Literaturgefluester

2011-02-08

Zauberkunst

Filed under: Uncategorized — jancak @ 12:41

Zauberkunststücke in der Alte Schmiede und die Wiener Experimentellen Szene sitzt im Publikum.
Als ich am 15. Jänner im Wien Museum beim Fest für Ernst Jandl war, hat mir Christel Fallenstein einen rundlichen schwarzgekleideten russischen Dichter gezeigt „Das ist Alexander Nitzberg!“und mich gefragt, ob ich bei seiner Lesung in der Alten Schmiede war?
War ich nicht und ich hatte diesen Namen auch noch nicht gehört, da ich aber eine eifrige Literaturliebhaberin bin, ist mir der Name im Februarprogramm der Alten Schmiede aufgefallen: Alexander Nitzberg rezitiert zweisprachig aus dem von ihm neu übersetzten Gedichtband „Sieben Zehntel eines Kopfes“ von Daniil Charms und kommentiert den zeitgleich erschienen Prosaband „Trinken Sie Essig, meine Herren“ und ich beschloß in die Alte Schmiede zu fahren, da ich um sechs noch eine Stunde hatte.
So erreichte ich das literarische Quartier wiedermal sehr spät, huschte an Brigitta Falkner vorbei, setzte mich auf eine der Stufen und sah den schwarzgekleideten Dichter von einem beigen Mantel umhüllt im Saal stehen und etwas rezitieren, das mich zuerst an Goethes „Faust“ erinnerte.
Denn ich muß es gestehen, ich habe noch nie etwas von Daniil Charms gehört, inzwischen aber nachgegooglet, daß Daniil Ivanovitsch Juvantschov 1905 in St. Petersburg geboren, 1942 in einer Leningrader Gefängnispsychiatrie verhungert, ein unter verschiedenen Pseudonymen, darunter Charms, schreibender dadaistischer Dichter war, der zu seinen Lebzeiten nur zwei Gedichte für Erwachsene veröffentlichen konnte.
Jetzt gibt es eine von Vladimir Glozer und Alexander Nitzberg herausgegebene Werkausgabe in vier Bänden im Galiani Verlag und der 1969 in Moskau geborene Alexander Nitzberg, der in Deutschland Klavier, Germanistik und Philosophie studierte, ist auch ein großartiger Rezitator und machte aus den Kinder- Wissenschafts- Liebes- und Akolyptischen Gedichten eine Zaubershow mit einem roten Tüchlein, das seinen Händen entschwand, in seinem Mund auftauchte u.s.w.u.s.f.
Die in der Sowetunion verbotenenen Gedichte haben einen absurden Charme, scheinen, wie ich Wikipedia entnehme, lustig, wo sie traurig sind und viele Wortwiederholungen, die eindrucksvoll dargeboten wurden.
„Ich schloß den Band voll hoher Kunst
und saß den ganzen Tag mit offenen Mund
von fünfzehn Versen las ich drei
schon war die Leselust vorbei
Dazwischen schlug der Rezitator ein Buch auf, zauberte die Buchstaben weg und wieder her und die Wiener Experimentellen Szene, Lisa Fritsch, Herbert J. Wimmer, Liesl Ujvary, Briigitte Falkner, Margret Kreidl etc saß auf den Bänken oder am Boden und hörte andächtig zu.
Ein bißchen russisch war dabei, das als Orignaltext angekündigte Gedicht war aber auf Deutsch, denn das hat Daniil Charms, erklärte Alexander Nitzberg mit Berliner Akzent fließend gesprochen, es fallen bei den Kindergedichten auch immer wieder deutsche Namen auf.
Ich kenne mich in der Dada-Szene ja nicht so aus, die Gedichte, die mich zuerst an Goethes Faust denken ließen, haben mich später an Ringelnatz und Morgenstern erinnert und sie waren wirklich hervorragend vorgetragen.
Mit Christel Fallenberg, die auch anwesend war, habe ich beim Büchertisch, als ich die beiden schon erschienenen Bände durchblätterte, die zwei weiteren werden noch 2011 erscheinen, gesprochen und heute auch ein Mail von ihr bekommen, habe ich sie ja gefragt, ob sie den Text zur „Absturzgefahr“ schreiben will. Daraus wird wohl nichts, aber es war ein interessanter Abend und eine Begegnung mit zwei interessanten Dichtern, über die ich mir jetzt ein bißchen was ergooglet habe.
Alexander Nitzberg wird ab April auch, wie Kurt Neumann in seinem Schlußwort erklärte, eine eigene Lesereihe in der Alten Schmiede haben, die Einleitung habe ich leider versäumt, aber trotzdem einiges erfahren, was ich noch nicht wußte.

