Seit ich aus Harland zurück bin, habe ich bei der „Absturzgefahr“ mehr oder weniger vor mich hingedümpelt. Das geht mir manchmal so, wenn ich mit der Rohfassung fertig bin, will das Korrigieren nicht von der Hand. Ganz stark war das bei der „Viertagebuchfrau“, diesmal war es moderater. Ist das Schreiben des Rohentwurfs ja flott dahingegangen, hat Spaß gemacht und bin mit dem Ergebnis eigentlich auch zufrieden. Meine Rohfassungen sind inzwischen flüssiger und gar nicht mehr so, daß man verzweiflen müßte.
Trotzdem vor mich hingetrödelt und immer wieder in das Netz geschaut. Ich versuche damit tolerant umzugehen, denke, daß ich das brauche und versuche nur, ein bißchen was zu tun, auch wenn es schneller gehen könnte. Also das, was ich auch meinen Klienten rate.
So bin ich gestern mit der zweiten Gesamtkorrektur fertiggeworden. Das Ganze ist erwartungsgemäß geschrumpft, hat jetzt knapp hundertdreizehn Seiten beziehungsweise 62.514 Worte. Obwohl ich große Pläne hatte, habe ich am Inhalt nichts verändert und werde das wahrscheinlich auch nicht sehr, obwohl ich vorhabe, wenn „Mimis Bücher“, das mir der Alfred endlich gegeben hat, durchgesehen ist, mich damit in die Straßenbahn zu setzen, um nachzuschauen, ob ich die Handlung nicht vielleicht doch ändern will. Meist komme ich darauf, es bei der Rohfassung zu lassen und das hat vielleicht auch sein Gutes.
Also keine Änderung der Beziehungsgeschichte Fritzi – Jan. Da bleibts bei dem Angedeuteten, was vielleicht auch realistisch ist. Sie dürfen keine Liebe haben, weil es die Kirche nicht erlaubt und tun es auch nicht, weil sie nichts verändern wollen. Die sogenannte Bigitte Schwaiger Szene habe ich schon in Harland ein bißchen aufgepäppelt. Da trifft der alte Mann am Schrank eine Frau mit einer großen Büchertasche, nachher waren Schwaiger Bücher drinnen und Elena liest aus der Zeitung von einer Wasserleiche vor. Auch die Männerfeindlichkeit der Mutter ist, denke ich, klar genug erzählt und Erikas Liebe zu ihren zwei Männern bleibt auch nur ein Nebenstrang.
Bis Weihnachten wahrscheinlich Korrigierarbeit und dann Digitalbuch fünf- oder sechsundzwanzig. Daß meine Sätze vielleicht ein bißchen klarer werden, hoffe ich. Der Ton bleibt realistisch, das Stiefkind der Literatur ich weiß und der Inhalt ist sehr leise und verhalten, obwohl es von Traumatisierungen wimmelt. Das ist wohl das meine und ich will mich wohl auch mehr selbst verwirklichen, als für den Markt schreiben.
Als nächstes steht die Endkorrektur von Mimis Bücher an, damit das an die Druckerei gehen kann. Das ist in den letzten Wochen ein bißchen untergegangen, beziehungsweise während des Sommers auf Alfreds Schreibtisch gelegen, weil wegen Pendeln keine Zeit. Jetzt hoffe ich, daß es bald fertig wird und und muß mich um den Beschreibungstext kümmern.
Sonst sind Lesepläne angestanden, aufmerksame Leser wissen es, ich hatte im Sommer eine Krimiphase, am ersten September „Ein Mann, ein Mord“ ausgelesen, dazwischen zwei brandneue Rezensionsexemplare eingeschoben und konnte dann zu meiner Leseliste zurück, die ich mir im Juni vorgenommen habe. Seit den offenen Bücherschränken komme ich damit aber gehörig durcheinander, weil ich regelmäßig vorbeikomme und wenn ich was finde, schiebe ich es auch ein.
Diese Woche bin ich endlich dazugekommen, den Ulrich Becher zu lesen, der schon sehr lange auf der Liste steht, als nächstes stünde ein Alberto Moravia an und Tom Parks „Schicksal“ sollte ich auch mal lesen. Trotzdem bin ich am Dienstag zu dem kleinen Regal gegangen, wo meine Bücherkastenfunde liegen, habe ein bißchen umgeschlichtet. Am Abend war ich wieder beim Schrank, sah dort Susanne Riedels „Die Endlichkeit des Lichts“, was in Wien offenbar gern gelesen wird, denn das habe ich schon im Sommer gefunden, aber darauf vergessen. Also kein John Irving, der ja auch auf das Lesen wartet, sondern damit begonnen, dann bin ich zur Buch-Wien gesurft und erfuhr, daß in vierzehn Tagen das neue Buch des Buchmessen Stars Ken Follet „Sturz der Titaten“ erscheinen wird und, um die Leser besonders scharf darauf zu machen, gibt es täglich ein Video mit dem charmanten weißhaarigen Herrn, der eine kurze Frage dazu beantwortet „In zehn Tagen können Sie erfahren…“
Da ist mir eingefallen, daß im Badezimmer auch ein Ken Follet liegt, also Leseliste umgekrempelt, die Susanna Tamaro muß noch drauf und zwei der Folio Bücher, die ich bei Buchlandung gefunden habe.
Gestern hat Leselustfrust von einer Herbst-Winter Challenge geschrieben und ihren Büchervorsatz bekanntgegeben. Man kann einen Wettsport mit genauen Regeln daraus machen und es SUB-Abbau nennen, aber im Großen passiert ja genau dasselbe. Die Neuerscheinungen werden präsentiert und Weihnachten kommt. Das deutsche Buchpreis Spektakel sagt ja auch, welche zwanzig Bücher man jetzt kaufen oder lesen soll. Zum zweiten Bücherschrank, bin ich gestern nach der Doron Rabinovici Lesung auch gegangen. Dagegen dürfte es den in der Otto Bauer Gasse vielleicht doch nicht geben, zumindest ist er von der Bücherschrank-Homepage verschwunden. Ein Glück für mich, denn dort komme ich noch öfter vorbei und ich habe ein Platzproblem und wie man sieht, die Übersicht schon fast verloren.
Eine Idee für mein nächstes Schreiben ist mir beim Lesen von „Kurz nach vier“ auch gekommen. Denn das hat eine interessante Dramaturgie. Da fährt einer durch Italien, beobachtet die Touristen und erzählt sein Leben. Das könnte ich mit einer Frauenfigur auch probieren.
Ansonsten gibt es zwei neue Lesetermine. Die „Sophie Hungers“, die mir beim Schreiben ja nicht so flüssig von der Hand gegangen ist, wird am 6. Dezember in der Alten Schmiede vorgestellt und dann noch einmal im neuen Jahr, nämlich am 5. September 2011 im Cafe Amadeus in der Märzstraße, in dem ich noch nie gelesen habe. Also vormerken, hoffentlich gibts von meiner fünfzig Stück Auflage dann noch ein paar Exemplare.
