Wieder ein aktueller Schreibbericht, weil ich im Literaturgeflüster auch Auskünfte über meine Schreibfortschritte geben will. Erstens ist das eine gute Dokumentation, zweitens freue ich mich immer über die Schreibberichte der anderen. Deshalb finde ich Cornelia Travniceks Blog so interessant, weil man da hautnah am literarischen Geschehen mitnaschen kann.
Anni Bürkl führt ein literarisches Tagebuch, und wenn mir andere Autoren, in diesem Falle sind es Frauen, auf meine Frage, was sie gerade schreiben, antworten, darüber spreche ich nicht, hat mich das immer sehr geärgert. Glauben sie, ich schreibe es ihnen etwa weg? Das geht gar nicht, bin ich mir sicher, auch wenn ich über mein aktuelles Schreiben schreibe, müssen der oder die, die es nachahmen wollen, selber kreativ werden und da kommt am Ende etwas anderes heraus.
Über die „Haus“ Entstehung habe ich Anfangs des Jahres schon viel geschrieben und für mich war das sehr interessant. Die Dokumentation des großen Romans, der eine knappe Erzählung wurde, die in ein paar Tagen geliefert wird.
Und das Schreiben ist da sehr schnell vor sich gegangen und ein bißchen anders, als das, was ich sonst so schreibe. Ich war in ein paar Monaten fertig und habe mich dann leer und ausgebrannt gefühlt.
Manische Schreibprozesse kenne ich auch, sie sind bei mir zwar selten. Bei dem Jugendbuch „Lore und Lena“, das 1993 entstanden ist, hat mich das Manuskript aber total berauscht und habe es bis aufs Klo mitgenommen und bei der Radfahrt mit dem Alfred und den Francs um den Neusiedlersee die Gruppe ein paar Mal verloren, weil ich so darauf konzentriert war. Das Buch ist zum Teil auch im Autobus, als ich mit dem akademischen Reisedienst vier Tage nach Lemberg und Krakau gefahren bin, entstanden und das ist die Parallelle zur Sophie Hunger, wo ich sehr aktiv in Italien war, fünf Szenen in Bozen, zwölf auf der Sizilienreise geschrieben habe. Dann habe ich mit dem Schreiben aufgehört, weil ich es zuerst eintippen und durchlesen mußte und das ist jetzt getan. Gestern bin ich fertiggeworden. Derzeit gibts im Rohkonzept dreiundfünfzig Seiten und fünfunddreißig Szenen, wobei ich Szene vierunddreißig noch schreiben muß. Anfang März war ich völlig ausgeschrieben. Ich habe zwar gleich wieder angefangen, irgendetwas treibt mich dazu, ich bin ja eine besessen Schreibende, habe aber nicht recht gewußt, was.
So klar wie beim „Haus“, das ich auf dem Campingplatz von Tatranska Lomnica und auf einigen Bergtouren konziperte und dann ein halbes Jahr liegenließ, bis ich es in ein paar Wochen heruntergeschrieben habe, war es nicht.
Die Idee, daß ich über die Wirtschaftskrise schreiben will, ist zwar bald gekommen und ich trage auch ein paar Themen in mir, die ich immer wieder anschreibe, aber noch offen sind.
Ein bißchen habe ich mich in den Literaturquiz geflüchtet und ein paar Wochen vor Ostern bei einem Recherchegang ein paar Handlungspunkte festgelegt. Der Name Sophie Hunger ist mir auf der Fahrt nach Leipzig eingefallen, als ich vom Spaziergang nach Hause gekommen bin, habe ich eine ältere Frau mit zwei kleinen Mädchen gesehen, das war das Vorbild für die Hertha Werner, die sich um ihre Enkeltöchter kümmert, weil die Mutter ein Messie ist, die von ihrem Mann verlassen wurde.
Meine psychotherapeutischen Fallerfahrungen spielen natürlich auch eine Rolle, das ist sicher eine Ressource, die ich noch nicht gesehen habe, als mich in den späten Achtzigerjahren Friedl Jary für Radio Österreich International in einem Interview darauf ansprach. Und der Postpool interessiert mich natürlich auch. Das ist ja ein Wahnsinn, wie da mit Menschen umgegangen wird.
