In der alten Schmiede wird umgebaut, werden da doch, da das Haus 2008 verkauft wurde und es im Vorjahr eine große Protestaktion zur Erhaltung des literarischen Quartiers gegeben hat, die Veranstaltungen in den Keller verlegt.
Vom zweiten Stock, wo es in den Siebzigerjahren begonnen hat, über das Parterre, wo seit 1981 literarische und musikalische Veranstaltungen stattfanden, tiefer hinunter und heute wurde die Saison sozusagen mit der Präsentation des Suhrkamp-Buches „Die ganze Zeit“, des H.C. Artmann und Oskar Pastior Preisträgers Oswald Egger beendet, dessen Namen ich, glaube ich, seit 2003 kenne, denn da war ich noch in der Jury der GAV Neuaufnahmen und da hat sich Benedikt Lebedur beworben und es wurde in Neuberg an der Mürz der Ernst Jandl Preis an Felix Philipp Ingold vergeben und da hat Benedikt Lebedur die Laudatio gehalten und Owald Egger hat gelesen und ich habe auch ein paar Gedichte von ihm im „Kolik“ gefunden.
So prägen sich bei mir die Namen ein und bei den Fried Tagen im letzten Jahr hat er auch im Literaturhaus gelesen.
Ich war also auf die Lesung sehr gespannt, bin im Hof der alten Schmiede Waltraud Haas und Herbert J. Wimmer begegnet und Kurt Neumann leitete auch stilvoll ein, bzw. wurde einem vorher die neue Nummer der Alten Schmiede Zeitung mit der Laudatio von Sibylle Cramer in die Hand gedrückt, damit man sich auf den Oswald Egger Stil einstellen kann.
Denn der ist wahrhaft kompliziert und die „Ganze Zeit“ ein sehr dickes Buch, ein Gesamtwerk auf das, wie Kurt Neumann erklärte, der Dichter schon seit Beginn seines Schreibens hingearbeitet hat und das Opus Magnum oder die Universalpoesie erklärte er weiter, besteht auch aus vier Teilen oder Schreibweisen.
Einem philosophischen Einleitungs und Ausleitungszitat, Zeichnungen, Sprachstücken, Textflächen, Reflektionen und Korrespondezen, was den Verlag auch veranlaßte, wahrscheinlich um die Universalpoesie besser zu verkaufen, das Ganze Roman zu nennen, worüber Kurt Neumann ein wenig unglücklich lächelte und den künftigen Literaturwissenschaftlern vorschlug, sich damit zu beschäftigen, wie weit es mit „Den Kindern der Toten“ oder „Krieg und Welt“ zu vergleichen ist und ich dachte „Das wird eine sehr theoretische Lesung!“ und war dann sehr erstaunt, als Oswald Egger zu lesen anfing.
„Es ist wahr ich bin stark und ich habe Lunge und Arm!“, begann er nach den Dankeswortes mit eindringlicher Stimme sehr langsam vorzutragen. Dann ging es weiter mit dem wahren Tonkunststück, dem gegenüber Andrea Winkler sehr erzählend und realistisch einfach wirkt. Banal ausgedrückt ist es mit einer wahren Sprachflut, die vielleicht mit der von Verena Rossbacher zu vergleichen ist, aber viel gewaltiger wirkt, obwohl sie bedächtig vorgetragen wurde, um eine monumentale Negativbeschreibung mit vielen kunstvollen Satzschöpfungen gegangen, die mir nicht immer einsichtig waren.
„Mein Tisch ist eine Schlafpritsche mit heftigen Gestöber“, tönte es da beispielsweise ziemlich unverständlich.
„Zeit, daß ich die Lippen öffnete, doch ich kann es nicht!“, wurde das Sprachkunstwerk schließlich beendet, bei dem manchmal auch ein Funken Witz und eine lustige Wendung, in all den gewaltigen Beschreibungen aufblitzte, die philosophischen Gedanken habe ich wahrscheinlich nicht erkannt.
Von der Sprachgewalt war ich beeindruckt, auch von der intensiven Vortragsart, mit dem Sinn tue ich mir wieder etwas schwer, da ich mich nicht gern an schönen Sätzen und an l`art pour l`art berausche, auch wenn Richard Obermyr, Andrea Winkler und Verena Rossbacher, da ihren Meister gefunden haben, habe ich manchmal an den Parsifal oder einen Fantasyroman denken müßen und eine sehr männlich geprägte Literatur war es auch.
Als ich mir das Buch am Lesetisch anschauen wollte, war es aber ausverkauft. Die experimentellen Sprachkünstler der Wiener Szene saßen im Publikum, es war sehr voll und Kurt Neumann kündigte am Ende an, daß es im Herbst im „Odeon“ mit Karl-Markus Gauss und am 5. Oktober mit einer Lesung von Ilse Aichingers Werken weitergehen wird, weil die vor fünfunddreißig Jahren auch hier gelesen hat. Die Lesung war nicht sehr lang, ich bin aber trotzdem erst sehr spät nach Hause gekommen, werden vor der Oper ja die Aufführungen übertragen und da bin ich in die „Jüdin“ hineingekommen, habe einen großen Teil gesehen und es war sehr interessant.
2010-06-29
Letztes Mal Parterresaal
2010-06-28
Zum Tod von Andreas Okopenko
Jetzt gibts wieder etwas Unerfreuliches zu berichten. Andreas Okopenko ist gestern Mittag in einem Wiener Krankenhaus gestorben und ich war ja erst vor kurzem bei dem Fest zu seinem achtzigsten Geburtstag im Literaturhaus, das ich fast versäumt habe, da ich dachte, daß es am Sonntag stattfindet und so schon fast im Badezimmer war, als daraufgekommen bin, es ist am Samstag und da hatte ich dann die sehr beeindruckende Begegnung mit dem alten Herrn, der schon sehr klein und schwach in der ersten Reihe gesessen ist und an letzte Worte, an die ich mich genau erinnern kann und, wie bei Erika Mitterer, ist es ein Buffet gewesen, um das sich alle drängten, während der alte Herr verloren in der ersten Reihe sitzen blieb, Fragen beantwortete, Bücher signierte, Glückwünsche entgegennahm…
Irgendjemand hat ihm etwas vom Buffet geholt und weil ich auch das Helfersyndrom an mir habe, bin ich irgendwann zu ihm gegangen und hab gefragt, ob ich ihm ein Glas Wein holen soll, was er mitverstanden hat und meinte, er wäre in ein Gespräch vertieft.
Nun bleibt das ist die letzte Erinnerung an den alten Herrn, von dem ich, glaube ich, 1973 ziemlich bald nach meiner Matura, das erste Mal gehört habe.
Es war im Sommer im Gartenhaus an der Höhenstraße und ich voll in meiner philosophischen Krise und dem Glauben, daß mir nun die Welt gehört und die Kunst und Kultur für mich offen ist, habe ich Ö1 oder wie das damals hieß, gehört und da gab es die Fortsetzung des berühmten „Lexikon-Romans“ zu hören.
