Literaturgefluester

2008-10-15

Klausen

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:01

Da ist neulich in Klausen viel passiert, obwohl man so genau nicht sagen kann, was, da der eine Teil der Kleinstadtbewohner das eine, der andere genau das Gegenteil gesehen haben will.
Es ist jedenfalls ein Schelmenstück, das der Bad Nauheimer Autor Andreas Maier über die Südtiroler Kleinstadt in wahrhaft Thomas Bernhardscher Manier ausbreitet und es beginnt ganz harmlos beim Verzehr von sauren Kalbskopf und einem Viertel Roten beim Unterwirt in Feldthurns.
Denn da wird Josef Gasser in einem Vorstück beobachtet, das sich schnell zum Klausener Hauptstück ausweiten wird.
Josef Gasser, der Schustersohn, der nach seinen renitenten Entwicklungsphasen zuerst in Innsbruck studierte, danach in Berlin seinen Dialekt verliert und schließlich trotz des Wunsches nach einer gerechten Gesellschaft im Klausener Fremdenverkehrsamt zu arbeiten beginnt, ist auf seine Schwester Kathi, die als berühmt gewordene Schauspielerin, das erste Hotel bewohnt neidig, so daß er in seinen Amtsstunden, die deutschen Touristen freundlich aus der Stadt auf die Autobahn vertreibt, in dem er behauptet, alle Hotels seien durch einen Ärztekongreß ausgebucht und sich nächtens im „Keller“ mit seinen Saufkumpanen trifft.
Zuerst spaziert Gasser mit einem Paket herum, das eine Waffe enthalten könnte, dann wird der Grundstückspekulant Alois Zurner überfallen, verdächtige Plakate mit heimatlichen Sprüchen tauchen auf und es kommt zu einem Terroranschlag auf der Autobahn, der natürlich mißglückt.
Die auf der Ploderburg untergebrachten Pakistani und Albaner werden von der Polizei gestürmt und auch wieder nicht, denn sie können von einem Saufgelage erzählen, das Josef Gasser, der später berühmt gewordene Künstler Leopold Auer und ein ständig besoffener Deutscher namens Badowsky mit einigen Kärntner Antifaschisten, die sich allerdings aggressiv benehmen und nach den albanischen Mädchen schielen, durchführten. Dann gibt es noch den unbelehrbaren Nationalisten Perluttner, der vom ewigen Deutschtum schwafelt und die Italiener in der Hauptstadt Rom nicht leiden kann, während die deutschen Touristinnen so gern nach Klausen zur Erholung kommen, weil dort keine Türken sind.
Es ist eine Farce, die der 1967 geborene deutsche Autor da locker auf 214 Seiten im Stil des oberösterreichischen Meisters hinunterbrilliert und schnell und packend zu lesen, obwohl kein Stein auf dem anderen bleibt, man von einer Anspielung zur nächsten geschleudert wird und am Ende nicht mehr weiß, um was es bei diesem Verwirrspiel geht.
Denn es ist doch normal, daß es in einem idyllisch schönen Ort Umweltschützer gibt, die die Landschaft erhalten wollen und Grundstückspekulanten, Antifaschisten, sowie Ausländerhasser gibt es sicher auch, nur der Künstler, der ein Stipendium ablehnt, weil er Geld nicht braucht, ist vielleicht unrealistisch. Ein bißchen E. T. A. Hoffmann ist auch zu merken.
Ein paar amüsante Lesestunden also, während Orhan Pamuk in Frankfurt die Buchmesse mit einem Festvortrag eröffnete und weil ich auch ein bißchen vom Türkeischwerpunkt profitieren will, werde ich mir Yasar Kemals „Der Granatapfelbaum“ zur künftigen Lektüre ins Badezimmer legen.

1 Kommentar »

  1. dein blog wird immer besser, immer besser und ich bald schon süchtig danach, neuigkeiten geflüstert zu bekommen. hoffentlich bis morgen!! -im leseblog

    Kommentar von ofips — 2008-10-16 @ 22:14 | Antworten


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