Henry Smart, der Ich-Erzähler des Romans „Henry der Held“, des 1958 in Dublin geborenen Roddy Doye, ist ein Kindersoldat, Freiheitskämpfer und Wunderwuzzi mit einer unglaublich frechen Schnauze und dient dem Autor wohl dazu, den Leser in den irischen Freiheitskampf einzuführen.
Da zumindestens ich im Geschichtsunterricht nicht viel davon mitbekommen habe und der Autor mit sehr flotter Sprache in die Geschichte hineinspringt, fulminant erzählt, aber nicht viel erklärt, außer zwei Seiten Wort und Namenslisten im Anhang und einer Seite Buchangaben in denen er die Sachinformationen, Gedanken, Bilder, Landkarten ect. gefunden hat, ohne die er das Buch nicht schreiben hätte können, tue ich mir ein bißchen schwer, das Ganze zu verstehen. Aber wahrscheinlich kann man die irische Legende, des Rebells auf dem gestohlenen Fahrrad ohnehin als Parabel auf die gesamte Kriegsgeschichte deuten und das alles in den verschiedensten Ländern und verschiedensten Zeitenräumen wiederfinden…
Henry Smart wird 1901 ins Armenviertel von Dublin geboren und führt uns in Geschehen ein, die er gar nicht wissen kann, denn er sitzt am Beginn des Buches mit seiner zwanzigjährigen Mutter Melody auf der Vortreppe des Hauses, schaut die Sterne an und läßt sich den kleinen Henry zeigen, den Buder, der seinen Namen trägt und vor ihm gestorben ist. Das ist vielleicht das Trauma seines Lebens, das ein Stückchen des Nachfolgenden erklärt oder auch nicht.
Die Rosenkranzdreherin Melody ist jedenfalls blutjung in das Holzbein von Henry Smart dem Älteren gestolpert, der seines Zeichen Türsteher im Bordell der Dolly Obolong ist und gebiert ihm jedes Jahr ein Kind, von denen nur sehr wenige überleben.
Henry der Held, der uns diese Vorgeschichte einschließlich, die seiner Geburt erzählt, hält das Elend nicht sehr lange aus, schnappt sich mit fünf, den um vier Jahre jüngeren Victor, verläßt Mutter und Geschwister und wird fortan im Straßenkampf überleben.
Dann gibt es noch Granny Nash, die in all diesem Elend sitzt und Bücher liest, später wird Henry sie mit diesen beliefern und sie auch damit erpressen, vorläufig lebt er mit dem lungenkranken Victor auf der Straße und als der englische König durch diese fährt, klettert er auf einen Laternenpfahl und schreit, „Verpiss dich!“
Bevor ihn der Volkszorn lynchen kann, kommt sein Vater, rettet ihn durch den Kanal und verläßt ihn wieder. Henry zieht mit Victor und dem väterlichen Holzbein durch Dublin und wird von Miss Shea seiner späteren Frau, als er neun ist, zwei Tage lang unterrichtet. Sie lehrt ihn seinen Namen schreiben, bevor die Mutter Oberin, die beiden Kinder aus der Schule wirft. Als Victor sich zu Tode hustet, ist Henry vierzehn und schließt sich dem Osteraufstand an.
Da wird das Buch ziemlich unverständlich, denn es schildert dramatisch die Kampfpassagen in einem besetzten Postamt mit realen Irlandkämpfern, deren Namen ich noch nie gehört habe, während Henry im dritten Teil mit einem gestohlenen Fahrrad drei Jahre lang durch Irland fährt, neue Freiheitskämpfer anwirbt und auf Auftrag sogenannte Spitzel mordet, um wie früher neben den Reichen und Mächtigen zu stehen, nicht dazuzugehören und von ihnen ausgenützt zu werden.
Er hat schon in dem Postamt seine um fünfzehn Jahre ältere, ehemalige Lehrerin wiedergetroffen, die sich dem Kampf angeschlossen hat, jetzt heiratet er sie, ohne jemals ihren Vornamen zu erfahren, um im vierten Teil, geschnappt, ins berüchtigte Gefängnis Kilmainham gebracht und gefoltert zu werden. Miss Shea läßt den Freiheitshelden befreien, der allmählich erkennt, daß er nur benützt wurde, so daß er seine inzwischen geborene Tochter ein einziges Mal sieht, bevor er einen weiteren Mord begeht, nämlich den großen Boß und Minister Alf Gandon hinüberdreht, um mit neunzehn Jahren alles hinter sich zu lassen und sein Leben in Liverpool oder sonstwo noch einmal zu beginnen….
Wirklich rasant und großschnauzig erzählt, die Geschichte des irischen Freiheitskrieges.
Aber Irland ist inzwischen nicht wirklich zu Ruhe gekommen, die Kämpfe gehen munter weiter und Kindersoldaten, die an das große Ideal glauben und mißbraucht werden, gibt es auch anderswo.
Trotzdem war das Buch interessant zu lesen, obwohl die kleinen oder großen Freiheitskämpfer, die fröhlich vor sich hinmorden, ohne nach links und rechts zu schauen, nicht wirklich das Meine sind.
2010-02-17
Henry der Held
Kommentar verfassen »
Du hast noch keine Kommentare.
Kommentar verfassen