2011-02-07

Nachrichten vom Schreiben

Filed under: Uncategorized — jancak @ 17:48

Am Freitag und am Wochenende bin ich schön zu Hause gesessen und habe meine Vorsätze ausgeführt. Nämlich die „Mittleren-Lesung“ vorbereitet, den 14. 3. als Vorbereitungstreffen fixiert, die Frauen eingeladen, das Einleitungsreferat zusammengestellt, das Flugblatt entworfen. Am Samstag habe ich mein „Schreiblernbuch“ für meinen neuen Text, nämlich Angela Leinens „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“ gelesen und es interessant gefunden, nicht unbedingt ein Ratgeber für mein neues Projekt oder doch, denn Angela Leinen steht ja auf der Leserseite und ist eine, die von den Autoren hohe Sorgfalt fordert, damit sie sich nicht beim Lesen langweilt und das war ja ein Thema, das mich in den letzten Wochen sehr beschäftigt hat.
Wie gut oder schlecht ich schreibe und ob ich für Qualität oder Quantität stehe? Daß ich in eine Schreibkrise geraten könnte, wenn ich an eine neue Arbeit denke und der Gedanken kommt, wozu tue ich mir das an oder worüber soll ich schreiben, wenn ohnehin schon alles gesagt ist?, darüber habe ich ja schon refektiert, bevor ich ins Literaturhaus zur „Praxis des Schreibens“ gegangen bin und JuSophie kennenlernte, die mir eine Woche lang interessante Kommentare schickte.
Einerseits ist mir das Schreiben sehr wichtig, andererseits bringe ich es nicht zusammen, einen Verlag für meine Bücher zu finden und weil ich in den letzten siebenunddreißig Jahren so viel geschrieben habe, bin ich sicher schon ein wenig ausgeschrieben und die Ideen für Digitalbuch fünfundzwanzig, die in meinem grünen Notizbuch stehen, unterscheiden sich auch nicht sehr, von dem was schon geschrieben ist. Andererseits schaffe ich es nicht, nicht zu schreiben und will das auch nicht. Ein Übungsprogramm zum Nichtschreiben werde ich mir nicht entwerfen und denke auch, daß ich es kann und viel gelernt habe seit der Zeit, als die sehr schüchterne Studentin ihre erste Erzählung schrieb, jetzt auch einige der Kritikpunkte verstehe und sicher noch die nächsten zwanzig, fünfundzwanzig Jahre weiterlernen werde.
So habe ich in dem Leinen-Buch auch einige kritische Punkte gefunden. Meine Dialoge könnte ich mir anschauen, meine Figurenführung verbessern und sicher auch die Themen, denn es ist ja schon so viel geschrieben worden. Da ist eine büchersüchtige Zwillingsschwester, die sich vom Leben zurückzieht nicht so neu. Andererseits ist es vielleicht das, was ich zu sagen habe, wo ich mich auskenne und Expertin bin, aber die Idee mit dem Zeit lassen ist sicher gut und da hilft auch ein Übungssprogramm.
Was steht also in dem grünen Buch? Die erste Idee zum neuen Roman, ist schon im September oder Oktober gekommen, als ich Ulrich Bechers „Kurz nach vier“ gelesen habe. Ich könnte eine Frauenfigur auf eine Reise durch Europa schicken, die erzählt dabei ihr Leben und liegt gleichzeitig im Hotelbett oder geht ins Museum etc. Die zweite Schwester ist die depressive Aussteigerin, die ihre Bücher liest und daraus Geschichten entstehen läßt. Ein Thema das mich interessiert und über das ich schon öfter geschrieben hat, denn man schreibt ja immer an einem Roman, ein ganzes Leben lang, das steht als Vorwort in einem meiner Bücher, ich habe das aber nicht erfunden.