Das war die erste anonyme Begegnung mit dem Dichter, danach bin ich ihm öfter in der alten Schmiede oder wo auch immer begegnet und habe ihn irgendwie in eine Reihe mit Peter Rosei gestellt.
Gelesen habe ich immer noch nicht viel von ihm, aber von dem Roman „Kindernazi“ gehört, in der er seine Kindheit im Nazi-Wien beschreibt, die „Lockergedichte“ habe ich wahrscheinlich in der alten Schmiede gehört und bei der Lesung bei „Rund um die Burg“ am 17. 9. 1999, die in dem Klever Buch „Erinnerung an die Hoffnung“ zitiert wird, bin ich wahrscheinlich auch gewesen. Ob da die „Traumberichte“ oder „Affenzucker“ vorgestellt wurden, weiß ich nicht mehr.
Die gesammelten autobiographischen Aufsätze, die ich am 10. April Ralph Klever abgeschnorrt habe, sollte ich jetzt endlich lesen, um von dem Dichter, der gerade in der Wiederholung der Tonspuren, als Original bezeichnet wurde, literarisch Abschied zu nehmen, der wie er in den Tonspuren beklagte, öfter fälschlich der Wiener Gruppe zugeordnet worden war, obwohl er sich von dieser Literaturform distanzierte.
Mit Friederike Mayröcker und Ernst Jandl war er aber, glaube ich, befreundet. Zumindest wird in den Internetberichten, das Bild des Dichters gezeigt, das ihn, bei der Verleihung des großen österreichischen Staatspreises für Literatur, 1998, zwischen Friederike Mayröcker und Ernst Jandl zeigt.
2010-06-27
34. Bachmannpreis
Das Wochenende war von einigen Komplikationen und Hindernissen gekennzeichnet, die auch ein bißchen die Bachmannpreisdiskussion beieinträchtigt haben. So sind wir in Wien geblieben, weil wahrscheinlich durch mein eifriges Badewannenlesen, das Badezimmer ausgemalt werden mußte. Der Alfred hat das gestern getan und als ich am Nachmittag meinen Blogartikel geschrieben habe, ist das Kabel meines Laptops endgültig kaputt gegangen und hat nicht mehr aufgeladen. Was mich in Panik versetzte, wollte ich ja die Preisverleihung sehen, darüber bloggen und morgen habe ich zwei Befunde zu schreiben.
Der Alfred hat mir ein Ersatzkabel aus der WU geholt und so sitze ich erst jetzt, während rund um mich die Leute vor den Fernsehgeräten hocken und „Wir haben ein Tor!“, schreien, auf der Terrasse unterm Sonnenschirm und denke, daß das Bachmannpreisverfolgen voriges Jahr in Harland mit der anschließenden Radfahrt bis Herzogenburg und dem Grillen etwas gemütlicher war, aber jetzt stimmt wieder alles und mit der Preisverleihung hat es auch fast so gepasst, wie vohergesehen. Da wir ein Computerhaushalt sind, konnte ich mir die auf Alfreds Laptop ansehen und da war die in Klagenfurt ermittelte Shorliste zwar ein bißchen anders als erwartet, nämlich Peter Wawerzinek an der Spitze, Dorothee Elmiger, Aleks Scholz, Judith Zander, David Metzger, Sabrina Janesch, Christian Fries und schon wieder kein Österreicher oder Österreicherin darin enthalten. Auch Verena Rossbacher ist aus der engeren Wahl herausgefallen, was anschließend sehr bedauert wurde.
Dann kam die Wahl bzw. Stichwahl um den Bachmannpreis und da stimmte die vorher bekanntgegebene Reihenfolge vollständig, nämlich Wawerzinek gegen Elmiger, der den Preis gewonnen hat.
Als nächstes kam der Kelag Preis und hier wurde Elmiger gegen Scholz gestimmt, Dorothee Elmiger hat gewonnen und beim 3 Sat Preis ging es Zander gegen Scholz, die Preisträgerin heißt Judith Zander und die Riesenmaschine.de hat erst für den Ernst Willner Preis gereicht, allerdings hat die, da Aleks Scholz ein Mitarbeiter ist, sein Profil nicht ermittelt und wer diesen Preis bekommt, muß ich erst nachschauen, aber möglicherweise Dorothee Elmiger, denn die lag am Freitag mit drei Punkten vorn.
Dann kam der Publikumspreis und hier hat das Publikum wieder so wie die Fachjury gestimmt, wobei ich ja glaube, daß die Leute, die da mitstimmen, wahrscheinlich Literaturexperten, Literaten oder Freunde sind.
Es kam eine sehr emotionale Laudatio von Meike Feßmann, die Peter Wawerzinek vorgeschlagen hat und das Buch „Rabenliebe“, das im August erscheinen wird, sehr lobte.
Burkhard Spinnen hat in seiner Abschlußrede brillant davon erzählt, daß er ständig Bachmannpreisverbesserern begegnet, die ihm ihre Preisverbesserungsvorschläge machen, die er nickend, wie ein Dackel entgegenimmt, aber jetzt verkündet, daß er alles so belassen will, weil es wichtig ist, daß die Leute Lesungen hören, da ja schon 40 % der Deutschen ihren Kindern keine Geschichten mehr vorlesen.
Dann dankte er Clarissa Stadler für die tolle Moderation, ließ sich einen Blumenstrauß überreichen, den er Michaela Mondschein gab, ganz Österreich sitzt jetzt vor den Fernsehschirmen und schaut sich Deutschland gegen England an, was die Deutschen wieder zu gewinnen scheinen.
Gestern gab es in Klagenfurt auch ein Fußballmatsch, wo unter anderen Peter Wawerzinek und Egyd Gstättner spielten, um viertel sieben gibt es in Ex Libris eine kurze Berichterstattung über die vierunddreißigsten Tage der deutschsprachigen Literatur und ich wiederhole meine gestrige Feststellung, daß es interessant war und mir gut gefallen hat.
Jetzt mache ich mit meinen Literaturalltag weiter, wo ja wieder ein Romanprojekt ansteht. Ein großes ist geplant, meine Leser wissen es, zweieinhalb Seiten gibt es davon schon und wenn ich mir von dem Klagenfurter Kolloquium Energie, Motivation und vielleicht auch etwas Unterstützung mitnehmen könnte, daß ich das nächste halbe Jahr zwei- bis dreihundert Rohseiten schreibe, die den Realismus mit ein wenig Poesie und Sprachgewalt verbinden, wäre das sehr schön.
2010-06-26
Bachmannlesen III
Heute folgten noch vier Lesungen und zwei mögliche Favoriten zu Dorothee Elmiger und Aleks Scholz, die wir schon haben, wie ich hören konnte, nämlich Peter Wawerzinek und Verena Rossbacher.
