Als Alfred am Sonntag, die Anna zum Bahnhof brachte, drückte er mir bei seiner Rückkehr Daniel Kehlmanns 2009 erschienenen Roman in neun Geschichten „Ruhm“ in die Hand, von dem ich bei http://www.buecher.at gelesen habe, daß er demnächst verfilmt werden soll.
„Daniel Kehlmann hat mit seinem neuen Roman Weltliteratur geschaffen“, schreibt die Weltwoche auf der Buchrückseite, einige Rezensenten meinen, daß die Episodengeschichten zwischen Realität und Fiktion, nicht an den vorher erschienenen großen Roman „Die Vermessung der Welt anknüpfen“ können, der Autor spricht in einem Rowohlt-Video von mehreren Verknüpfungsebenenen, die der Leser erkennen kann, aber nicht muß, wenn er es tut, hat er mehr Spaß dabei, ihm selbst hätten die Verknüpfungen sehr gefallen.
In der zweiten Geschichte “ In Gefahr“, die, wie die letzte heißt, wird es ein bißchen genauer beschrieben:
„Ein Roman ohne Hauptfigur! Verstehst du? Die Komposition, die Verbindungen, der Bogen, aber kein Protagonist, kein durchgehender Held“ – „Interessant“, sagte Elisabeth müde.“
Es ist auch nicht ganz einfach sich durch die neun Geschichten mit den wechselnden Handlungssträngen, wechselnden Personen, wechselnden Realitäten und Fiktionen durchzulesen, obwohl es natürlich Verbindungen gibt. Die Technik spielt eine Rolle, das Internet, das Handy, manche Geschichten leben sehr davon, während andere wieder konventioneller sind.
Geschichte eins beginnt, in dem sich ein Computerfachmann mit einem eher faden Leben ein Handy kauft, plötzlich wird er ständig von Leuten angerufen, die ihn Ralf nennen, von dessen spannenden Leben er viel erfährt bzw. sich hineinziehen läßt. Dieser erfährt man in den anderen Geschichten, ist ein berühmter Schauspieler, überall hängen seine Filmplakate und geht in der vierten Geschichte als sein Double unter, während der seine Stelle einnimmt.
Die zweite Geschichte „In Gefahr“ wird von dem mehr oder weniger berühmten Autor Leo Richter erzählt, der sämtliche Fäden in Händen hat, Schöpfer vertrackter Kurzgeschichten ist, eine davon heißt „Rosalie geht sterben“ und taucht als Geschichte Nummer drei auf, es gibt aber auch eine Ärztin namens „Lara Gaspard“, die in den anderen Episoden herumgeistert.
In Geschichte Nummer zwei geht Leo Richter jedenfalls mit der Ärztin ohne Grenzen Elisabeth auf Lesereise nach Südamerika. Dort reist er von Kulturinstitut zu Kulturinstitut und wird von sämtlichen Betreuern, Zuhörern ect. gefragt, wo er seine Einfälle herhat und ob er Vormittags oder Nachmittags schreibt? Leo, der in der Geschichte als ziemlicher Feigling und Hypochonder dargestellt wird, antwortet immer „In der Badewanne!“ und fürchtet sich vor allerhand Gefahren, während Elisabeth, die immer Angst hat, in seine Geschichten hineinzugeraten, im Badezimmer mit dem Botschafter eines afrikanischen Landes über die Entführung ihrer Kollegen verhandelt und den feigen Leo eigentlich verlassen will, es aber nicht schafft.
Rosalie in Geschichte drei ist eine krebskranke Lehrerin, eine Figur Leos, die er in eine Schweizer Sterbehilfeklinik schicken will, was sie aber nicht will, so daß er plötzlich sein Konzept verändert und sie als junges gesundes hübsches Mädchen die Klinik verläßt.