Dem Ganzen fehlt sicher auch der Schwung, das habe ich am Donnerstag geschrieben, als ich über den Abschluß und den Neuanfang reflektierte. Es müßte mir also gelingen, etwas Neues aus dem bekannten Gerüst zu machen. Mittwoch Nacht sind mir zwei alte Ideen eingefallen, nämlich die Geschichte der Martha Binder, ein Kind aus einer sozial schwachen Familie, das in den Siebzigerjahren von der Jugendwohlfahrt von Linz in die Stadt des Kindes geschickt wird und von der Volksschullehrerin getröstet wird, dann kannst du ins Gymnasium gehen, sie wird in die Hauptschule geschickt und als sie sich darüber ärgert, tröstet sie der Freund ihrer Mutter mit einem Fern–Matura-Kurs, den sie buchen könnte, sie tut das und geht, während es mit der Friseurlehre nicht klappt, statt in den Jugend am Werk Kurs zum Knochenkolloqium, bekommt dann keine Gemeindewohnung, sondern einen Platz in einer Frauenwohngemeinschaft und lernt schließlich den Jugendamtsleiter kennen, der ihren Fall supervidieren soll.
Eine alte Geschichte, passt aber gut zu den Jugendwohlfahrtsmeldungen, die in der letzten Zeit zu hören waren, das wäre unter dem Titel „Martha, die Lügnerin“, interessant aufzurollen, dann habe ich noch ein anderes Szenario im Kopf, nämlich das der Lenka Riegler, die knapp vor der Matura eine Psychose bekommt, in einer betreuten WG verschwindet und als sie Jahre später von einem Psychiater schwanger wird, versucht herauszubekommen.
Der Besuch bei meiner Cousine Irmi am Donnerstag hat mich auf die Idee gebracht, den Zwillingsschwestern Lisbeth und Katharina eine Mutter zu geben, die sich, als die Kinder siebenundzwanzig sind, von ihnen trennt und verschwindet. Als sie mit Achtzig stirbt, hinterläßt sie ihrer Katze ihr Vermögen, die Schwestern, beide vielleicht vor kurzem in Pension gegangen, treffen sich beim Begräbnis, Katharina, die Sozialarbeiterin war, geht mit ihrem Bus auf Europa oder Österreichreise, Martha Binder und Lenka Riegler waren vielleicht ihre Fälle, an die sie sich erinnert. Lisbeth, die Bibliothekarin zieht sich zu ihren Büchern zurück.
Zum Schreiben habe ich noch nicht angefangen. Ich weiß auch nicht, ob und, wie sich das verbinden ließe. Wäre aber ein Szenario, das ich den Rest des Jahres entwickeln könnte, zumindest nehme ich mir das vor. Vielleicht mache ich es auch ganz anders, schreibe die zwei Geschichten linear und lasse die Zwillingsschwestern weg. Denn da hätte ich erst die Begräbnisszene im Kopf und was mache ich dann? Wie weit ist der Beginn der Anfang der Geschichte, wie weit ist das Muttertrauma relevant, das zur Martha Binder und der Lenka Riegler ja in keinem Zusammenhang steht?
Ein bißchen in meinen eigenen Büchern schmökern will ich auch noch, bevor ich mit was Neuem beginne. Es gibt auch die Idee, die Katharina in Linz auf die Fritzi Jelinek treffen zu lassen und die könnte ihre Beziehung zu Janusz Warszinski wieder aufnehmen, also eine Fortsetzung und die Idee, zuerst meinen Kopf ausleeren und dann neu von vorn zu beginnen, gibt es auch, auch wenn ich da ein wenig ratlos bin, ob und wie mir das gelingen könnte.

