Archiv für Februar 2017

„Junge Bürokraft übernimmt auch andere Arbeit …“ – Lesung und Chansons

Freitag, 24. Februar 2017

Der gleichnamige Roman von Lili Grün um die junge Susi Urban erschien als Fortsetzungsgeschichte im „Wiener Tag“ 1936/1937.

Das „1. Wiener Lesetheater“ widmet sich an diesem Abend der österreichischen Schriftstellerin und Schauspielerin Lili Grün (1904-1942).

Mitwirkende: Emilie Locatin, Andrea Pauli, Rosemarie Radtke, Konrad Rennert, Susanne Schneider

Datum und Uhrzeit: Donnerstag, 2. März 2017 , 19:00 Uhr
Ort: Lhotzkys Literaturbuffet, Taborstrasse 28 (Eingang Rotensterngasse), 1020 Wien

Der Eintritt ist frei.
In Anwesenheit der Herausgeberin Anke Heimberg.

Der Roman „Junge Bürokraft übernimmt auch andere Arbeit …“ ist im Aviva Verlag erschienen.

Über Lili Grün

Heim und Heimweh. Zur Sehnsucht alter Menschen an einem befremdlichen Ort

Mittwoch, 22. Februar 2017

Schweizer Krankheit – eine Annäherung

„Keinen dieser Menschen mit ihren großen Geschichten zwischen Heimat und Heimweh werde ich vergessen. Sie alle sind Teil meiner eigenen Geschichte geworden, die sich in einem eigentümlich gemeinsamen Muster fortspinnt, welches mir größer und klarer zu werden scheint.“
Der diese Zeilen formuliert, nimmt sich eines Themas an, das speziell in der Psychologie stiefmütterlich behandelt wird. Er widmet sich einer Gruppe von Menschen, die in Diskussionen, Medienberichten etc. viel zu oft auf lästige KostenverursacherInnen reduziert werden: Gerd Schuster, Diplom-Psychologe und Theologe, 15 Jahre in Leitungspositionen der Altenhilfe tätig und nun Mitarbeiter am FIBAD (Forschungsinstitut für Bildung, Altern und Demografie) in Bamberg.
Die Grundlage des vorliegendes Bandes „Heim und Heimweh“ bildet Schusters Dissertation mit dem Titel „Heimweh im Pflegeheim – eine qualitativ-heuristische Annäherung“, die er 2013 an der Tiroler Landesuniversität in Hall/Tirol vorlegte. Forschungs“gegenstand“ ist die emotionale Befindlichkeit von alten Menschen in Pflegeheimen.

Heimweh – eine Herausforderung

Gerd Schuster zeigt mit seiner Untersuchung u.a. die begriffliche Komplexität, die dem (scheinbar) einfachen Begriff Heimweh innewohnt. Heimweh, Nostalgie, Sehnsucht – umgangssprachlich in einen Topf geworfen – werden genau analysiert. Was auf den ersten Blick nach Kleinlichkeit aussehen mag, zeigt die Notwendigkeit, mit wissenschaftlich sauber ausdifferenzierten Begriffen zu arbeiten. Gerd Schuster tut dies auf sehr anschauliche und auch für Laien nachvollziehbare Weise und man erfährt, dass Heimwehforschung bereits im 17. Jahrhundert stattgefunden hat. So beschrieb der Schweizer Arzt Johannes Hofer 1688 in seiner Doktorarbeit „Dissertatio medica De Nostalgia, Oder Heimwehe“ die mit Heimweh einhergehenden Symptome.
Und was ist Alter überhaupt? Jedenfalls keine banale Frage, die mit banalen Erklärungen zu beantworten ist, wie Schuster anhand der unterschiedlichen Altersmodelle und historischen Exkurse zum Begriff Alter zeigt.

Aufschlussreich ist die Methodenvielfalt, mit der die Untersuchung durchgeführt wurde: Tiefeninteriews, Problemzentrierte Interviews, Fotostudie, Dokumentenanalyse. Erhoben wurden die Daten in Pflegeheimen in Bayern, befragt wurden dere MitarbeiterInnen, BewohnerInnen sowie deren Angehörige.
Gerd Schuster gibt Einblick in die Qualitätskriterien einer qualitativen Forschung. Er lädt die LeserInnen ein zu einem kleinen Exkurs in die Heuristik als Entdeckungsverfahren und verweist auf die vier Grundregeln des deutschen Soziologen und Begründer der qualitativ-heuristischen Sozialforschung Gerhard Kleining: wissenschaftliches Arbeiten verstanden als Prozess, der u.a. auch in den Forschenden Änderungen hervorrufen kann und sie somit ein bisschen von ihrem vermeintlich unantastbaren und streng objektiven Thron schubst.

