Wieder ein Abend mit einem Sprachakrobaten. Kurt Neumann hat den bei Jung und Jung erschienenen neuen Roman „Das Fenster“, sogar als sprachliches Wunderwerk bezeichnet, das jetzt endlich zwölf Jahre nach dem Romandebut „Der gefälschte Himmel“, erschienen ist.
Ein paar Assoziationen zum Meister des freien Assozierens. Ich kenne, den 1970 in Ried am Innkreis geborenen Richard Obermayr schon lang. 1992 oder 1993 zeitgleich mit Franzobel hat er in der GAV um Aufnahme angesucht und ähnlich, wie Franzobel große Diskussionen bzw. Vetis gegen die Nichtaufnahme ausgelöst.
Marie Therese Kerschbaumer, die noch in der Jury war, hat, so glaube ich mich zu erinnern, von einer zu großen Sprachgewalt, des damals noch sehr jungen Mannes gesprochen, so daß sie glaubte, das ist einer, der die GAV testen will, indem er ihr einen großen Text eines anderen unterjubelt.
War nicht so und Obermayr wurde natürlich, wie Franzobel aufgenommen und hat 1996 ein Jahr später als Franzobel in Klagenfurt gelesen. Er hat nichts gewonnen, ist gar nicht so besonders aufgefallen. Dem Jochen Jung wahrscheinlich schon, denn ich glaube, es war ein Stückchen aus dem „Gefälschten Himmel“, das er gelesen hat. Damals ist mir die Bezeichnung „Wortschwaffeln“, die ich manchmal verwende, eingefallen. Ein Haufen wunderschöner Worte und es wird nichts erzählt. Zumindestens nicht linear, mit Anfang, Konflikt, Spannung und Schluß, wie es in den kreativen Schreibebücher steht und das mag ich eigentlich nicht sehr. Da werde ich schnell ungeduldig. Trotzdem habe ich mir ein paar Jahre später bei einem dieser Büchertürme „Den gefälschten Himmel“ ausgesucht und auch in der Badewanne gelesen. Da ich damals noch nicht das Literaturgeflüster und den Ehrgeiz hatte, über jedes gelesene Buch zu schreiben, habe ich sehr schnell darübergelesen und sowohl vom Inhalt als auch von der schönen Sprache nicht viel mitbekommen. Aber lineare Handlung gibt es ja keine, zumindest was „Das Fenster“ betrifft, hat Paul Jandl in der Einleitung erklärt, sondern freie Assoziationen zu dem Thema Zeit, wo es zwar einen Ich-Erzähler, einen Schuß, ein Duell, eine Familie mit einer klavierspielenden Mutter, die aus dem Fenster sieht und einen Vater, der sich seinen Imkerhut aufsetzt, gibt, aber sonst nicht viel. Ein Roman über die Zeit, für den sich der Sprachkünstler zwölf Jahre Zeit gelassen hat. Er scheint in dieser Zeit aber schon geschrieben zu haben, hat er doch 2006, den ersten Preis beim oberösterreichischen Floriana-Literaturpreis gewonnen. Sonst habe ich in der letzten Zeit nicht viel von ihm gehört, wohl aber öfter an seine wortgewalte Sprache gedacht, die sich offenbar einprägt, ob man will oder nicht. So ist jetzt der zweite Roman bei Jung und Jung erschienen und wurde auch in einem der letzten Ex Libris besprochen. Es geht um einen Schuß und um eine Jugend in Schwanenstadt, die auch der Autor dort verbracht hat. Trotzdem ist es nicht autobiografisch, hat Paul Jandl eingeleitet, auch wenn man das Bild am Umschlag für die Familie Obermayr halten kann.
Die alte Schmiede war sehr voll, eher junge Leute, die ich nicht kannte, den einen alten Lehrer, der mir einmal ein Buch abkaufte, habe ich gesehen und wenn ich mich nicht irre, Lisa Fritsch und Ferdinand Schmatz. Ein paar Kritiker saßen in der ersten Reihe und irgendwo die Lektorin Astrid Graf. Richard Obermayr hat ein längeres Stück aus dem Roman gelesen, wo es um einen Mann ging, der vorzeitig ein Theater verläßt, womit das Ich zu assozieren beginnt, von seinem Vater und der Mutter spricht und überlegt, ob die noch zu Hause sind oder er nur eine Vergangenheit einholen will, die schon vorüber ist.
Erstaulich realistisch, habe ich gedacht, zumindest mit den Worten bleibt er am Boden und man kann sich eine Familiengeschichte vorstellen, auch wenn man damit nicht weiterkkommt, denn eigentlich geht es ja, wie Paul Jandl erklärte und in dem Gespräch auch den Autor fragte, um die Dimensionen der Zeit. Da wurde dieser etwas rot und viel theoretischer, als ich den Text empfunden habe.
„Nein, eine Theorie der Zeit aufzustellen, maße er sich nicht an. Er ist aber einer, der in Bildern denkt und von solchen ausgeht. Von dem Schlachthof beispielsweise, an dem er vorüber mußte, als er als Kind in Schwanenstadt zur Schule und da ist ihm die Großmutter eingefallen, die immer zur größten Sparsamkeit mahnte und dazu, daß man kein Stück wegwerfen soll“.
So entstehen die Obermayrischen Texte, am Anfang ist das autobiografische Erlebnis, dann verläßt er die Wirklichkeit. Das Publikum hatte keine Fragen, es gab aber einen frenetischen Applaus, fast wie bei der Friederike Mayröcker und Kurt Neumann merkte an, daß es bei der Lesung am 13. April von Patrick Hofmanns „Die letzte Sau“ auch um die Verwertung der letzten Stücke gehen wird, was das Publikum interessieren könnte. Aber das ist, wenn ich es am Sonntag bei der ARD Bühne in Leipzig, richtig verstanden habe, ein ganz anderes Buch…
2010-03-26
Richard Obermayr
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