In der „Bücherdiebin“ verarbeitet der 1975, in Sydney geborene Markus Zusak, wie in Wikipedia steht, die Erzählungen seiner deutschen Mutter und seines österreichischen Vaters über die Bombenangriffe auf München und die Judenverfolgungen im zweiten Weltkrieg, aber eigentlich erzählt uns der Tod das Leben in einer deutschen Kleinstadt im dritten Reich und weil Markus Zusak vielleicht ein paar kreative Writingkurse besucht hat, erzählt er es sehr ausschweifend mit vielen dramaturgischen Über- und Untergriffen und weil sich die Geschichte offenbar an (australische) Kinder wendet, springt er in vielen sich wiederholenden Überschriften und Kapiteln von vorne nach hinten und zurück und weil das Buch 2005 geschrieben wurde, ist es auch die Geschichte einer Traumatisierung, bzw. wirft der Tod mit Metaphern aus dem DIPS effektvoll um sich.
So wird die kleine Liesel Meminger 1939 von ihrer Mutter mit ihrem Bruder nach München gebracht, um dort Pflegeeltern übergeben zu werden, nachdem der kommunistische Vater irgendwohin verschwunden ist. Der Bruder stirbt und die Schwester klaut auf dem Friedhof, wo er begraben wird, das „Handbuch der Totengräber“ und nimmt es mit in das Haus von Hans und Rosa Hubermann, die sich gegenseitig liebevoll als „Saumenschen“ und „Arschlöcher“ titulieren und legt es unter die Matratze.
Liesel kommt, obwohl schon neun, in die erste Klasse, weil sie nicht schreiben und lesen kann und macht nachts so lang ins Bett, bis der gutmütige Hans Hubermann, ihr aus dem „Handbuch der Totengräber“ vorliest und mit ihr in den Keller geht, um ihr dort das Lesen beizubringen, das sie später so gut beherrschen wird, daß sie allen im Luftschutzkeller aus ihren gestohlenen, gefundenen oder hinterlegten Büchern vorlesen wird, denn die Pflegefamilie ist so arm, daß sie Liesel nur eine kaputte Puppe und zwei Bücher schenken kann.
Liesel kommt in die Hitlerjugend und freundet sich dort mit Rudi Steiner an, der sie gern küssen will, aber sonst ganz andere Ideale hat und so kommt es an einem Führer Geburtstag, viel später als 1933, zu einer neuerlichen Bücherverbrennung, um diesen eine Freude zu machen und da verübt die „Bücherdiebin“ ihren zweiten „Diebstahl“, in dem sie ein glosendes Buch aus den Flammen zieht und dabei von der Frau des Bürgermeisters beobachtet wird, die sie schon kennt, weil sich diese von Rosa Hubermann, die Wäsche waschen läßt und die, eine seltsame und wahrscheinlich ebenfalls traumatisierte Frau, die im ersten Krieg den Sohn verloren hat, führt Liesel in ihre Bibliothek.
Nur leider verliert Rosa Hubermann nach und nach ihre Kunden und zuletzt auch Bürgermeisters, weil die angesichts des Elends um sich herum ein heldenhaftes Opfer bringen müssen und beginnt stinksauer auf die Frau Bürgermeister, sie um Buch für Buch zu bestehlen.
Inzwischen hat Hans Hubermann, der von seinem nationalsozialistischen Sohn für einen Feigling gehalten wird, einen jungen Juden im Keller einquartiert, der dort fast verstirbt, von Liesels Vorlesekunst und den Geschenken, die sie ihm vom Boden aufklaubt, aber ins Leben zurückgeholt wird und ihr dafür zwei Bücher schreibt und zeichnet, die in dem Roman enthalten sind.
Die tausendjährigen Zeiten gehen weiter, Rudi Steiner soll zur Napola, Juden werden durch den Ort nach Dachau getrieben und Hans Hubermann kann sich nicht beherrschen, einem ein Stück Brot in die Hand zu strecken, so daß Max Vandenburg, den Keller in der Himmelstraße verlassen muß und Hans zwar endlich in die Partei aufgenommen wird, aber zum Luftschutzdienst kommt. Dort entgeht er dem Tod und kommt mit einem Gipsbein nach Molching zurück. Die Bombenangriffe hören aber nicht auf und erwischen die ganze Himmelstraße, nur Liesel nicht, da sich diese mit einem Notizbuch der Frau Bürgermeister in den Keller zurückgezogen hat, um die Geschichte der Bücherdiebin aufzuschreiben.
Vorher hat sie Max Vandenburg noch nach Dachau gehen sehen und als der Spuk vorüber und Hitler dem Tod in die Arme gefallen ist, wird sie mit ihm nach Australien gehen, um erst viel später, als alte Frau mit Enkelkindern, die genauso zitronenfarbige Haare wie Max haben, vom Erzähler abgeholt zu werden.
So weit die „charmanteste und nachhaltigste Beschreibung der jüngsten Zeit“ vom Leben im dritten Reich und dem Widerstand der dort trotzallem möglich war.
Elisabeth Pratscher, die mir das Buch freundlicherweise zur Verfügung stellte, hat es nicht gefallen, weil sie keine Geschichten mag, wo der Tod poetisch mit den Seelen der Vergasten im Schornstein über Auschwitz sitzt und haarscharf am Kitsch ist es bestimmt ein paarmal oder auch viel öfter vorbeigeschrammt.
Dennoch habe ich selten eine so eindringliche Beschreibung des Lebens in dieser Zeit gelesen, auch wenn die Geschichte, das psychologische und schreibtechnische Vokabular von heute hat, hat mich der liebevolle Umgang der Menschen, die sich ständig mit „Saumensch“ und „Arschloch“ titulieren und doch das Herz am rechten Fleck haben, sehr beeindruckt. Ich weiß nun nicht, ob die Bayern wirklich so miteinander reden oder geredet haben, denke aber, wenn das die australische Sicht auf die deutsche Kleinbürgerseele ist, ist es hervorragend getroffen.
Den Tod als Erzähler würde ich nicht brauchen, das erscheint mir zu aufgesetzt, die sonstige Metaphernvielfalt ist wohl auch zu farbenreich. Es ist wahrscheinlich ein Jugendbuch, aber sehr beeindruckend und man kann sich nach dem Lesen sehr gut vorstellen, wie es damals gewesen sein mag, obwohl der Tod oder Markus Zusak, die Geschichte schon sehr dick auftragen und viel zu ausschweifend erzählen, was einer einzigen Familie gar nicht alles passiert sein kann.
2010-06-04
Die Bücherdiebin
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