Archiv für die Kategorie 'Adventkalender'

Adventkalender – Weihnachtabend von Theodor Storm

Dienstag, 16. Dezember 2008

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war’s; durch alle Gassen scholl
Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr:
»Kauft, lieber Herr!« Ein magres Händchen hielt
Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.

Ich schrak empor, und beim Laternenschein
Sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien:
»Kauft, lieber Herr!« den Ruf ohn Unterlaß;
Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? – War’s Ungeschick, war es die Scham,
Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh meine Hand zu meiner Börse kam,
Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein,
Erfaßte mich die Angst im Herzen so,
Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein
Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.

Theodor Storm (1817 – 1888)
Universitätsbibliothek der FU Berlin – Linksammlung Theodor Storm
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Bürgerliches Weihnachtsidyll

Montag, 15. Dezember 2008

Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!

Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da komm ich nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannebaum! O Tannebaum!

O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprungen!
Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!

Klabund (1890 – 1928)

Wikisource – Klabund

Adventkalender – Richard Dehmel – Petra Öllinger

Sonntag, 14. Dezember 2008

Petra Öllinger liest: Richard Dehmel – Furchtbar schlimm

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Dauer: 1:11
Dateigröße: 562KB

Richard Dehmel – Furchtbar schlimm

Vater, Vater, der Weihnachtsmann!
Eben hat er ganz laut geblasen,
viel lauter als der Postwagenmann.
Er ist gleich wieder weitergegangen,
und hat zwei furchtbar lange Nasen,
die waren ganz mit Eis behangen.
Und die eine war wie ein Schornstein,
die andre ganz klein wie‘n Fliegenbein,
darauf ritten lauter, lauter Engelein,
die hielten eine großmächtige Leine,
und seine Stiefel waren wie Deine.
Und an der Leine, da ging ein Herr,
ja wirklich, Vater, wie‘n alter Bär,
und die Engelein machten hottehott;
ich glaube, das war der liebe Gott.
Denn er brummte furchtbar mit dem Mund,
ganz furchtbar schlimm, ja wirklich; und -

„Aber Detta, du schwindelst ja,
das sind ja wieder lauter Lügen!“

Na, was schad’t denn das, Papa?
Das macht mir doch soviel Vergnügen.
„So? – Na ja.“

Richard Dehmel (1863 -1920)

Petra Öllinger liest Petra Öllinger – Fremde Mistkübel

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Musik: Sylvius Leopold Weiss, Ponce – Prelude in E-Dur, interpretiert von Jeff Carter
Dauer: 1:24
Dateigröße: 667KB

Petra Öllinger – Fremde Mistkübel

Denkt euch, ich habe in fremde Mistkübel gesehen.
Meine Nase ganz rot, meine Mütze voll Schnee.

Deckel auf.
Reingeschaut.
Reingefasst.
Rausgeholt.

Dekokugeln.
Weihnachtssterne.
Teelichthalter.
Damen-Jogger.
Rumba-Pflaumen.
Mon Cheri.
Vier Stück Semmeln.
Eine Krenwurz.
Einen Plüschbären ohne Beine.
Ein Hotwheelset ohne Autos.
Barbie mit verfiltztem Haar.
Maronischalen, Senfgegatsche.
Plastikgabeln, Glühweinflaschen.
Ein Besteckset mit 2 Löffeln.

Denkt euch, ich habe in fremde Mistkübel gesehen.
Meine Nase ganz rot, meine Mütze voll Schnee.

Deckel drauf.
Eingesackt.
Eingepackt.
Heimgebracht.

Fröhliche Weihnachten!

Adventkalender – Weihnachtabend von Heinrich Zeise

Samstag, 13. Dezember 2008

Hell prangt des Zimmers weiter Raum!
Welch hehre Augenweide!
Und jubelnd um den Tannenbaum
stehn meine Kinder beide.
Wie jauchzen sie von Lust beseelt,
sich freuend jeder Gabe,
o, könnt ich jubeln, doch mir fehlt
mein blondgelockter Knabe.

Vor Jahren in demselben Raum
klatscht’ er in seine Hände,
und tanze um den Tannenbaum,
der bot so reiche Spende!
Jetzt scheint mir öde, scheint mir leer
das lampenhelle Zimmer,
der Kerzenglanz, das Lichtermeer,
mir däucht’s nur öder Schimmer.

Die Kinder sehn mich fragend an,
was wohl dem Vater fehle?
Ich fasse mich, und lächle dann,
daß ich die Lust nicht schmäle.
Noch hat ihr frisches Kinderherz
von Sorgen nichts erfahren,
doch wird die Zukunft euch den Schmerz
und Kummer nicht ersparen.

