Nach drei veranstaltungslosen Wochen, die erste Lesung im neuen Jahr. Robert Menasse liest in der alten Schmiede aus „Ich kann jeder sagen“, hat Emily Walton vor ein paar Tagen in ihren Blog geschrieben, ich hatte es im Programm angestrichen und mich darauf gefreut. Robert Menasse ist sehr interessant, wenn auch ein bißchen zynisch. So habe ich mich einmal bei einer Generalversammlung der GAV mit ihm angelegt, als er zuerst gegen Arthur West und dann gegen Walter Baco scheinbar aus heiterem Himmel hergefahren ist und ihm gesagt, daß ich nicht will, daß er andere beschimpft. Dann ist er mit Robert Schindel einmal aus dem PEN-Club ausgetreten, weil der sehr reaktionäre Mitglieder hätte, aber eigentlich hätten beide dort gar nicht Mitglieder sein dürfen, gibt es ja diesen Ausschließungsparagraphen. Da habe ich ihm einen Brief geschrieben, das ist schon lange her und bevor sein „Don Juan“ erschienen ist, war ich bei einer Lesung in der alten Schmiede. Da hat er Paul Jandl, der die Lesung moderierte, ziemlich fertig gemacht. Das mag ich nicht so sehr, hab aber nichts gesagt. Jetzt gibt es den Erzählzyklus „Ich kann jeder sagen“, der schon im Herbst erschienen ist. Auf der Buch Wien bin ich in eine Diskussion hineingekommen und da hat mir sehr imponiert, wie der wortgewaltige Menasse sich für die Studentenbesetzung eingesetzt hat und zu der Bildungsmisere, die wir derzeit haben, eine ähnliche Meinung, wie ich hat.
Es war wieder etwas schwierig pünktlich hinzukommen, weil um sechs noch eine Stunde und ich wußte nicht genau, wie voll die alte Schmiede ist. Dann ist der Klient früher gekommen, so daß ich zu Fuß gehen konnte und habe auf der Wiedner Hauptstraße, die Trude Kloiber getroffen, die spazieren gehen wollte. Ich habe sie schon einmal in dem Durchhaus, wo sie wohnt, getroffen, als ich zum Daniel Glattauer ins Thalia wollte, da ist sie mitgegangen und auch diesmal hat sie sich mir angeschlossen. Das finde ich sehr imponierend. Es war gar nicht so voll und wir haben einen Platz bekommen. Vor mir ist der Dr. Mosca gesessen, der mich heute angerufen hat, weil er die Termine meiner nächsten Lesungen wissen wollte, hinter mir der Norbert Leser. Sonst gar nicht so viele Bekannte und Kurt Neumann hat sehr schön eingeleitet. Den Erzählband mit dem Untertitel „Vom Ende der Nachkriegsordnung“, ein Zyklus von vierzehn Ich-Erzählungen, die alle mit verstörenden Pointen arbeiten und gleichzeitig unterhaltend, als auch irritierend sind. Alle vierzehn Erzählerstimmen sind Männer, der zeitliche Rahmen geht von 1989 aus. Es gibt einen Prolog von einem der nicht anfangen kann und einen Epilog vom nicht aufhören können, dazwischen alle Erzählformen bis zum Essay.
Zwei dieser Geschichten hat Robert Menasse gelesen „Lange nicht gesehen“ und „Romantische Irrtümer“ und sie waren wirklich gut erzählt. Jeweils mit dem schweren Hintergrund einer verstörenden Vergangenheit. Im Fernsehen läuft die Dokumentation des Mauerfalls und dem Ende der DDR und zwei ehemalige Musterschüler treffen sich und gehen eine ungewöhnliche Liebesbeziehung ein, die durch eine Sachwaltergeschichte eines nichtblinden Mannes endet, der die öffentliche Ordnung stört, weil er die Augen vor der Gegenwart verschließt, daher alle anrempelt und trotzdem nicht entmüdigt werden kann.
Sehr kompliziert, wie auch die Geschichte mit der verstörenden Pointe des Erzählers, der in Weimar und in Dresden ißt und kotzt und sich doch nicht in die Elbe stürzt, weil er einem faden Geschäftsmann auf die Frage, wie er den Nachmittag verbringen wird, zur Antwort gibt, sie in Buchenwald totzuschlagen. Dann schaut er sich im Fernsehen die Bombarderung Dresdens an und stellt sich an die Elbe, um von einer Frau gerettet zu werden, obwohl er gar nicht springen wollte, um am nächsten Tag nichts mehr zu erzählen zu haben. Wieder sehr raffiniert erzählt, offenbar ist Robert Menasse doch ein hervorragender Erzähler und hat im Gespräch mit Kurt Neumann noch erzählt, wie dieser Romanzyklus, wo die Männer um fünfzig um einen großen Tisch sitzen und einen Tag aus ihrem Leben erzählen „Als John F. Kennedy ermordet wurde, war ich so richtig glücklich“ entstanden ist.
Eine Geschichte aus dem Zyklus wollte nicht so richtig gelingen, die wurde dann der „Don Juan“. Dann kam noch eine Theaterarbeit, da schimpfte Robert Menasse wieder ein bißchen über die Schauspieler und die Regisseure und einer Dame, die eine Frage stellte, hat er auch eine ganz andere Antwort gegeben, aber erzählt, daß er nach einer Lesung, einem jungen Mädchen ein Buch signierte, das sie ihrem Papa schenken wollte, weil sie ihn erst durch die Lesung verstanden hat. Da fällt mir die Anna ein, die ja von Robert Menasse sehr begeistert ist und ein paar junge Leute waren auch im Publikum.
Ich bin mit der Trude Kloiber nach Hause gegangen und haben noch über die Lesung gesprochen, wobei Trude die These aufstellte, daß Menasses Zynismus vielleicht von seinem Lampenfieber kommt, ich weiß aber nicht, ob das stimmt. Das Buch haben wir nicht gekauft, ich habe aber heute sehr viele geschenkt bekommen. War doch die Irmgard Gelter am Nachmittag bei mir und hat mir nicht nur Khalid Gibrans „Der Prophet“, mitgebracht, sondern auch noch einen Stoß Bücher übers Stottern und zur Sprachentwicklung aus den Siebzigerjahren. Eine Erinnerung an unsere Arbeit an der II. HNO Klinik/ Sprachambulanz. Ich hab sie in mein Praxiszimmer eingeräumt. Meine zwei Stottererbücher sind ja auch ein Teil meiner Biografie.
Die Weisheiten des berühmten Dichterphilosophen werde ich lesen und von Robert Menasses Nachkriegsgeschichten habe ich mir auch sehr viel gemerkt.
2010-01-07
Menasse-Lesung
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