Da meine Abendstunde ausgefallen ist, konnte ich am Donnerstag in die Alte Schmiede gehen und das war wahrscheinlich zukunftsweisend. Denn Angelika Reitzer hielt ihre erste Moderation bei den Textvorstellungen und lud dabei drei jüngere bis sehr junge Autorinnen ein, aus ihren unveröffentlichten Texten zu lesen.
Nämlich March Höld, Patricia Josefine Marchart und Anna Weidenholzer.
Der Name Anna Weidenholzer ist mir im letzten halben Jahr mehrmals aufgefallen. Zuerst im Sommer, glaube ich, als ich durch Cornelia Travnicek auf den FM4 Wettbewerb gestoßen bin und da war sie auch mehrmals auf diesen Listen.
2003 auf Platz neun, habe ich gefunden und heuer ist sie mit „Kavkas Butterbrote“ ebenfalls in der Wortlaut-Anthologie enthalten. Dazwischen gab es noch den Marianne von Willemer Anerkennungspreis 09, den Hauptpreis hat Angelika Reitzer gewonnen und vor einer Woche den Alfred Gesswein Literaturpreis, also eine sehr aufstrebende Karriere, der 1984 in Linz geborenen, die wie ich dem alten Schmiede Programm entnehme, Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur ist und bei einem der letzten Kolik-Slams in der Gesellschaft der Literatur hat sie, glaube ich, auch gelesen.
Sehr interessant eine neue Autorin kennenzulernen, drei Autorinnen, obwohl den Namen Patricia Josefine Marchart habe ich schon gekannt.
Von ihr, die 1971 geboren wurde, lagen zwei Bücher von Jung und Jung am Büchertisch auf. Ich habe sie mir angesehen, dann ein bißchen mit Angelika Reitzer gesprochen, denn von ihr habe ich am Dienstag im Leporello gehört und da ging es um eine tolle Sache, die irgendwie auch zum Thema passt.
Denn das NÖ-Literaturhaus hat sich da ein ganz besonderes Projekt ausgedacht, Antonio Fian und Angelika Reitzer in zwei niederösterreichische Hauptschulen geschickt, um mit Schülern aus der dritten Deutsch-Leistungsgruppe ein Buchprojekt zu erarbeiten, um ganz bewußt einen Schwerpunkt gegen die Eliteförderung zu setzen.
Das Gespräch wurde zwar bald durch die Ankunft von Kurt Neumann und zwei der Autorinnen unterbrochen, aber da habe ich Patricia Josefine Marchart kennengelernt und die ist eine sehr temperamentvolle Frau. Sorgte sich mit March Höld, wie lange sie lesen sollten und überlegten, ob sie einen Wecker mitlaufen lassen sollten.
Gustav Ernst erschien und die Lesung begann mit Anna Weidenholzer, die aus der Erzählung „Hinter den Augen“ las, die Angelika Reitzer an Ingeborg Bachmann erinnerte, in einem Supermarkt und einem Wohnblock spielt und von einer Kellnerin handelt, die den einsamen älteren Herren Bierwärmer zum Bier serviert und beim Recherchewochenende der Leondinger Akademie ist Anna Weidenholzer in ein Altersheim gegangen und hat sich von einer sechsundachtzigjährigen Frau ihr Leben erzählen lassen.
Die verschiedenen Todesarten kommen in „Hinter den Augen“ auch vor und das erinnert mich natürlich an Josepha Stock aus der „Radiosonate“.
Angelika Reitzer fragte in der Diskussion, glaube ich, auch dem Realismus nach, als ob das noch immer etwas nicht so Anerkanntes wäre.
Zuerst kam aber die 1976 geborene Burgenländerin March Höld, die gerade ihr Studium am Leipziger Literatur Institut abgeschlossen hat und mit verschiedenen Perspektivwechseln von einer Reise in den Untergrund des Moskauer U-Bahnsystems „Der Tag lebt weiter“, las. Später hörte ich, daß sie sich Sorgen machte, ob sie auch gut gelesen hat und sie stellte Armin Baumgartner, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe, als den vor, der ihren Text lektorierte und ich habe sie im Anschluß ein bißchen über das Leipziger Literaturinstitut ausgefragt.
Verlag hat sie noch keinen, die Arbeit ist auch noch nicht ganz fertig, war aber sehr interessant und sehr verschieden von denen der beiden anderen Autorinnen.
