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„Die Stadt außerhalb“

27. November 2015 von wela

Ein wunderbares Buch über Steinhof

Die Stadt außerhalb. Zur Architektur der ehemaligen niederösterreichischen Landes- Heil- und Pflegeanstalten für Geistes- und Nervenkranke am Steinhof in Wien.“
Herausgegeben von Caroline Jäger-Klein und Sabine Plakolm-Forstub der Fotografien von Wolfgang Tahler. Birkhäuser-Verlag, 370 Seiten.

Die Stadt außerhalb Steinhof Das Buch ist ein Ergebnis der Aufarbeitung von vor einigen Jahren entdeckten Plänen, Fotografien und sonstigen Dokumenten aus der Entstehungszeit der Anlage, die an Instituten der TU-Wien unter Mitwirkung von Studierenden im Rahmen ihrer Ausbildung aufgearbeitet wurden. Es biete auf 379 Seiten eine Fülle von Informationen für ArchitektInnen ebenso wie für HistorikerInnen oder MedizinerInnen oder einfach für LiebhaberInnen dieses wunderbaren Ortes. Das Buch zeigt wie bis in kleinste Details die Bauten, die Anlagen, die Geräte entwickelt und individuell an den Ort und den Bedarf angepasst und trotzdem einheitlich gestaltet wurden. Es zeigt, dass vielfach völlig neue Wege gegangen wurden und die konstruktiven Lösungen zu den ersten ihrer Art gehören. Z. B. ist die Eisenbetondecke der Wäscherei mit ihren Oberlichten die erste ihrer Art mit einer so großen Spannweite (sie ist durch den geplanten Umbau zu Wohnungen in ihrem Bestand gefährdet).

Das Buch wird jene erfreuen, die diesen Ort schon immer schätzten und jenen vielleicht die Augen öffnen, die diesen weltweit einzigartigen Schatz, den Wien mit Steinhof besitzt, noch nicht in seiner ganzen Bedeutung erkannt haben.

Beitrag von Wolfgang Veit

Herr Leopold bekommt gewaltigen Ärger

24. November 2015 von eag

Aufzeichnungen und Notizen aus Wien-Mariahilf
Herr Leopold PortraetFortsetzung vom letzten MalEintrag 14. August