Keine einfachen Schlussfolgerungen

Dieser komplexe Studienaufbau erlaubt folglich keine einfachen „wenn-dann-Ergebnisse“. Exemplarisch sei hier erwähnt, dass bei vielen befragten BewohnerInnen das Gefühl, nicht aktiv in die Entscheidung zum Umzug ins Pflegeheim miteinbezogen gewesen zu sein, die Eingewöhnung in das neue Umfeld emotional erschwert. Sympathisch – auch wenn dieser Begriff in einer wissenschafltichen Arbeit streng genommen gar nichts verloren hat – ist die offene, kritische Sichtweise des Autors auf die eigene Arbeit sowohl in Bezug auf das Untersuchungsdesign als auch auf die Ergebenisse, die nur einen „skizzenhaften Überblick quasi in einer Momentaufnahme wiederzugeben vermögen“. Trotz dieser Limitationen finden sich wichtige Hinweise zur Implikation der Resultate in die Praxis, auch wenn diese, wie Schuster festhält, nicht völlig neu sind bzw. nicht explitzit aus den vorliegenden Daten abgeleitet werden können. Dazu zählen u.a. das Miteinbeziehen der alten Menschen in die Entscheidungsprozesse beim Umzug, Abschiedsrituale beim Wegziehen von Zuhause uvm.

Weitere Studien? Hoffentlich

„Heim und Heimweh“ ist ein brillantes Beispiel dafür, wissenschaftlich und gleichzeitig mit hoher Sprachästhetik zu formulieren. Wenn Gerd Schuster schreibt, dass nach Sichtung relevanten Forschungsmaterials klar wird, „dass eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Heimweh alter Menschen in Pflegeheimen weitestgehend noch nicht stattgefunden hat“, legt er mit „Heim und Heimweh“ ausgezeichnetes Material für weitere Untersuchungen vor. Die sind auch dringend notwendig, um das Bild der alten, lästigen KostenverursacherInnen revidieren zu helfen.

Petra Öllinger

Gerd Schuster: Heim und Heimweh. Zur Sehnsucht alter Menschen an einem befremdlichen Ort
Mabuse Verlag, Frankfurt/Main 2016
313 Seiten, € 44,20 (Ö)

© Cover: Mabuse Verlag

Literatur am Montag – Die Rache des Rembetiko

Montag, 20. Februar 2017

Ein kriminalistischer Abend mit Günther Zäuner: Die Rache des Rembetiko

Wann: 27. Februar 2017 – 19:00 Uhr
Wo: Wiener Bücherschmaus: Garberg. 13/Ecke Mittelg./Oskar-Werner-Platz, 1060 Wien

Der Eintritt ist frei – Spenden für das Leseförderprojekt „Bücher auf Rädern“ erbeten.
WEGEN DES BEGRENZTEN PLATZANGEBOTES WIRD UM RESERVIERUNG GEBETEN – E-Mail an den Bücherschmaus.

Der Journalist und Autor Günther Zäuner greift in seinen Kriminalromanen immer aktuelle Themen auf. Diesmal steht die Situation der Flüchtlinge in Griechenland im Fokus seines Buches. Eine gute Gelegenheit, den Autor persönlich kennenzulernen und ein signiertes Buch mit nach Hause zu nehmen!

Günther Zäuner und sein Krimi-Held, der Wiener Journalist Heinz Kokoschansky, führen Sie diesmal nach Griechenland: „Die Bilder der Flüchtlingskatastrophe lassen Kokoschansky nicht los. So reist er nach Idomeni, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Plötzlich taucht in Griechenland die ROR auf, die Revenge of Rembetiko: eine Organisation, die im Land Ausschreitungen und Krawalle organisiert. Kokoschansky geht den wenigen Spuren nach und stößt auf ein europaweit verzweigtes Netzwerk, dessen Fäden tief in die Politik hineinreichen. Als sein griechischer Freund Evangelistos spurlos verschwindet, weiß Kokoschansky, dass er den Hintermännern schon sehr nahe gekommen ist.“

Günther Zäuner wurde 1957 in Wien geboren. Studium der Klassischen Philologie, Geschichte und Zeitgeschichte; musikalische Ausbildung. Freier Schriftsteller, Dokumentarfilmer, Journalist; Autor der erfolgreichen „Kokoschansky“-Thriller; mehrere Sachbücher; spezialisiert auf organisierte Kriminalität, Geheimdienste, Drogen, Sektenunwesen, Rechtextremismus, Terrorismus und Politik; schreibt Drehbücher und Theaterstücke; Verfasser zahlreicher Kurzkrimis in Anthologien; Gestalter zahlreicher TV-Beiträge und Dokumentationen.

