Literaturgefluester

2010-06-25

Bachmannlesen II

Filed under: Uncategorized — jancak @ 16:36

Heute also Österreichtag in Klagenfurt, begann es doch um zehn mit Thomas Ballhausen. Vorher wurde noch eine Lanze für eine zwanzigjährige Autorin namens Ingeborg B. und deren „Kriegstagebuch“, das ja jetzt erschienen ist, gebrochen und der 1975 geborene Thomas Ballhausen spazierte in seinem Videoportrait zuerst durch die Uni-Aula, bevor er im Literaturhaus vor seinen Bücherbergen saß.
„Für einen Fünfunddreißigjährigen ist diese Fülle sehr beachtlich!“, sagte der Kommentator.
Dann ging es los mit „Cave canem“, wo der Hund zu finden war, habe ich auch nicht herausbekommen. Ansonsten fing es ziemlich realistisch an, mit einer Grenze und mit Türmen und ich war erstaunt, hätte ich Thomas Ballhausen doch nicht für so erzählend gehalten. Dann tauchte ein Publius auf und gab dem Erzähler eine Maske und ich war verwirrt und dachte, spielt das jetzt im alten Rom? Aber offensichtlich ging der Ich-Erzähler, der ebenfalls ein Autor war mit seinem alten Freund auf ein Kostümfest, dort legte er dann mit einer Frau Tarot in einer alten Villa und vögelte mit ihr und in der Diskussion wurde über die Fantastik gerätselt bzw. herumgenörgelt. Da fällt mir ein Thomas Ballhausen ist ja ein Filmspezialist und Herausgeber einer Fantasyreihe und offensichtlich literaturwissenschaftlich sehr gewandt.
Der nächste Autor hieß Max Scharnigg und sein Text „Die Besteigung der Eignernordwand unter einer Treppe“ war sehr interessant. Da will ein Journalist über die Erstbesteigung der Eignernordwand schreiben, geht nach Haus und findet vor der Wohnung, die seine Frau nicht mehr verläßt, Männerschuhe. Vorher ist er einer anderen Frau gefolgt und hat, als die in sein Wohnhaus ging, dieses durch den Hintereingang betreten. Die Männerschuhe verwirren ihn so sehr, daß er die Wohnung nicht betritt, sondern sich unter die Kellertreppe setzt, dort ein paar Wochen bleibt, nichts ißt und trinkt, die Schritte der Hausbewohner beobachtet und im Kopf seine Bergbesteigung schreibt, schließlich kommt ein alter Mann und lockt ihn mit einem Paprikahendl aus seinem Versteck hervor. Das gab für die Juroren natürlich Stoff zur Diskussion ob das jetzt banal, real, der Ich-Erzähler ein Hungerkünstler oder ein Weichei ist u. s. w. u. s. f.
Der dritte Leser Leser war Aleks Scholz und ist mit „Google Earth“, vielleicht der mögliche Gewinner, war das doch ein Text, wie ihn die Juroren haben wollen, schön geballte Sprachgewalt und auch noch das Endzeitszenario, das offenbar heuer Mode ist.
Dann kam die Mittagspause mit einem Portrait von Friederike Mayröcker „Rasen und Routieren im Kopf“ von Katja Gasser und die Grand Dame der Literatur, wie sie genannt wurde, passt gar nicht zu den Tagen des Erzählens, ist sie doch, wie sie resolut betonte, gegen jede Art von Handlung und liest keine solchen Bücher, denn man muß den Leser ja zur Kunst erziehen.
Angela Leinen kam mit ihrem Buch „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“, auch noch vor“ und dieses Buch würde ich genauso gern wie Cornelia Travnicek geschenkt bekommen, es würde aber wohl nichts nützen, dafür zu versprechen, mich beim nächsten Jahr ums Lesen zu bewerben, siehe http://www.twitter.com/frautravnicek, wo man viele kurze Insidernews über den Lesetag finden kann.
In Klagenfurt ging es weiter mit Judith Zander, das ist die, die auch beim Bremer Literaturpreis im Jänner war, eine 1980 in der DDR geborene Autorin, die in ihrem Romanauszug „Dinge, die wir heute sagten“ von einer jungen Frau erzählte, die anfangs 1970 in einem DDR Lehrlingsheim lebt, vergewaltigt wurde und ihre Schwangerschaft und das anschließende Kinderglück, so gekonnt verdrängt, daß die Juroren, ob der Tristesse des DDR-Alltags aufheulten und Text und Vortrag, als viel zu monoton betrachten.
Dann kam der zweite Österreicher, der heuer lesen darf, an die Reihe, nämlich der 1972 in Spittal an der Drau geborene Josef Kleindienst und der erzählte in „Ausflug“ in brutalen Worten, wie die Kritiker es nannten von einer brutalen Welt und das perfekt, was auch meine Meinung ist, obwohl es anderen Kritikern wieder zuviele Adjektive waren und ich finde, der Text ist ein Dilemma, erzählt er doch so packend, daß ich im Text vorausgelesen habe, wie Jugendgewalt entsteht, erzählt von heinem happy slapping, das in einer Landtristesse entstehen kann und ich will ja keine Gewalt hören, es entspricht aber wahrscheinlich der Realität.
Sehr lehrreich und sehr spannend und eine Flut an guten Texten, interessant, daß mir der von Alexs Scholz und vielleicht auch von Dorothee Elmiger am wenigsten gefallen haben und auch Thomas Ballhausen war mir vielleicht ein wenig zu sprachlich abgehoben. Der Text von dem Mann unter der Treppe hat mir sehr gut gefallen, bei Josef Kleindienst bin ich gespalten, da würde ich wegen des Themas und der Frauenfeindlichkeit nicht für ihn stimmen. Der Text von dem Mann mit der depressiven Frau spricht mich dagegen an und auch der von dem Sohn mit dem behinderten Vater. Die Texte mit der Psychologie und der originellen Handlung halt, ich kann aus meiner Haut nicht heraus und habe auch sehr lang gebraucht, bis ich mit Friederike Mayröcker etwas anfangen konnte. Inzwischen lese ich ihre Bücher und gehe zu ihren Lesungen. Aber jetzt gibts im Kulturjournal einen Bericht über das Bachmannlesen und da bin ich gespannt, was ich da zu hören bekommen werde, wahrscheinlich ganz was anderes, als ich empfunden habe.
Für alle die es genau wissen wollen, habe ich mir heute einen Bachmannpreistag total gegeben, bin zu Hause geblieben und habe auf den klinischen Mittag mit dem Vortag von Prof. Musalek zur „Sozialästhetik in der Psychiatrie“ und den anschließenden Gängen zu den Bücherschränken verzichtet.

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