In „Ein Beitrag zur Debatte“ taucht ein fettes Internetsüchtiges Muttersöhnchen auf, der eine köstliche Kunstsprache zwischen Deutsch- und Computerenglisch spricht, in Lara Gaspard verliebt ist und von seinem Chef, den wir auch noch kennenlernen werden, zu einer Computer Konferenz geschickt wird. Dort gibt es aber kein Internet, dafür ist Leo Richter anwesend und wird von dem Fetten, der unbedingt in seine Geschichte will, um ein virtuelles Leben mit seinem Schwarm aufzunehmen, verfolgt, was ihm aber nicht gelingt. Leo Richter hätte auch nach Turkmenistan auf eine Schriftstellerrundreise gehen können, dort traut er sich aber nicht hin, so schickt er seine Kollegin, die Krimiautorin Maria Rubinstein hin, die in der Geschichte „Osten“ verloren geht und immer wieder tauchen Bücher auf, nämlich die des Esoterikbestsellergurus Miguel Auristos Blancos, berühmt für seine Bücher über „Gelassenheit, innere Anmut und Suche nach Lebenssinn“, der in seinem Esoterik-Imperium herumschreitet, über die Sekretärinnen schimpft, die ihm die falsche Fanpost auf dem Schreibtisch legen, mit einer Pistole spielt und an den Brief an die Äbtissin, die nach dem Sinn des Lebens fragt, beantwortet, daß dieses keines hat, bevor er die Pistole in den Mund steckt.
Dann gibt es noch den Chef, des Internetsüchtigen Muttersöhnchens, einen Abteilungsleiter einer Telecomfirma, verheiratet und Vater zweier Kinder, der sich in die schöne Luzia verliebt, mit ihr ein Doppelleben aufbauen will und damit so überfordert ist, daß er offenbar nicht nur Schuld an den falschen Telefonanrufen von Geschichte eins ist, sondern auch noch andere Verwirrungen auslöst.
In Geschichte neun, ebenfalls „In Gefahr“ genannt, wendet sich das Blatt wieder. Hier begleitet Leo Richter, Elisabeth auf ihre Einsätze, ist plötzlich mutig und sie erkennt, daß sie längst in seinen Geschichten enthalten ist, taucht doch nicht nur Lara Gaspard, offenbar ihr Alter Ego auf, sondern auch eine der Damen, die Leo bei der Lesereise betreute, wurde von ihm zu einer Roten Kreuz Mitarbeiterin gemacht.
Ganz schön verwirrend, der magische Realismus des Romanes, der eigentlich keiner ist, aber trotzdem leicht zu lesen, sind die Fährten ja gut gelegt, denn der 1975 geborene Daniel Kehlmann ist ein intelligenter Schreiber, der sein Geschäft versteht. In einem der Gratisbücher zum Welttag des Buches, habe ich, die erste Geschichte von ihm gelesen, da sitzt einer mit Flugangst in einem Flugzeug und wird von seinem Sitznachbar fertiggemacht. Ein wenig davon findet man auch in Geschichte zwei. Den „Fernsten Ort“, habe ich in einigen Lesungen gehört, „Beerholms Vorstellung“ in einem Anitquariat in der Kirchengasse um dreißig Cent gekauft und Daniel Kehlmann, als er noch in Wien lebte, manchmal im Literaturhaus getroffen, wenn dort Suhrkampautoren gelesen haben. Das 2003 erschienene „Ich und Kaminsky“ habe ich ebenfalls bei Lesungen kennengelernt und da auch in einem Interview gelesen, daß das für Kehlmann die Vorstufen für den großen Roman war, der in der „Vermessung der Welt“ einige Jahre später erschienen ist, den ich auch bei „Rund um die Burg“, hörte.
Danach ist „Ruhm“ erschienen, wo man über den Titel rätseln kann. Welcher Ruhm ist damit gemeint, der von Daniel Kehlmann oder der der grauen Eminenz Leo Richter, aber der kann ja wieder das Alter Ego Daniel Kehlmanns sein? Ich würde Daniel Kehlmann als bemühten, fleißigen, ehrgeizigen Autor einschätzen, habe viele Interviews von ihm gelesen und den Erzählband „Unter der Sonne“ habe ich auch.
2010-12-30
Ruhm
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