Mitglied im PEN-Club Österreich, Österreichischer Schriftstellerverband, Syndikat (Autorenvereinigung für deutsprachige Kriminalliteratur), IG Autoren, AIEP.

Günther Zäuner, Die Rache des Rembetiko
300 Seiten, Euro 12,90
Federfrei Verlag
ISBN: 978-3903092501

Der Krieg mit den Molchen

Dienstag, 14. Februar 2017

Zeitloser Schrecken durchkomponiert

Die Küste von Port Arthur in Texas bis Mobile (Alabama) wird von einer Sturzwelle überschwemmt. Infolge eines Erdbebens verlässt der Jangtse sein Flussbett und wältzt seine Wassermassen in Richtung Hangtschou. „Die Verluste an Menschenleben lassen sich vorläufig nicht einmal annähernd abschätzen.“ Klingt nach aktueller Klima-Wandel-Folge? Erinnert an einen Katastrophenfilm à la „The Day After Tomorrow“?

Die oben erwähnten Szenen sind die Folgen eines speziellen Krieges in Karel Čapeks Science Fiction Roman „Der Krieg mit den Molchen“, der bereits 1936 ausgefochten wurde. Der satirische Blick des tschechichen Autors auf menschliche Dummheit, Habgier, Nationalismus und Herrenmenschentum lässt keinen Zweifel an dessen realistischen Blick auf das sich anbahnende politische Unheil. Karel Čapek verfasste in seinem relativ kurzen Leben (1890-1938) eine Vielzahl an literarischen Arbeiten (Prosawerke, Theaterstücke, Reisberichte …). Einige davon werden der SF-Literatur zugeordnet wie z. B. das Drama„R.U.R“ oder „Der Krieg mit den Molchen“ (dieser wurde in die „UNESCO“-Sammlung von 1060 repräsentativen literarischen Werken aufgenommen). In drei Büchern wird darin der fatale Verlauf der Verbindung zwischen den Menschen und den Molchen geschildert.
Van Toch (eigentlich Vantoch, geboren in Jevičko), Kapitän eines holländischen Schiffes, und seine Besatzung stoßen vor Sumatra auf eine unentdeckte Molchart.
Die Tiere sind gelehrig und arbeitsam, schnell werden sie „zum globalen Wirtschaftsfaktor: hochintelligente Arbeitssklaven, die an den Börsen in Kategorien wie ‚leader‘ oder ‚trash‘ gehandelt werden und der Menschheit eine Ära nie gekannten Fortschritts bescheren“.
Im zweiten Buch schreiten die Molche entsprechend seines Titels „Stufe um Stufe zur Zivilisation“. Die Diskussion um das Molchschulwesen und welche Sprache sie lernen sollen ist hier nur eine brisante Frage neben jener, die sich der Gleichberechtigung der Salamander oder dem Salamanderkult widmet. Doch der Konflikt zwischen den beiden Spezien geht unaufhaltsam auf sein katastrophales Höhepunkt zu.
Im dritten Buch kommt es zum Krieg mit den Molchen, die sich, hochgerüstet und finanziell unterstützt von diversen menschlichen Investoren und Machthabern, gegen ihre Ausbeuter zur Wehr setzen und unaufhaltsam Gebiete für sich einnehmen: Sie graben den Menschen das Land ab, um u.a. Seichtgewässer, Habitate für die Molche, zu gewinnen. Im letzten Kapitel wird die Idee entwickelt, ob nicht ein Molche-gegen-Molche-Krieg das Unheil von den Menschen abwenden könnte …

Das erste Buch trägt den Namen Andrias Scheuchzeri und Čapek spielt damit auf die ausgestorbene Riesensalamanderart an, dessen fiktive Nachfahren die Protagonisten in Karel Čapeks Roman sind. Dass einer der Akteure den Namen Andrew Scheuchzer trägt, ist nur einer der vielen Anspielungen u.a. zur Wissenschaft, mit denen der Autor meisterlich jongliert. Neben diesen inhaltlichen Merkmalen sind es die unterschiedlichen Textsorten, die das „Schreibratgeber“-Prinzip „Zeigen, nicht erzählen“ (humorvoll) auf die Spitze treiben und originelle Erzählperspektiven erlauben. So wird die Einladung des Centre universitaire de Nice von Dr. Charles Mercier, eines hochgelehrter Molchs aus dem Hafen von Toulon, in Form eines Feuilletons (inhaltlich und gestalterisch) präsentiert.