2010-09-17
In eigener Sache
2010-09-16
Shortlisten-Lesung
Bei dem deutschen Buchpreis-Spektakel gibt es die sogenannten Blindlesungen. Da wird ein Buchpreiskanditat zu einer Lesung eingeladen und das Publikum erfährt erst vor Ort, von wem es vorgelesen bekommt und da die meisten Lesungen in Deutschland stattfinden, muß man dafür auch Eintritt zahlen.
Einen Tag vor der Shortlisten- Bekanntgabe war so eine Lesung in der Schiller Buchhandlung in Stuttgart-Vaihingen, wobei es eine Aktion des Literaturcafes gab, wenn man den richtigen Autor erriet, durfte man umsonst hinein. Ich weiß nicht, wieviel Besucher auf Michael Kleeberg kamen.
Doron Rabinovicis Buchpäsentation zu „Andersorts“ in der Hauptbücherei war jedenfalls im Septemberprogramm angekündigt und es war, wie Jessica Beer einleitete, die erste dieser Art, das Recht der ersten Nacht sozusagen, wie sie launig anmerkte.
Ich bin auf jeden Fall ein bißchen früher hingekommen. Es war aber nicht so voll, zumindestens um dreiviertel Sieben nicht. Später ist auch Robert Schindel gekommen, der von Doron Rabinovici, als Freund erwähnt wurde, der die Arbeit an dem Buch begleitet hat. 2006 oder 2007 hat er damit begonnen, hat er erzählt und die Suhrkamp Lektorin Doris Plöschberger, die extra deshalb nach Wien gekommen ist, hat eingeleitet. Vorher hat schon Jessica Beer etwas zu diesen rasanten Buch, das ständig in Bewegung zwischen Wien, Tel Aviv und Jerusalem ist und den Verwirrungen und Identitätsverlusten, die der Hauptprotagonist Ethan Rosen durchmacht, berichtet und Doris Plöschberger hat noch was vom jüdischen Witz erzählt und die Geschichte, daß sich der kleine Doron als er mit drei Jahren von Israel nach Wien gekommen ist, über die Esel wunderten, die nicht Hebräisch verstehen und auch, daß er schon als Kind lieber die Bücher seiner Eltern, als Jugendliteratur gelesen hat.
Dann ist es losgegangen mit dem ersten Kapitel, von dem die Lektorin später erzählte, daß es in sich abgeschlossen ist und fast alle Personen darin vorkommen. Jedenfalls fliegt der Soziologe Ethan Rosen, der als Kind aus Israel nach Wien gekommen ist und in Tel Aviv bei einem Begräbnis war, nach Wien zurück und im Flugzeug, dem Ort wo die unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen, geht das Verwirrspiel los.
Er sitzt neben einem gläubigen Juden, der so unruhig ist, daß er nach Abheben des Flugzeugs in einen Gebetstaumel verfällt, während die ältere Dame, die ihm mit seinem Kosenamen anspricht, einen Tablettencocktail in sich hineinwirft und der israelische Geschäftsmann, der in Wien eine Filiale übernehmen soll, verwirrt ihn sosehr, daß er einer Dame, die weiter sitzt, erklärt, daß er Johann Rossauer heißt, zum Baden in Israel war und nicht Hebräisch kann.
Ein Doppelgänger namens Rudi Klausinger und ein meschugger Rabbi, der Gott aus der Retorte herstellen will, kommen auch noch in dem Buch vor. Dem Publikum hat die Lesung und der Humor sehr gefallen, es wurde viel gekichert, eine Diskussion von welchen Philosophen Doron Rabinovici beeinflußt wurde und wann der gestorben ist, gab es auch und ich kenne den 1961 geborenen Doron Rabinovici, glaube ich, seit 1988 durch die GAV und durch die Waldheim Geschichte. Da wurde auch der Republikanische Club gegründet und er grüßt mich immer freundlich, wenn er mich sieht. Den 2004 erschienenen Roman „Ohnehin“, der unter anderem am Naschmarkt spielt und die Geschehnisse um den Naziarzt Dr. Gross auch auf eine originelle Art aufarbeitet, habe ich gelesen. Bei dem Projekt „Mit Sprache unterwegs“, das demnächst im Radio Kulturhaus vogestellt wird, hat er mitgemacht und da ist es, glaube ich, auch um die Reise nach Indien gegangen, von der er in der Diskussion erzählte, daß er dort sehr seltsame Leute getroffen hat, die, wie sein meschugger Rabbi recht seltsame Vorstellungen vom Leben hatten.
Am Samstag gibt es im Literaturhaus Frankfurt die nächste Lesung aus dem Buch, da werden dann alle Shortlistenkanditaten lesen.
2010-09-15
Feuerland
„Feuerland ist die erste selbständige Veröffentlichung von Chacha Bevoli, respektive Elisabeth Chovanec. Die dreiunddreißig lyrischen Texte mit Namen wie „lärmende Stille“, „Lebensmelodie“, „Lebensspirale“, „Meerestiefe“, „Offenbarung der Stille“, „Sichtbarkeit“, „Weisheit“ oder „Ziel“ , versuchen die Welt zu erklären, in Ratschlägen Sinn und Halt zu geben, wie
Stille ist Erholung
Stille ist Erkennung
Stille ist Erneuerung
oder
Im Alltagstrott gefangen
Vom Streß geleitet
Atemnot von Tag zu Tag
Sie erzählen aber auch einiges von der Autorin:
Im Traum
male ich wie Leonardo da Vinci
ich spreche fließend, leise und einschmeichelnd
Nicht nur mit Menschen im Dunklen
Im Sonnenschein mit Tieren
Im Regen mit Schemengestalten
Bin begabt mit Ideen aller Art
fliege bis in den weiten Himmel
Die Welt im Dunkel
birgt manch Wunder
Doch ich liebe das Licht
Elisabeth Chovanec wurde 1939 in Wien geboren und begann in der Pension im Rahmen der Schreibwerkstatt zu schreiben. 2006 absolvierte sie ein Lyrikstudium, malt seit 2008 Acrylbilder und schreibt zu ihren Bildern lyrische Texte.
Ich weiß nicht mehr genau, wann ich sie kennengelernt habe, wahrscheinlich wird es bei einem der Schreibwettbewerbe in der Bücherei Pannaschgasse, Szene Margareten gewesen ist. Kann mich an den heurigen Osterspaziergang des ersten Wiener Lesetheaters erinnern, wo sie, während ich im Restaurant Beograd eine Fischsuppe aß, tapfer die Musik mit Friedrich Achleitners „guter Suppe“ zu übertönen versuchte.
Bei den Poet Nights hat sie gelesen und beim Margaretner Kunst- und Kulturmarkt, da hat sie auch ihre Bilder ausgestellt, wie sie auch sonst, wie ihrem Buch zu entnehmen ist, schon einige Ausstellungen hatte.