An Verena Rossbacher hätte ich auch gedacht, während mir Peter Wawerzinek, ein unbekannter Autor war, der zu Beginn gelesen hat und sich von den Mitte Zwanzig-bis Mitte Dreißigjährigen, die sonst gelesen haben, schon durch sein Alter unterschied, wurde er doch 1954 in Rostock geboren und hat schon 1991 in Klagenfurt gelesen und einen der kleineren Preise gewonnen.
Schon der Einleitungsfilm ist interessant. Geht da doch einer mit einem alten Schulranzen in ein ehemaliges Kinderheim und schaut sich alte Fotos an, in denen ein Elternpaar mit einem Baby gezeigt werden. Dann habe ich mir noch die Homepage mit der Biografie angeschaut, in der zu lesen ist, daß der Autor in einem Kinderheim aufgewachsen ist, weil seine Eltern in den Westen gingen und das Kind zurückgelassen haben. Der Text hieß „Ich finde dich“ und war ein Kapitel aus dem Roman „Rabenliebe“.
Vorher sagte der Autor noch, daß der Text einer Frau gewidmet ist, die sich derzeit im Spital befindet und der er gute Besserung wünscht. Dann ging es los mit Schnee und Nebel, Krähen und Türen tauchten als Metaphern auch noch auf und wurden von der Jury bemängelt und ich dachte, da ich den Text zusätzlich mitlas, wieso verliest sich der Autor so oft, seinem Lebenslauf nach hätte ich ihn für routinierter gehalten? Es war aber die reine Autobiografie, die Geschichte des verlassenen Kindes, eingerahmt in anderen Geschichten von aktuell vorkommenden Kindesmißhandlungen, die ebenfalls bemängelt wurden und schöne haarscharf am Kitsch vorbeigeschramte Eichendorf Gedichtstrophen. Da fährt das verlassene Kind mit einem Bus oder einem Motorrad ins Kinderheim und wünscht sich in seiner Fantasie, es wäre eine Limosine, die natürlich UDSSR Bauart ist, um nicht so armselig dazustehen und hört zu sprechen auf, ein paar Jahre lang, bis es sich zum Dichter entwickelt, der letzte Textabschnitt ist auch ein Auszug aus einem HNO Lehrbuch und endet mit dem Satz „Das Kind ist sein eigener Sprachpädagoge“ und sie ist da, die Tristesse des grauen DDR Alltags, eines neun Jahre nach dem Krieg geborenen, der schon die Erkenntnis hat, daß es immer Kriege geben wird und immer Kindesmißhandlungen und da fällt mir ein, daß die Geschichten, die wir im Spiegel von den jungen Frauen lesen, die ihre Kinder in der Wohnung zurücklassen, um endlich mal in eine Disco zu gehen, meistens von ehemaligen DDR Bewohnerinnen stammen. Das wurde bemängelt und verteidigt und am Schluß hat der Autor noch gesagt, daß es ihm ohnehin schwer genug gefallen ist, das zu schreiben und, daß die Romantiker keine Ahnung haben, daß wir sie als kitschig empfinden.
Ein Text, für den ich gestimmt habe, auch wenn er ohnehin einen Preis bekommt, sonst hätte ich es für den Mann unter der Treppe getan. Dann kam Iris Schmidt mit einem Text, der auch „Schnee“ hieß und das war wohl ihr Pech, denn hier wurde die Diskussion von Burkhard Spinnen mit der Bermerkung, daß er um eine kurze Diskussion bitte, ist der Text doch „ungelenk, unbeholfen, nichtig und mehr ist dazu nicht zu sagen!“, die Geschichte von dem Pharmavertreter Karl Müller, der durch den Schnee zu einem verlassenen Hotel fährt, den Weg dahin kaum findet, dann von einer vollbusigen Wirtstochter bedrängt wird, in der Nacht hört er Knarren und Schritte, am Morgen springt der Wagen nicht an, das Hotel wird verschlossen, das Taxi kommt nicht und als er den Ort zu Fuß suchen geht, findet er die beiden, die ihm am Vortag den Weg zeigten, tot in einem Unterschlupf und ihnen gehörte auch der verlassene Wagen, der neben seinem auf dem Hotelparkplatz stand. Von nichts Eigenständigen und „Stephen King für Arme“ wurde da gesprochen und der Karl als Kafka Bezug gedeutet und ich hab mir gedacht, daß der Text so ähnlich, wie der von Kathrin Passig konstruiert war, mit dem sie vor ein paar Jahren mit Hilfe ihrer Zentralen Intellgenz Agentur, den Preis gewonnen hat. Aber es war schon Mittag, die Juroren wollten offenbar essen gehen und brauchten wohl ihr „Opfertier“, wie Cornelia Travnicek auf Twitter treffend bemerkt.
Es folgten noch der Schauspieler Christian Fries, der vor einem Notenständer Ausschnitte aus dem Kurzroman „Der Reich`sche Ansatz“ bot, der von einem Schauspielschüler handelt, dessen Eltern sich trennen, der, was, wie ich gestern hörte, für den Preis nie gut sein kann, auch deftige Sexszenen einbaute und dann noch viel von Philosophie und Psychoanalyse las. Der wurde auch sehr kritisch abgehandelt und dann kam, wie ich dachte, wieder ein Wunderkind und wir brauchen morgen nur noch schauen, wie sich die Preise verteilen. Das wird vielleicht auch sein, ich selber aber hatte meine Schwierigkeiten mit der sprachlichen Virtuosität bzw. Abgehobenheit des Textes. Manierismus pur nannten es die Juroren, ein Text, der mit hunderttausend Bildern und einer wahnsinnigen Sprachgewalt daher rast, von Engeln, Kürbissen und schwangeren Murmeln spricht und dabei auch noch, was ich ihm vor allem vorwerfe, blasphemisch wird, wenn im „Alphabet der Indizien“ der Erzengel Gabriel „Komm zu mir Marie, meine Süße, machen wir ein Kind“, zu Maria sagt.
Damit habe ich meine Schwierigkeiten, ansonsten denke ich nicht, wie die Juroren, daß wiedermal soviele schlechte Texte vorgetragen wurden und ich glaube auch, daß Verena Rossbacher, das Feuer hat, daß sich Karin Fleischanderl gestern sehnlichst wünschte.
Die Geschichte mit den vielen sprachlich gut gebauten Texten von den vielen Literaturinstitutsabsoventen stimmt wohl, auch wenn ich die Themenauswahl sehr vielfältig gefunden habe. Ich bin ja eine, die immer viele Favoriten hat, weil sie vieles zuläßt und viel für interessant hält. Peter Wawerzineks Text halte ich in seiner Vielschichtigkeit für den besten, das habe ich auch in meiner Publikumpreisbegründung geschrieben.
