Literaturgefluester

2009-04-23

W.G. Sebalds „Orte“

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:14

W.G. Sebald, der Name ist mir ein Begriff, auch wenn ich nicht genau weiß, woher.
Wirklich gelesen habe ich von dem 2001 verstorbenen Autor nicht viel.
Aber ich tippe mal auf Anthologien, vielleicht auf die, die man früher in Deutschland zum Welttag des Buches (der sich wieder jährt) bekommen hat oder auch von den Hörbuchproben, er könnte auch einmal bei einer „Literatur im März“ Veranstaltung gewesen sein.
Ich habe mir jedenfalls im Literaturhausprogramm die Veranstaltung angestrichen.
„Film/Lesung/Gespräch“ und es war eine Offenbarung.
Eine Begegnung mit dem Dichter des Todes, der von diesem Thema besessen war und gern Friedhöfe besucht hat. Wenn das nicht passt!
Thomas Honickel hat einen Film darüber gemacht „Sebald. Orte“, der zum ersten Mal in Österreich gezeigt wurde. Clemens J. Setz hat aus „Schwindel.Gefühle“ gelesen und Bonmots eines jungen Dichters von sich gegeben, der sein zweites, sehr dickes Buch, vor ein paar Wochen im Literaturhaus vorgestellt hat. Dann gab es noch ein Podiumsgespräch mit den beiden und mit Marcel Atze von der Wien-Bibliothek, das Günther Eisenhuber vom Residenz-Verlag geleitet hat.
Ich habe viel erfahren. Denn eigentlich habe ich von dem 1944 in Allgäu geborenen Dichter, der fünfunddreißig Jahre in England gelebt hat, Literaturwissenschaftler war und in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod literarisch sehr bekannt geworden ist, nicht viel gewußt.
Mit „Germanistenprosa“ wurde er beschimpft, war umstritten, hat sich offenbar sein ganzes Leben mit dem Schuldgefühl, 1944 in Deutschland geboren, glücklich aufgewachsen und erst zwanzig Jahre später begriffen zu haben, daß der Vater Nazi war, herumgeschlagen. (Darüber habe ich auch im „Haus“ geschrieben und heute wieder korrigiert.)
W.G. Sebald hat es intensiver getan. Am intensivsten wahrscheinlich mit dem Roman „Austerlitz“, der sich mit der Suche nach der Erinnerung beschäftigt, aber auch in den anderen Büchern. Da sucht einer nach dem Sinn des Lebens und kommt darauf, es gibt ihn nicht. Und eigentlich schreibt er von sich selbst.
In dem Stück das Clemens J. Setz aus „Schwindel.Gefühle“ gelesen hat, geht es um zehn Tage in Wien, in denen der Autor oder Ich-Erzähler, Marcel Atze erklärte, in diesem Fall ist es dasselbe, den ganzen Tag spazieren geht, in der Leopold- Inneren- und Josefstadt und sich nur in Cafes aufhält aber nicht mit der Straßenbahn zu fahren traut und das so intensiv betreibt, bis ihm die Schuhe in Fetzen von den Füßen fallen und ihm der Hotelportier seltsam nachschaut, dann fährt er nach Klosterneuburg und geht mit Ernst Herbeck in Kritzendorf spazieren.
Es geht um Spiegelungen und Verschlüsselungen und permanente Begegnungen mit schon Toten, die wichtige Hinweise geben, die man nur erkennen kann, wenn man sich intensiv mit dem Werk beschäftigt.
So fährt der Erzähler von Austerlitz z.B. mit dem Bus nach Theresienstadt, um dort Hinweise über seine Mutter zu bekommen und sieht im Bus Casanova, der vor einer schwarzen Wand einen seiner Romane schreibt, was dann ein Hinweis auf Auschwitz ist.
Clemens J. Setz hat auch ein erlebtes oder gut erfundenes Spiegelerlebnis gebracht. Er fährt im Zug nach Wien ins Literaturhaus und hört eine Sebald CD, dann steigt er um in Bruck und sieht einen Mann, der genau wie der tote Dichter aussieht und als er sich umdreht, ist er verschwunden.
„Natürlich glaube ich nicht, daß das der Geist W.G. Sebalds war!“
Und ich beschäftige mich in meinem Wirtschaftsroman ja auch gerade mit solchen Spiegelungen. So könnte Franka Stein auch eine Friedhofsgeherin sein.
Es war also ein sehr interessanter Abend, der einem Dichter gewidmet war, der, wie Robert Huez in seiner Einleitung erwähnte, in Österreich noch nicht so rezipiert wird.
Nachher gab es Wein und ein interessantes Gespräch mit der Bibiane und Sascha Manowicz, den ich fragte, ob er nicht beim Begräbnis war oder ich ihn übersehen habe?
Er hat nichts davon gewußt, hat er mir geantwortet. Dabei war es im Standard und die GAV hat die Parten ausgemailt.

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