Bonn 1933 entnommen.

Weiterführende Links:

Dokumente und Fotos zur Bücherverbrennung in Bonn 1933

Erklärung von Bonner Hochschullehrern aus dem Jahr 1933

Siehe auch Teil 2: Bücherverbrennung Bonn 1933 – 2013 Bonn gedenkt der Bücherverbrennung von 1933

Bücherverbrennung Bonn 1933 – 2013

Donnerstag, 18. April 2013

Teil2: Bonn gedenkt der Bücherverbrennung von 1933

Ein Mahnmal

Dem Engagement Wolfgang Deulings und einiger MitstreiterInnen ist es zu danken, dass am 10. Mai 2013 der Öffentlichkeit ein Mahnmal zum Gedenken an die Bücherverbrennung 1933 am Bonner Marktplatz übergeben wird.

Teile der Bonner Politik und die Kulturverwaltung hätten das Gedenken an die Bücherverbrennung gerne hinter den „verschlossenen Türen“ des Rathauses stattfinden lassen. Eine solche elitäre Feier wäre nicht zuletzt ein Affront gegen das auf gesellschaftliches Erinnern orientierte Projekt gewesen.
Durch eine rege öffentliche Diskussion konnte dies verhindert werden. Das nun öffentlich zugängliche Programm bildet einen angemessenen Rahmen für die Einweihung des Mahn- bzw. Erinnerungsmal.

Die Lesezeichen am Bonner Marktplatz Ein Blick in die WerkstattDieses besteht aus 60 bronzenen Buchrücken, die in die Pflasterung des Bonner Marktplatzes eingelassen sind. Auf jedem von ihnen ist Titel und Autor eines verbrannten Buches zu lesen. Die zunächst vereinzelt und wie zufällig verlegten „Lesezeichen“ verdichten sich, je näher sie dem Ort der Bücherverbrennung vor dem Alten Rathaus kommen, immer mehr. Dort befindet sich eine, ebenfalls ins Pflaster eingelassene Büchertruhe, ein wetterfester Archiv Behälter. Dieser bleibt das ganze Jahr verschlossen. Erst an jedem 10. Mai wird er geöffnet, die darin befindlichen Bücher werden entnommen und es wird aus ihnen vorgelesen. Danach werden Sie an Menschen aus Bonn verschenkt. Abschließend wird die Büchertruhe mit den Werken anderen AutorInnen befüllt und wieder bis zum kommenden 10. Mai verschlossen.

Der Entwurf für das Gedenkmal stammt von den Künstlern Andreas Knitz und Horst Hoheisel. Es wurde mit Spenden finanziert. 50.000 Euro hat die Landeszentrale für politische Bildung gestiftet. Weitere 15.000 Euro sind durch Einzelspenden von Bonner BürgerInnen zusammengekommen.

Weiterführende Links

Siehe auch Bücherverbrennung Bonn 1933 – 2013. Teil 1: Der Höhepunkt der Aktion „Wider den undeutschen Geist“

Ein Bericht des WDR über die Bücherverbrennung 1933. In dem 6 Minuten langen Beitrag finden Sie Originalaufnahmen der Bücherverbrennung 1933 und ein Interview mit Wolfgang H. Deuling, dem Initiator des Mahnmals zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung in Bonn.

Vorstellung des Projektes „Lese-Zeichen“ Bonn durch die beiden Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz

Broschüre zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung in Bonn

Die Lesezeichen am Bonner Marktplatz

Ab 22. April werden die Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz die 60 Lesezeichen verlegen und die Bücherkiste in den Bonner Marktplatz einlassen. Sie sind folgenden AutorInnen bzw. Büchern gewidmet:

Karl Marx: Das Kapital (1867)
André Gide: Kongo und Tschad (1932) (Le Retour du Tchad, 1928)
Emil Julius Gumbel: Vier Jahre politischer Mord (1922)
Heinrich Mann: Der Untertan (1918)
Theodor Wolff: Vollendete Tatsachen (1918)
Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues (1929)
Egon Erwin Kisch: Paradies Amerika (1930)
Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz (1929)
Gina Kaus: Morgen um Neun (1932)
August Bebel: Die Frau und der Sozialismus (1878)