Aber auch sonst haben mir einige Texte gut gefallen, der von Judith Zander, die wahrscheinlich morgen in die Shortliste kommt, auch der von Sabrina Janesch trotz ihrer Käuzchen Metaphern, Max Scharniggs Text hat mir gefallen, der von Christopher Kloeble und von Daniel Mezger. Auch der von Iris Schmidt, vielleicht hätte ich für sie stimmen sollen, auch wenn ich die Einwände verstehen kann und es ist wieder herausgekommen, daß es so etwas, wie den „Bachmannpreisfavoriten“ gibt und man ihn, wenn man es geschickt anstellt, konstruieren kann. Nicht umsonst ist Aleks Scholz Mitarbeiter der Zentralen Íntelligenz Agentur und der wird ja vermutlich der neue Bachmannpreisträger und das ist eigentlich sehr traurig, obwohl diese drei Tage wieder schön und lehrreich waren. Es mir, wenn ich dort gelesen hätte, sicher so, wie Iris Schmidt gegangen wäre, die ja schon einige Veröffentlichungen und Preise hat, sonst wäre sie gar nicht eingeladen worden.
Es ist auch wichtig nochmals zu betonen, daß es viel mehr als diese vierzehn Autoren gibt und es ist natürlich wieder schade, daß nur so wenige Österreicher eingeladen werden und besonders seltsam finde ich es, wenn sich Karin Fleischanderl bei Burkhard Spinnen beklagt, daß er immer Autoren vorschlägt, die einen österreichischen Akzent oder Sprache haben.
Und jetzt bin ich gespannt, ob die Preisträger Scholz, Elmiger, Wawerzinek, Rossbacher oder vielleicht doch Judith Zander heißen werden?
2010-06-25
Blinder Sommer
Zwischen zwei Bachmann-Lesetagen kommt jetzt die Besprechung eines Lyrikbändchen aus dem Bücherschrank, nämlich Rose Ausländers „Blinder Sommer“, das 1965 von Rudolf Felmayer im Bergland Verlag erschien und 1987 im Fischer Taschenbuch Verlag wieder aufgelegt wurde.
Die 1901 in Czernowitz geborene und 1988 in einem jüdischen Altersheim in Düsseldorf verstorbene Lyrikerin hatte einen interessanten Lebenslauf.
Ende der Neunzigerjahre gab es in der Nationalbibliothek eine große Ausstellung über ihr Leben und Werk, das mich sehr beeindruckt hat. Soweit ich mich erinnern kann, waren dort Portraits von dem sehr jungen Mädchens bis zu der alten Frau mit Gedichtbeispielen ausgestellt, die mich ein bißchen zu der Erzählung „Letzter Versuch“ inspirierten und die Rose Ausländer – Paul Celan Beziehung war mir auch geläufig.
Mit dem Celan Lebenslauf habe ich mich bei der Lektüre des Bachmann-Celan Briefwechsel im vorigen November beschäftigt, Nelly Sachs, die auch mit Paul Celan befreundet war und einen ähnlichen traumatischen Lebenslauf, wie der berühmte Dichter hatte, hatte vor kurzem ihren vierzigsten Todestag und in den Tonspuren ein Portrait.
Jetzt habe ich mir das Gedichtbändchen „Blinder Sommer“ in die Badewanne mitgenommen, das auch gut in die Jahreszeit passt.
Rose Ausländer ist in Czernowitz aufgewachsen, im ersten Weltkrieg zuerst nach Budapest, dann nach Wien gekommen, wo sie eine Handelsschule besuchte, 1921 wanderte Rosalie Beatrice Scherzer mit ihrem Jugendfreund Ignaz Ausländer nach Amerika aus, den sie 1923 heiratete und sich 1926 wieder scheiden ließ. Sie erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft, kehrte aber öfter in die Bukawina zurück, um ihre Mutter zu pflegen und wurde dort zuerst als Spionin verhaftet, schließlich von 1941-1944 im Czernowitzer Ghetto lebte, wo sie Paul Celan kennenlernte. Nach dem Krieg ging sie wieder nach New York, 1964 war sie ein Jahr in Wien, 1965 zog sie nach Düsseldorf.
Bis 1971 unternahm sie weite Reisen. 1972 zog sie in das Nelly Sachs Heim der jüdischen Gemeinde, wo sie sich nach einem Schenkelhalsbruch nicht mehr erholte und ab 1977 ihr Zimmer nicht mehr verließ und sich nur mehr auf ihr Schreiben zu konzentrierte.
Ihr zweiter Gedichtband „Blinder Sommer“ brachte den literarischen Durchbruch und die Gedichte, die von ihren Reisen, New York, der Kindheit in Czernowitz, der Mutter, ect, handeln, sind auch sehr interessant.
„Die Rosen schmecken ranzig-rot- es ist ein saurer Sommer in der Welt… Die Schwalbe findet nicht nach Süden – es ist ein blinder Sommer in der Welt“ lautet etwa der Anfang und das Ende des Titelgedichtes.
„24 Stunden“, das sich auf die New York Erfahrungen bezieht, ist ein ziemliches Prosagedicht.
Dann tauchen immer wieder sehr prägnante Zeilen auf:
„Das plötzliche Land duftet nach Zedern und Zimt“
„Nebel goldene Augen klagende Stimmen und manchmal ein Wind“
„Rübezahl, wann wandern wir aus?“ sind einige Beispiele.
Es gibt Venedig Gedichte, die auch einen eigenen Gedichtband füllen.
Der editorischen Notiz kann man entnehmen, daß Rose Ausländer, schon in New York den Kontakt zum Bergland Verlag aufnahm.
300 ab 1957 entstandene Gedicht hat sie 1963 Rudolf Felmayer gesandt, der 93 auswählte, die im August 1965 in einer fünfhundert Stück Auflage erschienen sind.
Bachmannlesen II
Heute also Österreichtag in Klagenfurt, begann es doch um zehn mit Thomas Ballhausen. Vorher wurde noch eine Lanze für eine zwanzigjährige Autorin namens Ingeborg B. und deren „Kriegstagebuch“, das ja jetzt erschienen ist, gebrochen und der 1975 geborene Thomas Ballhausen spazierte in seinem Videoportrait zuerst durch die Uni-Aula, bevor er im Literaturhaus vor seinen Bücherbergen saß.
„Für einen Fünfunddreißigjährigen ist diese Fülle sehr beachtlich!“, sagte der Kommentator.
Dann ging es los mit „Cave canem“, wo der Hund zu finden war, habe ich auch nicht herausbekommen. Ansonsten fing es ziemlich realistisch an, mit einer Grenze und mit Türmen und ich war erstaunt, hätte ich Thomas Ballhausen doch nicht für so erzählend gehalten. Dann tauchte ein Publius auf und gab dem Erzähler eine Maske und ich war verwirrt und dachte, spielt das jetzt im alten Rom? Aber offensichtlich ging der Ich-Erzähler, der ebenfalls ein Autor war mit seinem alten Freund auf ein Kostümfest, dort legte er dann mit einer Frau Tarot in einer alten Villa und vögelte mit ihr und in der Diskussion wurde über die Fantastik gerätselt bzw. herumgenörgelt. Da fällt mir ein Thomas Ballhausen ist ja ein Filmspezialist und Herausgeber einer Fantasyreihe und offensichtlich literaturwissenschaftlich sehr gewandt.
