Nun etwas anderes, nämlich das Buch von Anna Sam „Die Leiden einer jungen Kassiererin“, Frankreichs bekanntester Supermarkt-Kassiererin, die während und nach Abschluß ihres Literaturstudiums acht Jahre in einer Großsupermarktkette jobbte, ihre heiteren, skurrilen oder frustrierenden Erlebnisse in einem Blog veröffentlichte und damit 600.000 Leser hatte.
Anfang des Jahres ist das Buch auf Deutsch erschienen, war kurz groß als der neue Bestseller angekündigt, so daß es mir der Alfred, vermutlich über Morava oder Anna Jeller, brachte.
Leselustfrust hat es schon bespochen, jetzt habe ich es vom Badezimmer-SUB genommen, denn das Thema ist ja interessant.
Ich gehe auch in den Diskontmarkt einkaufen, bin eine Sonderangebotskäuferin, die wahrscheinlich schon manche Kasserierin zur Verzweiflung brachte, wenn ich statt der Sonderangebotseier, die teueren erwischte.
Daß die prekär Teilzeitbeschäftigten, die meist allein an ihren Kassen sitzen und immer freundlich sind, die ärmsten sind, ist bekannt, in dem Buch steht es trotzdem ein bißchen anders.
Da macht sich der neue Star der Literaturszene nämlich lustig über die Kunden und hat das, was einmal ein Weblog war, in einer sehr einfachen leicht verständlichen Sprache in kurze Kapitel zusammengefaßt.
Berichtet nun von Kunden, die ständig fragen, ob „sie offen“ und wo nun die Toilette ist, obwohl das deutlich angeschrieben steht. Erzählt von Leuten, die das Geld für den Käse oder die Milch aus den Schuhen ziehen oder kurz auf die Toilette verschwinden, um es dort von wo weiß her herauszuziehen und wo hat sich der Kunde, der jetzt seine Artikel auf das Laufband legt, seine Finger klebrig gemacht. War es Honig? Es wird doch nicht…?
Dann gibt es die Kunden, die unbedingt als erste in den Markt drängen oder diesen nicht verlassen wollen, obwohl es schon nach einundzwanzig Uhr ist und der Sicherheitsmann sie bereits an der Hand hinauszieht.
Aber auch die kritischen Stellen, in denen sie den Zynismus oder die Chuzpe beschreibt, mit der die Manager der großen Firmen mittels Waschmittelpaket und dem darin enthaltenden „Mega-Geschenk“ die Verbraucher zu Kleinkindern degradieren, kommen vor.
Oder das „Kapitel „Kindermund“, wo sie von den Müttern schreibt, die ihren Kindern damit drohen, daß sie, wenn sie nicht brav lernen, auch einmal so etwas Blödes wie Kassiererin werden müssen, aber liebe Blauäugige: „Die Zeit, da Universitätsabschlüsse noch auf direkten Weg zum Traumjob führten, sind lange vorbei! Heute können Sie sich auch mit Diplom um einen McJob bewerben!“
Frech, flott und sehr schnodderig geschrieben, irgendwo habe ich in einer Rezension gelesen, daß die Sprache für eine, die Literatur studiert hat, enttäuschend ist und das Buch ist, glaube ich, inzwischen wieder von den Bestsellerlisten verschwunden.
Interessant über die prekären Verhältnisse der Handelangestellten nachzudenken, ist es allemal und es kann auch zu der Betrachtung hinüberführen, daß Blogs auf interessante Themen aufmerksam machen und manchmal auch zu Büchern bzw. Bestseller werden können.
Denn da gibt es noch andere Beispiele von engagierten Blogs.
„Die Packerin – Notizen aus den Niederungen des Buchhandels“, die eine engagierte Buchhändlerin jahrelang führte und es dann mit einem Buch für optimische Dilettanten, sprich BoD, versuchte und auf 72 Seiten viel zu wenig, wie Leselustfrust meinte, veröffentlichte.
Die literarischsten Veröffentlichungen eines Bloggers werden wohl Rainald Goetz „Abfall für alle“, der mit der Rasierklinge beim Bachmannpreis sein Suhrkamp Taschenbuch in mehreren Bänden, gibts bei Buchlandung um einen Euro, wenn man fünf Bücher kauft, sonst muß man 2.99 dafür zahlen (und darf den Cent Restgeld nicht einmal der meist weiblichen Servicekraft schenken, so steht es jedenfalls bei Anna Sam).
Goetzs Bücher sind sicherlich viel schwerer als „Die Leiden einer jungen Kassiererin“ zu lesen und ich habe natürlich auch schon über eine Veröffentlichung des Literaturgeflüsters nachgedacht.
Werde es aber nicht tun, jedenfalls nicht als optimistische Dilettantin bei Digitaldruck.at, denn bei wordpress.com habe ich mehr Öffentlichkeit und es ist auch billiger.
Anders wirds natürlich, wenn Suhrkamp, Rowohlt oder auch ein anderer Publikumsverlag zu mir mit dieser Frage kommen sollte.
2009-09-04
Die Leiden einer jungen Kassiererin
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