Friedrich Wilhelm Foerster: Lebensführung (1922)
Emil Ludwig: Genie und Charakter (1924)
Max Brod: Rëubeni, Fürst der Juden (1925)
Lion Feuchtwanger: Erfolg (1931)
Jaroslav Hašek: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk (1926)
Ernest Hemingway: In einem andern Land (1930)
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder! (1889)
Moses Hess: Rom und Jerusalem (1862)
Rosa Luxemburg: Die Akkumulation des Kapitals (1913)
Jack London: Die eiserne Ferse (1922) (The Iron Heel, 1908) Weiterlesen »

Zehnter Todestag von Erich Zwirner

Mittwoch, 17. April 2013

Der „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ gibt zur Erinnerung an den zehnten Todestag des Arbeiters und Schriftstellers Erich Zwirner eine Broschüre heraus.

Erich ZwirnerErich Zwirner wurde 1928 in Mürzzuschlag geboren und hat sein gesamtes Arbeitsleben in der Stahlindustrie verbracht. Er beschrieb diese Arbeitswelt in zahlreichen Prosatexten mit größtenteils autobiografischen Zügen. Er starb am 17. April 2003.

Wir hatten das Glück, in Mürzzuschlag-Hönigsberg einen Arbeiter zu haben, der schreibend und ohne „höhere Bildung“ seine Interessen formulieren konnte, denn das hat seine Arbeit mit sich gebracht- darum war er auch so unverfälscht realistisch. Das sollten wir schätzen und nutzen, in dem wir wieder auf seine Literaur zurückgreifen und aus seinen erlebten Geschichten lernen. Denn diese Arbeitswelt gibt es immer noch.

In einem Brief an Helmut Brenner aus dem Jahre 1990 schreibt er über seine Kriegsjahre: „Wenn ich heute in mein Arbeitsbuch schaue, kann ich nur den Kopf schütteln, wie schnell alles durchgepeitscht wurde, um ja früh genug als Soldat zur Verfügung zu stehen. Am 14. August 1942 hatte ich schon mein Arbeitsbuch, obwohl ich erst am 22. September 14 Jahre alt wurde. Meine Lehrzeit als Schlosser dauerte 2 Jahre und 2 Monate und schon konnte ich die Freisprechung antreten (Lehrbrief vom 7. Dezember 1944). Nach der Kapitulation 1948 in jugoslawischer Gefangenschaft. Ich war genau 18 Jahre und 5 Monate alt, als ich nach drei Jahren heimkam.“

Gleich danach nimmt er seine Arbeit bei den Schoeller-Bleckmann-Edelstahlwerken als Walzer auf. Er wird danach fast alle Bereiche des Werkes als Oberbau- und Platzarbeiter, Kessel- und später bis zur Pensionierung als Umspannwärter kennenlernen. 1978 erhält er den Literaturpreis der Arbeiterkammer Steiermark. Erich Zwirner nimmt auch, als Mitglied der steirischen Werkstatt „Literatur der Arbeitswelt“, an zahlreichen Lesungen teil. 1983 erhielt er den Peter-Rosegger-Preis der Stadt Mürzzuschlag, 1986 den 2. Preis beim Paula-Grogger-Erzählwettbewerb und 1991 den Theodor-Körner-Preis für Wissenschaft und Kunst verliehen.

So sollte uns Erich Zwirner in Erinnerung bleiben: als ein ewig suchender und lernender Arbeiter, der durch sein Schreiben nicht nur sein Leben, sondern auch die Zeit seines Daseins in der Arbeitswelt in seinen Schriften seiner Generation wie auch der nächsten vermitteln wollte.

Text: Werner Lang

Werner Lang Hg., Erich Zwirner Schreib! Arbeiter! Edition Tarantel, 61 Seiten, 10.- €. Bestellung: Werkkreis Literatur der Arbeitswelt – Werkstatt Wien

Brillis Wort zum Montag

Montag, 15. April 2013

Ein Hund ein Wort

Redaktionshund Brilli mit grauer Baskenmütze

Vogelkonzert – Teil 2

Und mit Mozart kam das Debakel! Warum musste Hauskaspar I ausgerechnet die Worte aus Papagenos Arie singen. Nach „Der Vogelfänger bin ich ja“ herrschte betretenes Schweigen, und dies nicht nur im Wellensittichheim. Da half auch das nachgeschobene „Stets lustig, heißa hopsassa!“ nichts. Es blieb still.