Der nächste Autor hieß Max Scharnigg und sein Text „Die Besteigung der Eignernordwand unter einer Treppe“ war sehr interessant. Da will ein Journalist über die Erstbesteigung der Eignernordwand schreiben, geht nach Haus und findet vor der Wohnung, die seine Frau nicht mehr verläßt, Männerschuhe. Vorher ist er einer anderen Frau gefolgt und hat, als die in sein Wohnhaus ging, dieses durch den Hintereingang betreten. Die Männerschuhe verwirren ihn so sehr, daß er die Wohnung nicht betritt, sondern sich unter die Kellertreppe setzt, dort ein paar Wochen bleibt, nichts ißt und trinkt, die Schritte der Hausbewohner beobachtet und im Kopf seine Bergbesteigung schreibt, schließlich kommt ein alter Mann und lockt ihn mit einem Paprikahendl aus seinem Versteck hervor. Das gab für die Juroren natürlich Stoff zur Diskussion ob das jetzt banal, real, der Ich-Erzähler ein Hungerkünstler oder ein Weichei ist u. s. w. u. s. f.
Der dritte Leser Leser war Aleks Scholz und ist mit „Google Earth“, vielleicht der mögliche Gewinner, war das doch ein Text, wie ihn die Juroren haben wollen, schön geballte Sprachgewalt und auch noch das Endzeitszenario, das offenbar heuer Mode ist.
Dann kam die Mittagspause mit einem Portrait von Friederike Mayröcker „Rasen und Routieren im Kopf“ von Katja Gasser und die Grand Dame der Literatur, wie sie genannt wurde, passt gar nicht zu den Tagen des Erzählens, ist sie doch, wie sie resolut betonte, gegen jede Art von Handlung und liest keine solchen Bücher, denn man muß den Leser ja zur Kunst erziehen.
Angela Leinen kam mit ihrem Buch „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“, auch noch vor“ und dieses Buch würde ich genauso gern wie Cornelia Travnicek geschenkt bekommen, es würde aber wohl nichts nützen, dafür zu versprechen, mich beim nächsten Jahr ums Lesen zu bewerben, siehe http://www.twitter.com/frautravnicek, wo man viele kurze Insidernews über den Lesetag finden kann.
In Klagenfurt ging es weiter mit Judith Zander, das ist die, die auch beim Bremer Literaturpreis im Jänner war, eine 1980 in der DDR geborene Autorin, die in ihrem Romanauszug „Dinge, die wir heute sagten“ von einer jungen Frau erzählte, die anfangs 1970 in einem DDR Lehrlingsheim lebt, vergewaltigt wurde und ihre Schwangerschaft und das anschließende Kinderglück, so gekonnt verdrängt, daß die Juroren, ob der Tristesse des DDR-Alltags aufheulten und Text und Vortrag, als viel zu monoton betrachten.
Dann kam der zweite Österreicher, der heuer lesen darf, an die Reihe, nämlich der 1972 in Spittal an der Drau geborene Josef Kleindienst und der erzählte in „Ausflug“ in brutalen Worten, wie die Kritiker es nannten von einer brutalen Welt und das perfekt, was auch meine Meinung ist, obwohl es anderen Kritikern wieder zuviele Adjektive waren und ich finde, der Text ist ein Dilemma, erzählt er doch so packend, daß ich im Text vorausgelesen habe, wie Jugendgewalt entsteht, erzählt von heinem happy slapping, das in einer Landtristesse entstehen kann und ich will ja keine Gewalt hören, es entspricht aber wahrscheinlich der Realität.
Sehr lehrreich und sehr spannend und eine Flut an guten Texten, interessant, daß mir der von Alexs Scholz und vielleicht auch von Dorothee Elmiger am wenigsten gefallen haben und auch Thomas Ballhausen war mir vielleicht ein wenig zu sprachlich abgehoben. Der Text von dem Mann unter der Treppe hat mir sehr gut gefallen, bei Josef Kleindienst bin ich gespalten, da würde ich wegen des Themas und der Frauenfeindlichkeit nicht für ihn stimmen. Der Text von dem Mann mit der depressiven Frau spricht mich dagegen an und auch der von dem Sohn mit dem behinderten Vater. Die Texte mit der Psychologie und der originellen Handlung halt, ich kann aus meiner Haut nicht heraus und habe auch sehr lang gebraucht, bis ich mit Friederike Mayröcker etwas anfangen konnte. Inzwischen lese ich ihre Bücher und gehe zu ihren Lesungen. Aber jetzt gibts im Kulturjournal einen Bericht über das Bachmannlesen und da bin ich gespannt, was ich da zu hören bekommen werde, wahrscheinlich ganz was anderes, als ich empfunden habe.
Für alle die es genau wissen wollen, habe ich mir heute einen Bachmannpreistag total gegeben, bin zu Hause geblieben und habe auf den klinischen Mittag mit dem Vortag von Prof. Musalek zur „Sozialästhetik in der Psychiatrie“ und den anschließenden Gängen zu den Bücherschränken verzichtet.
2010-06-24
Erstes Bachmannlesen und Dicht-Fest
Nachdem gestern die Lesereihenfolge ausgelost wurde, begann das Bachmannlesen heute um zehn mit Sabrina Janeschs Text „Katzenberge“, ein Auszug aus dem gleichnamigen Roman, der im Herbst als Debut, der 1985 geborenen Autorin, die in Hildesheim kreatives Schreiben studierte, erscheinen soll.
Da ich am Vormittag drei Stunden hatte, habe ich zuerst die Diskussion gehört und da zeigten sich die Schwierigkeiten, die die Juroren mit dem Text hatten, in dem eine Enkeltochter, mit den Worten „Großvater sagte“, die Geschichte eines ukrainischen Bauern, der von den Russen in ein von Deutschen verlassenes Dorf verfrachtet wird und dort die Nacht in einem Zimmer verbringt, in dem schon die Pilze wachsen und beim Schlafen von Schritten am Dachboden gestört wird und als er am Morgen nachsieht, die aufgehängte Leiche des deutschen Vorbesitzers findet, die er mit dem Hakenkreuz in eine Decke wickelt, erzählt.
Ein Text der mit schönen Symbolen sprachlich sanft erzählt wurde, was die Juroren als unangemessen empfanden und den aufgehängten Deutschen am Dach mit Stephenie Meyer verglichen, nun ja.
