Das Sprachkunstsymposium und die Diskussion, die sie auf diesen Blog auslöste, haben einige Fragen aufgeworfen, mit denen ich mich auseinandersetzen will. Irgendwie geht es ja immer um das schlechte Schreiben oder um die Frage, wieso es nicht gelingt in den Literaturbetrieb hineinzukommen, bzw. als Autor, Autorin wahrgenommen zu werden.
Es gibt sehr viele Leute, die sich schreibend verwirklichen oder auch damit berühmt werden wollen und immer weniger, die lesen. Dafür wahre Bücherberge, wenn man nach Frankfurt, Leipzig oder auch in die Buchhandlung Morawa, bzw. zum Thalia geht, sieht man sie in großen Stößen liegen und ich denke schon, daß es auch am bekannten Namen liegt, daß ein Buch gekauft wird. Das bemerke ich immer bei den blauen Sofa Diskussionen, wenn da Schauspieler oder andere Prominente ihre neuen Bücher präsentieren, die sie wahrscheinlich gar nicht selbst geschrieben haben. Bieten sich inzwischen ja genügend Autoren als Ghostwriter an und dann stoße ich auch immer wieder auf Autoren, die beim Bachmannpreis gelesen haben, ein Buch bei Suhrkamp oder sonst wo hatten und dann irgendwie vergessen werden.
Ludwig Roman Fleischer und Alfred Paul Schmidt, die ich beide diese Woche in der Alte Schmiede hörte, würde ich dazu zählen, aber auch Uwe Bolius, mit dem ich einmal in einer sehr leeren Alten Schmiede las oder Kurt Bracharz mit dem ich 2005 bei der Text und Kritikveranstaltung in Vorarlberg war und der gerade ein Portrait in den Tonspuren hatte.
Dann gibt es natürlich die Großen, die Frau Mayröcker beispielsweise, die den Bremer Literaturpreis aber auch erst gewonnen hat, als sie es nicht mehr schaffte, persönlich zur Preisverleihung zu kommen und die auch, glaube ich, immer ein bißchen im Schatten von Ernst Jandl, aber auch von Elfriede Jelinek stand und die jungen Talente, wie z.B. Dorothee Elmiger, Judith Zander und Verena Rossbacher und da bin ich schon beim Symposium für Sprachkunst, wo bei der Diskussion, um die kreativen Prozesse, die Klage aufkam, daß viele Leute, die sich für ein solches Studium interessieren, ihre Erlebnisse eins zu eins aufs Papier bringen, zuwenig verdichten und verfremden und daher schlecht schreiben würden, weil die guten Texte nicht durch das autobiografische Erleben, sondern am Schreibtisch entstehen. Daran füge ich meine Beobachtung, daß auf der einen Seite, das realistische, narrative Schreiben sehr scheel angesehen wird, obwohl es auf der anderen, das ist, was die Leser wollen. Den verdammt spannenden Roman, den Krimi oder die Fantasygeschichte, aber das gilt nicht für gute Literatur, daher bietet Leipzig ein solches Studium nicht an und über Josef Haslingers Bücher „Opernball“ bzw. „Vaterspiel“, der ja wahrlich ein bekannter Autor ist, habe ich schon Rezensionen gelesen, die mich den Kopf schütteln ließen.
Als ich 2002 und 2003 in der Jury bei den GAV-Neuaufnahmen war, habe ich Kistenweise experimentelle Texte und beispielsweise Ritter oder Fröhliche Wohnzimmer-Bücher zum Beurteilen gehabt und mich gefragt, ob die wohl jemand außer Jurymitglieder liest und als ich bei einem der Feste für Ernst Jandl oder Gerhard Rühm in Mürzzuschlag und Neuberg an der Mürz war, habe ich Literaturkritiker, wie Jörg Drews über die vielen schlechten narrativen Romane schimpfen hören, was mich sehr gewundert hat, weil ich so ja schreiben will.
Ein Widerspruch, der sich nicht auflösen läßt, auch Reinhard Urbach ist bei seiner Einführung zu Alfred Paul Schmidt darauf gestoßen und hat darüber gesprochen, daß man die Wirklichkeit nie direkt in Sprache umformen kann und die Tricks angeführt, wie das Alfred Paul Schmidt gelingt.
„Warum eigentlich?“, habe ich mich gefragt, weil ich mir nicht so sicher bin, daß man das nicht doch kann und es die Autoren auch praktizieren.