Vielleicht ließe sich Abhilfe mit Musik, mit sanfter Musik, aus der Konserve schaffen, schlug Hauskaspar II vor und spielte eine CD mit Eric Saties Klavierstücken. Frau Haidvogel schwieg – und sie begann, nervös auf der Sitzstange hin und her zu rutschen. „Das kommt von den fehlenden Schlussakkorden“, bemerkte Zwetschke. Ich konnte zu ihrer Behauptung nichts hinzufügen, weil ich bei Satie jedes Mal mindestens 20 Sekunden vor dem Schluss einschlafe.
Die beiden Hauskaspars zogen sich zwecks Krisensitzung zurück in die Küche. Sie steckten die Köpfe zusammen und murmelten Unverständliches. Hin und wieder vernahmen wir etwas, das so klang wie „Aber ja doch.“ oder „Das mach ich auf keinen Fall.“ oder „Lass es uns versuchen.“
Schließlich stand Hauskaspar I auf, verschwand im Wohnzimmer, kramte lange in einer Schublade, fischte dann eine Musikkassette daraus hervor, steckte sie in den Kassettenrecorder, drehte den Lautstärkenregler bis zum Anschlag – und drückte auf den Einschaltknopf. Zwetschkes Zähne klapperten, mir fielen die Lauscher fast ab, Hauskaspar II hielt sich seine Lauscher zu, Verputz fiel von der Decke … Nur Hauskaspar I war immun gegen „Hells Bells“ von AC/DC. Und Frau Haidvogel. Hauskaspar I behauptete nach Ende der Stromgitarrenattacke, sie wäre entspannt auf ihrer Schaukel gesessen und hätte fröhlich gezwitschert.

Ende

Ein herzliches Wuff,
Ihre Brilli Paralia

PS: Hier geht es zum 1. Teil des Vogelkonzertes.

Neue Homepage zum Thema Bücherverbrennung

Freitag, 12. April 2013

Der Jahrestag der Bücherverbrennung im Deutschen Reich jährt sich am 10. Mai 2013 zum 80. Mal. An die Bücherverberbrennung am 30. April 1938 in Salzburg erinnern wir uns zum 75. Mal.

Unter dem Titel „Bücherverbrennung und Exilliteratur im Nationalsozialismus“ haben wir dieser Tage eine eigene Site mit allen Beiträgen aus dem „Duftenden Doppelpunkt“ zum Thema Bücherverbrennung und Exilliteratur eingerichtet.
Herzlich willkommen!

EXIL UNTER PALMEN – SANARY SUR MER

Donnerstag, 11. April 2013

Schriftsteller im Exil 1933 bis 1945

Eine literarische musikalische Soirée

Wann: Donnerstag, 25. April 2013, 19:30
Wo: Konzertcafe Schmid Hansl, 1180 Wien, Schulgasse 31
Um Reservierung wird dringend gebeten: 0699 111 65 324

Die Ausführenden: Andrea Pauli – Rezitation / Thomas Declaude – Rezitation, Gesang / Lena Rothstein – Gesang / Ryan Langer – Klavier / Caroline Loiseau – Gesang / Janina Schedy – Akkordeon / Patrick Cinque – Gitarre, Gesang

Idee, Konzept und künstlerische Leitung: Marietta Tadanier

Ludwig Marcuse bezeichnete Sanary-sur-Mer als „Hauptstadt der deutschen Literatur im Exil“.

Das ehedem kleine Fischerdorf in Südfrankreich wurde ab 1933 zum Rückzugsgebiet vieler deutschsprachiger LiteratInnen und Intellektueller. Franz Werfel, Egon Erwin Kisch, Lion und Martha Feuchtwanger, Annette Kolb, Thomas und Katia Mann, Walter Hasenclever, Stefan und Lotte Zweig, Ernst Toller und viele andere AutorInnen verbrachten eine mehr oder weniger lange Zeit in Sanary-sur-Mer.

