Literaturgefluester

2010-06-04

Die Bücherdiebin

Filed under: Uncategorized — jancak @ 23:17

In der „Bücherdiebin“ verarbeitet der 1975, in Sydney geborene Markus Zusak, wie in Wikipedia steht, die Erzählungen seiner deutschen Mutter und seines österreichischen Vaters über die Bombenangriffe auf München und die Judenverfolgungen im zweiten Weltkrieg, aber eigentlich erzählt uns der Tod das Leben in einer deutschen Kleinstadt im dritten Reich und weil Markus Zusak vielleicht ein paar kreative Writingkurse besucht hat, erzählt er es sehr ausschweifend mit vielen dramaturgischen Über- und Untergriffen und weil sich die Geschichte offenbar an (australische) Kinder wendet, springt er in vielen sich wiederholenden Überschriften und Kapiteln von vorne nach hinten und zurück und weil das Buch 2005 geschrieben wurde, ist es auch die Geschichte einer Traumatisierung, bzw. wirft der Tod mit Metaphern aus dem DIPS effektvoll um sich.
So wird die kleine Liesel Meminger 1939 von ihrer Mutter mit ihrem Bruder nach München gebracht, um dort Pflegeeltern übergeben zu werden, nachdem der kommunistische Vater irgendwohin verschwunden ist. Der Bruder stirbt und die Schwester klaut auf dem Friedhof, wo er begraben wird, das „Handbuch der Totengräber“ und nimmt es mit in das Haus von Hans und Rosa Hubermann, die sich gegenseitig liebevoll als „Saumenschen“ und „Arschlöcher“ titulieren und legt es unter die Matratze.
Liesel kommt, obwohl schon neun, in die erste Klasse, weil sie nicht schreiben und lesen kann und macht nachts so lang ins Bett, bis der gutmütige Hans Hubermann, ihr aus dem „Handbuch der Totengräber“ vorliest und mit ihr in den Keller geht, um ihr dort das Lesen beizubringen, das sie später so gut beherrschen wird, daß sie allen im Luftschutzkeller aus ihren gestohlenen, gefundenen oder hinterlegten Büchern vorlesen wird, denn die Pflegefamilie ist so arm, daß sie Liesel nur eine kaputte Puppe und zwei Bücher schenken kann.
Liesel kommt in die Hitlerjugend und freundet sich dort mit Rudi Steiner an, der sie gern küssen will, aber sonst ganz andere Ideale hat und so kommt es an einem Führer Geburtstag, viel später als 1933, zu einer neuerlichen Bücherverbrennung, um diesen eine Freude zu machen und da verübt die „Bücherdiebin“ ihren zweiten „Diebstahl“, in dem sie ein glosendes Buch aus den Flammen zieht und dabei von der Frau des Bürgermeisters beobachtet wird, die sie schon kennt, weil sich diese von Rosa Hubermann, die Wäsche waschen läßt und die, eine seltsame und wahrscheinlich ebenfalls traumatisierte Frau, die im ersten Krieg den Sohn verloren hat, führt Liesel in ihre Bibliothek.
Nur leider verliert Rosa Hubermann nach und nach ihre Kunden und zuletzt auch Bürgermeisters, weil die angesichts des Elends um sich herum ein heldenhaftes Opfer bringen müssen und beginnt stinksauer auf die Frau Bürgermeister, sie um Buch für Buch zu bestehlen.