Jetzt hat sie ihr erstes Buch mit den dreiunddreißig lyrischen Texten und einigen Fotografien bei digitaldruck.at herausgebracht.
Eveline Haas, die ich von der Schreibwerkstatt der Gewerkschaft kenne, hat die Einleitung geschrieben und eine Lesung im Cafe Amadeus wird es im nächsten Oktober auch geben.
2010-09-14
Kurz nach 4
In dem 1955 spielenden, Roda Rodas Tochter Dana gewidmeten Roman von Ulrich Becher spielt Zeit eine große Rolle. Da fährt nämlich der vierzigjährige Akademieprofessor Franz Zborowsky mit seinem Fiat und einer Pistole von Wien nach Rom und übernachtet das erste Mal in Piacenza.
Es ist die Zeit des beginnendes Italientourismus nach dem totalen Krieg. So rollen die Reisebusse über die Straßen und auf diesen ist es sehr laut, obwohl der Hotelportier eine ruhige und friedliche Nacht verspricht.
So liegt Zborowsky bis kurz nach vier wach in seiner Hotelpritsche und denkt an das, was ihm passierte und das ist sehr viel. Er ist der Sohn eines Wiener Psychiaters und besuchte mit dem Sohn eines nach der Oktoberrevolution nach Wien geratenen Russen, Kostja Kuropatkin das Schottengymnasium. Die beiden gelten als Zwillinge und verliebten sich in dieselbe Frau, nämlich Lolita Aguirre Tochter des Generalkonsuls der jungen spanischen Republik, die klassisches Ballet studierte.
Zborowsky hatte mehr Glück und verlobte sich mit ihr, so daß Kostja ihn verleumdete und bei der nachfolgenden Naziherrschaft mitmischt.
Zborowsky mischt dagegen beim spanischen Bürgerkrieg mit, bekommt vom Hauptsturmführer Mehlgruber die Nase eingeschlagen und kommt nach Mauthausen, wo er zu den Partisanen flüchtet. Lolita wurde mit ihrem Bruder 1937 wie der Dichter Garcia Lorca erschossen und Kuropatkin, der nach dem Krieg einige Jahre im Gefängnis war, wartet in Rom auf den Akademieprofessor.
Der kommt am nächsten Tag aber nur bis Parma, trifft dort seine Jugendliebe, die Schauspielerin Alma Hasenreither mit der er Alkohol in verschiedenen Formen durcheinandertrinkt. Einen „Evviva il duce!“, schreienden Papagei gibt es auch. Er will aber an Kuro ein Telegramm aufgeben, bis zwölf hat das Telegrafenamt offen, das er auch erreicht um ohne Unterschrift den Satz „Es führt kein Weg nach Rom“ zu schreiben. Vorher hatte er noch die Vision, wie er mit seinem Fiat die Viale Bruno Buozzi erreicht und den Jugendfreund mit seiner Luger erschießt.
Das 1957 bei Rowohlt erschienene Buch des 1910 in Berlin geborenen und 1990 in Basel gestorbenen Ulrich Becher, wurde in den Neunzigerjahren von der Städtischen Bücherei Stumpergasse ausgeschieden. Von 1976 bis 1990 haben es vier Leute gelesen. Einer hat bei dem Satz „Aus Verdruß über das Mißlingen vom Februar-Aufstand der Wiener Sozis, aus Ärger über das Dollfuß-Schuschnigg-Regime ist er Nationalsozialist geworden…“, wie so viele andere echte Sozialisten dazugeschrieben. Ich hab es in einer Gratisexemplarkiste der Bücherei Gumpendorferstraße gefunden und den Namen Ulrich Becher nicht gekannt.
2005 habe ich in Leipzig aus einer Hugendubel Abverkaufskiste die Autoren-und Verlegerbriefe 1950 – 1959 des Aufbau Verlags gezogen. Da gibts ein paar Briefe von Ulrich Becher aus dem Jahr 1957, die sich auch auf „Kurz nach 4“ beziehen.
Ulrich Becher ist der Sohn eines Rechtsanwaltes und einer Pianistin. Er wurde mit seinem 1932 erschienenen Novellenband „Männer machen Fehler“ auf die Liste der entarteten Literatur für die Bücherverbrennung gesetzt. Heiratete 1933 Dana Roda, die Tochter von Alexander Roda Roda und wurde Österreicher.
1941 gelang dem Ehepaar die Flucht über Portugal nach Brasilien. 1944 übersiedelten sie nach New York zu den Schwiegereltern. 1948 kehrte Ulrich Becher mit dem berühmt gewordenen Theaterstück „Der Bockerer“ nach Europa zurück und ließ sich in Basel nieder.
Bei dem Bücherkistenfund befand sich auch „Nachtigall will zum Vater fliegen – Ein Zyklus Newyorker Novellen in vier Nächten“, das ich zu lesen angefangen, aber nicht beendet habe, weil ich damals so gar nichts mit dem Autor anfangen konnte.
Dabei habe ich mit meiner Mutter und Frau Fiala den „Bockerer“ noch bevor er durch die Antel Verfilmung so berühmt wurde, im Volkstheater gesehen und der 1969 erschienene autobiografische Roman „Murmeljagd“ wurde inzwischen neu aufgelegt, stand bei Anna Jeller einige Zeit im Schaufenster und auf der Orf-Bestenliste war das Buch, glaube ich, auch.
2010-09-12
Wieder einmal Dichternacht
Poet Night im Kulturzentrum Siebenstern, die Lesetheaterveranstaltung, die glaube ich, auch ihr Zehnjahresjubeläum feiert, wo man sich von vier Uhr Nachmittag bis zwei Uhr früh am nächsten Morgen zusammensetzt und jeweils neun bis zehn Minuten eigene Texte liest. Entstanden ist diese Idee vermutlich, weil man im Lesetheater die Texte anderer liest, ein Drittel der Mitglieder aber Autoren sind. Ich habe jedes Mal gelesen und finde die Veranstaltung, da ich mich bekanntlich sehr für Literatur in allen ihren Formen interessiere, faszinierend. Frau Haidegger hat im Vorjahr einige provokante Kommentare abgegeben, die ich vorgelesen habe. Man kanns so sehen. Ich finde die bunte Mischung von mehr oder weniger bekannten Autoren, Schauspielern und Nichtprofischreibern, die extra dafür etwas fabrizieren aber sehr interessant. Spezial Guests gibt es auch. Diesmal waren das Antonio Fian, Melamar und Nikolaus Scheibner und einige von den neunundfünfzig Programmpunkten sind auch ausgefallen. So hat Nikolaus Scheibner Gerhard Jaschkes Texte gelesen, Christa Nebenführ, Waltraud Haas, Susanne Schneider, Franz Hütterer waren krank bzw. verhindert.
Rolf Schwendter schreibt einen vorher an, man kann sich eintragen, wann man lesen will. Da ich als Marathonbesucherin immer angebe, daß mir das bis Mitternacht egal ist, komme ich meistens als eine der Ersten dran. Da ist es zwar noch ziemlich leer, ich habe es aber hinter mir und kann mich auf die Texte konzentrieren.
