Literaturgefluester

2010-12-20

Fliege

Filed under: Uncategorized — jancak @ 22:20

In „Fliege“ Roman eines Augenblick von E.A.Richter spielen Fliegen eine wichtige Rolle. Sie befinden sich im Auto, werden im Milchkrug gefangen oder fliegen dem Ich-Erzähler Adam Fliege auf die Nase. Ich erinnere mich an den Disput mit meiner inzwischen entschwundenen kritischen Leserin Frau Heidegger, die viel gegen sprechende Namen hatte.
Möglicherweise wird man einen Herrn Fliege als Protagonisten auch für etwas überzogen halten, der in nicht chronologischer Weise, die Augenblicke seines Lebens nachvollzieht. Am Anfang von Fliegen erzählt und am Ende von seinen zwei Lebensfrauen, um gegen seine Flugangst anzukämpfen, auf den Flughafen geführt wird.
Dazwischen schreibt er sein Leben auf und erinnert sich am Hof der Eltern mit dem Bruder im Waschtrog gebadet worden zu sein, denn ein Bad gab es dort erst, als er schon ins Gymnasium ging und Fliegen gab es auch bei den Kindheitsspielplätzen der Brüder, allerdings auch Blutegeln, die sich sich gerne an die Arme und Beine setzten. Die Fliegen ließen sie sich an die Penisse fliegen und versuchten sie in der Vorhaut zu schnappen. Dann gab es noch die Cousie mit der der Ich-Erzähler, die ersten Liebesspiele in der Badewane trieb, die beiden Freundinnen Birgit und Flora und die Ex-Frau Karla, von der er sich bald trennte.
Vorher war er der erste, der wegen seiner schönen Sprache vom Lehrer aufs Gymnasium geschickt wurde, dann finanzierte er sich sein Studium als Schaufensterdekorateur, lernte Karla und deren Vater Karl kennen, die ihn in höhere Sphären hineinbrachte, was allerdings nicht gut ging. Die Vorwürfe alles vom Schwiegervater bezahlt zu bekommen, hält kein Schwiegersohn aus und dessen Bitte den Dachboden geschenkt zu bekommen, so daß er ihn für Karla ausbauen kann, wurden auch nicht erhört. So zeigte der Schwiegervater, Direktor einer Consultingfirma, den Schwiegersohn bei der Staatspolizei an, bei der Palmersentführung beteiligt zu sein.
Adam Fliege hat aber auch bei der Familie der Cousine die Sommer verbracht. Der Onkel war gewalttätig gegen die Cousine und ihre Mutter und ist als Sechszehnjähriger in den Krieg eingezogen worden, aus diesen später desertiert und wurde von seiner Familie am Dachboden versteckt. Auch das Kriegstagebuch des Vaters fasziniert den Ich Erzähler.
Sehr viel ist in diesem Roman des Augenblicks auch vom Sterben die Rede. Das Sterben des Onkels, das des Vaters, der Mutter, des Schwiegervater Karls. Der Vater erleidet einen Schlaganfall, die Mutter hat zuerst einen Unfall, später stirbt sie in einem Krankenhaus-, das der Ich-Erzähler aufsucht, um die Spuren der toten Mutter zu suchen, als es schon geschlossen war, -vierundzwanzig Studen bevor entschieden werden sollte, ob sie eine Dialyse bekommt. Bei Karls Begräbnis wird Adam Fliege Karla nach Jahren wiedersehen und mit einem ihrer Cousins ins Gespräch kommen, der von einem dürren Jussstudenten zum übergewichtigen Scheidungsanwalt mutierte und dem er die Geschichte von der anonymen Anzeige Karls erzählt.
Der Ich Erzähler hat auch eine Therapeutin mit der er über Karl, Karla und seine Ehe spricht und während er so sein Leben durcheinanderwürfelt, sitzt er im Haus vor dem Computer, läßt sich von Fliegen ärgern und wundert sich über das Verschwinden der Nachbarin und deren Tochter Julia, zu denen er ein ambivalentes Verhältnis hatte. Dazwischen taucht die Putzfrau Jelena auf, für die er Kaffee kocht, an den Birgit ihn erinnert.
Die beiden Freundinnen Birgit, eine Archäologin und Flora, Redakteurin bei einer Zeitung, scheinen gleichzeitig in seinem Leben vorhanden zu sein, dann gibt es noch den Freund Heimo, die Flugangst, die Fliegen, die Sexualität, die Siebzigerjahre, das Sterben, ect…, die die Augenblicke des Romanes ausmachen.
Erschienen ist das Buch bei der Edition Korrespondenzen, die ja eher sprachkritische Texte verlegt, es fallen aber auch immer wieder sehr schöne Wendungen auf.
Den Namen E. A. Richter kenne ich aus den Erzählungen seiner Ex-Schwiegermutter, die ich als junge Psychologin bei meiner Verhaltenstherapieausbildung kennenlernte und habe von ihm auch zwei Bücher.
Die 1984 bei Residenz erschienene „Berliner Entscheidung“, habe ich, glaube ich, gelesen, kann mich aber nicht mehr sehr daran erinnern. Den Gedichtband „Das leere Kuvert“, der aus aus einem der Büchertürme, der Literatur im März stammt, muß ich noch lesen.
Dann gibts noch das Buch „Obachter“ 2007, ebenfalls bei Korrespondenzen erschienen und ein paar andere Gedichtbände.
E.A. Richter wurde 1941 in Tulbing geboren, war von 1970 bis 1994 Redakteur der Literaturzeitschrift Wespennest und ist zwar nicht der erste, der das Literaturgeflüster auf eine Veranstaltung aufmerksam machte, allerdings der erste, von dem ich nicht wußte, daß er das Literaturgeflüster kennt.
So bin ich im November während der Lesefestwoche bei der Buchpräsentation in der Alten Schmiede gewesen und habe den Autor ein paar Tage später auf der Buch Wien getroffen, wo er mir das Buch gegeben hat, das interessant ist, aber auch ein wenig verwirrend, weil es für mich sowohl Fremdes, als auch Vertrautes enthält.
So hat mir auch meine Mutter ein Kriegstagebuch hinterlassen und an die Zeit der Palmers Entfühurng kann ich mich als sehr junge Studentin erinnern. Es ist auch interessant einen eher realistischen Schreiber in der Edition Korrespondenzen zu finden und die Fliegenmetaphern haben mich ein wenig verwirrt.

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