Theophilus hielt die Entdeckerfreude weiter in Atem. Ich wünschte, sie hätte es nicht getan! Das gab wieder Ärger! Theophilus schlich die Theatermauer entlang, trippelte die Stufen hinauf, die zum „Eingang 1. und 2. Rang“ führten, hielt kurz inne, warf mir einen Blick zu und formte mit seinen Lippen lautlos die Aufforderung: „Komm jetzt, Onkel Leopold.“
Was blieb mir anderes übrig? Im Nu war er die Stufen wieder hinuntergesaust, jetzt schlichen wir das Gebäude weiter entlang. Wie Diebsgesindel kam ich mir vor und ich erinnerte mich an unser Abenteuer im Käseparadies auf dem Naschmarkt. Schließlich entdeckten wir neben dem Haupteingang einen Spalt im Mauerwerk und zwängten uns hinein. Ein enger, jedoch vor den Augen der Menschen schützender Ort. Von hier aus konnten wir den weiten Platz vor dem Theater gut überblicken. Menschen in eleganter Kleidung standen in kleinen Gruppen um hohe Tischchen – und aßen.
„Belegte Brötchen“, flüsterte Theophilus. „Eines ist auf den Boden gefallen.“ Er deutete auf eine mit etwas Rotem bestrichene Schnitte Weißbrot, die neben einem Paar schwarzer Stöckelschuhe zu liegen gekommen war.
„Du wirst doch nicht“, ich hielt ihn am Jackenärmel fest, „du wirst doch nichts vom Boden zu dir nehmen!“
„Ach, Onkel Leopold, du mit deinen Manieren. Das sieht doch köstlich aus.“ Er deutete auf das Brot. Er war hingerissen. Dieses Funkeln in seinen Augen beim Anblick von Nahrungsmitteln. Das kam mir nur zu bekannt vor – Erwin …
„Komm, lass es uns probieren.“
„Niemals!“
So ging es eine Weile hin und her.
„Nein.“
„Bitte, doch“
„Niemals!“
„Nur probieren.“
„Nein.“
Gut, meine Argumente waren nicht sehr durchdacht. Möglicherweise war das der Grund, warum Theophilus mit seiner Hartnäckigkeit die Oberhand behielt. Mit einem Satz war er beim Weißbrot. Verdrückte ein großes Stück, kaute, kaute, kaute, schluckte. Und dann – seine Schnauze wurde knallrot, harmonisierte mit dem Rot auf dem Kanapee. Ich konnte sie förmlich sehen: aus seinen Ohren qualmende Rauchwölkchen, aus seinem Mund hervorschießende Flammensäulen. Das Kanapee musste mit etwas Scharfem, etwas sehr Scharfem!, bestrichen gewesen sein. Ich vergaß alle Vorsicht und raste zu Theophilus. Ich musste ihn aus der Gefahrenzone bringen. Theophilus hustete und würgte.
Ich trieb ihn zur Eile. „Los, los, wir müssen weg hier.“ Schon wollten wir unter den Tischen und zwischen Menschenfüßen die Flucht antreten – doch herrje!, eine Frau hatte uns entdeckt. Natürlich stieß sie einen gellenden Schrei aus. Ich lächelte ihr freundlich zu und winkte. Da wurde ihr Schreien noch gellender, noch schriller, noch lauter. In Windeseile kamen andere Menschen herbei, fragten, was los sei. Ein Stimmengewirr erhob sich. Ich versuchte, Theophilus weiterzuziehen, aber er war vor lauter Husten und Beinahe-Abbrennen nicht mehr in der Lage, eine Pfote vor die andere zu setzen. Ich blickte nach oben. Da zeigte ein rotlackierter Fingernagel direkt auf uns.
Und dann sausten grüne Scheibchen, weiße Patzen, gefolgt von etwas rosarot-grau Marmorierten mit hoher Geschwindigkeit auf uns herab. Um uns war es nun sehr, sehr dämmrig. 1 Wir waren garniert – mit Essikgürklein und Mayonnaise – und von einem Wurstblatt zugedeckt. Der Duft dieser Wurstdecke schien Theophilus‘ Zustand etwas zu lindern. Zumindest hatte er mit dem Würgen, Spucken und Husten aufgehört.
