Eigentlich hätte ich die Robert- Walser-Erzählung „Eine entfernte Ähnlichkeit“ von E.Y. Meyer am fünfundzwanzigsten Dezember lesen sollen, denn da ist Robert Walser, 1956 von einem Spaziergang im Schnee nicht mehr zurückgeommen. Die Erzählung und die beiden kurzen Essays, die ihr folgen, sind auch zum fünfzigsten Todesjahrs des Schweizer Dichters erschienen.
Der 1946 in der Schweiz geborene E.Y Meyer nähert sich sehr vorsichtig den großen Dichter an.
„Das Leben des Tagelöhners Loser als eine Erinnerung an Robert Walser – ein meisterliches Vexierspiel“, steht auf der Buchrückseite.
Der Ich-Erzähler, ein Schriftsteller, der, wie sich das für einen anständigen Schweizer gehört, auch Lehrer ist, besucht an einem schulfreien Nachmittag im März oder April vor Ostern mit seiner Schwester seine im Bezirkskrankenhaus liegende Mutter und lernt in einem Gasthaus einen kleinen alten Man in bäuerlicher Kleidung und kurzgeschnittenen weißen Haaren kennen, der Rotwein trinkt und ununderbrochen vor sich hin redet so daß ihm die Serviertochter sagt, daß man seinen Mund nach seinem Tod extra erschlagen müsse. Er erzählt, daß er bei einem Metzger gearbeitet und früher eine Zeitlang jeden Tag einen halben Liter Kälberblut getrunken habe, weil das Kraft gebe, nur ist er dann sehr krank geworden, so daß er jetzt in dem sich in einem ehemaligen Kloster befindenen Alters- und Pflegeheim wohnen würde.
Eine entfernte Ähnlichkeit mit einer Fotografie des Dichters Robert Walsers, der sich auch sehr lang in einer Heil- und Pflegeanstalt aufgehalten hat, veranlaßen den Erzähler, in das ehemalige Kloster zu gehen und nach dem alten Mann zu fragen, wo er erfährt, daß das der Loser Hans ist, der die ganze Zeit in der Gegend herumzieht.
Der Erzähler findet den alten Mann und fährt mit ihm in ein anderes Wirtshaus, wo er wieder viel aus seinem Leben erfährt und verspricht ihm, daß er ihm in einem Monat wieder besuchen wird. Es dauert aber zwei Jahre bis er sich nach ihm erkundigt, obwohl er öfter an dem Alters- und Pflegeheim vorbeigefahren ist. Ein vierzig-bis fünfzigjäriger großgewachsener Brillenträger mit einem nicht mehr in Gebrauch stehenden Offiziershut und einer Bahnhofsvorstandkelle, der vor dem Gebäude stand, hielt ihn davon ab. Als er an einem Januartag doch nach dem Loser fragt, erhält er die Auskunft, daß der nach einem Weihnachtsessen nicht mehr in das Pflegeheim zurückgekommen sei, weil er, wie einstens Robert Walser, im Schnee einem Herzschlag erlag.
In den anschließenden Essays erfährt man ein wenig mehr über das Leben des 1878 in Biel, Kanton Bern, geborenen Dichters, der bis 1956 „schlecht und recht lebte“ bzw. über das Walserbild des Erzählers, der mit elf Jahren mit seinen Eltern nach Biel zog und als er eine der letzten Klassen des Gymnasiums besuchte, von der Großmutter, ein Taschenbuch mit dem Titel „Der Gehülfe“ geschenkt bekam, von dem sie ihm erklärte, daß der Autor ein Bieler gewesen sei.
Auf dem Klappentext stand dann noch, daß Walser in der Schweiz und in Deutschland als Angestellter tätig gewesen, in Berlin, Biel und Basel als freier Schriftsteller gelebt hätte und, daß Franz Kafka eine Zeitlang täglich seine Werke gelesen hätte.
Im zweiten Essay „Ein großer Spaziergänger“ wird die Ballonfahrt beschrieben, die Robert Walser 1908 in Berlin antrat, um mit dem Verleger und Kunsthändler Paul Cassier bei Einbruch der Dämmerung nach Kants Königsberg zu fliegen.
Im Anschluß gibt es eine Zeittafel auf der man noch mehr über das Leben des Dichters erfährt, der eine Zeilang im Hotel Blaues Kreuz in Biel lebte, mit einer Frieda Mermet befreundet war, die Romane „Die Geschwister Tanner“,“Der Gehülfe“ und „Jakob von Gunten“ geschrieben hat. 1929 ist er in die Heilanstalt Waldau bei Bern eingetreten, dort 1933 in die Heil- und Pflegeanstalt Herisau, in seinem zuständigen Heimatkanton, verlegt worden, wo er bis zu seinem Tod verblieb und zu schreiben aufhörte.
Nach dem Tod seiner Geschwister übernahm der Schriftsteller Carl Selig die Vormundschaft, der mit ihm weite Spaziergänge machte und ein Buch darüber herausgab.
Außerdem gibt es noch die „Mikrogramme“ ein Konvolut von 526 Blättern und Zetteln, die mit einer winzigen Kurrentschrift beschrieben sind.
Eine interessante Annäherung an den Dichter, von dem ich einiges gehört, aber nichts gelesen habe und inzwischen noch ein bißchen neugieriger geworden bin.
2011-01-04
Eine entfernte Ähnlichkeit
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