Da lese ich ja sehr oft in Romanen von Helden, Protagonisten, Ich-Erzählern, die eine ganze ähnliche Entwicklung, wie der Autor haben. Wilhelm Genazino, wäre da ein Beispiel, das mir einfällt. Der ältere Intellektuelle, der in seinen Büchern seine Schwierigkeiten mit dem Leben, den Frauen und dem Älterwerden schildert und man denkt, wenn man im Lebenslauf des Autors nachsieht, das ist Autobiografie. Fragt man in der Diskussion danach, wird es der Autor verneinen.
Bei der Diskussion um das kreative Schreiben mit Thomas Klupp und Verena Rossbacher am Samstag im Literaturhaus, hat eine Frau gefragt, wie sehr sie entfremden muß, daß man sie in ihren Texten nicht erkennt? Interessanterweise hat ihr Thomas Klupp geantwortet, daß es Beispiele berühmter Bücher gibt, wo die Autoren ganz offen über sich geschrieben haben. In jünger Vergangenheit wäre mir dazu „Rabenliebe“ von Peter Wawerzinek, dem letzten Bachmannpreisträger eingefallen. Thomas Klupp hat aber an „Axolotl Roadkill“ gedacht und um wieder zur Transformation und dem realistischen Schreiben zurückzukommen. Ich schreibe schon siebenunddreißig Jahre realistisch und wenn man sich die „Hierarchien“ hernimmt, den Roman, der 1990, in einem Kleinstverlag erschienen ist, so hat die Heldin Anna sehr viel mit mir zu tun, ist sie doch gerade von der Klinik weggegangen, wo sie als Soziologin sehr unglücklich war, ich habe ein paar Jahre vorher, die HNO Klinik verlassen und bin in die freie Praxis gegangen und die Mitglieder aus Annas Wohngemeinschaft hatten auch ganz reale Vorbilder. Heute würde ich das nicht mehr so schreiben. Im Laufe meiner Schreiberfahrung habe ich gelernt, zu verfremden, weiß, daß das Roman-Ich nicht unbedingt, das Autoren-Ich bedeutet oder wie ich es gern definiere, es ist alles autobiografisch und alles wieder nicht.
Um so weit zu kommen, braucht es aber Zeit. Das ist sicher ein Lernprozeß, bis man gelernt hat, das, was man in der U-Bahn, auf der Straße, im Kaffeehaus oder wo auch immer erlebt, so zu transformieren, das daraus ein literarischer Text entsteht, der in meinem Fall immer realistisch werden wird. Bei meinen früheren Texten haben mich manchmal die Rückmeldungen verwirrt, so habe ich in „Zwischen Hütteldorf und Heiligenstadt“ über den Prater und eine Ringelspielbesitzerfamilie geschrieben, die erfunden war und von Karin Jahn, damals beim Europa-Verlag erklärt bekommen, wie es mit den Ringelspielbesitzverhältnissen im Prater wirklich ist und, daß ich das, wenn ich realistisch schreiben will, berücksichtigen muß.
Dann schreibe ich vielleicht doch nicht so realistisch, denn natürlich fließt die Phantasie in meine Texten ein, das soll, darf und muß auch so sein und so war ich auch ein wenig von JuSophies Kommentar verblüfft, die meinte, daß es ihr zu fad wäre, etwas so niederzuschreiben, wie man es erzählen könnte.
Das ist vielleicht der Widerspruch, auf den man in der Diskussion, ob man jetzt realistisch oder experimentell schreiben soll, immer wieder stößt.
Den experimentellen Autoren ist die Wirklichkeit zu fad, sie wollen die schönen Sätze am Schreibtisch konstruieren, das narrative Schreiben wird nicht anerkannt, weil es zu einfach ist, obwohl es die Leser spannend haben wollen. Aber da darf es wieder phantasievoll sein, sind ja jetzt gerade Vampirromane in, obwohl die nicht für große Literatur gelten. Sie werden aber gekauft, auch wenn man sie vielleicht nicht öffentlich lesen darf, außer man ist sehr selbstbewußt.
Ich habe ja eine eher tolerante Einstellung, was das Lesen und das Schreiben betrifft, lasse alle lesen, was sie wollen und schreiben, so gut sie es können und würde beides fördern.
Für mich, das bemerke ich immer wieder, muß es außer der schönen Sprache, aber auch die Handlung geben und die sollte nicht zu sehr am Schreibtisch konstruiert sein, wenn es geht.