Beim zweiten Text „Letzte Fischer“ von Volker H. Altwasser, habe ich zuerst das Portrait und danach die Diskussion gehört. Die Kritiker waren ebenfalls nicht einverstanden und sind mit Moby Dick dahergekommen und zwar ging es hier um Hochseefischer, die mit der roten Seefledermaus, das große Geld machen wollen, der man lebend die Haut abziehen muß. Robert Rösch, der das macht, ein ehemaliger Sozialwissenschaftler, der wie der Autor, aus der ehemaligen DDR zu kommen scheint, sehnt sich dabei nach seiner Frau und am Ende kommen somalische Piraten auf die Fischfabrik.
Den dritten Text „Ein versteckter Mensch“ von Christopher Kloeble habe ich erst am Abend mitsamt Diskussion gehört und da ging es um ein mir in letzter Zeit sehr vertrautes Thema und um eine umgekehrte Vater-Sohn Beziehung. Fred, der Vater ist fünfundsechzig, hat noch ein paar Monate zu leben und Albert der Sohn zieht zu ihm und allmählich bekommt man heraus, daß Fred offenbar lernbehindert ist. Da stellt sich zwar die Frage, wie Fred zu einem solchen Sohn gekommen ist, daß der sich aber wünscht von seinem Vater einmal als solcher behandelt zu werden und nicht immer in der umgekehrten Überforderung zu bleiben, ist mir klar. Den Kritikern offenbar nicht, denn die wußten mit dem Wahnsinn oder der Demenz nichts anzufangen oder ist es vielleicht doch Autismus? Da Fred sich auch mit Lexika beschäftigt und lesen kann, vermutlich ja. Die Literaturkritiker kamen aber mit ihren Genres daher und gerieten ordentlich ins Schwitzen, denn, daß man so nicht schreiben darf, wissen wir schon vom letzten Jahr.
Daniel Mezger, der um zwei gelesen hat, hat es ihnen mit „Bleib am Leben“ auch nicht leichter gemacht. Denn da will ein Dorfschullehrer seine Frau verlassen, kann es aber nicht, weil sie ihm in diesen Fall den Suizid ankündigt und sich zu schneiden beginnt, so daß er sie vom Psychologen zum Psychiater schleppt und endlose Litaneien anstimmt und die Kritiker sind schon wieder empört, denn eigentlich müßte das ja die Frau machen und der Lehrer müßte Angst empfinden.
Dann kam die 1985 in der Schweiz geborene und in Berlin lebende Dorothee Elmiger mit ihrer „Einladung an die Waghalsigen“ und alles hat wieder gestimmt.
Nämlich ein sprachlich wunderbarer Text einer schönen jungen Frau, die in einer bürokratischen Polizistentochterprosa von den letzten Büchern erzählt, mit denen sie die Apokalypse überlebte und mit Textmontagen aus diesen Sachbüchern den Fluß Buenaventura finden will und wir haben eine mögliche Preisträgerin.
Und ich bin, weil ein Tag Bachmannlesen und vier Praxisstunden offenbar nicht genügt, zum Dicht-Fest in die alte Schmiede gegangen. Das ist eine von Christine Huber moderierte GAV-Veranstaltung, in denen Claudia Karolyi, Klaus Haberl, Erika Kronabitter, Bernhard Widder, Franz Xaver Hofer und Dine Petrik ihre meist bei kleinen Verlagen erschienen Gedichte vorstellten und ich einige Bekannte, wie Bruni Langthaler und Judith Gruber-Rizy traf, denen ich versuchte meine Bücher zu zeigen.
2010-06-23
Filmplakate, Fanny Elßler, Wörter.See und Bachmannpreiseröffnung
Die letzten beide Tage hatten es in sich, gestern habe ich zwischen meinen Stunden mein Schreibmaterial hervor- und umgeräumt, so will ich Ulrich Greiners „Leseverführer“ nochmals lesen und habe auch mein Expose ziemlich umgestellt.
Die Fritzi Jelinek bekommt eine fünf Frauengenerationsgeschichte zum Lektorieren als Diplomarbeit, der Pilot ist der Freund ihres Vaters, die Beziehung zu dem polnischen Priester Janucz hat sie selbst, die Mails des Dänen Jan, den sie bei einem Auslandsaufenthalt kennenlernte, bekommt sie auch und das Ganze hat den bezeichnenden Titel „Absturzgefahr“.
So weit war ich gestern Abend, bevor ich mich ins Metro Kino aufmachte, denn da wurde das Buch „Filme malen. Der Wiener Plakatmaler Eduard Paryzek“ von der Wien Bibliothek vorgestellt und anschließend gab es eine Filmnacht mit drei Filmen aus den Vierziger und Fünfzigerjahren. Das war sehr interessant, eine mir bisher unbekannte Welt und der Film „Der Schuß durchs Fenster“ mit einem noch sehr jungen Gunther Philipp als Kriminalanwärter, hat mir auch gut gefallen.
Heute hatte ich keine Stunden, so habe ich einen Tagesfahrschein entwertet und bin mit meinem schwarzen Notizbuch herumgezogen. Von Neuwaldegg bis zum Schafbergbad, dort habe ich meine Handlung noch einmal erweitert und Notizen für die erste Szene gemacht, mit der ich demnächst beginnen werde. Vorher habe ich ein interessantes Telefongespräch gehört, dessen Sätze „Meine Zeit läuft ab“, vielleicht in meinen Texten Einklang finden. Ich bin dann noch mit der U1 nach Leopoldau gefahren und bis zur Donauinsel zurück, um bis zur U 6 zu gehen und bei den Vorbereitungen zum Donauinselfest, das dieses Wochenende stattfinden wird, zuzusehen. Um drei bin ich in den Richard Waldemar Park zum kleinen Fest zum zweihundertsten Geburtstag der Tänzerin Fanny Elßler zurechtgekommen. Was bedeutete, daß Elisabeth Zoumboulakis-Rottenberg mit zwei anderen Frauen in schönen „Wilde Weiber-Leiberln“ Haydn mit Baß- und Querflöten spielten und Monika Korvin charmant und spritzig Fanny Elßlers biographische Daten las, die vor zweihundert Jahren, um sechs Uhr früh im Haus Hofmühlgasse 17 geboren wurde. Ein interessantes Rechercheprogramm, bei dem ich Traude Veran getroffen habe, danach habe ich mich entschloßen, nach Haus zu fahren und bis zum Beginn der Bachmannpreiseröffnung meine Sachen zu ordnen und der ORF scheint den Bachmannpreis auch dazu zu benützen, Daten seines Ö 1 Literaturwettbewerbes Wörter.See bekanntzugeben.