Inzwischen hat Hans Hubermann, der von seinem nationalsozialistischen Sohn für einen Feigling gehalten wird, einen jungen Juden im Keller einquartiert, der dort fast verstirbt, von Liesels Vorlesekunst und den Geschenken, die sie ihm vom Boden aufklaubt, aber ins Leben zurückgeholt wird und ihr dafür zwei Bücher schreibt und zeichnet, die in dem Roman enthalten sind.
Die tausendjährigen Zeiten gehen weiter, Rudi Steiner soll zur Napola, Juden werden durch den Ort nach Dachau getrieben und Hans Hubermann kann sich nicht beherrschen, einem ein Stück Brot in die Hand zu strecken, so daß Max Vandenburg, den Keller in der Himmelstraße verlassen muß und Hans zwar endlich in die Partei aufgenommen wird, aber zum Luftschutzdienst kommt. Dort entgeht er dem Tod und kommt mit einem Gipsbein nach Molching zurück. Die Bombenangriffe hören aber nicht auf und erwischen die ganze Himmelstraße, nur Liesel nicht, da sich diese mit einem Notizbuch der Frau Bürgermeister in den Keller zurückgezogen hat, um die Geschichte der Bücherdiebin aufzuschreiben.
Vorher hat sie Max Vandenburg noch nach Dachau gehen sehen und als der Spuk vorüber und Hitler dem Tod in die Arme gefallen ist, wird sie mit ihm nach Australien gehen, um erst viel später, als alte Frau mit Enkelkindern, die genauso zitronenfarbige Haare wie Max haben, vom Erzähler abgeholt zu werden.
So weit die „charmanteste und nachhaltigste Beschreibung der jüngsten Zeit“ vom Leben im dritten Reich und dem Widerstand der dort trotzallem möglich war.
Elisabeth Pratscher, die mir das Buch freundlicherweise zur Verfügung stellte, hat es nicht gefallen, weil sie keine Geschichten mag, wo der Tod poetisch mit den Seelen der Vergasten im Schornstein über Auschwitz sitzt und haarscharf am Kitsch ist es bestimmt ein paarmal oder auch viel öfter vorbeigeschrammt.
Dennoch habe ich selten eine so eindringliche Beschreibung des Lebens in dieser Zeit gelesen, auch wenn die Geschichte, das psychologische und schreibtechnische Vokabular von heute hat, hat mich der liebevolle Umgang der Menschen, die sich ständig mit „Saumensch“ und „Arschloch“ titulieren und doch das Herz am rechten Fleck haben, sehr beeindruckt. Ich weiß nun nicht, ob die Bayern wirklich so miteinander reden oder geredet haben, denke aber, wenn das die australische Sicht auf die deutsche Kleinbürgerseele ist, ist es hervorragend getroffen.
Den Tod als Erzähler würde ich nicht brauchen, das erscheint mir zu aufgesetzt, die sonstige Metaphernvielfalt ist wohl auch zu farbenreich. Es ist wahrscheinlich ein Jugendbuch, aber sehr beeindruckend und man kann sich nach dem Lesen sehr gut vorstellen, wie es damals gewesen sein mag, obwohl der Tod oder Markus Zusak, die Geschichte schon sehr dick auftragen und viel zu ausschweifend erzählen, was einer einzigen Familie gar nicht alles passiert sein kann.