Als ich kurz nach vier eintraf, habe ich Krista Kempinger im Schanigarten sitzen sehen, die auf Waltraud Haas wartete und erzählte, daß sie extra aus dem Weinviertel nach Wien gekommen ist. Krista Kempinger ist eine sehr nette GAV Kollegin, die ich schon lange kenne, sie hat aus ihrem Kindheitsprojekt vorgelesen, das sie gerade schreibt.
Drinnen hat mir Elisabeth Chovanec ihr Lyrikbändchen „Feuerland“ gezeigt, das sie sich bei digitaldruck.at machen ließ und das gestern fertig wurde.
Petra Ganglbauer hat gerade gelesen. Dann kam Renate Gippelhauser, die ich nicht kannte und las mit einem jungen Mann eine Mutter-Sohngeschichte in verteilten Rollen und die Schauspielerin Gerda Kamna bot einen Ausschnitt aus ihren Gebrauchstexten, darunter ein Kinderbuch „Waldis schönster Tag“, wo der Dackel Waldi, die Autoschlüßel versteckt und dadurch die Familie samt der Haushaltshilfe gehörig durcheinanderbringt.
Dann kam schon ich mit meinen Kommentaren, kurz darauf erschien ein junger Mann namens Tom und erzählte, daß er sich sehr für Literatur interessiere, deshalb würde er auch dableiben und gelegentlich ein Bier trinken, was er vielleicht so reichlich tat, daß er die Veranstaltung mit seinen Kommentaren störte, das Buch, das er mir abkaufte und sich widmen ließ, hat er auch liegengelassen.
Als ich den Alfred später fragte, wer ihm am besten gefallen hat, hat er auf Tom getippt. Hermann Schürrer, den Andreas Geistlinger in seinem Texten erwähnte, hat glaube ich, bei Lesungen gerne auch einmal gestört. Das war das nicht ganz so Professionelle. Die GAV-Autoren sind das aber sicher und so hat mich Mechthild Podzeit-Lütjen mit einem ihrer poetischen Texte, den sie zum Tod von Brigitte Schwaiger schrieb, sehr berührt. Mechthild Podzeit-Lütjen greift ihre Themen sehr direkt an, so hat sie vor zwei Jahren über Elfriede Haslehners rote Haare einen Text gelesen und beim Osterspaziergang etwas über den Jandlpark.
Helmut Rizy hat angeschlossen und Auszüge aus einer Erzählung gebracht, die mich auch sehr interessierte. Der Ich-Erzähler besucht ein Grab und erzählt von einem Mann, der eines Tages nicht mehr zum Stammtisch ins Wirtshaus kommt, sondern sich in seine Wohnung zurückzzieht, um bis zu seinem Tod seinen ungelesenen Bücher zu widmen. Über Kellers „Grünen Heinrich“ ist er gestorben und das ist eine Idee, die ich ebenfalls verfolge. Mit Ka Ruhdorfer und Nathan Horowitz wurden englische Texte vorgetragen und Anita Schaub las aus ihrem neuen Roman „Schuldbeulen“ für den sie, wie sie mir erzählte, einen Verlag sucht.
Gabriele Afanasor habe ich nicht gekannt, die elegante ältere Dame, die da auswendig Texte über Männer und Frauenfiguren der griechischen Mythologie deklamierte, war aber sehr beeindruckend, um so mehr, da sie einige Male stecken blieb und nachfragte, wie sie weitermachen soll?
Antonio Fian der Spezial Guest, wie früher Elfriede Gerstl und Gert Jonke, hat von seinen Dramoletten, die ausgesucht, die am besten zu einer Poetennacht passen. Also zwei über Rilke. Wolfgang Schüssel kommt auch in einem vor.
Richard Weihs hat gesungen und über den Wahlkampf der Grünen erzählt, wo er im sechsten Bezirk Bezirksrat ist, da gibt es im Standard im Kommentar der anderen die „Grußbotschaft eines Basiswapplers“.
Hahnrei Wolf Käfer, der glaube ich, kein GAV-Mitglied, aber ein im Lesetheater bekannter Autor ist, hat sich ebenfalls mit dem Thema Altern auseinander gesetzt.
Die Bruni las aus ihrem neuen Buch eine Geschichte, die ich schon kannte. Elfriede Haslehner Gedichte. Dann kamen Ilse Kilic, Fritz Widhalm, Gerhard Ruiss. Gerhard Ruiss erzählte, daß er seine Wolkenstein-Nachdichtungen, das erste Mal bei einer Poet-Night vorgetragen hat, um auszuprobieren, wie sie ankommen. Und Astrid Wiesenöcker, die ein Sozialstück über „Freibäder“ hatte, das alle zum Lachen brachte, hat einen Erzählband bei der Edition Art Science präsentiert und ihre Bücher, wie ich neben sich aufgelegt.
Beppo Beyerl, der glaube ich, PEN Mitglied ist, las etwas über den Meidlinger Friedhof, bzw. über zwei dort Begrabene, den Schulreformer Otto Glöckl und den Einbrecherkönig Schani Breitwieser.
Um oder vor Mitternacht kam Ruth Aspöck mit ihren Gedichten dran. Ich war sehr müd und habe oft gegähnt, so daß ich, als nach David Czifer eine Pause war, gegangen bin und nun nicht weiß, ob Thomas Northoff, Renate Zuniga und Christian Katt gelesen haben.
Christian Schreibmüller und Christa Mitaroff habe ich aber gesehen und Rolf Schwendters Schlußgedicht versäumt, was sehr schade ist. Werner Grüner, der, wie ich zu den Marathonbesuchern zählt, hat sich noch mit einem Topfenstrudel gestärkt, um bis zum Endphase durchzuhalten und auch einiges Interessantes aus seiner Sammlung vorgetragen.
2010-09-11
rund um meine eltern eine burg
Den 2009 in der edition exil erschienenen zweisprachigen Gedichtband von Mircea Lacatus habe ich vor einem Jahr nach der Präsentation von Seher Cakirs „Zitronenkuchen für die sechsundfünfzigste Frau“ von Christa Stippinger geschenkt bekommen.
Ein bisserl lang hat es gedauert, bis ich ihn bespreche, das Lesen hat sich aber gelohnt.
Gesehen habe ich den 1962 in Transsylvanien geborenen Dichter und Bildhauer 2007, das erste Mal, als er im Amerlinghaus den Lyrik Exil-Literaturpreis bekommen hat.
Mircea Lacatus lebt seit 1990 als freischaffender Künstler in Wien und schreibt in seinen Poemen, die von Aranca Munteanu aus dem Rumänischen übersetzt wurden, in einer sehr frischen Art von seinen Eltern, der Geliebten, der Kreuzigung, dem Konzentrationslager und vom U-Bahnfahren.