Denn da gab es einen Literaturwettbewerb an dem unter Fünfunddreißigjährige teilnehmen durften und da wurden im Kulturjournal zuerst Allgemeinplätze über das, was die österreichische Literatur angeblich sein soll, nämlich schlecht, verlautbart, bevor sich die Juroren darüber wunderten, wie vielfältig und großartig die Texte waren. 164 wurden eingereicht, zwölf davon ausgewählt, neun wird der ORF im Juli senden, damit die Radiohörer, die das noch nicht wissen, erfahren können, wie interessant Österreichs junge Literatur ist. Kurt Flesch, Jessica Lind und Magda Woitzuck sind unter anderen dabei.
Um zwanzig Uhr dreißig gabs dann den Livestream der Bachmannpreiseröffnung, wo man zuerst die Menge im ORF Theater sitzen sah, dann gings los mit der etwas unwilligen Bemerkung des Rundfunkdirektors, daß es Wichtigeres, als Fußball gäbe, danach begrüßte man die Menge und bat Platz zu nehmen.
Die Begrüßungsreden der wichtigen Herren, die allesamt beteuerten sich selbstverständlich sehr für Literatur zu interessieren und große Leser zu sein, folgten und Willy Haslitzer bot das rote Telefon an, wenn man etwas brauchen würde und zählte alles auf, worüber er etwas sagen könne, bevor er wieder eines der Bücher, wie schon gewohnt, Michaela Mondschein schenkte. Diesmal war es Gernot Wolfgrubers „Auf freien Fuß“ aus dem Residenzverlag, als der noch etwas war. Inzwischen ist er es schon wieder und Wolfgang Lorenz hielt eine launig zynische Rede über den Zustand der Welt und, daß die Jugend sich schon längst in die second World verabschiedet und das Lesen verlernt hätte. Aber das Lesen braucht man auch beim E-Mailschreiben und ob ich das, was schreibe per Tastendruck versende oder in den Postkasten schmeiße, ist egal.
Karlheinz Miklin spielte mit seinem Jazztrio, dann kam Sybille Lewitscharoffs Rede über das Scheitern und die war etwas seltsam, da ich mir mit den Zynismen schwer tue und alles ernst zu nehmen pflege. So hatte ich es nicht leicht, das Scheitern von Jesus, Hiob, dem Chef der deutschen Wehrmacht Wilhelm Bodewin Keitel und dem japanischen Dichter Yukio Mishima, in einen Topf zu werfen und als dann noch der Vorschlag kam, alle zehn Jahre, zehn Dichter zum Lesen einzuladen und die neun Verlierer anschließend zu erwürgen, habe ich das nicht lustig gefunden, obwohl es wahrscheinlich eine Parodie gewesen ist. Eine Kritik an die Veranstalter, die ihren tollen Wettbewerb schon sehr abgehoben loben.
Danach kam die Auslosung der Lesereihefolge, Burkhard Spinnen hat noch ein Lob auf die Fernseher ausgesprochen, diese großartige Minderheit, die sich krankschreiben läßt, nur um das Bachmannlesen anzuhören und dann noch zwischendurch seine Meinung in die Blogs stellt.
Ich tue das, fernsehen nicht, weder die Bachmannpreisübertragung noch das Fußballspiel.
„1:0 für Deutschland!“, rief Clarissa Stadler zwischendurch aus, das dann auch während des Gartenfestes übertragen wurde.
Jetzt folgen wieder ein paar dichte Tage der deutschsprachigen Literatur für eine Nichteingeladene. Dank Internet kann ich zwischendurch meinen Praxisbetrieb machen und am Freitag zum klinischen Mittag gehen.
2010-06-22
Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord
„Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord“ ist ein Kriminalroman von der 1957 in Paris geborenen Krimiautorin Fred Vargas, deren Bücher bei Aufbau erscheinen und beworben werden, so daß ich ein bißchen davon mitbekommen habe, obwohl es der erste Vargas Krimi ist, den ich im Bücherschrank gefunden habe.
„Fred Vargas Stil haßt oder mag man!“, habe ich in einer Rezension gelesen und am Buchrücken steht „Wer Donna Leon liebt, wird Fred Vargas vergöttern!“
So ist es bei mir nicht, es ist aber ein höchst bedächtiger, beinahe philosophisch anmutender Stil und für einen Krimi, wo alles spannend und schnell sein muß, sehr ungewöhnlich.
Der Kommissar namens Jean-Baptiste Adamsberg sitzt am Schreibtisch und kritzelt vor sich hin und sein Inspektor, der schon um drei Uhr Nachmittag betrunken ist und fünf Kinder zu versorgen hat, wird als Denker beschrieben.
Kommissar Adamsberg hat auch eine verlorene, die Kleine genannte Geliebte und eine andere, die ihn besuchen kommt, während er sich sonst mit der unter ihm wohnenden Nachbarin vergnügt und es braucht auch einige Kapitel, bis sich die Geschichte langsam zu entwickeln beginnt.
Dann gibt es eine berühmte Meeresbiologin, die noch dazu die Mutter von Adamsberg verlorener Geliebter ist, deren Hobby es ist, unbekannte Menschen auf der Straße zu verfolgen und so spürt sie nicht nur den schönen Blinden Charles Reyer auf, sondern auch den seltsamen kleinen Mann, der nach Äpfel riecht und auf den Pariser Straßen noch seltsamere blaue Kreise zeichnet, in die dann Puppenköpfe, tote Mäuse oder solche Katzen gelegt werden.
„Victor sieh dich vor, was treibst du jetzt noch vor dem Tor!“, schreibt er dazu. Die Polizei sucht fieberhaft nach dem Täter und Adamsberg besucht einen Psychiater, um sich über das Wesen von Zwangsneurotikern unterrichten zu lassen, ist er sich doch sicher, daß bald Tote in dem Kreis liegen werden. Die auch kommen. Zuerst eine dicke Frau mit Notizbuch und Handarbeitsfaible, dann ein alter Arzt und am Schluß noch eine attraktive Fünfzigjährige mit Liebhaber, die die Gattin eines berühmten Byzanzforschers ist.
Adamsberg und sein Inspektor setzen sich auf den kleinen alten Professor und finden heraus, daß er die Kreise gezeichnet hat, aber seine Frau hat er nicht daraufgelegt, denn die hat er geliebt und er riecht auch nicht nach Äpfel, also führt die Spur zu der alten Clemence, die ebenfalls bei der Meeresforscherin Mathilde wohnt, schlechte Zähne hat und jeden Tag auf Kontaktanzeigen antwortet und zu vergeblichen Rendezvous geht, weil sie sich verheiraten will, da sie in ihrer Jugend ihren Verlobten verloren hat. Der ist natürlich das zweite Opfer und so hat man die Täterin. Kommissar Adamsberg ist damit aber auch noch nicht zufrieden, gibt es ja die Äpfel und die Modezeitschrift der Madame Le Nermond, in der sie brillante Artikel geschrieben hat, so fährt der Komissar mit sechs Hunden aufs Land, um die Leiche der schon lange toten Clemence auszugraben und zu entdecken, daß sich der Professor als Frau verkleidet hat, um eine falsche Spur zu legen und die Antwort auf die Frage, warum er all das tat, ist sehr einfach, wollte ihn ja seine Frau verlassen und die hat ihn Wahrheit seine brillanten Bücher geschrieben, so daß ihm nichts anderes überblieb, als ein Mordkomplott zu schmieden, daß sicher noch viel komplizierter, als der Byzantismus ist und als all das aufgeklärt ist, bleibt Kommissar Adamsberg gerade noch die Zeit zum Gare du Nord zu hetzen, denn von dort kommt ihm schon Mathilde entgegen, die ihre Tochter zum Zug gebracht hat und weil Camille ihren Jean-Baptiste natürlich liebt, obwohl sie nicht mit ihm leben will, fährt er zwei Stunden mit ihr mit, um sie ordentlich durchzuvögeln.