Literatur:

  • Frank Berninger (Hrsg.),Ulrike Voswinckel (Hrsg.): Exil am Mittelmeer. Deutsche Schriftsteller in Südfrankreich von 1933–1941. Allitera Verlag, München 2005.
  • Manfred Flügge: Wider Willen im Paradies: deutsche Schriftsteller im Exil in Sanary-sur-Mer. Aufbau, Berlin 1996.
  • Magali Laure Nieradka: Die Hauptstadt der deutschen Literatur: Sanary-sur-Mer als Ort des Exils deutschsprachiger Schriftsteller. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010.
  • Barthélemy Rotger u.a.: Sur les pas des Allemands et des Autrichiens en exil à Sanary, 1933–1945. Dreisprachig: frz – deutsch – engl. Hrsg. Ville de Sanary sur Mer. Sanary sur Mer 2004.

80 Jahre Bücherverbrennung – Literaturquiz Teil 6

Mittwoch, 10. April 2013

Die Quizfragen:

  • Wie heißt der Autor?
  • Wie lautet der Titel seines 1914 veröffentlichten phantastischen Romans?
  • Wie heißt der Freund, der ihn 1933 im Kofferraum seines Autos über die Grenze nach Österreich bringt?

Antworten bitte an: Literaturblog Duftender Doppelpunkt

Der Elsinor Verlag stellt ein Exemplar eines Romans des gesuchten Autors zur Verfügung. Weiters können Sie diesmal Publikationen der Verlage Hörbuch Hamburg, Diogenes und Milena gewinnen.

Erinnerung: Wenn Sie an die jeweils aktuelle Quizrunde erinnert werden möchten, senden Sie bitte einfach ein leeres Mail mit dem Betreff „Literaturquiz Erinnerung“ an das Literaturblog Duftenden Doppelpunkt.

Einsendeschluss: Dienstag, 23. 04. 2013 um 12:00 Uhr.

Das literarische Rätsel

Seine Freunde nennen ihn Amf. Kurz, nachdem er seinen ersten großen Bucherfolg feiert – der Roman wird im Münchner Delphin Verlag publiziert und ist heute ein Klassiker der frühen Phantastik – wird er 1915 eingezogen und kommt als Sanitäter an die Westfront.

Mit dem Gefreiten Adolf Hitler dient er während des 1. Weltkrieges gemeinsam in einer Kompanie. Hitlers Kontaktversuchen weiß er sich zu entziehen.

Der direkte Vorgesetzte der beiden, Feldwebel Max Amann, er wird später zum Präsidenten der Reichspressekammer aufsteigen, lässt den jungen Schriftsteller oft zu sich kommen, damit ihn dieser über das Pressewesen informiert.

Bald nach dem 1. Weltkrieg wird er von Amann eingeladen, das Feuilleton des „Völkischen Beobachters“ zu leiten. Er lehnt entschieden ab. Amann und Hitler werden in den nächsten Jahren noch mehrmals versuchen, den „Kameraden“ auf ihre Seite zu ziehen.

Endgültig wird ihnen ein Licht aufgehen, als der Autor 1929 sein Antikriegsroman „Die Pflasterkästen“ veröffentlicht. In einer glasklaren Sprache zeichnet er darin das Grauen des Krieges: „Das unbrauchbare Fleisch, vorgestern noch verwendbar als Gewehrträger, als Bajonettstich und Schuß, fällt in die Grube. Wenn es hier draußen etwas Würdiges, etwas Sinnvolles getan hat, so jetzt: Es düngt die Erde.“

Der Roman wird in seiner Bedeutung gerne mit Remarques „Im Westen nichts Neues“ verglichen. Die Pflasterkästen reihen sich in die Gruppe jener Romane ein, die von der Menschenverachtung des Krieges und einer „verlorenen Generation“ künden wie beispielsweise Ernst Glaesers „Jahrgang 1902″, Edlef Köppens „Heeresbericht“, Ludwig Renns „Krieg“ und Arnold Zweigs „Erziehung vor Verdun“.

