Da bin ich gestern also bestens ausgerüstet in meine zweite Jurysitzung gestartet.
Vorher war ich noch beim Friseur und habe im Stadtplan nachgesehen, wo sich der Concordiaplatz befindet und bin dann, weil mich eine Frau die Kirche am Gestade hochschickte und sich das Zimmer des Ministerialrats Stocker im fünften Stock befindet, fünf Minuten zu spät gekommen. Nils Jensen war noch nicht da, Sylvia Treudl ist erkrankt und hat ihre Vorschläge schriftlich bekannt begeben.
So daß Helmuth Niederle, der Pen-Präsident Helmut Stefan Milletich und ich dreiundvierzig Vorschläge machten, aus denen fünfzehn ausgewählt werden mußten.
Unsere Meinungen differierten, ich habe mich eher an die jüngeren Frauen gehalten, die Mittleren eben und bin dabei ziemlich allein gewesen, habe aber etwa fünf Vorschläge doch durchgebracht, während einige Romane, die ich für hervorragend halte, unberücksichtigt geblieben sind.
Wäre Sylvia Treudl anwesend gewesen, hätte es vielleicht anders ausgesehen, so haben die Prämien bevorzugt die berühmten älteren Männer und auch einige solcher Frauen bekommen. Ich bin ja durchaus kompromißbereit. Die Namen überzeugen auch und die sozialen Aspekte, auf die Helmuth Niederle großen Wert legte.
Ich bin nur nachher draufgekommen, daß wir in Gefahr waren, auf dem Test, den vielleicht die Werkstätte Kunstberufe oder jemand anderer mit seinen fiktiven Verlagen unternahm, um die Kompetenz von Juryentscheidungen zu überprüfen, hereinzufallen, denn ich habe mir in den letzten Wochen wirklich viele Bücher durchgesehen, aber alle auf der Liste kannte ich nicht.
Die Namen, denen ich letztlich zugestimmt habe, aber schon und so habe ich heute nachgesehen, ob alle Verlage der vorgeschlagenen Bücher existieren.
Sie tun es natürlich und das leitet über zu der Lesung eines meiner Favoriten, Hanno Millesi, der heute seinen Roman „Der Nachzügler“ im Literaturhaus vorgestellt hat, in dem es auch um den Literaturbetrieb geht.
Ich habe ja gedacht, das wäre mein Thema, bemerke aber in letzter Zeit, daß sich einige Autoren damit beschäftigen und auch berühmt werden.
Thomas Glavinic mit seinem „Das bin doch ich“ zum Beispiel und jetzt Hanno Millesi, dessen Roman, bei dem es um einen experimentellen Autor geht, der im Nebenberuf als Ermittler tätig ist und sich dabei eine Guerillaaktion gegen ungerechte Juryentscheidungen und den ihn langweilenden Literaturbetrieb ausdenkt, habe ich schon bei der Buch-Wien durchgeblättert.
Die Veranstaltung hat etwas später angefangen, weil sie im Radio falsch angekündigt war. Es waren nicht sehr viele Besucher, aber einige experimentelle Autoren da.
Ilse Kilic, Fritz Widhalm, Ann Cotton, Brigitta Falkner und dann noch Bettina Balaka, die realistischer schreibt.
Die Ausstellung „Privatsachen“ von Liesl Ujvary über die Schreibtische von meist ebenfalls experimentellen Dichtern und Dichterinnen gab es in der Wartezeit ebenfalls zu bewundern. Christiane Zintzen hat in ihrem Blog auf die Lesung hingewiesen und ich habe Hanno Millesi im Literaturgeflüster schon erwähnt, den ich von den Zeiten kenne, wo ich mich noch um das Staatsstipendium für Literatur beworben habe.
Da ist mir sein Name mehrmals aufgefallen. Dann hat er beim Wahnsinnsymposium des Ernst Kostal seine wirklich beklemmenden Kindergeschichten, die mich immer an die Entstehungsbedingungen einer Schizopherenie im Sinne des längst vergessenen Double Binds denken lassen, vorgetragen. Später hat er einen Text für die lange Nacht des Hörspiels geschrieben, wo er echt Tondokumente einer Polizeiaktion, als die experimentellen oder auch nicht experimentellen Autoren gegen die Kürzung des Autorenhonorars protestierten, verwendete, geschrieben und drei oder vier Romane, die in der Edition Luftschacht herausgekommen sind.
Den Text, den er beim Bachmannpreis vor ein paar Jahren gelesen hat, habe ich für einen der besten gehalten, der vorgetragen wurde und seine Gedanken über den Literaturbetrieb und dessen Ungerechtigkeiten sind natürlich interessant.
Im Anschluß gab es Bier und die experimentellen Autoren scheinen alle starke Raucher zu sein. Ich gratuliere Hanno Millesi herzlich zum nächsten Preis, den er bekommen wird, auch wenn er ihn für ungerecht empfinden sollte.
2008-11-26
Jurysitzung und Literaturhauslesung
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