Gisela von Wysocky meint in ihrem Nachwort „Mircea Lacatus nimmt uns in seinen Gedichten mit auf eine Reise. Sie dokumentieren eine Gangart, die man als poetisches Überfliegertum bezeichnen könnte. Die zentralen Metaphern dieser hochpoetischen Fortbewegungsmittel: Flügel, Pferde Begschuhe…
Hier ein paar Beispiele:
ich bin sicher
Vater verließ und nach und nach wir wussten es nicht
sein herz packte jeden tag einen koffer
und brachte ihn zu den verwandten zu seinen eltern
zu seinen brüdern die auch schon lange von uns gegagen waren
als er sein letztes bündel nahm war ich nicht zu hause
er warf es über die schulter ging und sagte es sei besser so
besser ich sehe ihn nicht denn ich würde sicher versuchen ihm zu folgen
verwünschung
sohn hast du ein liebchen
hab ich vater warum
um deine seele an dich zu binden
deshalb
meine mutter die zigeunerin
meine mutter liebte meinen vater
sie wußte wie man einen webstuhl baut
sie webte flickenteppiche für das ganze haus
meine mutter wusste wie man eingelegte tomaten gurken paprika ansetzt
sie konnte nicht lesen und nicht schreiben
sie schrieb aber auf herzen und las in den augen
handlesen tat sie ungern denn
dort gab es einen ort an dem sie dem tod begegnete
pieta
will ich an vater denken
wie er im hof auf einem stuhl sitzt
und mein hölzernes schwert repariert
das ich vor langer zeit
in einer schlacht zerbrochen hab
brief aus dem Konzentrationslager
was würdest du sagen
wenn du siehst dass ich fast zum skelett geworden bin
nur die sehnsucht nach dir hat mich verwüstet
aber ich bin wieder auf den beiden
wenn ich deinen warmen körper spüre
der mich jeden abend umarmt
und deine sanfte stimme singt mir leise ins ohr
poeme von rilke
noch ein gedicht für mutter
siehst du mutter
der frühling kommt auch ohne dich
du hast uns reicher an zeit und
um einen gott ärmer
hinterlassen
rückkehr
lies mir aus der hand mutter
sieh doch meine immer noch schönen handflächen
betrachte meine lebenslinie
2010-09-10
Warum wird mein Manuskript nicht ….
Die gleichnamige Serie im literaturcafe.de von der heute der vierte Teil erschienen ist, scheint mich zu beschäftigen und da sie auch meinen Widerspruch erregt, will ich mit einem Artikel darauf antworten.
„Warum es selbst die besten Manuskripte oft nicht schaffen“, lautet Teil vier, geschrieben wird die Serie von Tom Liehr, einem 1962 geborenen Berliner, der im Aufbau Verlag verlegt und auch bei den 42er Autoren mitmacht.
In den vorigen Teilen haben wir gehört, daß eine halbe Million Menschen vor ihren Laptops sitzen und mit Deutschunterricht und autobiografisch schreiben, reich und berühmt werden wollen, dann aber bei den Zuschußverlagen oder den kleinen häßlichen BoDs landen, weil sie kein gutes Expose geschrieben haben, sich nicht überlegten, warum und für wem sie schreiben und sich drittens, auch nicht die Verlage, an die sie schicken, vorher ansehen.
Im Literaturcafe gibt es noch einen Erfahrungsbericht von Kai Beisswenger „Von der Idee zum Manuskript, vom Verlagskontakt bis zum Verlagsvertrag“, der offensichtlich alles richtig machte, so daß er schließlich zwei Verlagsangebote bekam und sich für den Schenk Verlag in Passau entschied. Daran knüpfen sich viele Kommentare, einige kommen von Tom Liehr, der bemängelte, daß Kai Beisswenger sich zu billig verkauft hat und es auch falsch war, daß er sich an keine Literaturagentur wandte, denn nun hat er die erste Liga, sprich Rowohlt oder Suhrkamp verspielt und dümpelt im Mittelfeld dahin. In Teil vier werden Beispiele von Autoren angeführt, die auch alles richtig machten und trotzdem Absagen bekamen und dann kommt er auf die große Masse zu sprechen, die im stillen Kämmerlein betriebsblind und selbstverliebt sitzt, stilistische und dramaturgische Fehlentscheidungen trifft, unzeitgemäße Themen wählt ect… und meint, daß diese Autoren nicht ihre Texte ändern und ihre Marktchancen verbessern wollen, sondern in BoD Foren von der Kontrolle und der uneingeschränkten Freiheit reden, die sie so behalten.
Kein Zweifel Tom Liehr hält nichts davon und auch nichts vom „therapeutischen Schreiben“ und wenn man die Serie liest, bekommt man und das ist meine Kritik daran, das Gefühl, daß man ohnehin nichts machen kann und, wie man es macht, macht man es falsch. Nun frage ich mich, was ist richtig?
Lektor Phillipp Bobrowski erzählt in seinem Blog unter „Warum fragst du eigentlich?“, von Autoren, die sich von ihm, obwohl er ohnehin in Zeitnot ist, ihre Manuskripte lektorieren lassen, dann mit seinen Kritikpunkten nicht einverstanden sind und wünscht sich, daß die, die nur Selbstbestätigung suchen, sich mit ihren Spiegelbild beschäftigen sollen.
Selbstverliebt nennt es Tom Liehr und die Zuschußverlage heißen auch Vanity-Press, die Debatte um die Sommerlöcher hat aber gezeigt, daß auch arrivierte Autoren Schwierigkeiten haben, Kritik anzunehmen und irgendwie sind wir alle empfindlich und wollen mit unseren Texten reich und berühmt werden oder zumindestens anerkannt. Das wäre das, was ich mir wünsche.
Jetzt weiß ich aber, daß immer weniger Leute lesen, die werden mit Förderaktionen, wie eine Stadt ein Buch ect. beworben und dann gibt es die halbe Million, die vor ihren Laptops sitzt, schreiben will, Coachings und Seminare besucht, Schreibratgeber liest, alles richtig zu machen versucht und trotzdem überbleibt und wenn sie ihre Bücher selber macht, Spott und Hohn erntet.
Lösung habe ich auch keine und habe, da ich vor zwanzig Jahren ziemlich allein unterwegs war, auch sicher sehr viel falsch gemacht, gab es ja solche Artikel noch nicht. Jetzt vertraue ich nicht mehr sehr darauf, daß es mir mit einer Agentur, einem Expose und den entsprechenden Ratgebern gelingt, endlich an den richtigen Ort zu kommen, denn es wurde ja schon wirklich viel geschrieben. Die Kritiker sind übersättigt und johlen auf, wenn eine schon wieder mit einem Familienfest ihren Roman beginnt, man muß immer jünger sein und über immer intimere Themen schreiben oder einen berühmten Namen haben, den die Leser kennen und bei denen, die es zu Suhrkamp und Rohwohlt geschafft haben, fällt mir auf, daß es immer die gleichen Themen sind, die gewählt werden.