Da hatte ich dann schon drei Handlungsstränge. Sophie Hunger wird als freiberufliche Lektorin freigesetzt, so einen Handlungsbeginn gibt es schon bei der „Begrenzten Frau“. Aber man schreibt immer denselben Roman, ein Leben lang, das ist das Motto zur „Die Zusteigerin oder die Reise nach Odessa“. Dann kam von meinen Literaturquizorgien der Einfall mich mit Vampiren oder anderen Fantasyfiguren zu beschäftigen. Die Idee eine Sucht zu beschreiben, ist auch interessant, davon bin ich aber abgekommen. Die Arbeiterbibliothek der Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts, die ich von meinem Vater erbte, habe ich auch schon beschrieben. Dann kam das Brunngraber Buch und inzwischen begibt sich die arbeitslose Sophie von ihrem selbstgewählten Winterschlaf auf den Donaukanal und knüpft eine Freundschaft zu dem alten Mann, der sich Karl Lakner nennt und aus meiner Wunschvampirin ist die Friedhofsrednerin Franka Stein geworden.
Dann gibt es die Seitenstränge, den ausrangierten Postbeamten Felix Baum, der wenig Erfahrungen mit Frauen hat und bei seiner Mutter wohnt, Valerie aber auf ihrer Suche nach Hubert begleitet. Die Idee habe ich von der letzten Reise mitgenommen, den Namen Oswald habe ich gewählt, weil ich in Bozen den Oswaldweg gegangen bin.
Das ist es, alles noch ein wenig vage, die Schneeflockenmethode, die Jackeline Nagel auf ihren schriftstellerwerden.de so propagiert, funktioniert bei mir nicht wirklich. Ich bin eher eine spontane, aber auch schnelle Schreiberin. Die mit einer Idee beginnt, die ich in mein Notizbuch aufschreibe und sich Szene für Szene vorwärtstastet, aber immer nur vier oder fünf im Voraus, so daß sich alles noch verändern kann und das passiert bei diesem Text besonders stark.
Daß ich einen Handlungsfaden brauche, habe ich schon geschrieben. Beim Wiener Stadtroman war es der Tag, zerlegt im Viertelstundenrhythmus, bei der „Radiosonate“ das einsame Jahr. Hier könnte es Valeries Suche nach Hubert sein, als sie in Budapest angekommen ist, ruft ihre Mutter an und sagt, Hubert kommt zu dir zurück und sie antwortet „Danke schön!“
Wie es mit der Großmutter und Sophie Hunger weitergeht, weiß ich noch nicht so ganz. Vor allem bei den Karl Lakner Szenen hänge ich noch ziemlich in der Luft und muß meine Kreativität spielen lassen.
Was mir in Italien auf jeden Fall gelungen ist, abgesehen von der Titelfindung, vorher ist es unter „Wirtschaftsroman“ gelaufen, ist, daß ich wieder ein bißchen Lust an der Sache bekommen habe. Vorher war ja das Burnout. Anni Bürkl, aber auch Jacqueline Nagel haben das in ihren Blogs beschrieben. Vorsicht bei den Szenen, die langweilen. Während ich mir jetzt vorstellen kann, das Ganze im Sinne des Nanowrimowritings mit ein bißchen Freude und Neugier kommen zu lassen. Trotz anderer Meinungen, bin ich inzwischen schon ein bißchen selbstbewußt und denke, daß ich schreiben kann und ich schreibe ja sehr viel und auch die Tatsache, daß ich jetzt schon fast ein Jahr beinahe täglich einen literarischen Artikel fabriziere, ist sicherlich sehr hilfreich.
Ich merke ja an meinen Mails oder Befunden, daß mir das leichter, als meinen nicht schreibenden Kollegen fällt und es gibt auch die Meinung, alle zehntausend Seiten kommt ein Qualitätsvorwärtssprung.
Also auf eine neue spannende Arbeit, bei der ich die immer noch vorhandenen Zensoren im Kopf, weiter loswerden will und mir, was sicher wichtig ist, Zeit lasse, die Figuren und die Handlung kommen zu lassen und nicht vorschnell abzubrechen.
Alfred ist heute wieder für zwei Wochen mit seinem Freund Karl nach Italien gefahren, da kann ich mich neben meiner psychotherapeutischen Praxis in eine Schreibklausur begeben und da ich das Geschriebene jetzt auch immer ausdrucken und durchlesen kann, bin ich an der Weiterarbeit nicht behindert.
2009-06-06
Sophie Hungers Krisenwelt
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