2010-06-02

Erica und ihre Geschwister

Filed under: Uncategorized — jancak @ 19:35

„Erica und ihre Geschwister“ von Elio Vittorini, ist eines von den Wagenbach Taschenbüchern mit denen ich meine Ein-Euro-Buchlandungskäufe vor drei Jahren begonnen habe und mit dem ich meinen kleinen Sizilienschwerpunkt fortsetzen will.
Ein interessantes Buch, des 1908 in Syrakus geborenen und 1966, in Mailand verstorbenen systemkritischen Schriftstellers, der, wie ich Wikipedia entnehme, zu den wichtigsten Vertretern des literarischen Neorealismus zählt.
1936 ist das Buch bei Guilio Einaudi editori in Turin erschienen, steht in der Wagenbach Taschenbuchausgabe von 2001, Wikipedia kann ich entnehmen, daß das Buch 1952- 1955 vervollständigt wurde, 1956 auf Italienisch und 1984 auf Deutsch erschien und ist eine Geschichte über die bittere Armut der italienischen Arbeiter nach dem Weltkrieg und der Wandlung eines Kindes in die Prostituion, um seine Geschwister zu ernähren, zu denen es eigentlich keine Beziehung hat.
Die kleine Erica ist jedenfalls nach dem Krieg in einem kalten Winter in die große Stadt gekommen und träumt ein Leben vom Glück im Winter und Vögeln im Schnee, während sie mit ihren Eltern, der Schwester und dem Brüderchen in zwei Zimmern eines Hauses im Erdgeschoß wohnt und es als schönste Zeit empfindet, wenn die Mutter, die Wäsche im Zimmer zum Trocknen aufhängt, weil sie dann Zeit zum Märchenerzählen hat.
Der Vater arbeitet als Monteur in einem Hüttenwerk, es folgt die Zeit der Lohnverkürzung und des Stellenabbaus, so daß die phantasiebegabte Erica in der Nacht ins Schlafzimmer der Eltern hineinzulauschen beginnt und sich davor fürchtet, daß die, die Kinder wie bei Hänsel und Gretel in einem Märchenwald aussetzen könnten. Sie beginnt sich dagegen zu wappnen, sammelt Steine, prägt sich die Wege ein und wird immer größer und kräftiger, so daß sie mit dem neuen roten Kleid, daß sie von der Mutter bekommt, keine Angst mehr zu haben braucht.
Der Vater verliert indessen seine Stelle und beginnt in die Fremde hinauszuziehen, die Mutter bleibt der Kinder wegen zurück und verdingt sich als Geschirrwäscherin, bei einer Familie im Vorderhaus, wird aber bald vom Vater gerufen, so daß sie der inzwischen Vierzehnjährigen, die Geschwister anvertraut, einen Sack Polentamehl, Kohle, Holz und Petroleum in das Abbruchhaus, auf dem zum Verkauf stehenden Baugrund, in dem die Familie inzwischen wohnt, einlagert, eine Henne kauft sie auch und bezahlt beim Fleischer und beim Bäcker, die Schulden, so daß Erica die nächste Zeit das Suppenfleisch und das Brot anschreiben lassen kann, dann drückt sie ihr eineinhalb Lire in die Hand und steigt in den Zug, die Erica für eine Tasse Milchkaffee ausgibt, von dem das Meiste der kleine Bruder trinkt.
Erica putzt und wäscht, versorgt die Geschwister, ist sicher die Mutter nicht mehr wiederzusehen und auch froh darüber und wird als nächstes von den Nachbarinnen, um die Henne, die Kohlen und die Polenta betrogen, während sie noch hoffnungsvolle Briefe an die Mutter schreibt.
Die Geschwister gehen in die Schule und spielen den Rest des Tages im Freien und das Essen wird knapp. Die Nachbarinnen machen Versuche, sie als Dienstmädchen auszunützen, das dicke Mädchen, das mit einem Kind in der Umgebung wohnt, versucht sie dagegen aufzuhetzen, es wird auch von irgendwelchen Hilfsorganisationen gesprochen, an die sich die von den Eltern Verlassene wenden kann. Die Scham hindert Erica aber daran, eine Tasse der gestohlenen Polenta zurückzunehmen, sie will auch keine Hilfsangebote, sondern bindet sich ein rotes Tüchlein in die Haare und stellt sich an das Fenster, um die Soldaten und Serganten drei Stunden am Tag hineinzulassen und tut das so diskret, daß die Nachbarinnen nichts daran aussetzen können, obwohl sie die Arbeit, die sie nun verrichtet, um sich und ihre Geschwister zu ernähren, als schrecklicher empfindet, als würde sie sich enthaupten lassen…
Die Geschichte eines Mädchens, dem es trotz aller Demütigungen gelingt, sich seinen kindlichen Mut und seine unerschütterliche Zuversicht zu bewahren, steht auf der Buchrückseite, ganz so habe ich das nicht empfunden.
Geschrieben ist diese Sozialkritik in einer sehr symbolhaften, fast märchenhaft anmutenden, distanzierten Sprache, in der die Systemanklage des Nach- und Zwischenkriegsitalien drastisch und fast unwirklich klingt, obwohl ich mir bei der Literatur im Herbst, vor eineinhalb Jahren sagen habe lassen, daß das in der Ukraine, wo die Eltern, in den reichen Westen arbeiten gehen und die Kinder bei irgendwelchen überforderten Großmüttern zurücklassen, so passieren soll.

