Literaturgefluester

2009-10-11

Meilengewinner

Filed under: Uncategorized — jancak @ 09:45

Ein rasantes Buch vom scheinbar nutzlosen sich Betrinken, Übernachten in Abbruchhäusern, Lammfleischkochen, idealististischen Halbe-Halbe Stehlen und Orangenpflücken, um den Winter in Kreta über die Runden zu bringen, das Roadmovie „Meilengewinner“ von Stephan Alfare, über den ich öfter schon geschrieben habe.
1966 wurde er in Bregenz geboren, lebt nach wahrscheinlich ebensolchen Reisen, seit 1990 in Wien.
1992 habe ich seine sehr beeindruckenden Gedichte kennengelernt, dann sind ein paar Bücher bei Selene herausgekommen, von denen ich einige gelesen habe.
2000 ist er beim Bachmann-Wettbewerb aufgetreten, „Meilengewinner“ ist das zweite, bei Luftschacht erschienene Buch. Er hat eine sehr eigene, kräftig, originelle Sprache, die auch hier zu merken ist, vielleicht weniger als in den Selene Bänden, weil das hier scheinbar oder auch tatsächlich autobiografischer ist, vielleicht bin ich sie auch schon gewohnt.
Das Buch beginnt jedenfalls bei Michalis in Paleohora und endet in Toulouse an der Mauer vor dem Krankenhaus und der namenlose Ich-Erzähler taumelt dazwischen ein-zwei Jahre auf der Suche nach Freiheit und Abenteuer, wie poetisch im Klappentext steht, auf oben beschriebener Weise vor sich hin.
Von Bira, Harzwein,Tsikoudia zu billigen Ouzo, Marihuana spielt auch eine Rolle, ich würde es Selbstzerstörung nennen. Von zärtlichen, beiläufigen Begegnungen mit merkwürdigen Menschen und Landstrichen, wird im Klappentext geschwärmt und eine Handlung gibt es natürlich auch, auch wenn man die bei soviel Saufen, Geldhaben, Geldausgeben und der Suche nach Gelegenheitsarbeiten gar nicht gleich erkennt.
Es beginnt also bei Michalis in Paleohora, da kommt ins Wirtshaus, wo der österreichische Erzähler mit Casey Crab einem Engländer trinkt, eine so merkwürdige vor Schmutz starrende Frau herein, die wie fünfzig aussieht, dreißig ist und sich als die Römerin Gianna Maria Rossi entpuppt, die der namenlose Erzähler in sein schönes Dreibettzimmer nimmt, in dem er schon mit Casey wohnt.
Später verlassen sie es, um im Norden Arbeit zu suchen, die sie nicht finden, wohnen kurzfristig in einem Rohbau auf schmutzigen Decken dort, wo sich später das Klo und das Bad befinden werden und kochen das oben erwähnte Chili, dann werden sie getrennt.
Der Erzähler übernachtet mit neuen Freunden in einem ehemaligen Lazarett, das aus World war II zurückgeblieben ist, klaut einem besoffenen Schweden den Paß und der Frau, die durch einen U-Bahn Unfall ihren Sohn verloren hat, das Geld, wobei er ausnahmsweise einmal, sein edles Halbe-Halbe Prinzip verläßt. Schließlich landet er mit dem Schweden auf einer Plantage, wo er eine Zeitlang Orangen pflückt und zwei Französinnen kennenlernt, bevor es mit dem Schweizer Kunstmaler Beat Züngli weitergeht, mit dem fährt er zuerst nach Athen, dann nach Österreich, wo sie sich trennen, um in einem kleinen Dorf in Vorarlberg als Totengräber zu arbeiten. Stephan Alfare hat das auf dem Ottakringer Friedhof getan, aber dann kommt ein Brief von der Französin Valerie und es geht zurück nach Griechenland. Hier verschwindet der Held kurzfristig in einem Gefängnis oder einer Psychiatrie, weil er zuviel Stoff erwischte oder war das schon in der Türkei oder anderswo?
Weiter gehts nach Frankreich, zu der Familie Valeries, ihrer dicken Schwester, dem Stiefvater und der Mutter, die als Putzfrau arbeitet, um Valerie ihr Geld zuzustecken.
Das Paar hält es dort nicht lang, sie reisen weiter zur Arbeitssuche in die Obstplantagen, um schließlich vor dem bewußten Krankenhaus in Toulouse zu landen, weil Valerie ein Kind haben möchte und sich nur in Toulouse untersuchen lassen will.
So zerkrümmelt der Held Marihuana an der Krankenhausmauer, wo er einen Clochard triff, von dem er wissen will, ob er sich die Mutter halten soll?
Ein bißchen trostlos wärs zu Lesen, die Geschichte vom sich zu Todesaufen, während man Gitarre spielt und von der ewigen Freiheit im sonnigen Süden auf schmutzigen Decken träumt, wären da nicht die wirklich schönen Bilder, die immer wieder auftauchen.
Stephan Alfare, der wie ich schätzen würde, auch öfter Bier und Ouzo konsumiert, versteht zweifellos die Kunst des Schreibens und ist sicher ein originelles Talent, von dem ich hoffentlich noch viel lesen werde.

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