So gesehen, glaube ich schon, daß es in der BoD Szene eine Vielfalt geben kann, die man sonst nicht findet, aber natürlich stimmt auch viel von dem was Tom Liehr schreibt. Man soll sich bemühen besser zu werden, nur braucht man vielleicht auch ein bißchen Unterstützung. Das ist es, was ich mir wünsche. Anerkennung und Wertschätzung. Dese Tugenden, die man in der Psychotherapiegrundausbildung lernt, versuche ich auch den Texten anderer entgegenzubringen. Deshalb werte ich nicht, sondern schaue mir an, um was es da geht, versuche ein Grundmuster zu erkennen und lasse die Kritik mit der Selbstverliebtheit möglichst weg.
Dann war ich heute im Antiquariat Reichmann in der Schleifmühlgasse, wo es wieder einen Abverkauf gibt, da trotz Vorversuche noch tausende Bücher vorhanden sind, jedes zwei Euro, Taschenbücher fünfzig Cent und bin in einem langen Gang voller Bananenschachtel und verstaubten Büchern in Regalen gestanden, die so hoch waren, daß man Leitern benützen mußte. Es gibt also sehr sehr viel und die Bibliophilen, die dort waren, haben sich gefreut, Freunde angerufen, Stöße zur Kasse geschleppt…
Ich nenne das, was Tom Liehr Selbstverliebheit nennt, Kreativität und denke, man sollte sie fördern und die Leute auch zum Schreiben ermuntern. Die Schreibseminare und die Autoren, die Coachings machen, tun das sowieso.
Ich wünsche mir Aufmerksamkeit und Interesse und wohl auch eine dickere Haut, um mit dem Konkurrenzverhalten der Anderen besser umzugehen. Ansonsten bin ich beim zweiten Korrigierdurchgang der „Absturzgefahr“.
Sehr viel Inhaltliches habe ich noch nicht verändert und werde das wohl auch nicht tun. An der Sprache versuche ich zu arbeiten und passe auf möglichst keine patscherten Sätze drin zu haben, achte auf Details, die noch nicht stimmen…
Ansonsten wird es wieder eine leise Beziehungsgeschichte werden, die mit einem Geburtstagsfest beginnt und Themen aufgreift, die einem so im psychotherapeutischen Alltag begegnen. Bücher kommen auch darin vor, obwohl ich, für die, die es wissen wollen, mit leeren Taschen bei Reichmann hinausgegangen bin.
Ich hatte zwar schon einen Stoß in Händen.
„Chicken Christl“ von Martin Amanshauser, einen Roman von Michael Krüger, einen von Polina Daschkowa und von den Oldies, ein Buch von Bruno Brehm, eines von Klabund und ein Jahrbuch von 1942 der Stadt Linz. Zuerst habe ich das Neue weggelegt, dann das Antiquarische, will ich mir ja nicht wirklich ein Bücherregal kaufen.
Erzählung aus der Mitte
Am Donnerstag war es schwer sich zu entscheiden, denn da gab es, wie Gabriele Madeja im Hamakon Theater Nestroyhof erklärte, sehr viele Events und weil ich, seit ich mir gelegentlich Rezensionsexemplare bestelle, von den Verlagen zu Veranstaltungen eingeladen werde, hatte ich die Qual der Wahl.
Denn da kam schon vorige Woche eine Einladung von Haymon, am Donnerstag liest Lydia Mischkulnig aus „Schwestern der Angst“, das tut sie allerdings auch bei Rund um die Burg und da ich mich vorigen Freitag zu Thalia in die Kremsergasse in St. Pölten begeben habe, wußte ich auch über die September-Highlights Bescheid, denn da gab es noch am Donnerstag, die Präsentation von Erich Hackls „Familie Salzmann“ im Nestroy Theater Hamakon, da stand allerdings auch etwas von einer Kartenreservierung unter ticket@hamakon.at und dann wurde auf der Landstraße das neue Buch von Natascha Kampusch vorgestellt, das mit Hilfe eines oder zwei Ghostwriters entstanden ist und die Psychologin in mir interessierte. Dann hat noch Wolf Haas ein Kinderbuch geschrieben „Gans im Gegenteil“ und präsentierte es in diesem Badeschiff, in dem Cornelia Travnicek bevorzugt und begeistert liest.
Da hatte ich die Qual die Wahl, beziehungsweise habe ich mich schnell entschieden, was würden meine Leser schätzen? Also ich habe im Hamakon Theater angerufen und mich erkundigt, ob die Lesung etwas kostet, in Deutschland ist das üblich und bei besonderen Veranstaltungen, zum Beispiel bei der Lesung von Michael Köhlmeier im Schauspielhaus, auch bei uns.
„Natürlich nicht!“, sagte mir die freiundliche Dame und da habe ich mich angemeldet. Buchpräsentationen des 1954 in Steyr geborenen Erich Hackl sind auch besonders interessant. Ist er ja auf irgendeine Art und Weise ein Ghostwriter, obwohl er sich glaube ich, nicht als solcher betrachtet, hat elf Bücher bei Diogenes, dem berühmten Schweizer Krimi Verlag, wo die Bücher von Donna Leon erscheinen, herausgebracht und spätestens 1989 mit „Abschied von Sidonie“ berühmt geworden oder war das schon zwei Jahre früher bei „Auroras Anlaß“?
1989 bin ich jedenfalls in meinem literarischen Zimmer in der Gumpendorfer Straße gesessen, habe die Verlagspost für die „Hierarchien“ verfaßt und nebenbei von dem Senkrechtstarter gehört. Ein Autor der seine Bücher Erzählungen und nicht Romane nennt, wie Gabriele Madeja im Hamakon Theater erklärte und ein Chronist, dem sowohl das Persönliche, als auch das Politsche sehr interessiert und der manchmal von Personen, wie beispielsweise von Hugo Salzmann angerufen wird, die ihm ihr Leben erzählen und es von ihm aufgearbeitet haben wollen. So gibt es inzwischen Erich Hackl Nummer 11, auch das ist ein Vorschlag von Gabriele Madeja, neben „Abschied von Sidonie“, der Geschichte von dem Zigenuermädchen, das die Fürsorge in der NS-Zeit der bemühten Pflegefamilie weggenommen und in den Tod geschickt hat, zu „Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick“, „Hochzeit in Auschwitz“, „Anprobieren eines Vaters“ u. u. u.
Ich habe gerade nachgeschaut, ich habe nur ein einziges Erich Hackl Buch, das 2007 erschienene „Als ob ein Engel“, wo es um eine argentinische Studentin, Tochter einer jüdischen Flüchtlingsfamilie geht, die am 8. April 1977 im Alter von 22 Jahren verschwunden und wahrscheinlich von der argentinischen Militärbehörde gefoltert und ermordet wurde.
Trude Kloiber hat mir das Buch zu meinen Geburtstag geschenkt und Otto Lambauer, der es auch gelesen hat, meinte, daß es ihm zu wenig Literarisch ist. Mir hat es dagegen gefallen und das Schicksal der Gisi hat mich auch beeindruckt, denn 1977 habe ich in Wien Psychologie studiert und ganz ehrlich nicht viel Ahnung gehabt, was da in Argentinien passierte.
