Literaturgefluester

2011-02-16

Die Liebe als Labyrinth verwickelter Identitäten

Filed under: Uncategorized — jancak @ 12:44

Die 1964 geborene und seit 1983 in Paris lebende Übersetzerin und Schriftstellerin Anne Weber, die 2005 beim Bachmannpreis gewonnen hat, hat einen Liebesroman geschrieben „Luft und Liebe“, 2010 bei Suhrkamp erschienen, auf Französisch heißt er „Tous mes voeux“ und stellte ihn am Dienstag in der Alten Schmiede vor. Petra Messner hat eingeleitet und davon erzählt, daß der Roman ein Verwirrspiel verschiedener Identitäten und Perspektiven ist. Erzählt er doch die Geschichte einer in Paris lebenden Schriftstellerin zu einem französischen Adelligen und deren Scheitern.
Weil man in der Person der Schriftstellerin autobiographische Tendenzen vermuten könnte, hat Anne Weber gleich damit gespielt und fängt den Roman damit an, daß die Schriftstellerin, die die Geschichte ihrer Freundin Lea erzählen will, das Manuskript in den Mistkübel schmeißt und dann noch einmal in der Ich-Perspektive beginnt, die Lea bleibt aber nicht im Mistkübel liegen, sondern nimmt Kontakt zu der Ich-Erzählerin auf und beginnt sich in die Geschichte einzumischen. Vielleicht weil man eine Liebesgeschichte heute nicht mehr so einfach und linear erzählen kann, weil es sonst kitschig wirkt, vielleicht weil man als Erzählerin, auch die Distanz benötigt, um von seinen Gefühlen zu sprechen. Es passt jedenfalls ganz gut zu dem Schreibseminar, zu dem sich das Literaturgeflüster in letzter Zeit entwickelt hat und die Frage, wieviel Ich ist wirklich, ist ja auch eine, die mich regelmäßig beschäftigt.
Anne Weber tut das sehr souverän und damit noch nicht genug, gibt es auch noch die Märchenprinzessin, die dem Ritter auf sein schönes Schloß folgt und der ist in seine Dulcinea so verliebt, daß er alles für sie macht, auf sie wartet und auch sein Sperma in ein Reagenzglas kippt und das Kinderzimmer einrichtet, denn die Märchenprinzessin ist schon ein bißchen angewuzzelt, nämlich zweiundvierzig und will ein Kind, das klappt aber nicht gleich und die große Liebe scheitert auch oder erweist sich als Illusion, so daß es zu einer gewesenen Märchenprinzessin kommt, die sich schließlich als Rächerin entwickelt.
So weit die Stellen, aus denen Anne Weber las, in der Diskussion fragte eine Dame, woran die Liebe scheiterte, sie würde sich das Buch zwar kaufen, aber das würde sie schon gern vorher wissen. Alle lachten und Anne Weber erklärte, daß sie das der Dame zwar ins Ohr flüstern würde, aber nicht öffentlich verraten.
Dann kam es zu einer Diskussion mit Kurt Neumann über den Erzählfaden, ob zuerst die Idee oder die Handlung da gewesen wäre. Kurt Neumann erstellte darüber eine Theorie, die die Autorin nicht ganz teilte und erzählte ein bißchen was über ihr neues Buch, das in März erscheinen wird. Das heißt „August“ und im Untertitel „ein bürgerliches Puppentrauerspiel“, weil es von Goethes Sohn August handelt und das hat sich so ergeben, weil die Autorin während des Schreibens erkannte, daß sie keine Biografie schreiben wollte und das Puppenspiel würde auch zu Weimar passen, wie Anne Weber meinte.
Eine andere Dame fragte nach den Übersetzungen, die ersten Bücher verfasste Anne Weber nämlich zuerst auf Französisch, dann auf Deutsch, jetzt macht sie das umgekehrt. Sie übersetzt auch nicht wortwörtlich, sondern nimmt sich schon ein wenig die Freiheit heraus, mehr zu verändern, was sie zum Beispiel bei einem Genazino nicht tun würde.
Anne Weber hat, wie ich Wikepedia entnehme schon sehr viel übersetzt, auch da hat sie zuerst von Deutsch auf Französisch begonnen, jetzt übersetzt sie nur mehr in die Muttersprache, wie das üblich ist und zwischen ihren Romanen nimmt sie sich Zeit zum Übersetzen.
Und noch etwas war sehr interessant, nämlich Anne Webers Einleitung, sagte sie doch, als sie sich für die Einladung bedankte, daß sie schon länger nicht mehr in der Alten Schmiede gelesen hat und die hat sich inzwischen ja verändert und jetzt, wo sie in der Werkstatt liest, wird ihr die Diskrepanz zu dem, daß sie als Autorin nicht wirklich oder nur mit dem Kopf arbeitet, deutlich bewußt.
Da habe ich mir gedacht, daß für mich die Alte Schmiede schon so ein Museum ist, daß ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, daß da wirklich einmal Schmiede gearbeitet haben, obwohl das ja noch gar nicht solange her ist, daß ich mich eigentlich daran erinnern könnte.
Vom Publikum habe ich nur den Sascha gekannt, der Anne Weber eifrig fotografierte.

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