„Uns bleibt keine Zeit!“ Ich deutete nach oben. Wahrscheinlich zückte man bereits Gabel und Messer, um auf uns einzustechen. „Bei drei werfen wir das Wurstblatt von uns und dann renn, so schnell du kannst, am besten zurück ins Beet unter den Garderobenfenstern.“ Theophilus nickte.
„Eins. Zwei. Dreiiiii!“ Die Wurst flog, wir rasten los.
„Da sind sie!“, kreischte jemand.
„Was, es sind zwei? Igitt!“, schrie jemand anderer.
Schwarze Lackschuhe hasteten hinter mir her und ich musste mein ganzes Geschick aufbieten, um den Geschosshagel in Form von grünen Oliven zu entgehen. Ich konnte noch sehen, wie Theophilus einen Klacks Ketchup verpasst bekam, dann war er verschwunden. Hoffentlich hat er es geschafft, flehte ich und bekam eine Olive an den Kopf. Jetzt begann ich, langsam ärgerlich zu werden. Hatten diese Menschen denn keinen Verstand! Mit Essen Mäuse verjagen! Wo blieb der Besen? Die Mausefalle? Das Gift? Gut, man kann von einer Abendgesellschaft nicht erwarten, dass die Damen einen Besenstil im Handtäschchen mit sich führen oder die Herren in der Brusttasche eine Lebendfalle bei sich tragen. Ich war also mitten im Ärgern und Wundern, da traf mich ein Salatblatt und hätte mich beinahe zu Sturz gebracht. In letzter Sekunde konnte ich mich noch derappeln, wäre aber ein Groß-Pfot weiter in einer orangefarbenen Cocktailsauce ausgerutscht. Doch plötzlich, ein fester Griff um meine Pfote, meine Hinterbeine wurden förmlich vom Boden gerissen und eh ich mich versah, lag ich zwischen hohen Brennnesselstängeln.
Überall stach und brannte es, aber ich war in Sicherheit.
„Ihr habt ja Nerven.“
„Erwin? Was machst du denn hier?“
„Na, jedenfalls nicht erwischen lassen.“
„Wo ist Theophilus? Konnte er fliehen?“
Erwin zeigte hinter sich und ich erkannte meinen Neffen. Seine Nase war mit roten Tupfen gesprenkelt. Er lächelte erschöpft.
„Es ist alles ein bisschen verwirrend“, sagte ich, „wie bist du so plötzlich aufgetaucht? Woher wusstest du, dass wir hier sind?“
„Also“, begann Erwin, „erstens, wusste ich, dass es heute eine Vorpremiere hier im Theater gibt …“
Ich schaute Erwin verwundert an. Seit wann interessierte der sich fürs Theater, und seit wann wusste er um die Existenz des Wortes Vorpremiere? Und überhaupt, was sollte das mitten im Sommer für eine Vorpremiere sein?
Er schien meine Gedanken erkannt zu haben und meinte: „Ja, Herr Leopold, ich kann lesen, die Ankündigungsplakate hängen ja überall hier herum. Vorpremiere, das ist so was Ähnliches wie eine Eröffnung vor der Ausstellungseröffnung …“
Mein Staunen wuchs ins schier Endlose.
„… das weiß doch jeder Nager, Leo“, setzte Erwin unbeirrt fort, „und Premieren und Eröffnungen bedeuten immer: Buffet!“
„Aber woher wusstest du, dass wir …?“
„Als ich das Geschrei hörte und Oliven fliegen sah, da überkam mich eine Ahnung.“ Er grinste.
Nachdem sich die Aufregung unter den Menschen gelegt hatte, möglicherweise war die Pause wieder zu Ende und der nächste Teil – von welchem Stück auch immer – begann, traten Theophilus und ich zwei müden Kriegern gleich den Heimweg an. Begleitet von Erwin, der uns von seinen gehamsterten Vorräten etwas abgeben wollte. Als er den Zipfel einer Essiggurke aus den Tiefen seiner Hosentasche hervorzog, lehnte sogar Theophilus ab.
Ich war nach diesem Vorfall sehr kaputt und erschöpft. Nicht einmal die abendliche Brise, die durch die Gassen streifte, konnte mich aufmuntern.