Das mit zuwenig Literarisch scheint auch ein Trauma von Erich Hackl zu sein, zumindest hat er in der Diskussion so angedeutet, vom Literaturbetrieb nicht wahrgenommen zu werden, aber elf Bücher bei Diogenes und alle sind Erzählungen nach realen Vorlagen, meist Schilderungen von NS Opfern und so hat sich Hugo Salzmann an Erich Hackl gewandt, der nach seiner Pensionierung, die Briefe seiner Mutter Juliane, die in Ravensbruck ermordet wurde und dort auch Rosa Jochmann kennenlernte, aufgearbeitet haben wollte.
Erich Hackl hat daraus eine „Erzählung aus unserer Mitte“ gemacht und eine Familiengeschichte beschrieben, die fast beinahe hundert Jahre umfaßt. Denn Hugo Salzmann Senior wurde 1903 geboren, hat in Deutschland gegen Hitler gekämpft, der Sohn ist in Frankreich und in der Schweiz aufgewachsen, wurde 1945 von der Tante Ernestine aufgezogen und war auch in der DDR, bis er nach Graz gekommen ist und dort zwei Kinder hat. Sein Sohn Hanno wurde in den Neunzehnhundertneunzigerjahren in der steirischen Krankenkassa gemobt, weil er erwähnte, daß seine Großmutter in einem KZ umgekommen ist. Die Lesung drehte sich hauptsächlich um Hanno Salzmann und Gabriele Madeja interviewte sowohl den alten Mann, als auch den Autor und die Geschichte von dem jungen Mann, der schließlich entlassen wurde und nicht einmal die SPÖ hat ihm geholfen, ist auch sehr beeindruckend. Die Mutter gibt ihn inzwischen den Rat nie mehr von der Großmutter zu erzählen, aber jetzt hat Erich Hackl alles genau dokumentiert und der Vater empfindet es als Genugtuung, weil er den Tod der Mutter nie überwunden hat.
Nachher gab es was zu trinken, Erich Hackl und Hugo Salzmann haben viele Bücher signiert. Gabriele Madeja hat darauf hingewiesen, daß Erich Hackl auch in Schulbüchern zu finden und ein beliebtes Maturathema ist. Antonio Fian habe ich im Publikum gesehen und da gab es vor einem Jahr die Präsentation von seinem Buch im Hamakon Theater und von Erich Hackl ist noch zu sagen, daß er vor einigen Jahren der Laudator bei der Theodor Kramer Preisverleihung war. Ich bin an seinem Tisch gesessen, mit ihm in Gespräch gekommen und er hat mir die zwei Bücher abgekauft, die ich immer in der Handtasche habe. Diesmal habe ich die „Heimsuchung“ der Maria Lautischer verkauft und habe mir das Diognes Magazin Nummer vier mitgenommen, in dem es auch sehr viel zu lesen gibt und interessant war auch das, was Erich Hackl über die Schwierigkeiten beim Schreiben realistischer beziehungseise chroinstischer Texte erzählte, denn das habe ich mir bei der heutigen Korrigierarbeit in etwa auch gedacht.
2010-09-09
Caritas-Veranstaltung
Die Buchpräsentation von Eva Rossmanns „Evelyns Fall“ fand Mittwochabend im Caritaslager-Carla statt, am 7. 9. gabs was im Weinkeller Döllinger am Wunderberg in Auersthal, heute und morgen kann man in Buchingers Gasthaus „Zur alten Schule“ um 49 Euro per Person ein Menü mit zwischendurch gereichten Lesehappen genießen.
Soviel nur zu den Unterschieden von arm und reich und bei der Präsentation im Caritaslager war das auch zu merken.
Das Caritaslager Carla ist ein Second Hand Shop mit einer riesigen Lagerhalle, die vom Mittersteig bis zu unserem Haus reicht und als ich im Juli von einer Filmveranstaltung nach Haus gekommen bin, hat der Alfred jemanden über das Dach laufen gesehen.
Alte Möbel, Bücher ect. werden dort verkauft, Kleiderpakete ausgegeben und die Lesung fand in alten Polstermöbel statt. Das Caritasrestaurant Inigo hat Brötchen verkauft und Getränke ausgeschenkt, der Direktor Michael Landau hat eröffnet. Die Alexander Bach-Marius Band hat den September Song von Kurt Weill, der einen roten Faden durch das Buch zieht, vorgetragen, dann kam die Autorin und erklärte, wie sie zu dem wichtigen Thema gekommen ist, denn als sie an dem Buch zu schreiben begonnen hat, hat sie noch nicht gewußt, daß 2010 das europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ist, aber sie kocht seit dem Krimi „Ausgekocht“ ja regelmäßig bei Manfred Buchinger in der „Alten Schule“ und da gibt es gleich in der Nähe ein verfallenes Häuschen, das man höchstens in Rumänien vermuten würde und vor der „Alten Schule“ stand eines Nachmittags ein nagelneuer Maybach und der Besitzer zeigte allen voller Stolz die silbernen Sektgläser, die es darin gibt.
Die Idee für Krimi Nummer zwölf war geboren und Eva Rossmann schuf bewußt eine Geschichte, die die Gegensätze von arm und reich verbinden sollte. Sie hat bis zu der Stelle, wo Mira Valensky in dem Schuppen niedergeschlagen wird gelesen, dann gab die Band ein Konzert, die Eva Rossmann bei einer Hochzeit kennenlernte, es gab das Buffet, wo mir Alfred ein Brötchen und ein Gläschen Wein kaufte, eine Spendenbox von der man reichlich Gebrauch machen sollte, gab es auch und ich habe das Publikum kaum gekannt.
Den Caritasdirektor natürlich, Jessica Beer von der Hauptbücherei war da und Robert Huez vom Literaturhaus. Evelyn Polt-Heinzl ist auch schnell hinausgehuscht, sonst waren es mir eher unbekannte Damen und Herren.
Alfred hat ein Buch für seine Mutter gekauft und es signieren lassen, Eva Rossmann war auch da sehr freundlich und professionell im Smalltalk und jederzeit bereit für ein Foto und der Herr, der vor uns signieren ließ, erzählte , daß er „Wahlkampf“ in einer der Caritaskisten um einen Euro gefunden hat.
Bei Buchlandung im Columbus Center gibt es übrigens für den, den es interessiert „Ausgekocht“ oder „Millionenkochen“ um 2.95 und eine Hörbuch CD mit Eva Rossmanns Stimme vom neuen Buch gibt es auch.
Es war also ein interessanter Abend in einem ungewöhnlichen Rahmen und einer der wenigen Fälle, wo ich das Buch schon gelesen hatte. Angelika Reitzer, die ja in ihrem Roman, zumindestens was den sozialen Rückzug betrifft, ein ähnliches Thema aufgegriffen hat, hat Dienstag launig in die Diskussion eingeworfen, daß sie sich erwarte, daß man das Buch schon gelesen hat, sonst könne man es sich noch kaufen, diesmal hatte ich es und Leselustfrust, die es inzwischen auch gelesen hat, hat es mit ihrer Besprechung schon verlinkt.
