Literaturgefluester

2010-05-03

Meine Welt: hier war immer schon jetzt

Filed under: Uncategorized — jancak @ 23:38

Die Textvorstellungen mit Angelika Reitzer tragen immer das Thema Welt im Titel.
„Die Welt hat ihre Erinnerung verloren“, im Februar und „Die Welt ist überall anders“, im Dezember 2009. Heute hieß es „Meine Welt: war immer schon jetzt“ und Angelika Reitzer hat, wie immer die neuen Sprachtalente zusammengesammelt und ihre Lesungen mit einem poetischen Essay eingeleitet.
Heute waren die vier Ausgewählten besonders interessant, zwei habe ich noch nicht gekannt, während mir Sandra Gugic durch den Exilliteraturpreis und Martin Fritz durch den FM4 Wettbewerb ein Begriff sind und Roman Marchel habe ich vielleicht beim Siemens Literaturpreis kennengelernt, aber da kann ich mich nicht mehr erinnern und die Anthologie habe ich auch nicht.
Es begann aber ohnehin mit der 1983, geborenen Felizitas Ferder und von der, habe ich noch nichts gehört. Der Text der jungen Frau war aber sehr interessant und richtig, außer dem etwas sperrigen Titel gab es auch ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch dieTexte zog, nämlich Familienbeziehungen, beziehungsweise das Heimatthema.
So hieß Felizitas Ferders Text „Der letzte Fischer“. Sie hat ihn, wie sie erzählte, für einen Kurzgeschichtenwettbewerb geschrieben und weil, sie nicht recht wußte, wie sie das machen sollte, hat sie einen Text über das Kurzgeschichtenschreiben an Hand der Beziehung eines Sohnes zu seinem Vater, geschrieben, der offenbar dessen Wohnung ausräumt und sich an ihn erinnert. Der Vater war ein Dichter bzw. Geschichtenschreiber und hat dem Sohn auch fortwährend solche erzählt.
„Die perfekte Geschichte, hast du immer gesagt, hat einen Anfang, eine überraschende Wendung und einen Schluß!“
Dazwischen rollt das Leben ab. Zeigt der Vater dem Vierjährigen ein Buch, in dem eine Widmung an den Sohn geschrieben steht, erzählt die vergleichende Literaturwissenschaft studiert habende Mutter, daß es in den Geschichten niemals um Wahrheit geht, vorher geht es um um die Geliebten des Ich-Erzählers und unterstellt der Vater, daß der Sohn das Koks in den Keller schmuggelte, das die Mutter dort fand und sich deshalb scheiden ließ.
Ein raffinierter Schreibwokshop, solche Erzählungen faszinieren mich ja immer und der bewußte Siemens- Preisgewinner erzählte in „Mein Zuhause im Hornissenbaum“ vom Glück einer perfekten Familie. Da geht es um ein Paar, das sich ein Knusperhäuschen kauft, dort ein paar Jahre in der Küche duscht, im Freien die Mahlzeiten einnimmt, zwei Kinder bekommt und weil sich die Mutter weigert, die kaputte Ulme zu fällen, zerstört die das Fenster des Zimmers des Sohnes und der wird noch von den Hornissen gestochen, liegt auf der Intensivstation, wo ihn die Schwester in ihrer Panik wieder in das Leben und in die Familie hineinholen will. So kann man glückliche Familien auch beschreiben. Man kann seine Kindheitserinnerungen aber auch als Identitätssuche ausdrücken.
„Sprache ist Heimat“, hat die aus einer serbischen Familie stammenden, 1976 in Wien geborene, Sandra Gugic 2008 im Interview bezüglich des Exil-Literaturpreises, gesagt und in „Mutterland und Vaterzunge“, schildert sie eine junge Frau, die im Auto, die Cassetten eines Serbisch-Sprachkurses hört, um sich die Sprache einzuprägen, die sie zwar versteht, aber nicht mehr spricht, während sie zu ihren Eltern zum Essen fährt, die nicht verstehen, warum ihre Kinder in der Welt herumreisen wollen, statt eine Familie mit Enkelkindern zu gründen. Die junge Frau, will aber, wie ihr Bruder nach Belgrad fahren, um sich das Vaterland oder was auch immer anzusehen, während die Eltern in der zweiten größeren Wiener Wohnung nach dem Mittagessen streiten.
Dann kam Martin Fritz, der heurige Gewinner des Rauriser Förderungspreises und Juror des neuen FM4 Wettbewerbes mit einem nicht zur Gänze passenden Text, mit dem er aber, wenn ich es richtig verstanden habe, in Rauris gewonnen hat und zwar geht es in „Hier war jetzt“, woraus sich auch der Veranstaltungstitel zusammensetzt, um einen Monolog, den der Ich-Erzähler mit seinem Freund Stefan und seiner Freundin Britta erlebt. Zwar liegt er mit Britta auch im Bett der verstorbenen Großmutter und in der Küche liegen Bettina von Arnims romantische Schriften, während es im Gespräch der Beiden, um die Popkultur oder was immer man in den Zweitausendzehnerjahren in Studentenwohnungen hört, geht und beim Kaffeeautomaten in der Uni hat Stefan den Erzähler mit dem Satz „Haben alles falsch gemacht…!“, zudröhnt und dann in einer Endlosspirale die Namen von Thomas Bernhard bis ingeborg Bachmann ect… aufgezählt.
„Doris Mitterbacher ist ausgenommen!“, hat Martin Fritz hinzugefügt, denn die saß im Publikum unter wieder sehr viel jungen Leuten, bei denen, wenn ich mich nicht irre, auch Studenten des Hochschullehrgangs für Sprachkunst waren.
Zumindest hörte ich Sandra Gugic einem jungen Mann, der später neben mir saß, etwas von der nächsten Veranstaltung mit Sabine Scholl zuflüstern und das führt mich von den Textvorstellungen zu den Vermutungen bezüglich der neuen Bachmannpreisleser.
Da wird die Leseliste zwar erst Ende Mai bekanntgegeben, ein bißchen kann man aber schon darüber spekulieren, wer die vier ausgewählten Österreicher und Österreicherinnen sein werden?
Sandra Gugic, Martin Fritz, vielleicht auch Felicitas Ferder sein oder etwas bekannter Katharina Tiwald, Reinhard Kaiser-Mühlecker, Andrea Stift, Cornelia Travnicek, Andreas Unterweger, Sehe Cakir, Mieze Medusa, Anna Weidenholzer oder die letzte Rauris Preisträgerin Julya Rabinowich?
Mal sehen, ich bin ja bekanntlich nicht sehr gut im Schätzen und habe mich bei meinen bisherigen Versuchen immer geirrt und bei den deutschen Bewerbern muß ich überhaupt passen, da mir außer Sebastian Keller und Finn-Ole Heinrich keine Namen einfallen, die in Frage kommen, weil ich die deutschen Dichter und Dichterinnen erst wahrnehme, wenn sie in Klagenfurt gelesen haben, was auch für die Schweizer gilt.

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