Nachtrag – 19:07 Uhr: Schrubben und bürsten haben nichts genutzt. Ich fürchte, die Mayonnaise-Flecken werden erst beim nächsten Fellwechsel verschwinden.


1: Das erinnert doch – erraten – an das Abenteuer in der Perücke im Foltermuseum.

Fortsetzung am Dienstag, 8. Dezemeber 2015.

Alle bisherigen Abenteuer finden Sie hier.

Eine Stadt. Ein Buch. 2015

24. November 2015 von eag

100.000 Gratisbücher

„Zum 14. Mal findet heuer bereits die große Buch- und Leseförderungsaktion „Eine Stadt. Ein Buch.“ statt, bei der seit 2002 jedes Jahr ein Autor bzw. ein Buch in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt wird.

Diesmal werden 100.000 Exemplare von „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder verteilt.

1670 Mit dem Buch stellt Jostein Gaarder den Anspruch, die Geschichte der abendländischen Philosophie zu erklären und zwar so, dass sie für ältere Kinder (ab 14 Jahre) spannend und verständlich aufbereitet ist.

Die Tage der Buchpräsentation sind heuer der 25. bis 26. November 2015.
Das Gratisbuch kann unter anderem am Mi., 25. 11. ab 14:30 und am Do., von 10:00 – 12:30 und 14:30 – 18:30 im Wiener Bücherschmaus abgeholt werden.

Jostein Gaarder studierte Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaft und unterrichtete danach in verschiedenen Schulen. Mit seinem zweiten Roman – „Sofies Welt“ – gelang ihm 1993 der Durchbruch als Schriftsteller. Seither hat er mehrere Romane („Maya oder Das Wunder des Lebens“, „Das Orangenmädchen“) verfasst, die von Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen gerne gelesen werden. Er lebt mit seiner Ehefrau, einer Theaterkritikerin, und seinen beiden Kindern in Oslo.

Mädchen mit Beziehungen

19. November 2015 von eag

Mit ihren Reizen spielen, das konnte sie!
Maedchen mit Beziehungen „Mädchen mit Beziehungen“ erzählt das Leben der Margarete Slezak, einer berühmten Schauspielerin und Sängerin, inmitten einer Zeit großer politischer Umwälzungen. Ein Porträt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, interessant hauptsächlich durch die Schilderung der damaligen Gesellschaft und auch des Kulturbetriebs unter Adolf Hitler.

Der Inhalt von „Mädchen mit Beziehungen“ lässt sich kurz zusammenfassen: Margarete ist die hübsche Tochter des berühmten Opernstars Leo Slezak und hat schon seit frühester Kindheit nur ein Ziel: ebenso berühmt zu werden wie ihr Vater. Dieser ist allerdings dagegen und sähe seine Tochter lieber als züchtige Hausfrau. Doch Margarete weiß sich zu helfen, trickst ihren Papili aus und nutzt zum ersten Mal ihre Beziehungen, um sich hinter dem Rücken ihres Vaters als Sängerin ausbilden zu lassen. Dieses Motiv umspannt ihren Werdegang, ihren Erfolg und auch ihre Lebenskrisen: Als junge Künstlerin beeindruckt sie Adolf Hitler, der ihr zukünftig oftmals zur Hilfe steht. Margarete, die jedoch jüdischer Herkunft und gleichzeitig mit einer ordentlichen Portion Naivität gesegnet ist, erkennt dabei erst sehr spät, wie gefährlich dieser Mann eigentlich ist. Doch er schützt ihre Familie und ihre Karriere, er ist ihr Protektor. Als Margarete aber nach und nach draufkommt, dass Hitler doch nicht nur ein kunstaffiner Wohltäter und Gentleman ist, bricht sie den Kontakt ab. Sie bekommt zwar Spielverbot, ihre Familie übersteht den Zweiten Weltkrieg aber ohne größere Schicksalsschläge. Auch nach dem Krieg, als der Wunsch auf die Bühne zurückzukehren größer und größer wird, ergreift sie die rettende Hand der amerikanischen Besatzung. Am Ende erreicht Margarete ihr Ziel der großen Karriere und des Erfolges.

„Mädchen mit Beziehungen“ ist ein Buch, das in sich etwas widersprüchlich ist: teilweise kurzweilig und spannend, teilweise redundant und sich in die Länge ziehend. Situationen wiederholen sich, die Charaktere wirken teilweise flach und klischeehaft, an anderen Stellen sind sie dafür wieder berührend und lebensnah in Szene gesetzt. Margarete, die als selbstgefälliges, standhaftes Naivchen porträtiert wird, kann in ihrer Schilderung schon einmal an den Nerven der LeserInnen zehren und man ärgert sich darüber, dass es immer jemanden gibt, der Margarete unter die Fittiche nimmt und sie vor einer richtigen Konfrontation mit sich selbst bewahrt. Auch ein bisschen mehr Witz täte der Story gut, die an manchen Stellen ein Übermaß an Rührseligkeit aufweist. Die Autorin erklärt im Vorwort dass sie eine eingehende Recherche für das Buch angestellt habe, einiges sei aber auch Fiktion. Gerade diese Mischung erscheint im Sinne einer historischen Korrektheit als schwierig, denn man weiß nicht, was im Buch Realität und was Fiktion ist und teilweise wirken die geschilderten Szenen etwas an den Haaren herbeigezogen LiebhaberInnen von anspruchsvollen und akkurat recherchierten Biografien werden von diesem Buch enttäuscht sein. Trotzdem: Alle, die in das Ambiente der Künstlerszene Berlins unter Hitler zurückreisen möchten, eventuell auch noch Opern-, Musik- oder Slezakfans sind und Gefallen an einer packenden Lektüre finden: Einsteigen, bitte!