Ansonsten ist das Thema Armut gerade im fünften Bezirk sehr aktuell, dem sich besonders Wolf Goetz Jurjans sehr annimmt, hat er sich ja für einen Sozialmarkt eingesetzt und die Idee der offenen Büchekastenlandschaft übernommen und das Caritaslager, das, wie mir Roman Gutsch erzählte, eine neue engagierte Leiterin hat, die viele Veranstaltungen macht, gibt es auch.
2010-09-08
Fünfhundertmal
Das ist der fünfhundertste Eintrag ins Literaturgeflüster, das es seit 3. Juli 2008 gibt und in das ich sehr oft täglich schreibe. Da ich ein bißchen legasthen veranlagt bin, habe ich schon im April geglaubt, es wäre so weit.
„Leben ohne Geld“ war aber erst der vierhundertste Eintrag und mein euphorischer Bericht, wie eine „erfolglose“ Autorin versucht mit möglichst wenig Geld durchs Leben zu kommen, hat einige Gemüter erregt. Anni Bürkl ist seither bös auf mich, was ich noch immer nicht verstehe und da hat es im Sommer auch diese Diskussion gegeben, wieviel an Qualifikation es braucht, damit man die Bücher, die man liest, besprechen oder einen Blog führen darf?
Nun halte ich mich, was die Literatur betrifft, durch mein schon siebenunddreißigjähriges Selbststudium in allen ihren Bereichen, für sehr kompetent und, daß das Internet jeden die Möglichkeit gibt, seine Meinung öffentlich zu äußern, für eine der wenigen Segnungen des Technikzeitalters und wünsche mir die Leser so mündig, daß sie selbst entscheiden, was sie lesen und was nicht.
Die Diskussion war aber interessant und auch Leselustfrusts Idee daraufhin ihr Blogkonzept zu überdenken, hat mich zum Nachdenken gebracht.
Aber ich habe ja kein solches, sondern schreibe wirklich nun schon fünfhundert Mal vor mich hin, wenn ich mir das Literaturgeflüster aber durchlese, sehe ich eine Leitlinie, denn es ist immer etwas da über das sich schreiben läßt.
Neue Bücher, neue Lesungen, der neue Literaturskandal, die Buch Wien, der Nobelpreis, die Namen der Shortlist zum deutschen Buchpreis, die heute bekannt gegeben wird, mein eigenes Schreiben… und das fasziniert mich alles sehr.
Die Jahreszeit bietet die nötige Struktur, so fließt von selbst dahin und kann dem, der es will, interessante Einblicke in das Literaturleben bieten, die er sonst vielleicht nicht bekommt und natürlich auch in die Schreibwelt der Eva Jancak, das ist sicher auch ein Motiv, das ich nicht unterschätzen will und so flüstere, schwätze, paudere ich dahin und bin sehr damit zufrieden.
Als ich vor einer Woche mit Susanne Schneider in der Ausstellung über den Osterspaziergang des 1. Wiener Lesetheaters von 2004 gestanden bin, haben wir über das Tagebuchschreiben im Internet gesprochen. Sie hat es ein wenig skeptisch gesehen, schließlich sind das ja sehr intime Bereiche und ich schreibe sehr offen über das, was mich bewegt. Ich schreibe aber über Literarisches und das, was im weitestens Sinn dafür in Frage kommt und das ist, wie man sieht, sehr viel, so daß sich fast täglich ein Artikel ausgeht. Die Literatur fließt in und durch mein Leben und wer es wissen will, ich nehme mir immer vor, nur jeden zweiten Tag zu schreiben und halte meinen Vorsatz nicht, weil es soviel zum Schreiben gibt.
Trotzdem habe ich im Sommer ein ganzes Romanrohkonzept geschrieben, an dem ich nun korrigiere. Ich bin halt eine Marathonschreiberin und es wird wohl so weitergehen, daß ich zu Weihnachten den sechshundersten Artikel präsentieren kann.
Ich würde auch gerne wissen, was meine Leser, von denen einige keine Literaten sind, am Literaturgeflüster besonders interessiert?
Die Literaten aus den Bundenländern sagen mir manchmal, es wäre der Bericht über die Wiener Literaturveranstaltungen und wenn ich in meine Statistik schaue, war eine Zeitlang der Artikel über Uwe Tellkamps „Turm“, als ich nach dem Vorbild von Judith Schevola fragte, der Hit. Da gibt es immer noch Aufrufe und auch die Besprechung von „Scherbenpark“ wird sehr oft angesehen, andere, wie zum Beispiel der „Kaiser von China“ dagegen kaum. Vielleicht hat mich da wer an prominenter Stelle verlinkt. Ansonsten geht mein literarisches Leben fröhlich weiter. Ich bin wieder nach Wien zurückgekommen und gestern, da ich einen Gutschein für einen Eiscafe im Columbus Center hatte, in die Buchlandung dort gegangen, in die ich sonst nicht oft komme und habe prompt mit einem dicken Büchersack nach Haus getragen. Lagen doch versteckt in einer Ecke, ein Euro Bücher, die meisten aus dem Folio Verlag.
Darunter Gerhard Ruiss Oswald von Wolkensteins Lieder Nachdichtungen aus 2007, die bei Rund um die Burg noch vorgestellt werden. Dann eine Erzählung von Martin Kubaczek „Strömung“, „Reise nach Brjansk“ von Olga Sedakova, Maria E. Brunners „Was wissen die Katzen von Pantelleria“ und E.Y. Meyers „Eine entfernte Ähnlichkeit- Eine Robert Walser Erzählung“.
So weit so gut und sehr erfreulich, beim Einschlichten in meine Regale hatte ich aber Schwierigkeiten, weil alles schon voll und es kann ja nicht sein, daß ich mir um den 10% Gutschein, den ich zum Geburtstag von der grünen Erde bekommen werde, schon wieder ein Bücherregal kaufe und insgeheim darauf hoffe, daß der Nachbar seine Wohnung verkauft, um Bücher nach Hause zu schleppen, die ich realistisch betrachtet, gar nicht alle lesen kann.
Also habe ich gestern nicht versucht, mir das Buch von Angelika Reitzer zu erschnorren. Den Martin Kubaczek und den E.Y. Meyer werde ich mir aber ins Badezimmer legen.
Von den bisherigen Preisbüchern zum deutschen Buchpreis habe ich das Julia Francks „Mittagsfrau“ und Uwe Tellkamps „Turm“, sowie die „Atemschaukel“ der Nichtpreisträgerin Herta Müller gelesen.
Für 2010 tippe ich auf Peter Wawerzinek, der mit Jan Faktor, Thomas Lehr, Melinda Nadj Abonji, Doron Rabinovici und Judith Zander auf die Shortlist gekommen ist.