2010-06-01

Zweite Margaretner Kunst und Kulturmesse

Filed under: Uncategorized — jancak @ 23:25

Heute begann die zweite Margaretner Kunst und Kulturmesse, die Idee des Bezirksvorstehers die Künstler des Bezirks in einem Almanach zu vereinen, der an alle Margaretner Haushalte verschickt wird und sie im Festsaal des Amtshauses kostenlos dem Publikum zu präsentieren.
Im April gab es eine Vorbesprechung und weil die Veranstaltung im Vorjahr erfolgreich war, wurde sie auf zwei Tage anberaumt. Am Dienstag von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr mit einem Leseprogramm, fünf Lesungen im Halbstundentakt zu je fünfzehn Minuten, morgen wird es mit den Ausstellungstischen weitergehen, es haben sich hauptsächlich bildende Künstler angemeldet, die zum Teil zusätzlich gelesen haben, wie Elisabeth Chovancec und Susanne Praunegger.
Es waren weniger Leute da, zumindestens habe ich nicht viele bekannte Gesichter gesehen. Ich hatte meinen Tisch ganz hinten neben einer lieben Dame, die auf der Wiedner Hauptstraße ihr Art Trade Web Design hat und war auf dem vorbereiteten Schild ganz richtig mit Website, Blog, Adresse und Lebensdaten angekündigt. Es kam gleich zu einem Tauschgeschäft, zwei Bücher gegen eine Steinfigur. Die Tauschgegner werden aufheulen, aber der kleine Hunter mit dem Muschelhut passt gut aufs Kastel im Wartevorzimmer und ist eine liebe Erinnerung.
Ansonsten war vieles gleich und viel verschieden. Statt Gabi Rökl hat der Bezirksvorsteher moderiert. Um achtzehn Uhr ist es mit Elisabeth Chovanec losgegangen, die mir vorher ein paar ihrer Broschüren und eine CD gegeben hat.
Ein paar Leute haben meine Bücher angeschaut, eine Dame hat sich erkundigt, ob ich in einer Pfarre lesen würde und ist gleich wieder verschwunden.
Nach jedem Leseblock gab es eine Pause. Als nächste hat Susanne Praunegger über unerwünschte Geschenke gelesen, dann kam ich mit meinem Nanowrimobeginn.
Der Bezirksvorsteher hat mich als Lyrikerin angekündigt. Vielleicht besteht für ihn die Literatur aus Lyrik, ich war ihm auch zu lang, so hat er charmant und launig versucht seinen Unmut höflich hinüberzubringen. Ich habe mich aber genau an die vorgegebene Lesezeit gehalten und zur Lebensfreude gehört sicher etwas Geduld.
Dem Publikum hats auch, glaube ich, gefallen, jedenfalls wurde ich danach mit einem Dessert verwöhnt, denn es gab Brötchen, gefüllte Semmerln, Süßes und noch zwei Leseblöcke.
„Artgerechte Menschenhaltung“ von Mathias Handwerk und Texte des Tatookünstlers Wolfgang Weninger. Danach Gespräche, ein längeres mit einem Herrn, der seine vierundneunzigjährige Mutter betreut, der ihr zur Aktivierung aus dem „Haus“ vorlesen will und viel Info Material über die bildende Kunst Margaretens. Daß die Literatur in den Hintergrund geraten ist und gerade als schneller Lyrikblock geduldet war, finde ich sehr schade.
So hat Julya Rabinowitch nicht mehr gelesen, nur ihre Mutter, die in der oberen Amtshausstraße ihr Atelier oder ihre Wohnung hat, hat mir ihren Stand und ihre Werke gezeigt. Und eine alte Dame hat inzwischen angerufen und sich bei mir erkundigt, wie ich meine Bücher mache und wieviel man dabei verdienen kann.

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