In der Weimarer Republik macht er sich unter anderem im Bereich der phantastischen Literatur, als Erzähler und Satiriker einen Namen. Von Thomas Mann wird sein schriftstellerisches Werk hochgeschätzt und Kurt Tucholsky schreibt in der Weltbühne vom 07. 08. 1919 über den am Beginn dieses Beitrags erwähnten Klassiker: „Es geht alle an, die Spaß an barockem Humor haben. Ich sage absichtlich nicht: grotesk – das ist dieser Humor auch –, aber da ist doch noch ein Ton, der aufhorchen macht, und der nicht auf der Mohnwiese E. A. Poes gewachsen ist: ein schneidender, eiskalter Ton.“

Am 15. März 1933, nur wenige Wochen nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, wird ein Haftbefehl gegen den Autor erlassen und gleichzeitig verwüstet die SA seine Wohnung in München. Glücklicherweise befindet er sich zu diesem Zeitpunkt bei einem Freund und Kollegen auf Besuch. Dieser bringt ihn im Kofferraum seines Autos über die Grenze nach Österreich.

Sein Weg als „Schriftsteller unter Ausschluß der Öffentlichkeit“, wie er sich selbst bezeichnet, beginnt in Salzburg, in jener Stadt, in der 1938 die einzige nationalsozialistische Bücherverbrennung in Österreich, der damaligen „Ostmark“, stattfinden wird.

Weil er die in Moskau erscheinende Exilzeitung „Das Wort“ zugesandt erhält, in ihr publizieren Autoren wie Alfred Döblin, Thomas Mann, Anna Seghers und Stefan Zweig, wird er von der österreichischen Fremdenpolizei verdächtigt, Propagandamaterial aus Moskau zu besitzen.

Knapp vor dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht flüchtet er weiter nach Basel. Mittellos, wie er ist, heißen ihn die Schweizer Behörden keineswegs willkommen. Vielmehr konfrontieren sie ihn mit einem amtlichen Schreib- und Publikationsverbot. Er schreibt trotzdem. So entsteht in der Zeit des Schweizer Exils sein Roman „Hölle und Himmel“. In ihm geht es vordergründig um die Geheimnisse eines angeblichen Hieronymus Bosch Gemäldes, tatsächlich verarbeitet er in dem Buch die Erlebnisse seines Salzburger Exils. In Zeitungen und Zeitschriften kann er seine Beiträge anfänglich nur im Zusammenwirken mit ihm gut gesonnenen Redakteuren und unter schweizerisch klingenden Pseudonymen unterbringen. Thomas Mann, mit dem er befreundet ist, unterstützt ihn finanziell. So ist sein Überleben, wenn auch unter schwierigsten Bedingungen, gesichert.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges kann er sich nicht entschließen, nach Deutschland zurückzukehren und es ergeht ihm wie vielen EmigrantInnen. Während eine Reihe der 88 deutschen Schriftstellerinnen die 1933 ein Treuegelöbnis für Adolf Hitler ablegen, bald wieder gut im Geschäft sind, kann der einstmals hochgeschätzte Autor im Literaturbetrieb nicht mehr Fuß fassen.

Selbst die Einbürgerung in die Schweiz wird ihm bis kurz vor seinem Tod verwehrt. Man hält ihm vor, er sei zu wenig „assimiliert“ und bezichtigt ihn beispielsweise, er habe in einer Rezension „gewisse Eigenarten der schweizerischen Schriftsprache als Papierdeutsch herabgewürdigt“.
Er stirbt, verarmt und weitgehend vergessen 1957 an den Folgen eines Gehirnschlags.

Maria Leitner

Dienstag, 9. April 2013

Literaturquiz anlässlich 80 Jahre Bücherverbrennung

Die Antworten auf das 5. literarische Rätsel des dreiundzwanzigteiligen Quizes

Diesmal fragten wir nach einer Autorin, die Oskar Maria Graf unter anderem folgendermaßen beschreibt: „ … eine sehr aktive antifaschistische Schriftstellerin, die nur wenige kennen. Sie ist nicht nur eine gute Schriftstellerin, sondern eine der mutigsten und bescheidensten Frauen, die wir haben.“

Neben dem Namen der Schriftstellerin wollten wir von Ihnen den Titel ihres Reportageromans aus dem Jahre 1930 wissen. Abschließend fragten wir nach einem, der von ihr während ihrer Amerikareise ausgeübten Berufen.

