Textvorstellungen in der Alten Schmiede. Reinhard Wegerth stellte drei starke Frauen mit drei neuen Texte vor. Nicht Romane sondern Recherchen Assoziationen abgehackte Textstellen, Träume, Berichte usw. zu drei wichtigen gesellschaftkritischen Themen und interessantes Detail am Rand, die drei Bücher sind in Kleinverlagen erschienen, nämlich Arovell und Bibliothek der Provinz, die also kaum in den Buchhandlungen, in Besprechungen und bei Preisen zu finden sind. Wichtige Themen und auch solche, wie Reinhard Wegerth in der Diskussion bemerkte, bisher kaum literarisch verarbeitet wurden.
Gertrud Klemm, die 1971 geborene Schreibpädagogin aus Baden schrieb in „Mutter auf Papier“ über den unerfüllten Kinderwunsch, der schließlich in einer Adoption Erfüllung findet und sie schreibt in einer starken, fast schon aggressiven Sprache, die guten Wünsche der Freundinnen kommt darin vor, das wirst schon sehen, wird schon gehen, der Neid der Frau auf die Mütter und die Kinderwagen und der Gynäkologe bzw. Urologe „Gyn 1“ und „Uro 1“ steht auf der Autonummer ihrer superschicken Schlitten und dann gibts keinen Raum für die Urinabgabe, das Kind wird schließlich in Afrika oder so adoptiert, da muß man vorher aber den Hundertpunkteplan für die Adoptionsfreigabe erfüllen: Pflegemutterschulung, Gesundheitsuntersuchung, psychologisches Attests, Leumundszeugnis etc und dann steht Frau vor der Schwierigkeit das schwarze Kind dem siebenundneunzigjährigen Naziopa zu präsentieren „Schau her, das ist dein Urenkelsohn!“, worauf der nur lapidar „Das Kind ist ja braun nicht schwarz!“, antwortet.
Dann kam Gerda Sengstbratl aus Klosterneuburg mit „Einer ist hier schon verrückt geworden“, aus dem ich schon beim letzten „Tag der Freiheit des Wortes“ eine Lesung hörte, das ein ziemlich ähnliches Thema hat, bzw. in ähnlichen Stil geschrieben ist, nämlich der Spießrutenlauf einer Frau, die einen schwarzen Asylwerber heiraten will und sich durch den Dschungl der Verschärfungen von 2006 mit einer ähnlich starken Sprache bzw. einem ähnlich abgehackten Stil kämpft und sich dagegen sich wehrt.
Interessant, daß Gertrud Klemm und Gerda Sengstbratl Freundinnen sind, sich aus der gleichen Schreibgruppe kennen, ich glaube, das ist die, die unter der Leitung oder Supervision von Petra Ganglbauer stattfand, wo ich auch bei einigen Lesungen war und zur gleichen Zeit ihre Bücher schrieben und noch einmal interessant, das Reinhard Wegerth sie zusammen einlud.
Die dritte Autorin, nämlich Christine Werner ist mir ebenfalls bekannt und ist auch eine starke Stimme, kenne ich sie ja durch ihre Performances, die sie bei den Widerstandslesungen bot und habe mit ihr vor zwei Jahren in der Alten Schmiede gelesen. Sie trat mit ihrem Buch „Die Arbeitslosenpolizei“, aus dem ich auch schon Stellen kannte, ziemlich performanistisch auf. So begrüßte sie ihr Publikum gleich einmal als Arbeitslose, legte ein weißes Tischtuch auf den Lesetisch und stellte zwei handgestrickte rotweißrote Österreichfahnen in eine Vase. Dann las sie Protokolle aus den AMS-Kursen, wo die Trainer den Kursteilnehmern positives Denken und positives Auftreten, a la es liegt nur an dir selbst, ob du Arbeit kriegst, vermitteln wollen und von einem Arbeitslosen, der im Billigladen kauft.
Ein interessanter Abend und eine interessante Zusammenstellung, die zeigt, daß es in der österreichischen Gegenwartsliteratur nicht nur sprachlich schöne, experimentelle Worte, sondern auch durchaus starke Stimmen, realistische Texte und auch unverbrauchte Themen gibt, schade nur, wenn sie den Weg nicht in die große Öffentlichkeit finden.
Die Alte Schmiede war aber sehr voll. Irene Wondratsch habe ich gesehen und die war, glaube ich, auch in dieser Schreibgruppe, bzw. ist sie ebenfalls Schreibpädagogin.
2011-02-25
Etwas Wichtiges fehlt
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