In diesem bei Sonderzahl erschienenen Roman von Gustav Ernst fahren zwei ältere Autoren mit dem Auto von Wien nach Frankfurt, um an einer Lesung bzw. Diskussionsveranstaltung teilzunehmen, wofür sie siebenhundert bzw. neunhundert Euro Honorar bekommen sollen. Während der Fahrt machen sie Halt an verschiedenen Autobahnraststätten, trinken Kaffee, Wein, Bier, eßen gemischten Salat, vor allem aber reden sie über ihre Prostatabeschwerden, ihre Frauenbeziehungen, ihre Romane, die zu Bestsellern oder nicht dazu wurden. Über die letzten dreißig Jahre ihres Literaturlebens halt, an das sie sich erinnern oder nicht erinnern können. Dabei geraten sie in Streit, betrinken sich und werden vom Kellner aus dem Lokal geworfen. Am Schluß scheinen sie sich noch verfahren zu haben, so daß sie vielleicht gar nicht ankommen werden.
Dazwischen finden immer wieder literarische Gesellschaften statt. Die erste beginnt im Hotel Intercont in Berlin, in der ein italienischer Autor seine Wiener Übersetzerin anruft und sie bittet ihr den Beipackzettel seines Schlafmittels zu übersetzen. In den anderen, die sich vom Cafe Prückel am Vormittag bis zum Cafe Engländer nach Mitternacht durch sieben Wiener Cafes ziehen, treffen Dichter und Dichterinnen aufeinander, halten Monologe und Dialoge, in denen sie so alles über den Literaturbetrieb und die Leiden und die Freuden, die man damit hat, von sich geben.
So tritt ein Dichter auf, der zwar noch nichts geschrieben hat, aber mit dem Roman, den er schreiben würde, wenn er die nötige Zeit hätte, durchaus Erfolg haben könnte. Oder sie schimpfen über den Literaturliebhaber, der gar kein echter Autor ist. Der Dichter Kieninger soll einen mit zehntausend Euro dotierten Literaturpreis an junge Autoren vergeben und wird dabei von der Mutter eines jungen Autors und Gattin eines wohlhabenden Rechtsanwaltes, die ihn dazu egagierte, beschimpft, während die Dichterin Barbara in einem Vorzimmer sitzt und das Gesamtwerk Maria Ebner von Eschenbach für einen Katalog kurzfassen soll, um den Vorschuß abzuarbeiten, den ihr der Verlag für ein Buch bezahlt hat, das sie nach Ausbruch ihrer Psychose nicht mehr schreiben kann. Es wird von Schriftstellern erzählt, die von Kollegen angerufen werden, die gehört haben, daß sie in einer Jury sitzen und wollen, daß man sich bei der Preisvergabe für sie einzusetzen soll, während sich andere über die Langweiler, Dampfplauderer, Sprücheklopfer, ect. ärgern, die den Wildgans, Bachmann oder Toleranzpreis bekommen haben und und und.
„Ernst durchleuchtet das literarische Leben mit satirischer Verve und schwungvollen drive“, steht auf der Buchrückseite und es ist ein Buch, daß ich vor dreißig Jahren mit Begeisterung und Neugier etwas über den Literaturbetrieb zu erfahren, verschlungen hätte. Inzwischen weiß ich einiges davon und habe auch schon viel darüber geschrieben.
Gelesen habe ich es trotzdem mit Interesse. Suchtcharakter war kaum mehr da. Ich habe mich auch nicht besonders angestrengt, ob ich Vera, Elfi, Kaltenegger, Kovac, Kieninger, Gerry, Friedrich, Luc, ect. erkennen könnte. Habe schon an reine Kunstfiguren gedacht, bis Brigitte Schwaiger nicht zu verkennen war und die Wiener Übersetzerin wird wohl Karin Fleischanderl sein, sonst könnte ich keine Zuordnungen treffen und es liest sich natürlich mit Wehmut, was da alles an mir vorbeigegangen ist…..
