Literaturgefluester

2009-08-18

Söhne und Planeten

Filed under: Uncategorized — jancak @ 01:04

Jetzt habe ich doch den 2007 erschienenen Roman „Söhne und Planeten“ des Grazers Clemens J. Setz gelesen, der Mathematik und Germanistik studierte, 2007 mit seinem Debutroman gefeiert wurde, 2008 beim Bachmannwettbewerb gewann und den ich zuletzt im April im Literaturhaus bei W.G. Sebalds „Orte“ hörte, wo auch sein zweiter Roman vorgestellt wurde.
Herwig Bitsche wird sich freuen oder auch nicht, denn ich habe das Buch im Oktober bei diesem Kirchenflohmarkt in Spratzern um einen Euro gekauft und eigentlich schon weggeräumt gehabt, jetzt habe ich es wieder hervorgenommen, denn es ist ja interessant, was junge Männer schreiben, die 1982 geboren wurden, obwohl mich ein Roman über Väter und Söhne, wie ich anfangs dachte, nicht besonders reizte.
Es sind aber vier ineinander verwobene Novellen und da ist es wieder spannend, daß einen so jungen Mann so ernste Themen interessieren. Das Germanistik- und Mathematikstudium merkt man dieser kompliziert aufgebauten Novellensammlung an und die erste Erzählung „Kubische Raumaufteilung“ habe ich schon gekannt, nämlich im Radio bzw. bei einer Lesung gehört.
Es geht um Rene Templ, dem genialen vierundzwanzigjährigen Dichter, der eine Geliebte namens Natalie, einen Sohn und eine Gattin hat und aus seinem Haus ausziehen soll, weil diese Wohnumgebung für das Söhnchen nicht förderlich ist.
Kevin hat nämlich Atembeschwerden und soll beim HNO zur Überprüfung seiner Lungenfunktion in eine Dolmetscherkabine, traut sich das nicht, der Vater bietet an, ihn zu begleiten, bricht das Experiment aber ab und flüchtet auf das Klo, zuletzt schrumpft er auf Zwergengröße, so daß er schließlich in dem Buch in seiner Schreibtischlade verschwinden kann, um sich der Verantwortung der Vaterrolle zu entziehen und das Bild aus Natalies Wohnung ist auch aus dem Rahmen gefallen.
Man denkt an Franz Kafka und im zweiten Teil „Fuge zu Ehren des Sonnensystems“ wird es noch literarischer, obwohl es um das Sterben geht oder um eine Schwimmrunde alternder Dichter und Germanisten zu der Ernst Mauser geladen hat, weil er aus seinem Haus auszuziehen will, nachdem seine Gattin Anna gestorben ist.
Hier ist der geschrumpfte Rene Templ der jüngste Gast und glänzt in seiner dichterischen Genialität, während es in der „Stillen Post“ um die Rahmenhandlung am Tag des Begräbnisses von Victor Senegger, dem Sohnes eines der Gäste, der vorigen Schwimmrunde geht. Die spielt in der Schule während einer geplatzten Deutschschularbeit in der Kafka als Schreibimpuls und Eineitungsstatement das Thema ist.
Der Vater wird zum Nachlaßverwalter der Texte seines Sohnes, die immer wieder in kurzen Einschüben in der Erzählung auftauchen und es geht auch um eine Nina, die in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, während sie in Novelle IV „Die neuere Katharer Forschung“ mit ihrem siebenjährigen Wunderkind Andreas zusammenwohnt, das sich bereits für Kirchengeschichte interessiert.
Nina wird besucht von einem jungen Dichter, der ein Manuskript einer begabten Jungautorin im Rucksack trägt und mit Mutter und Sohn essen geht, sich als Vegetarier überwindet, Andreas Hühner-Nuggets aufzuessen, wovon sich der Sohn so gedemütigt fühlt, daß er in einer Kurzschlußreaktion das Manuskript der Jungautorin verbrennt, aber das war schon Victors Sprung in den Tod, worauf sich der Kreis schließt und eine sehr komplizierte Handlung über die Beziehung dichtender Väter zu ihren Söhnen beendet, die ineinander so verwoben ist, daß man das Ganze auch anders erzählen könnte und ich außerdem viel ausgelassen habe.
Im zweiten Teil gibt es ein „Korrekturen“ genanntes Kapitel, in dem Karl Senegger die Korrekturen von Victors ungezählten Manuskriptseiten an den Helian – Verlag schickt und das führt mich zu meinem „Aktuellen Korrigierbericht“, denn da hat sich mit meiner Stammleserin wieder eine lange Diskussion über den bemühten Dilettantismus, sprechende Namen und, ob und wie man Schreiben lernen kann, was ja gut zu diesem komplizierten Romandebut passt, ergeben.
Ich hab ja manchmal Schwierigkeiten mit Frau Heideggers deftigen Feststellungen und bin mir auch nicht sicher, ob das nun eine konservative ältere Dame mit Hauptschulbildung bzw. Germanistikstudium ist oder doch ein linker Kabarettist, der mich auf den Arm nehmen will?
Aus beruflichen Gründen neige ich dazu, sehr viel ernst zu nehmen und bin wahrscheinlich auch so ein interessierter fleißiger Dilettant.
Achtung, ich meine das nicht abwertend, denn ich bin ja für die Kreativität für alle und habe weder Germanistik studiert, noch die Schule für Dichtung besucht, aber das Literaturgeflüster und hoffe, ich renne damit nicht mehr, wie noch Don Quichotte, gegen Windmühlen an.
So finde ich die Diskussion trotzdem spannend und habe viel gelernt dabei, denn natürlich glaube ich an das „learning by doing“ und daran, daß man sich immer weiter entwickelt, ganz egal, wo man schon steht. Zur Rechtschreibung kommt noch ein Artikel.

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