Teresa Mossbauer

Hanna von Feilitzsch – Mädchen mit Beziehungen

Feilitzsch Verlag, Miesbach-Tegernsee 2015. 352 Seiten, € 19,99 (D)

Literatur am Montag – Lesung und Musik mit Clementine und Helmut Skorpil

16. November 2015 von eag

Guter Mohn, du schenkst mir Träume Cover

„Guter Mohn, du schenkst mir Träume.“

Clementine Skorpil präsentiert ihren neuen Shanghai-Kriminalroman, erschienen im Herbst 2015 im Löcker Verlag. Musikalische Umrahmung Helmut Skorpil.

Datum und Uhrzeit: Montag, 23. November 2015, 19.00 Uhr
Ort: Buchhandlung „Wiener Bücherschmaus, Garbergasse 13/Ecke Mittelgasse – Millergasse, 1060 Wien

Der Eintritt ist frei. Spenden für die Leseförderprojekte des „Wiener Bücherschmaus“ erbeten.

Im Shanghai der 1920er-Jahre versucht der Icherzähler des Romans herauszufinden, was hinter dem Tod seines Freundes steckt. Ein Roman über einen Schelm, der vom Analphabeten zum Intellektuellen wird, ein Krimi, ein Porträt einer Stadt, von der Aldous Huxley meinte, sie sei das pure Leben, ein Drama über historische Ereignisse – trotzdem aktuell.

Shanghai 1927: Das Leben ist hart in den Elendsvierteln jenseits des Huang Pu. Da, wo die Hütten der ganz Armen stehen. Wen Pi als Ältester von neun Geschwistern hat zu tun, die ganze Familie satt zu kriegen, mit Betteln und Stehlen und möglichst ohne von der Polizei erwischt zu werden. Einzige Freude: sich in der Gruppe mit der feindlichen Gang zu prügeln. Bis eines Tages der kleine Hu aus der Bande tot ist: erschossen. Und er ist nicht der einzige Junge, der, noch bevor er ein Mann ist, diese Welt verlassen muss.
Die Behörden interessieren sich nicht für die Morde. Ohnehin gehören die Chefs zum Teil selbst der örtlichen Triade, der Green Gang, an, und zum anderen überstürzen sich die politischen Ereignisse …

Clementine SkorpilClementine Skorpil:geboren 1964 in Graz, Studium der Sinologie und Geschichte, Auslandssemester in Taiwan, später Übersetzerin für Deutsch-Chinesisch. Arbeitet als Journalistin und Lektorin bei der Tageszeitung „Die Presse“, Lehrbeauftragte an der FH Wien. Publiziert Erzählungen, Kurzprosa, Kurzkrimis und historische Romane, die in China spielen, zuletzt „Gefallene Blüten“ bei Ariadne. Im Frühjahr Erzählband: „Hollerstraße 7“, Edition Taschenspiel. Mitglied bei Podium und im Österreichischen PEN-Club. Mehrere Preise für Kurzprosa/-geschichten. Lebt mit Familie in Neulengbach, Niederösterreich.

Beiträge vor einem Jahr:
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Vorweihnachtlicher Gusto auf Literatur & Poetry Slam

16. November 2015 von eag

Große Literatur zu kleinen Preisen

Weihnachtsengerl Der „Wiener Bücherschmaus“ ist zu Gast im „Werkl im Goethehof“.