Interessant und spannend war es doch, ein angenehmes Literaturvergnügen und ich habe das Buch auch schon in der Hand gehabt, weil es im letzten Jahr auf der Liste der Buchprämienbücher stand. Ob es eine bekommen hat und ich es vorgeschlagen habe, weiß ich nicht mehr, aber, daß mir beim Durchblättern auf der Buch Wien oder sonstwo, die Stelle mit dem Literaturliebhaber, der kein richtiger Autor ist, aufgefallen ist, no na.
Ansonsten kenne ich den Dichter und Literaturvermittler sehr lang und habe auch schon über ihn geflüstert.
Wahrscheinlich durch die Wespennester in den Siebzigerjahren, da habe ich ja meine Texte hingeschickt. Als ich 1980 in der alten Schmiede im Literatureck gelesen habe, war er mit Marie Therese Kerschbaumer eingeladen, darüber was zu sagen und ich sehe ihn auch immer bei Literaturveranstalten.
Inzwischen macht er das Kolik, da habe ich anfangs auch hingeschickt, jetzt schicke ich nichts mehr aus. War aber vor einigen Jahren bei einer Lesung in der alten Schmiede, wo er und Helmut Eisendle ihre neuen Bücher vorgestellt haben. Da ist es auch um alternde Dichter gegangen, die über ihren Sex und ihre Krankheiten geschrieben haben. Das habe ich, kann ich mich erinnern, in der Diskussion angemerkt, wie die Bücher geheißen haben, weiß ich nicht mehr. Helmut Eisendle ist 2003 an Krebs verstorben, im Literaturhaus wird demnächst ein Buch über ihn vorgestellt.
Von Gustav Ernst habe ich „Einsame Klasse“ vor langer Zeit gelesen und eines seiner Stücke im Volkstheater gesehen. Er ist ja auch Dramatiker und „Herzgruft“ habe ich mir vor kurzem bei Buchlandung um einen Euro gekauft. Dann ist er, das habe ich auch schon mehrmals geschrieben, mit Robert Schindel soetwas, wie Hans Weigel und Hermann Hakel von heute, in der Leondinger Akademie und bei Studium der Sprachkunst tätig und 2008 ist dieser Roman über den österreichischen Literaturbetrieb erschienen.
Wem es interessiert, ist er sicher zu empfehlen. Der Bernhardsche Schimpfton taucht manchmal auf, Werner Kofler hat, glaube ich, auch in dieser Art geschrieben und Norbert Gstrein einmal eine solche Novelle.
2010-01-02
Helden der Kunst, Helden der Liebe
3 Kommentare »
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wie ich jetzt meinen aufzeichnungen entnehme hab ich am 12.10.2008 (damals noch „wau 10“) über einen ausschnitt aus dem buch geschrieben – mich hat das nicht so begeistert, war damals in kolik abgedruckt.
Kommentar von ofips — 2010-01-03 @ 23:35 |
ich werd das buch demnächst kaufen wo.
Kommentar von rudolf lasselsberger — 2010-01-04 @ 00:28 |
Na ja, bei den Männern dreht sich halt viel um die Prostata und den Sex, die Frauen sehen das Schreiben vielleicht anders.
Ich denke das Buch ist schon sehr interessant, wenn man was vom Literaturbetrieb wissen will, obwohl ich glaube, daß es nicht sehr auf Schlüßelroman geschrieben ist, aber dort, wo die Helden über die Krebsarten herzogen, an denen die Kollegen in den letzten Jahren gestorben sind, habe ich an die Heidi Pataki und den Gerhard Kofler denken müßen und die waren noch sehr jung.
Literaten gehen immer noch nicht sehr gut mit sich um, saufen, rauchen doch noch sehr viel, obwohl in dem Buch behauptet wird, die Generation der sich zu Todesäufer oder wie Ernst das nennt, ist vorbei.
Wer andere Geschichten über den Literaturbetrieb lesen will, den kann ich die „Schreibweisen“ sehr empfehlen. Ein paar Exemplare gibt es noch. Rückseitentext ist von Alexandra Millner, sie hat ihn sehr schön gemacht
Kommentar von Eva Jancak — 2010-01-04 @ 09:51 |