Der 2001 erschienene Roman „Der Nebelfürst“ von Martin Mosebach ist eine Farce auf das Wilhelminische Deutschland von 1898.
Da stolpert der verhindete Reiseschriftsteller Theodor Lerner, der sich mit Aufträgen des Berliner Lokalanzeigers versucht, in eine üppige Dame namens Hanhaus und wird von ihr in einem schrottreifen Schiff nach Spitzbergen geschickt, um für Deutschland die Bäreninsel zu annektieren.
Die Dame möchte ihre Geschäfte machen und überredet Lerners Chefredakteur diesen den Auftrag zu übergeben, um einen verunglückten Ballonfahrer aus dem Eismeer zu retten und beginnt in Berlin und Frankfurt die Kohlevorräte der Insel zu verkaufen, während sich Theodor Lerner und Kapitän Rüdiger mit einem russischen Kapitän auf der Insel herumschlagen, da dieser gleichfalls einen Anspruch auf sie hat.
Die Regierungen lassen die wackeren Helden in Stich, so erhält Lerner von Redakteur Krusenstern vom Casseler Tagblatt den Spitznamen „Nebelfürst“ und trifft auf der Rückfahrt im Zug ein Bankierehepaar aus Lübeck mit der rauchenden Nichte Ilse.
In Frankfurt wartet schon Frau Hanhaus mit ihrem Sohn Alexander, quartiert sich in Pensionen und Hinterhöfen ein und macht Geschäfte mit der Insel. Theodor stolpert mit und verliebt sich in die schwarze Varieteekünstlerin des Schumann-Theaters Mademoiselle Louloubou. Aus dieser Liebe wird nichts und auch nichts aus der zu der wiedergefundenen Ilse.
Dazu hält ihn Frau Hanhaus zu sehr auf Trab und auch Alexander intrigiert geschickt hinein. So wird das Geld knapp und die Polizei ist den dreien auf den Fersen, es gibt zwar einen Herrn Sholto Douglas, aber der verschwindet unverrichteter Dinge, so daß die geschäftstüchtige Dame auf die Idee kommt, den Zoodirektor Dr. Heck, die Eisbären der Bäreninsel zu verkaufen. Leider wird Alexander noch vor dem Abschluß verhaftet, so daß aus dem Geschäft nichts wird. Frau Hanhaus beschließt daraufhin Russin zu werden und lächelt sich einen russischen Botschafter an, während Theodor Lerner ins Reisebüro des Karl Riesel geht und sich von dem schönen Fräulein Ilse, die Verbindungen zur Bäreninsel mit der Hurtig Route heraussuchen läßt. Theodor Lerners geprellter Bruder, der Apotheker von Linz am Rhein, erhält daraufhin einen Brief, daß dieser mit dem Reisebüro einen Vertrag abgeschlossen hat, Gesellschaftsreisen und Sporttouren nach Norwegen, zur Bäreninsel und Spitzwegen zu arrangieren, während seine Gattin Ilse ihm einen kleinen Vaterlandsverteidiger gebären wird, obwohl es ja in Deutschland, wie sich Theodor sicher ist, nie mehr Krieg geben wird…
So weit so gut, die Farce des Martin Mosebachs über das koloniale Denken im Wilhelminischen Deutschland, wenn nicht in Wikepedia und in Meyers Konversationslexikon stehen würde, daß es wirklich einen Theodor Lerner gegeben hat, der 1989 im Auftrag eines Hamburgers Syndikats, die Bäreninsel in deutschen Besitz nahm.
Ob er dabei Ähnliches wie Mosebachs Romanfiguren erlebte, weiß ich nicht. Er hat jedenfalls 1902, die Dichterin Ilse von Stach geheiratet, von der er sich aber wieder scheiden ließ.
1931 ist er in Frankfurt am Main gestorben, eine Inselgruppe in der Liefde Bai und einem Kap am König Karl Land in Spitzbergen ist jedenfalls nach ihm genannt und der 1951 in Frankfurt geborene Jurist und Schriftsteller Martin Mosebach, der 2007 den Büchner Preis bekommen hat, ist, wie ich Wikipedia entnehme, in den verschiedensten literarischen Genres tätig.
Durch den Büchnerpreis bin ich auf ihn aufmerksam geworden, bei Buchlandung habe ich das Buch um einen Euro gekauft und noch eines, das „Mein Frankfurt“ heißt und ein literarischer Stadtführer ist, das ich noch nicht gelesen habe, mir aber, als ich es vorhin durchblätterte, interessant erschienen ist. Das wäre die passende Lektüre für eine Frankfurt-Reise, aber das, habe ich mir vorgenommen, tue ich erst wieder, wenn mich jemand dorthin zum Lesen einlädt.
Von dem 2007 erschienenen Roman „Der Mond und das Mädchen“, in dem er, wie ich gerade gelesen habe, seine Hassliebe zu Frankfurt abgearbeitet hat, habe ich im Ex Libris gehört und Sigrid Löffler meint, habe ich weiter gelesen, „Mosebach schreibe in einem sehr verschmuckten und verspreizten Prunkstil mit affektierten Vokabeln und verzopften Phrasen aus der bürgerlichen Mottenkiste des neunzehnten Jahrhunderts…“
Ein wenig antiquiert habe ich Stil auch gefunden und vielleicht ein bißchen zu parodistisch ausformuliert. Gustav Seibt nennt das Buch „Einen brillanten Hochstaplerroman“ und ich habe ein wenig gelernt über das neunzehnte Jahrhundert und auch etwas über eine Frankfurt-Liebe.