Adresse: Schüttaustraße 1-39/6/R02, 1220 Wien
Datum: Samstag, 21. November 2015
Uhrzeit: 15.00 bis 18.00 Uhr

Bei vorweihnachtlicher Kost – Lebkuchen, (alkoholfreien) Punsch – können die BesucherInnen literarische Leckerbissen (Bücher in Hülle und Fülle) naschen – und diese auch günstig erwerben.

Anschließend um 18.30 Uhr: POETRY SLAM
Ein sehr vergnügliches Wettlesen um die Gunst des Publikums. Wer antreten möchte, benötigt zwei selbstverfasste Texte, egal ob Lyrik oder Prosa, deren Vortragsdauer jeweils 5 Minuten nicht übersteigt.
Und wer zusehen, zuhören, Publikum sein möchte, gebe sich dem Genuss voll hin.

Das „Werkl im Goethehof“ ist keine 5 Minuten von der U1 Station Kaisermühlen entfernt. Einfach unter der Unterführung in Richtung Schüttaustraße gehen

Beiträge vor einem Jahr:
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Herr Leopold bekommt gewaltigen Ärger

10. November 2015 von eag

Tagebuchaufzeichnungen und Berichte aus Wien-Mariahilf.

Herr Leopold Portraet14. August

Pünktlich, wie sie im Frühling eingetroffen sind, haben sie Mariahilf wieder verlassen, die Schwalben. Vorbei das luftige Fangenspielen. Der Herbst beginnt. Das Licht nimmt bereits einen goldgelben Glanz an. Die Schatten werden schärfer. Nun gehört der Stadthimmel wieder den Tauben, Krähen, Rotschwänzchen, Spatzen, Drosseln, Amseln und Falken alleine. Oft fragte ich mich in den letzten Wochen, ob ich die Ankunft der Schwalben im nächsten Frühling noch erleben werde.

