Literaturgefluester

2010-01-13

Reben

Filed under: Uncategorized — jancak @ 01:16

Gleich die nächste Besprechung in meinem Andrea Stift Schwerpunkt, denn „Klimmen“ habe ich ja schon gekannt.
Das 2007, bei Kitab erschienene „Reben“ ist eine Erzählung über Andrea Stifts Urgroßmutter, die sie nie kannte, da sie schon vor ihrer Geburt gestorben ist.
„Das ist ganz anders!“, hat mir Andrea Stift geantwortet, als ich ihr im Amerlinghaus erzählte, daß ich mit „Reben“ begonnen habe.
Ja, natürlich oder auch nein, denn das Gleiche dürfte wohl das sich Erzählenlassen über den Schreibegegenstand sein.
Hat Andrea Stift bei ihrer Lesung ja berichtet, sie hätte sich die Geschichten über das Leben in Wohngemeinschaften von Betoffenen erzählen lassen. Sie hat das bei „Reben“ offenbar mit ihrer Familie getan und so gibt es am Schluß ein Dankwort, wo man nachlesen kann, wer aller mit grandiosen Formulierungen über die kleine Anna, die starke Frau, die mit der Hundepeitsche herumgezogen ist, ihre Arbeiter ohrfeigte und die Schwiegertochter demütigte, beigetragen hat.
Die kleine Anna, die aus einer eher desolaten Familie aus der Untersteiermark stammte, 1886 wurde sie geboren, hat irgendwann einmal eine Klosterschule besucht und mit siebzehn in einem Gasthaus gekellnert, bis der Bürgermeister Stift dahergekommen ist und dem Fräulein Annerl den Zahnstocher aus dem Mund busserln wollte. Er hat ihr als Morgengabe einen Weingarten überreicht, daher kommt der Name „Reben“, „Klimmen“ kommt von einem russischen Weinstock, wie wir uns erinnern. Anna nimmt das Regiment in die Hand und hat sich fortan als Gnädige die Hand küssen lassen. Die Arbeiter waren angeblich glücklich von ihr geohrfeigt zu werden und das Rathaus, in dem die Familie wohnte, wurde in einen Unter- und einen Oberstock eingeteilt, unten lebte das Gesinde und die Schwiegertochter, oben legte die Gnädige die Patiencen, ließ aber die Enkelkinder neben sich schlafen und ihre Haare wurden grau, als sie den ersten Sohn beerdigte.
Sie überlebte alle drei und auch noch ihren Carl. War auch gut zu ihrem Gesinde, eine richtige Gnädige halt. So war das früher eben, streng, arbeitssam und fleißig. Depressionen gab es nicht, sind das ja Zeichen von Schwäche, nur den Wein, den man in sich hineingießt, aber der zählt zum steirischen Brauch. Die kleine strenge Anna mit dem guten Herzen war auch sehr trinkfest und hat alle einfallenden Soldaten unter den Tisch gesoffen, auch wenn ihr die brave Mitzi nur Lindenblütentee einschenkte.
Andrea Stift fährt mit einer frechen frischen Sprache, die mir schon bei „Klimmen“ aufgefallen ist, über das Urgroßmutterfamilienleben drüber und hat auch noch drei Perspektiven dabei.
Die Familiengeschichte nimmt dabei den breitesten Raum ein, wertfrei, frisch und liebevoll wird über die Schatten der Vergangenheit und die Leichen im Keller erzählt.
Dann gibt es ein paar Abschnitte aus dem Weinlehrbuch. „Im Frühling: das Binden, im Sommer: die Laubarbeiten, im Herbst: die Lese, der Winter und dann: die Presse“ und noch ein paar Abschnitte, die man als Schreibreflexionen bezeichnen könnte. Da wird knapp vom Vater berichtet, der Andrea durch das Urgroßmutterbuch begleitet und auch Schreibperspektiven kommen vor.
„Wo ist die Prämisse, der Plot, die Crimeline, ist es spannend? Gibt es eine Moral am Ende der Geschichte oder einen erhobenen Zeigefinger?“
Am Ende steht der Tod der Urgroßmutter, die Schulden und der Gang zu dem Presshaus am Grassnitzberg, das jetzt fremden Leuten gehört und ein verstaubtes Türschild mit den Initialen der Hauptakteurin, die auch die von Andrea Stift sind und die Frage, ob sich die unbekannte Urgroßmutter richtig beschreiben ließ, denn „das menschliche Gehirn pflückt sich seine Erinnerungen gern selbst zu einem bunten Sträußchen und die Wahrheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters“, steht auf der Buchrückseite und es war wirklich ein anderes Buch, wenn auch mit Ähnlichkeiten in der Sprachmelodie und möglicherweise vielen Informationen aus dem Leben einer steirischen Familie an der Grenze zu Slowenien.

2 Kommentare »

  1. danke fuer den schönen andrea-stift-schwerpunkt 🙂

    Kommentar von andrea stift — 2010-01-13 @ 16:13 | Antworten


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