Literaturgefluester

2010-07-15

Am Grinzinger Friedhof

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:46

Mein geplanter Recherchetag hat mich auf den Grinzinger Friedhof geführt, denn da fand am Mittwoch das Begräbnis von Andreas Okopenko statt. Vorher habe ich in Richard Miklins „Literarische Spaziergänge“ nachgesehen und bin seltsamerweise auf ein Andreas Okopenko Spontangedicht „Mei Wienerlied“ gestoßen, der beim Heurigen so gern das tut, was man angeblich nicht soll, nämlich Bier trinken und die letzte Strophe führt auch noch auf den Friedhof hinaus.
„Die gstööde Wirtin pfnaust „Geh, sei net frech“
der lieabe Herrgott zahlt für mi die Zech
Und im Dusel siech i glech
meine wunderschöne Leich…“
„Bei einem Rundgang durch den Grinzinger Friedhof kann man sich davon überzeugen, wie viele „Geistesmenschen“ dort begraben sind“, schreibt Richard Miklin, Thomas Bernhard, Heimito von Doderer und nun auch Andreas Okopenko, das steht natürlich noch nicht in dem Buch, ein weiterer Beweis, warum Google dem Gedruckten vielleicht vorzuziehen ist. Den Friedhof kannte ich auch schon, obwohl ich nie hineingegangen bin. Wohnte doch Valerie Szabo-Lorenz, bei der ich mich mit Hilde Langthaler und Elfriede Haslehner ja sehr lange traf, in einer Nobelgemeindebausiedlung in der Wenckebachgasse, die direkt beim Friedhof liegt, ist selber aber im Ehrengrab von Wilhelm Szabo am Zentralfriedhof begraben, beim Gerstl und beim Pataki Begräbnis habe ich jeweils hingeschaut, ist das Grab ja leicht zu finden, da es neben dem von Hermann Schürrer liegt.
Also bin ich trotz Hitze mit meinem schwarzen Notizblock und einer Wasserflasche aufgebrochen und gemächlich in Richtung Grinzing marschiert. Beim Thalia auf der Mariahilfer Straße habe ich endlich einmal in die „How I fucked Jamal“-Anthologie hineingeschaut und in Clemens Berger „Streichelinstitut“. Das dicke Buch von Oswald Egger gibt es dort auch. Am Westbahnhof sollte laut den Gratiszeitungen Eistee verteilt werden, damit die Reisenden nicht wegen der Hitze kollabieren. Ich war zu früh daran, bin also ich weiter über die Brunnengasse, der Bücherschrank ist im Augenblick wieder abgebaut und der Yppenplatz habe ich im Leporello gehört, soll zu einem neuen Soho werden, mit Neubauten und üppigen Mieten.
„Wieso sind die Mieten so hoch?“, stand schon an den Wänden gesprayt.
Das Begräbnis fand in der größten Hitze um zwei Uhr Nachmittag stand. Hauptsächlich Autoren und Literaturbeamte. So habe ich Silvia Bartl, Robert Huez, Gerhard Ruiss, Dine Petrik, Christian Katt, Hermann J. Hendrich, Mechthild Podzeit-Lütjen ect. gesehen. Die Frauen in dünnen schwarzen Kleidern und Strohhüten mit dunklen Bändern, die sich verzweifelt mit Fächern Luft zufächelten, die Männer in kurzen weißen Hemden. Christine Huber hat mit einem Nachruf Andreas Okopenkos auf sich selbst begonnen und dann Rolf Schwendters Abschiedsbrief verlesen, der sich in Kassel befindet. Nach einer literarischen Wüdigung wurde am Grab der Sarg ruckweise hinuntergelassen, dazwischen gab es Okopenko-Texte von Herbert J. Wimmer, Ralph Klever, Karin Ivancsics und Kurt Neumann zu hören. Eine Sängerin hat ein Wiegenlied gesungen.
Zum Heurigen bin ich nicht mitgegangen, sondern habe die Gruppe einundzwanzig, Reihe sechs, den Geheimtip zu finden versucht, was mir aber nicht gelungen ist, so daß ich, weil auch niemand anderer dorthin wollte, zur Straßergasse hinuntergegangen bin, wo ich 1973 in der HBLA maturiert habe, die jetzt renoviert wird. Danach habe ich beim Mc Donald einen Kaffee getrunken und ein Eis gegessen, die Kinder beim Baden im Währinger Park beobachtet, koreanische Schüler aus Bussen klettern gesehen und bin vor dem Karlsplatz noch mit Friederike Mayröckers „Und schüttelte einen Liebling“ in die Badewanne gestiegen, wo es um den Tod von Ernst Jandls geht. Am Karlsplatz gab es am Mittwoch in den USA gedrehte Wien Filme von Josef von Sternberg. Ein kürzlich gefundenes Stummfilmfragment über den Prater und „Dishonored“, wo Marlene Dietrich eine Spionin aus dem ersten Weltkrieg auf eine Art und Weise spielt, die wohl als Parodie zu betrachten ist und am Dienstag gabs „Wienfilm 1896-1976“ mit altem Filmmaterial und neueren Texten von Artmann bis Jandl und Mayröcker, dazwischen erkundigte sich Peter Weibl, wem Wien gehört und Joe Berger ging mit einem Affen spazieren.
Ob ich Donnerstag und Freitag, wie geplant auch in Wien herumspaziere, glaub ich eher nicht. Das Schreiben lockt, Material habe ich vorläufig genug, außerdem ist es sehr heiß.

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