Dann kam Patricia Josefine Marchart, die sehr temperamentvoll zu sein scheint und Angelika Reitzer in ihrer Vorankündigung lebhaft unterbrochen hat. Sie hat aus dem Erzählzyklus „Gemischter Satz“ zwei Geschichten gelesen und dazu erzählt, daß sie sich beim Schreiben einen bestimmten Wein dazu vorgestellt hat und ein Wein, den man aus bestimmten Sorten mischt, heißt ja auch so.
Gelesen hat sie „Aus einem Haus“ und „Schwestern unter sich“ und bei dieser Geschichte, wo es um zwei fünfunddreißigjährige Schwestern geht, die erfahren, daß ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, hat sie sich beim Lesen unterbrochen und erstaunt ausgerufen „Wie grausig, ich wußte gar nicht, daß ich so schreiben kann!“
Als ich vorhin über Anna Weidenholzer nachgegooglet habe, habe ich herausgefunden, daß Patricia Josefine Marchart mit „Schwestern unter sich“, den zweiten Marianne von Willemer Anerkennungspreis bekommen hat und denke mir, daß Angelika Reitzer sie aus diesem Grund zu den Textvorstellungen eingeladen hat. Wie sie auf March Höld gekommen ist, weiß ich dagegen nicht, ebenso nicht, wie und wo Patricia Josefine Marchart das Schreiben gelernt hat? Sie dürfte aber schon länger schreiben, da ihre Bücher 2002 und 2005 erschienen sind und die professionellen Schreibschulen gibt es bei uns noch nicht sehr lang.
Verlag für den „Gemischten Satz“ hat sie ebenfalls noch keinen, obwohl sie, als sie aus der „Schwesterngeschichte“ einen Teil gekürzt hat, ausgerufen hat, daß sie das macht, damit sich die Leute das Buch auch kaufen.
Ein äußerst interessanter Abend mit sehr viel Werkstattcharakter also. Wieder schade, daß sich nur relativ wenige Leute für die jungen Talente interessieren und etwas habe ich noch erfahren, als ich mich am Mittwoch mit Alexandra Millner über die Schreibförderer der Fünfzigerjahre, Hans Weigel und Hermann Hakel unterhalten habe, das Studium der Sprachkunst hat vier Lehrende, neben Robert Schindel und Sabine Scholl sind auch Gustav Ernst und Ferdinand Schmatz dabei.
Und die Ohrenschmaussiegertexte sind im Donnerstag Standard abgedruckt.
2009-12-04
Die Welt ist überall anders
6 Kommentare »
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immer wieder lustig und erfrischend das geflüster, informativ, danke für die mühe.
lg rl
Kommentar von rudolf lasselsberger — 2009-12-04 @ 08:23 |
forever young quasi schön alt werden… bzw jungautorautorin bis sagen wir 45? schöne grüsse. rl
Kommentar von rudolf lasselsberger — 2009-12-05 @ 21:20 |
Liebe Frau Jancak
interessant, aber eigentlich … ist es absurd, wenn eine, die Anfang der 70er-Jahre geboren wurde, als jung bezeichnet wird. (Aber ja, leider ist das gang und gäbe.)
Liebe Grüße
Anni Bürkl
Kommentar von Anni Bürkl — 2009-12-04 @ 10:21 |
Vielleicht ist es auch nur meine subjektive Empfindung, als 1953 geborene und die Jüngeren sehen das anders, ich habe mich auch eher auf den literarischen Erfolg bezogen, denn es dauert ja länger bis man das Schreiben gelernt und es in den Literaturbetrieb geschafft hat, manche kommen nie hinein!
Kommentar von jancak — 2009-12-04 @ 18:19 |
Nein, nein, es wird schon gern allgemein so genannt … und ich finde das eigentlich sehr eigenartig. Da ist man mit 40 zu alt für manche Bewerbung, aber als Autor soll man dann auf einmal jung sein? Ein Widerspruch in sich, eine weitere Verrücktheit dieser Welt.
Kommentar von texteundtee — 2009-12-08 @ 18:11 |
Ja, aber noch verrückter ist, daß man immer ausgewählt wird, von hundert Bewerbern, die angeblich besten drei und die siebenundneunzig nicht so guten bleiben über.
Wahrscheinlich ist es egal, ob ein 1970 geborener alt oder jung genannt wird, er oder sie sollte sich um jedes Stipendium und jeden Preis bewerben dürfen und wenn nicht so viel ausgewählt wird, haben auch die, die nicht so schillern, nicht so modern und griffig oder was auch immer sind, eine Chance, aber wir werden das ohnehin nicht ändern!
Kommentar von jancak — 2009-12-08 @ 19:10 |