Die Regeln, habe ich letzte Woche wieder bei dem Symposium gehört, sind dazu da, um gebrochen zu werden. Man muß sie vorher nur beherrschen, mahnen die Sprachkunstlehrer. Daher ermuntere ich zur Transformation in realistische Romane und glaube, daß man das, was man erzählt, sowieso nicht eins zu eins umsetzen wird, wenn man ein bißchen Erfahrung hat.
Daß es, nachdem ja wirklich schon so viel geschrieben wurde, nicht leicht ist, seinen eigenen Stil zu finden, lehrt das Beispiel von Wolf Haas, der erzählt in Interviews immer, daß er einige unbrauchbare Romane geschrieben hat, bis es ihm bei seinen Brenner-Krimis gelungen ist, mit einer künstlichen Sprache, berühmt zu werden.
Es ist nicht leicht, man soll es aber trotzdem versuchen und durch Erleben und Erfahrung besser werden, was in der Reihe „Im Gespräch“ auch Josef Winkler betonte. Er bezog sich allerdings auf das,“wie“ des Schreibens und meinte, daß das „was“ nicht so wichtig sei, was ja nicht nur Richtung Elfenbeinturm geht, sondern auch gefährlich sein kann, zitierte Handke und meinte, daß er den täglich lese und gern, wie er schreiben können würde.
Noch eine Transformation bzw. eine Beobachtung habe ich am Schluß anzumerken, die vielleicht nicht so erfreulich ist und auf die Rezensionsdebatte der Bücherblogs um Weihnachten zurückzuführen sein könnte. Habe ich bei den letzten drei Anfragen, die ich machte, zweimal keine Antwort und eine Absage bekommen, was vor einem halben Jahr nicht so war.
Schade denke ich, obwohl ich ja an keinen Büchermangel leide und genug aufzulesen habe, was ich auch will, schade nur, wenn das Schreiben und das Sprechen, die Situation verändert, es kann aber auch Zufall sein.
2011-01-28
Transformationsfragen
2 Kommentare »
RSS feed for comments on this post. TrackBack URI
Ich möchte nun doch noch vor dem heutigen Abend antworten – auf Ihre erwähnte Verblüffung bezüglich meiner Meinung, dass mir realistisch schreiben zu fad ist (obwohl ich es AUCH tue).
Es geht aus meiner Sicht um die Bereiche
a) konventionell versus experimentell
b) mündliche Erzählsprache versus Schriftsprache
ad a) Experimentell schreiben verstehe ich als Grundhaltung mit der ich bereit bin, Dinge neu zu sehen und als Schreibende auch auszuformulieren.
Das kann durchaus auch mit realistisch geschilderten Begebenheiten sein, also im herkömmlichen Sinn „wirklichkeitsnah“. (Diesen Begriff könnten wir heute abens durchdiskutieren und was er für das Schreiben in seinen Facetten bedeutet)
ad b) Da Tiere auch eine Art von Sprache haben (und Sozialverhalten und Emotionen auf niederer Basis etc. etc.), unterscheidet sich der Mensch von ihnen nun wirklich besonders in der Ausbildung einer Schriftsprache, mit der er auch experimentieren kann. Vielfältig. (Über das Vielfältige breite ich mich auch hier nicht aus, bleibe beim mündlichen heute abends)
Das Spiel mit der schriftlichen Sprache IST faszinierend für AutorInnen denen Spiel und Experiment liegt. (Ebenso wie es auch mündliche Sprachspiele gibt, was in diversen Shows, Kabaretts, etc zu verfolgen ist)
Und wem es nicht liegt, soll es doch ruhig bleiben lassen. Muss aber sehen, wie er anders Verlegern auffällt, falls das das Ziel des Schreibens ist. Konkurrenz, Zeitgeist, Glück und günstiger Zufall- sie schlafen alle nicht.)
Kommentar von JuSophie — 2011-01-28 @ 14:04 |
Interessanter Ansatz und offensichtlich ganz anders, als das, wie ich das Schreiben verstehe. Da aber offensichtlich sehr viele Autoren, bzw. Kritiker diesen Ansatz verfolgen, freut es mich, wenn ich ihn verstehen kann, obwohl ich so nicht schreiben will.
Was halten Sie von Josef Winkler?
Kommentar von jancak — 2011-01-28 @ 16:07 |