2010-06-21
Sommerpläne
Gerade bin ich von der Feedbackrunde der zweiten Margaretner Kunst- und Kulturmesse zurückgekommen. Es war, wie erwartet, der zweite Tag kein Erfolg und die Aussteller sind allein im Festsaal gesessen, so daß es im nächsten Jahr wieder auf ein oder zwei Tage, von siebzehn bis einundzwanzig Uhr mit Programm, verändert wird. Nur ein Herr wollte seine Bilder eine Woche lang ausstellen und dafür dem Bezirk zehn Prozent bezahlen.
Es gibt ein schönes Foto mit dem Bezirksvorsteher und eigentlich beginnt jetzt bald die Sommerpause.
„Mai Juni gibt es überall Veranstaltungen!“, hat der Herr Bezirksvorsteher auch seine Erfahrungen ausgetauscht, ab dreißigsten Juni wird dann alles still und ab da ist man in den früheren Zeiten mit Kind, Kegel und Geschirr in die Sommerfrische gefahren und da ich etwas nostalgisch bin und wir die Wohnung in dem Haus in Harland haben, habe ich seit einigen Jahren auch vor Juli und August in Harland zu verbringen und nur jeweils zwei Tage in der Woche in Wien meinen Praxisbetrieb zu machen.
Vor Jahren hat die Ruth Aspöck einmal zwei Sommerfeste gemacht. Eines am Freitag mit einem guten Trautmannsdorfer Reis und einigen Salaten in ihrer Wohnung in der Burggasse, am Samstag gabs dann eines in St. Peter am Wimberg, ihrem Verlagssitz und hat das so begründet, daß die Salons früher Ende Juni ihre Sommerfrische mit einem Saisonschluß- bzw. Sommerfest gefeiert haben.
Sommerfrischefeste gibt es bei mir nicht, nur das literarische Geburtstagsfest im November, trotzdem hat die Sommerfrische bei mir Tradition, nur heuer ist es ein wenig unsicher, wann sie beginnen wird. In der ersten Juliwoche gibt es seit einigen Jahren das Symposium der jüdischen Geschichte Österreichs, das mit einem Fest in der Synagoge von St. Pölten begonnen hat und dann in Wien, früher bei der BAWAG jetzt am Petersplatz, stattfand. Da bin ich im vorigen Jahr nach der ersten Landwoche sozusagen nach Wien zurückgegangen, heuer wollte ich das Symposium auslassen, schließlich hat es ja nicht so viel mit Literatur zu tun, aber da gibt es die Idee, daß der Alfred mit dem Karl vom siebenten bis achtzehnten Juli irgendwohin fahren will.
Am sechsten hatte ich schon einen Klient eingeteilt und wollte dann aufs Land fahren, wenn aber anschließend das Symposium mit dem Thema „Zinsverbot und Judenschaden“ ist, kann ich hingehen und erst nach dem zwanzigsten aufs Land fahren und dann bis zum Volksstimmefest bleiben.
Jetzt weiß der Alfred zwar nicht, ob er fährt und ich habe alle Optionen offen. Die Sommerfrische passt ja heuer auch sehr gut. Denn ich bin am Donnerstag mit dem Korrigieren von „Mimis Büchern“ fertiggeworden und daher frei für den neuen großen Roman.
Da gibt es schon ein paar Ideen, so daß ich wieder auf Recherche gehen könnte. Die und die nächste Woche hätte ich Zeit dazu, aber am Mittwoch beginnt das Bachmannpreislesen, daß man sehr schön im Internet verfolgen kann. Das kann ja auch inspirierend sein und dann gibt es die Idee, den Sommerfrischesommer für Schreibübungen zu nützen. Recherchieren wird es sich in St. Pölten nicht sehr gut lassen, ich könnte mir aber ein intensiveres Schreibseminar vornehmen. Übungsideen habe ich inzwischen genug und auch eine Menge Kriminalromane, die ich als Sommerlektüre einschieben könnte, die sind allerdings in Wien und in Wien gibt es einige Festivals. Das am Rathausplatz ist das bekannteste, im Juli gibts am Karlsplatz Filme und im Museumsqartier am Donnerstag Literatur, da wäre am achten Juli der Arno Geiger und am fünfzehnten, der Clemens Berger am Programm.
Mal sehen, wie es werden wird. Ich halte alle Möglichkeiten offen, so daß ich am siebenten aufs Land oder zum Symposium gehen kann und bezüglich schreiben, habe ich wieder einmal vor, mir viel Zeit zu lassen.
Trotzdem habe ich in der Nebelsteinhütte schon Pläne gemacht. Die Idee eine Mutter Tochter Geschichte und über den Flugzeugabsturz im April in Polen zu schreiben ist mir schon früher gekommen. Meine Mailkontakte zu meinem holländischen Brieffreund Frans sind auch sehr inspirierend, während ich in der Hütte dachte, daß ich auf den besonderen Eva Jancak Ton achten und nicht einfach einen Beziehungs- und Gesellschaftsroman schreiben will. So ist mir die fünfundzwanzigjährige Schreibtrainerin Fritzi Jelinek eingefallen, die bei ihrer Mutter, einer Deutsch unterrichtenden Mittelschullehrerin lebt, die ihr diesen besonderen Namen gegeben hat und einen weißhaarigen dementen Großvater, der auch Deutschlehrer gewesen ist und jetzt die Bücher vom offenen Bücherschrank nach Hause schleppt, womit die Tochter große Probleme hat, könnte es auch geben. Und Fritzis Diplomarbeit ist ein Schreibcoaching des oben geschilderten Romans.
Sehr originell ist das möglicherweise nicht, vielleicht gelingt es mir aber daraus einen längeren Roman zu machen, der das besondere Lebensgefühl des beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts mit all seinen Entmüdigungs- Überwachungs- und Wirtschaftsproblemen beschreibt.
Ich habe auch vor gründliche Studien zu machen, in meinen bisherigen Romanen zu lesen und all die Schreibbücher herauszukramen, um mich weiterzuentwickeln und bei den Schwächen weiterzukommen, die ich vielleicht noch habe.