Wie kurz ist so ein Mäusedasein …

16. August

In der Früh klebten noch immer Mayonnaise-Reste in meinem Fell, hinter Theophilus‘ rechtem Ohr prangte der Schnipsel eines Essiggürkleins. Außerdem ist seine Zunge noch ziemlich geschwollen. Ich schimpfte mich wieder einmal einen alten Narren, der den Flausen eines jungen Mäuserichs nicht Einhalt geboten hatte. Kulturelle Abende sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Und: Kanapees können Kopfschmerzen bereiten. Und: Zeigt sich eine Maus den Menschen, bleibt diese Begegnung nicht ohne Folgen – zumeist für die Mäuse. Und Halten Menschen Essbares in den Händen, dann darf sich ihnen eine Maus nie, NIEMALS!, zeigen. Und: Sind Menschen elegant gekleidet, heißt das nicht, dass sie sich beim Anblick einer Maus auch elegant und stilvoll benehmen.
Auslöser dieses Desasters war Theophilus‘ botanische Neugierde. Er wollte am Abend noch ein paar Grünanlagen inspizieren. Ich schlug vor, uns Richtung Gürtel zu halten.
Wir starteten unseren Rundgang an der Ecke Millergasse-Mittelgasse und pirschten uns durch dichtes Gebüsch. Wir stolperten über Semmelstücke, zerknülltes oder in Auflösung befindliches Zeitungspapier, über Zigarettenstummel – botanisch Interessantes war nichts dabei. Wir marschierten die Matrosengasse weiter, aber außer ein paar Grasbüscheln sowie Brennnesselblättern, die zwischen den Pflastersteinen hervorsprießen und einem Fleckchen Moos neben einem Autoreifen, gab es nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Erst als wir in die Ägidigasse abbogen, bot sich an einer Hauswand Sehenswertes: Grashalme mit etwas Buschigem oben drauf. „Alopecurus pratensis 1. Na immerhin“, stellte Theophilus fest. Das war ihm Motivation genug, die Suche fortzusetzen. Alsdann: ab durchs Beet neben dem Altglascontainer Ägidigasse-Spalowskygasse. Über unseren Köpfen im Geäst veranstalteten zig Spatzen ein riesen Trara. Aufgeregt hüpften sie im Geäst des Zierstrauches hin und her. Unten in den Niederungen stolperten wir über Reis und Brotbrösel, zerknülltes oder in Auflösung befindliches Zeitungspapier, Zigarettenstummel, Glasscherben – botanisch Interessantes war nichts dabei. Lediglich neben dem Pfosten an der Gehsteigkante schaute ein Löwenzahnblatt hervor. Trotzdem: Für Theophilus war das Gebiet spannend und ergiebig genug und wir setzten unseren Weg fort. Der führte uns an einer schier endlosen Mauer aus Buchenhecken entlang.
Da! Plötzlich! Viele schwarze und dunkelviolette Beeren, die uns wie Augen aus den Hecken anstarrten. Ich war dermaßen erschrocken, dass ich wie angewurzelt stehenblieb. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Schließlich obsiegte die Neugierde, ich fasste Mut und griff nach einer Beere, da schrie Theophilus, der wenige Groß-Pfot vor mir gegangen war, voll Entsetzen: „Nicht!“
Blitzartig zog ich meine Pfote zurück.
Er hastete zu mir zurück, blieb schwer atmend vor mir stehen: „Nicht … den … Solanum dulcamara 2, der … ist … giftig. Wenn du das schluckst, … dann aber … Hallo!3
Einen weiteren botanischen Versuch starteten wir in der Anlage vor dem Gebäude, aus dem immer viele fröhliche, manchmal auch weniger fröhliche Menschenkinderstimmen zu hören sind. An manchen Sonntagen betreten Erwachsene, meist gemessenen Schrittes, das Haus, um nach wenigen Minuten wieder herauszukommen. Wir marschierten durch trockenes Gebiet. Und obwohl wir unsere Pfoten vorsichtig auf die Erde setzten, wirbelten wir doch eine Menge Staub auf, der heftiges Gehuste auslöste. Die einzige Abwechslung war ein buntes Plastikmännchen mit einem Säbel in der Hand. Es bot inmitten dieser Einöde einen sehr traurigen und verlassenen Anblick. Beinahe so traurig und verlassen wie die kugelförmigen Bäume, unter denen verdorrte Blätter raschelten.
Ehrlich gestanden, ich zweifelte immer mehr an der Sinnhaftigkeit unserer Expedition und fragte Theophilus, ob er noch weitersuchen wolle. Der spähte in diesem Moment um die Mauer aus roten Ziegelsteinen und nickte heftig. Was sollte es Großartiges zu entdecken geben? Zwischen den Pflastersteinen wuchernder Breitwegerich und Löwenzahn? Die kannte ich auch. Und Gänseblümchen, die ihre Köpfe durch den Asphalt zwängten, waren mir ebenfalls bekannt. Theophilus jedoch ließ nicht locker und so trippelten wir die Mauer entlang zum Gebüsch unterhalb der Garderobenfenster des Raimundtheaters. Der Weg dorthin war gesäumt von kleinen, verhutzelten Kastanien. Frühreif hatten sich einige bereits vom Baum gestürzt. Eine besonders vorwitzige drohte Theophilus auf den Kopf zu fallen, und nur mittels eines beherzten Sprunges zur Seite entkam er dieser Kastanienattacke. Dabei wäre er beinahe in einen Gackhaufen gefallen. Nach diesem, zum Glück nur olfaktorisch unangenehmen Erlebnis, hoffte ich inständig auf einen baldigen botanischen Höhepunkt “ – und tatsächlich fand sich dieses Mal ein winziger Pflanzenschatz. „Stella media, Lactuca serriola, Senecio vulgaris!“, rief Theophilus begeistert und schrieb in sein Notizheft: Vogelmiere, Stachellattich, Greiskraut. Und während er notierte, vernahmen wir Stimmen. Die dazugehörigen Menschen mussten ganz in der Nähe sein. Aus dem Stimmengewirr tauchten immer wieder ein Lachen, hin und wieder ein Husten auf. Dazwischen hörten wir „Plopp“ und „Klirr“.