Mein Sohn, den ich im Geiste seh’,
wer schmückt die heut dein Bette?
Das Eis bedeckt’s, und kalter Schnee
fällt auf die Schlummerstätte. -
Dort hängt dein Bild in Jugendzier,
bekränzt hängt’s überm Tische,
indes die salz’ge Träne mir
ich von den Wimpern wische.

Heinrich Zeise (1822 – 1914)

Weiterführende Infos:
Die Buddenbrooks von Altona. Ausstellung „Propeller des Fortschritts“ im Altonaer Museum zeigt die Geschichte der Zeise-Fabrik und ihrer Gründer in Ottensen.

Adventkalender – Weihnachtslied von Theodor Storm

Freitag, 12. Dezember 2008

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn.

Theodor Storm (1817 – 1888)

Weiterführende Infos:
Universitätsbibliothek der FU Berlin – Linksammlung Theodor Storm
DigBib.Org: Die freie digitale Bibliothek

Adventkalender – Christmarkt vor dem Berliner Schloß von Gottfried Keller

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Welch lustiger Wald um das hohe Schloß
hat sich zusammengefunden,
ein grünes, bewegliches Nadelgehölz,
von keiner Wurzel gebunden!

Anstatt der warmen Sonne scheint
das Rauschgold durch die Wipfel;
hier zurückt man Kuchen, dort brät man Wurst,
das Rüchlein zieht an die Gipfel.

Es ist ein fröhliches Leben im Wald,
das Volk erfüllet die Räume;
die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,
die fällen am frohesten die Bäume.

Der eine kauft ein bescheidnes Gewächs
zu überreichen Geschenken,
der andre einen gewaltigen Strauch,
drei Nüße daran zu henken.

Dort feilscht um ein winziges Kieferlein
ein Weib mit scharfen Waffen;
der dünne Silberling soll zugleich
den Baum und die Früchte verschaffen.

Mit rosiger Nase schleppt der Lakai
die schwere Tanne von hinnen;
das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,
zu ersteigen die grünen Zinnen.

Und kommt die Nacht, so singt der Wald
und wiegt sich im Gaslichtscheine;
bang führt die ärmste Mutter ihr Kind
vorüber dem Zauberhaine.

Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:
im düstern Bergesbanne
stand reifbezuckert auf dem Grat
die alte Wettertanne.

Und zwischen den Ästen waren schön
die Sterne aufgegangen;
am untersten Ast sah man entsetzt
die alte Wendel hangen.

Hell schien der Mond ihr ins Gesicht,
das festlich still verkläret;
weil auf der Welt sie nichts besaß,
hatt´ sie sich selbst bescheret.

Gottfried Keller (1819 – 1890)

Weiterführende Infos:
Gottfried Keller Homepage
Gottfried Keller – Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin

Adventkalender – Stern von Bethlehem von Francisca Stoecklin

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Stern von Bethlehem

Unendlich Blau.
Geweihte Nacht.
Und immer fällt der Schnee
In zarten Sternen.
Deckt die weite Erde sacht.
Heilige Nacht …
Durchglüht vom Leidensblut
Des lieben Herrn.

Wir pilgern noch im Dunkel.
Doch wir sehen seinen Stern.

Trauriger Tag im Winter

Der Himmel hängt bleich über der kalten Erde.
Frierende irren wir durch entlaubte Alleen.

Am Ufer füttern wir die weißen Möwen,
Hungrige Tiere mit weichem Brot.

Im Armenhaus verwelken die Freudenmädchen,
Verfallen Gesichter, im Mitternachtsweinen.

Auf den Sternen betet man für uns Tote.

Francisca Stoecklin (1894 – 1931)

Weiterführende Infos:
Liebeslyrik – Francisca Stoecklin
Wortblume – Francisca Stoecklin

Adventkalender – Die Heil‘gen Drei Könige aus Morgenland von Heinrich Heine

Dienstag, 9. Dezember 2008

Die Heil‘gen Drei Könige aus Morgenland,
Sie frugen in jedem Städtchen:
„Wo geht der Weg nach Bethlehem,
Ihr lieben Buben und Mädchen?“

Die Jungen und Alten, sie wußten es nicht,
Die Könige zogen weiter;
Sie folgten einem goldenen Stern,
Der leuchtete lieblich und heiter.

Der Stern blieb stehn über Josephs Haus,
Da sind sie hineingegangen;
Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,
Die Heil‘gen Drei Könige sangen.

Heinrich Heine (1797-1856)

Weiterführende Infos:
Heinrich Heine-Portal
Heinrich Heine bei Zeno.org
Wikipedia – Heinrich Heine