Hans Tichas zahlreiche Farb- und Schwarz-Weiß-Illustrationen „sind mehr als nur schmückendes Beiwerk“ wie Alfred Ohswald in seiner Rezension 2004 festhält. Der Maler, Graphiker und Buchillustrator setzt Čapeks Text (im Pressetext heißt es treffend „parodistische Materialsammlung quer durch alle Textsorten“) grafisch mannigfaltig um. Die unterschiedlichen Stilrichtungen umfassen eine große Bandbreite, die verschiedenen Typographien gestaltete er gemeinsam mit Peter Birmele: Zeitungsausschnitte, Telegramme, mit einer Schreibmaschine verfasste Protokollaufzeichnungen, Fußnoten, wissenschaftlich anmutende Zeichnungen, Bilder, auf denen Lochstreifen, Fotos und Vermessungsparameter zu einer Collage zusammengefügt werden, Grafiken in Pop-Art. Wenn ein Steuerexekutor an einem Laternenpfahl aufgehängt wird, so findet sich im Roman-Text die Tafel, die der Gelynchte um den Hals trägt, mit den hingepinselten Worten „Fort mit den Molchen“.

Ein textlich und graphisch perfekt durchkomponiertes Werk, dessen Inhalt erschreckend zeitlos ist.

Petra Öllinger

Karel Čapek: Der Krieg mit den Molchen
Hans Ticha: Illustrationen, Typographie (gemeinsam mit Peter Birmele)
Originaltitel „Válka s mloky“
Aus dem Tschechischen von Eliška Glaserová
Gebunden, mit Illustrationen in Schwarz-Weiß und Farbe, mit Lesebändchen
Edition Büchergilde, Frankfurt 2016
Die 1987 im Aufbau Verlag und 1989 in der Büchergilde erschienene und von Hans Ticha gestaltete Ausgabe erscheint seit Herbst 2016 als Reprint in der Edition Büchergilde.
328 Seiten, € 25,70 (Ö)

Über Karel Čapek
Werkstattgespräch mit Hans Ticha
Einblick in das Schaffen von Hans Ticha

© Cover: Edition Büchergilde / Illustrator

Eine ungeplante Reise nach Wien – Lesung

Sonntag, 12. Februar 2017

Ein literarischer Abend mit Ingrid Walter
Wann: 13. Februar 2017 – 19:00 Uhr
Wo: Wiener Bücherschmaus: Garberg. 13/Ecke Mittelg./Oskar-Werner-Platz, 1060 Wien

Der Eintritt ist frei – Spenden für das Leseförderprojekt „Bücher auf Rädern“ des „Wiener Bücherschmaus“ erbeten.
WEGEN DES BEGRENZTEN PLATZANGEBOTES WIRD UM PLATZRESERVIERUNG GEBETEN.
E-Mail
Tel.: 0677/612 659 11

Ingrid Walter studierte Kunstgeschichte und Amerikanistik. Neben der Beschäftigung mit dem Leben deutschsprachiger Schriftstellerinnen im amerikanischen Exil: „Dem verlorenen nachspüren“, ist sie als PR-Fachfrau, Journalistin und Autorin tätig.
Zur Vorstellung von „Eine ungeplante Reise nach Wien“ kommt sie direkt aus Frankfurt in den „Wiener Bücherschmaus“.

Der Roman bietet den in Wien beheimateten LeserInnen die Möglichkeit, ihre Stadt aus dem Blickwinkel einer Fremden kennenzulernen. Zusätzlich führen wir an diesem Abend Frankfurt und Wien mit Bethmännchen und Sachertorte auch kulinarisch zusammen.
„Eine ungeplante Reise nach Wien“ wurde im Herbst 2016 im Größenwahn Verlag veröffentlicht: „Judiths Großmutter, die der wichtigste Bezugspunkt in ihrem Leben war, stirbt. Eine Geschäftsreise, ein Familienring und eine alte Schallplattenaufnahme der Lehár-Operette Giuditta führen die Enkelin nach Wien, wo die Großmutter während der Nazizeit eine gefeierte Operettensängerin war. Eine ungewöhnliche Spurensuche beginnt: Cafés, Hotelkulissen, Opernhäuser und das Wiener Flair versetzen Judith in vergangene Epochen zurück.“

„Ingrid Walter inszeniert ein farbenprächtiges Wiener Dekor und bettet darin die Geschichten zweier strahlender Frauen: Auf der einen Seite die der gefeierten Operettensängerin in der Nazizeit, verlobt mit einem jüdischen Tenor, und auf der anderen, Jahre später, die der Enkelin, die nicht nur ein Stück verschütteter Familiengeschichte entdeckt, sondern auch sich selbst.“

Ingrid Walter, Eine ungeplante Reise nach Wien
250 Seiten, Euro 22,60
Größenwahn Verlag
ISBN: 978-3-95771-110-6