Literaturgefluester

2011-02-17

Literarische Soiree

Filed under: Uncategorized — jancak @ 12:11

Ich bin ja eine, die am Morgen als erstes das Radio aufdreht und da gibt es in „Guten Morgen Österreich“ immer ein paar Veranstaltungstips, meistens zu Konzerten, am Montag wurde aber ein Besuch in der Alten Schmiede zur Präsentation des neuen Buchs von Günter Wels, das ist ein Pseudonym für Günter Kaindlsdorfer empfohlen, ich bin aber nicht hin, weil ich das „Antwerpener Testament“ gelesen habe und am Mittwoch wurde der Besuch der „Literarischen Soiree“ im Radio-Kultur-Cafe empfohlen.
Da hatte ich zwar auch nicht vor hinzugehen, wußte aber, daß da Gerlinde Tamerl einmal diskutierte, die ich ja treffen wollte, also dachte ich, schaue ich im „Heimspiel“ nach, was am Programm steht. Stand aber nichts außer Günter Kaindldorfers Namen und dem Satz, den schon die Moderatorin sagte, daß die Leser aus den „Diskussionen der Literaturkritiker beglückende Informationen ziehen können“.
Also habe ich beim Ö1 Service angerufen, wo sie mir empfahlen, ab sechzehn Uhr im Radiokulturhaus nachzufragen oder es bei den Gastronomen im Kulturcafe zu versuchen. Zum Glück kam ich auf die Idee nach der Mailadresse von Günter Kaindlsdorfer zu fragen und der antwortete mir auch freundlich, daß Thomas Glavinics neuer Roman „Lisa“, Zsuzsa Banks „Die hellen Tage“, Tobias Wolffs „Unsere Geschichte beginnt“ besprochen werden und Anna Kim, Evelyne Polt-Heinzl und Cornelius Hell diskutieren.
Ich machte meine Diagnostik und hatte vor, da ich nur diese hatte, mit meinem Notizbuch ein bißchen durch die Stadt zu gehen, aber seit Dienstagabend gehen mir die vielen Bücher in meinem Badezimmer im Kopf herum und da es bei den Bücherblogs eine Challence über die hundert Bücher, die man 2011 lesen will gibt, hatte ich am Dienstag in der Alten Schmiede schon mit der Erstellung der Liste angefangen. Also habe ich damit weitergemacht und da dort das „Das Leben der Wünsche“ an zweiundvierzigster Stelle steht und ich Cornelius Hell ohnehin etwas zu „Blaubarts Kinder“ fragen wollte, bin ich statt die „Schwestern der Angst“ weiterzulesen, in die Argentinierstraße gegangen.
Es ging gleich los mit dem amüsanten Gruselroman des Jahres von Thomas Glavinic. Das den die Literaturexperten nicht so toll fanden, war vorauszusehen, obwohl ihn Anna Kim lustig gefunden hat und als Internetkritik interpretierte. Dieser quasselnde Ich-Erzähler Tom, der da seine unfundierten Meinungen über Gott und die Welt in die Gegend blökt, scheint dem Helden aus „Wie man leben soll“ sehr ähnlich zu sein und ich dachte, Thomas Glavinic ist dafür berühmt, daß er jeden seiner Romane in einem anderen Stil verfaßt. Das war vielleicht einmal, denn dieses Szenarium scheint dem des „Kameramörders“ zu gleichen und vielen der Glavinic-Helden passiert etwas, was sie in Endzeitstimmung bringt, da wacht einer auf und ist auf einmal allein in der Welt oder Daniel Kehlmann steht ganz oben auf der Beststellerliste, während der Hypochonder von „Das bin doch ich“, viel weiter unten ist. So interpretierte es, glaube ich, Evelyn Polt-Heinzl und Günter Kaindlsdorfer meinte, Thomas Glavinic hat viel von sich selbst erzählt, Evelyn Polt-Heinzl brachte den Vergleich mit „Leutnant Gustl“ und Cornelius Hell meinte, er hätte viel weniger, als Anna Kim gelacht, aber einige Wortschöpfungen waren sehr orignell, nur schade, daß die dann Evelyn Polt-Heinzl schon seit den Achtzigerjahren kannte.
Dann kam das neue Buch von Zsusza Bank und das wurde, glaube ich, am Sonntag im Ex Libris besprochen, nur sind wir mittendrin mit dem Auto in Wien angekommen, so daß ich nicht alles hören konnte. Zsusza Bank scheint aber eine sehr poetische Autorin zu sein, eine Sprachspielerin der schönen Worten und hat eine Geschichte von drei Kindern der Sechzigerjahre in Deutschland geschrieben, die den Sprachgewaltigen auch nicht sehr gefallen hat. Die politische Realität der Achtundsechziger fehlte und die Veränderung vom Kinder-Ich in die Erwachsenenwelt, stattdessen wird endlos von Klatschmohn und tiefen Weiten geschrieben, wenn man das Buch gekürzt hätte, wäre vielleicht etwas daraus geworden, aber das wurde auch beim Glavinic vorgeschlagen.
Der Erzählband des 1945 geborenen Amerikaners Tobias Wolff wurde dagegen als Geheimtip angekündigt, Anna Kim haben die Erzählungen aber nicht so sehr gefallen, sie lobte dafür die Form, die ersten Geschichten schildern Anfänge, die letzten den Schluß. Die Geschichten sind vielleicht zu konventionell oder auch nicht, denn irgendwie scheint man durch sie in ein unbekanntes Amerika geführt zu werden. In einer geht ein Mann mit dem Hund seiner verstorbenen Frau spazieren, obwohl er Hunde gar nicht mag, in einer anderen wird eine Lehrerin zum Vorstellungsgespräch in ein College eingeladen, obwohl sie die Stelle nicht bekommt, in der dritten wird ein Paar vom Sex und der Gewalt der Nachbarn gestört, sie fragen aber doch nicht nach, sondern schauen sich lieber einen Fernsehfilm an.
Die Expertenrunde, war dann doch nicht so begeistert, wie der Vorspann scheinen ließ und Günter Kaindlsdorfer schloß kryptisch, daß ihm der letzte Erzählband John Udikes, besser gefallen hat.
Am Schluß wurden noch drei Bücher verlost, da ich die Antworten nicht als Erste herausschreien konnte, habe ich jetzt noch kein Buch auf Platz zweiundsiebzig, was ja fast ein Glück ist, um Torberg zu zitieren.
Dafür habe ich Cornelius Hell nach dem Buch von Renata Serelyte gefragt, da haben mich ja die Kapiteleinteilungen verwirrt und die Auskunft bekommen, daß sie doch einen Sinn machten, nämlich den vier Erzählstimmen zuzuordnen wären, wenn das noch so arrangiert gewesen wäre, daß man das erkennen hätte können, hätte ich mir beim Lesen leichter getan. Ich bin aber froh, es erfahren zu haben, so hat sich der Abend gelohnt.
Bei den literarischen Soireen war ich schon lange nicht, es ist auch ein wenig komisch, daß man eine Stunde still sitzen und sich anhören muß, was die Experten zu den Büchern meinen, beim Lesezirkel in der Hauptbücherei hat man mitdiskutieren könnnen, aber den gibt es nicht mehr.

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