Autorin: Maria Leitner
Titel: Hotel Amerika
Berufe: Dienstmädchen, Köchin, Zigarrendreherin …

Erinnerung:
Wenn Sie an die jeweils aktuelle Quizrunde erinnert werden möchten, senden Sie bitte einfach ein leeres Mail mit dem Betreff „Literaturquiz Erinnerung“ an das Literaturblog Duftender Doppelpunkt.

Herzlichen Dank für die Mails mit ergänzenden Hinweisen und Vorschlägen für zukünftige literarische Rätsel.

Falls die Informationen, die wir für Sie über Maria Leitner im „Duftenden Doppelpunkt“ zusammengetragen haben, nicht ausreichen, sind Sie eingeladen, in folgenden Sites zu blättern:

Fembio – Institut für Frauen-Biographieforschung: Maria Leitner

Helga W. Schwarz: Maria Leitner – Erinnerungen, Ergänzungen und Entdeckungen zu ihrer Biografie

Julia Killet: Maria Leitners Reportagen aus Nazi-Deutschland. Seite 344 ff.

Buchentdeckungen – Maria Leitner – eine zu Unrecht vergessene Schriftstellerin

Alle bisherigen Fragen, Antworten und die das Quiz begleitenden Beiträge finden Sie auf der Seite „Literaturquiz zur Bücherverbrennung 1933.

Die nächsten Quizfragen stellen wir am Mittwoch, dem 10. 04. 2013. Zu deren Beantwortung haben Sie bis Dienstag, dem 23. 04. 2013 um 12:00 Uhr Zeit.

Die Preise und ihre GewinnerInnen

Jeweils ein Exemplar von Julia Killet, Helga Schwarz (Hrsg.): Maria Leitner oder: Im Sturm der Zeit, erschienen im Karl Dietz Verlag, geht an Barbara F., Adrian H. und Bernhard W.

Maria LeitnerMaria Leitner – eine Ungarin mit österreichischem Pass – wurde in Deutschland zunächst durch ihre nicht alltäglichen Reiseberichte aus dem Amerika der 1920er Jahre bekannt: Ihr Buch „Eine Frau reist durch die Welt“ (1931) fand eine starke Resonanz, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und wird bis heute nachgedruckt. Maria Leitner engagierte sich für die Internationale Arbeiterhilfe, für die Rechte der Frauen und gegen den Paragraphen 218 (Verbot der Abtreibung). 1933 kam ihr Roman „Hotel Amerika“ auf die „Liste 1 des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“. Nur durch eine „Auslandsreise“ wider Willen konnte sich Maria Leitner vorübergehend retten: Prag, Wien Forbach (Elsass), Paris, das Internierungslager Gurs sowie Toulouse und Marseille waren Stationen ihres Exils. 1942 sah man sie noch einmal in Marseille; da war sie bereits eine völlig verzweifelte und entkräftete Frau. Danach verlor sich ihre Spur…

Via Karl Dietz Verlag

Und jeweils ein Exemplare von Maria Leitner: Eine Frau reist um die Welt aus dem Severus Verlag geht an Jule H. und Kerstin L.

Maria Leitner - Severus VerlagDies ist der authentische Bericht einer Frau, die in den 1920er Jahren durch den amerikanischen Kontinent reiste. Die sozialkritische Journalistin Maria Leitner berichtet in ihren Reportagen von Eindrücken und Erfahrungen, die sie vor allem in den ärmeren Bevölkerungsschichten und in sozialen Randgruppen sammelte. Leitners Sozialreportagen aus Amerika erschienen erstmals 1932 in einer Auflage von über 100.000 Exemplaren und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Maria Leitner war Mitglied im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller, zu dessen Mitgliedern auch Bertolt Brecht, Johannes R. Becher, Andor Gábor, Erich Mühsam, Erich Weinert und Anna Seghers gehörten.

Via Severus Verlag