Fortsetzung folgt am 24. November 2015


1: Wiesen-Fuchsschwanz
2: Bittersüßer Nachtschatten
3: Deliriumsartige Zustände sind da noch das kleinere Übel …

Alle bisherigen Abenteuer finden Sie hier.

Ft oder Das Recht auf Faulheit

4. November 2015 von eag

Eine typographische Auseinandersetzung mit der Faulheit
Ft oder Das Recht auf Faulheit_opt

To-do-Liste abgehakt? Von einem Termin zum nächsten gehechtet? Beim Wort „Müßigang“ ein schlechtes Gewissen bekommen? Dann lesen Sie dieses Buch nicht.

Oder nein: Lesen Sie es doch. Staunen Sie, was Sie alles in komprimierter Form lernen können. Zum Beispiel, worum es Max Frischs Homo Faber (4 Sätze) oder in Cervantes‘ Don Quijote‘ geht (2 Sätze). Zu faul für Filme? Kein Problem. In wenigen Strichen sehen Sie „Der Herr der Ringe“ oder Titanic“. Kreativ sein geht sich nie aus? Oooooh doch. Mit einem speziellen „Malen nach Zahlen“ schaffen Sie es.

Sehr speziell – und sehr humorvoll – setzt Designerin Kathrin Radke sich mit dem Thema Faulheit auseinander. Mit Zeichnungen aus Buchstaben und Wörtern spielt sie typographisch mit unterschiedlichen Aspekten des Faulseins, bringt dieses teilweise radikal auf den Punkt. So besteht das oben erwähnte Malen nach Zahlen aus genau einer Ziffer und einem dazugehörigen Punkt. Oder zehn Seiten bleiben einfach leer. Wer mit nichtvorhandenen Lateinkenntnissen angeben will, braucht nur den fürs Text-Layout beliebten Blindtext auswendig lernen, der mit den Wort Lorem ipsum beginnt …
Und wie leicht ist es, mit Copy and Paste Seiten zu befüllen – genau mit dem Wort „Seiten“, das Kahtrin Radke über zwei Seiten akkurat nebeneinander und untereinander stellt, um auf der nächsten Seite festzustellen: „Das lief ja wie geschmiert. Da schreib ich gleich weiter“. Schon laufen Buchstaben, Sonderzeichen und Zahlen in sinnfreien Konstellationen über das Papier. Beim Lesen und Betrachten erfreut man sich an Bild-und Buchstabenwerken aus geflügelten Worten, an Erfaulgen, an der Erweiterung von faulen Ausreden sowie an der Tastatur für Faule.
Und nach der Lektüre? Gibt’s noch was zu tun? Ja, aber das kann man auch morgen erledigen. Oder übermorgen. Oder nächste Woche …

Wie alle Bücher aus dem Kunstanst!ifter Verlag bietet auch „Ft oder Das Recht auf Faulheit“ optischen und haptischen Genuss und vermittelt en passant Wissen über Schrift und Druck: graublauer Leineinband mit Prägung – die übrigens etwas mit Alfred Hitchcock zu tun hat –, Lesebändchen und gedruckt auf EOS Werkdruck, Volumen 2.0fach, 90g/m2, bläulichweiß.
Und für typographisch gar nicht Faule: gesetzt in Livory und Brandon Grotesque.

Petra Öllinger

Kathrin Radke – Ft oder Das Recht auf Faulheit.
kunstanst!fter Verlag, Mannheim 2015. 128 Seiten. €18,60 (Ö)

© Cover: Kathrin Radke / kunstanst!fter Verlag

Nominiert für den German Design Award 2016.
Auf der Longlist der Schönsten Bücher der Stiftung Buchkunst 2015.