Jetzt hab ich endlich das Sommerbuch von Elke Heidenreich und Platz drei der ORF besten Liste in der Manesse Neuauflage ausgelesen. Das heißt, natürlich die alte Rowohltausgabe von Thomas Wolfes Erstroman „Schau heimwärts Engel, von 1954, die ich vor Weihnachten aus einer Bananenschachtel für zehn Cent gezogen habe und vergessen hätte, hätte es nicht Elke Heidenreich zum Buch der Woche gemacht.
Aber sie hat ein anderes Buch besprochen, nämlich die siebenhundertachtzig Seiten dicke Neuübersetzung, die sie als spritziger, klarer, leichter, als die Rowohlterstübersetzung von 1932, die ich wahrscheinlich gelesen habe, bezeichnete.
Meine „Geschichte vom begrabenen Leben“, wurde jedenfalls von Hans Schiebelhuth übersetzt und hat nur vierhundertsiebenundvierzig Seiten, keine Ahnung, wie das gehen kann?
Aber es ist ohnehin die Frage, was der Sinn einer besseren, leichteren, moderneren Übersetzung sein soll?
„Schuld und Sühne“ heißt ja jetzt auch anders, aber ich überlege mir natürlich, wie ist das dann mit der Originalausgabe, sollte man die dann nicht auch verändern, damit sie spritziger und leichter wird?
Wogegen ich selbstverständlich bin, deshalb ist es gut, daß ich keine Neuausgabe hatte und das Buch ist auch so sehr interessant, obwohl und weil ich lang daran gelesen habe.
Nämlich der erste Roman, eines jungen Mannes, der 1900 geboren wurde und 1930 dafür den Nobelpreis bekam.
„Das ist ein Erstlingsbuch!“, steht im Vorwort und ein autobiografisches , die Jugend des Eugen Gant, dem Sohn des Steinmetzes Oliver Gant und seiner Frau Eliza, das jüngste von acht Kindern, in einer amerikanischen Kleinstadt geboren, alles wie es auch bei Thomas Wolfe so war, der damit die Literaturgeschichte veränderte, 1935 einen zweiten dicken Fortsetzungsband vorlegte, bevor er 1938 an Tuberkulose starb.
Ein amerikanisches „Buddenbrooks“, ich habe es eher als eine Familiengeschichte als ein Gesellschaftsportrait verstanden.
Ein seltsames Buch, das von allem und nichts handelt und auf vierhundert oder siebenhundert Seiten genau, wiederholend, dahinspringend, die ersten achtzehn Jahre eines jungen Mannes erzählt, der in dieser Familie aufwächst, der Vater Säufer und verkappter Künstler, der an seiner Sensibilität zerbricht, wie Elke Heidenreich es nannte, schließlich erzeugte er Engel für Gräber, die Mutter, eine ehemalige Lehrerin, die tüchtige, amerikanische Geschäftsfrau, die Land kauft, eine Pension führt und acht Kinder geboren hat, sechs Knaben, zwei Mädchen, von denen einige schon bei der Geburt starben, von den anderen Geschwistern wird der kleine Eugen aufgezogen, geliebt oder auch tyrannisiert.
In meiner Übersetzung kommt noch oft das Wort Neger vor, in der Neuübersetzung wird es wohl politisch korrekter heißen und so springen wir dahin in der Jugend des genialen jungen Mannes, der ein Jahr eine Privatschule besuchte, bevor er mit sechzehn von seinem Vater auf eine staatliche Universität geschickt wird und am Schluß des Buches auf eine andere zieht. Da hat er vorher noch ein deja vue Erlebnis mit seinem toten Bruder Ben, wird um sein Erbe geprellt und hat auch einige Liaisonen mit älteren Damen, die ihn verlassen, um ihren Liebsten zu ehelichen.
Nicht leicht zu lesen, aber trotzdem beeindruckend, vor allem, wenn man schon die später entstandenen „Buddenbrooks“ kennt, wie die von Uwe Tellkamp und Jonathan Franzen vielleicht und es sind auch noch viele andere Amerikaner von Wolfes Stil geprägt worden.
Mir gefallen die Stellen, die vom authentischen amerikanischen Leben handeln, dem Coca Cola, den Sozialgesetzen und der Diskussion darüber und wenn man es mit dem Brunngraber vergleicht, ist es sicherlich viel lebendiger und moderner, auch wenn ich die verstaubte Kurzausgabe gelesen habe.
Der erste Weltkrieg und seine Auswirkungen auf den jungen Eugen kommt natürlich ebenfalls vor und ich finde es spannend, so ein altes Buch zu lesen, man lernt viel dabei und die Geschichte, sowohl, die der Literatur, als auch des Weltgeschehens, ist ja etwas was mich interessiert.
2009-10-03
Schau heimwärts Engel!
2 Kommentare »
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Dann also: Eine etwas weniger oberflächliche Lektüre des Wikipedia-Artikels https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Wolfe hätte sowohl ergeben, warum die Neuübersetzung so viele Seiten mehr aufweist (sie legt die ungekürzte Erstfassung des us-amerikanischen Originals zugrunde anstatt die erheblich gekürzte erste Druckfassung), als auch, dass es Sinclair Lewis war, der 1930 den Literatur-Nobelpreis erhalten hat und in seiner Preisrede auf Thomas Wolfe hinwies.
Kommentar von Bonaventura — 2018-01-01 @ 17:02 |
War ein spannendes Buch, ich kann mich erinnern es in einer Kiste um ein paar Cents gefunden zu haben und zeitgleich hat es Elke Heidenreich in ihrer damaligen Internetsendung besprochen.
Ich frage mich ohnehin immer was Neuübersetzungen bringen sollen? Die sind dann in der übersetzten Sprache ganz anders, während sie im Original hoffentlich gleich bleiben, was für mich ein <ungleichgewicht ist. Aber da ich ohnehin meistens, die älteren Bücher lese, liebe Grüße und ein schönes neues Jahr
Kommentar von jancak — 2018-01-01 @ 17:32 |