2011-02-06

Wie man den Bachmannpreis gewinnt

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:03

Angela Leinens Gebrauchsanweisung zum Lesen und Schreiben zum vorjährigen Bachmannpreis herausgekommen und vom Verlag, wie ich hörte, den Juroren zur Verfügung gestellt, verspricht sehr viel und wird daher von potentiellen Autoren, die das natürlich wollen, schließlich handelt es sich ja um einen sehr begehrten Preis, vermutlich fleißig gekauft und gelesen werden.
Wenn auch gleich auf Seite achtzehn steht „Sie werden es inzwischen ahnen: Das ist keine Anleitung zum Gewinnen eines Literaturpreises. Das im Titel angedeutete Versprechen wird im Buch nicht eingelöst.“
Da könnte man sich zwar als Leser und als Käufer verarscht fühlen und das Versprechen einklagen. Vermutlich würde man das auch bei jedem anderen Versprechen tun, bei der Literatur ist das natürlich anders und so fragt man vielleicht nur, was ist es dann?
„Keine Anleitung zum Schreiben, kein Creativ-Writing-Lehrgang, keine Stilfibel und es erklärt auch nicht die Mechanismen des Literaturbetriebs“
Für was hat man dann die 13 Euro 40 ausgegeben? Auch das wird erklärt.
„Wie man den Bachmannpreis gewinnt“, ist ein Buch für Leser, „markiert leicht erkennbare Anzeichen für gute und für schlechte Texte und zeigt, was passiert, wenn ein bestimmter Text auf einen bestimmten Leser trifft.“
Die Einlösung des zweiten Versprechen ist mir im Buch zwar nicht aufgefallen, obwohl ich mir alles genau angestrichen habe.
„Es ist auch ein Buch für Autoren“, wird weiter geschrieben, „die sich dafür interessieren, was sich die Leser wünschen“.
Verfasst wurde die Gebrauchsanweisung von der 1968 geborenen Angela Leinen, Anwältin, Mediatorin und Journalistin aus Bonn, die sich seit 2003 mit dem Wettlesen in Klagenfurt beschäftigt und darüber in ihrem Weblog „Sopran“ und im Gemeinschaftsweblog lesemaschine.de schreibt. Da gibt es ja auch die aus diesen Blog entstandene Automatische Literaturkritik, die anhand vorher festgelegter Plus- und Minuspunkte, die eingereichten Texte bewertet und seit 2008 den Preis der Riesenmaschine vergibt.
2008 hat den der Bachmannpreisträger Tilman Rammstedt gewonnen, der auch noch den Publikumspreis bekommen hat, 2010 Dorothee Elmiger. Die Riesenmaschine ist Teil der zentralen Intelligenzagentur und in Klagenfurt sehr zentral vertreten, schließlich hat ja Kathrin Passig 2006 den Bachmannpreis bekommen und Aleks Scholz, der auch zu der Gruppe gehört, hat 2010 ebenfalls gewonnen.
Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Kathrin Passig und hat einige Gastbeiträge von Bachmannpreisgewinnern wie Clemens J. Setz, Juroren, wie Daniela Striegl und Lektoren, wie Joe Lendl, der auch Autor ist und, wie ich glaube in Leipzig studierte, die erzählen, was für sie ein guter oder schlechter Text ist, vor allem aber führt das Angela Leinen in den verschiedenen Kapitel aus Sicht der Bachmannpreisbeobachterin aus.
So hat sie die wichtigsten Stoffe der Bachmannpreisleser von A-Z zusammengefaßt, führt an, über was die Autoren so schreiben und gibt Tips mit den jeweiligen Reiz und Risken.
Weiter geht es mit wichtigen Fehlerquellen, die man auch in Schreibratgebern, wie zum Beispiel dem berühmten „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“, finden kann. Daß der Autor seine Figuren gut kennen soll, beispielsweise, aber auch, wie man die verschiedenen Perspektiven einsetzen soll, keine sprechenden Namen verwenden, sich in keine Schlüßelromane, wie Martin Walser in „Tod eines Kritikers“ einlassen und auch die Kunst der Dialoge wird in einem Kapitel ausgeführt. Also kein zuviel „sagte er“, „sagte sie“ und auch Synonyme wie „lachte, brüllte, flüsterte, keuchte, kicherte etc.“ soll man nicht so oft verwenden. Der gute Dialog kommt ohne aus und niemand soll ihn nur wegen des Dialogs verwenden. Dann folgt im Kapitel Sex „Wenn in Büchern zwei Menschen aufeinanderprallen, droht Schlafgemach(Sexszene) oder Ungemach (Dialog). Beides mißlingt meist“, die Erkenntnis, daß sich die Autoren oft nicht an den Sex im Text herantrauen. „Feuchtgebiete“, Wolf Haas und Clemens J. Setz werden da als Gegenbeispiele angeführt.
Im Kapitel „Die Sorgfaltspflicht des Autors“, fordert Angela Leinen von den Autoren mehr Genauigkeit und verlangt, daß es stimmen muß, wenn man behauptet, daß der 24. November 2002 ein Montag war.
Ansonsten taucht wieder Altbekanntes aus, wie die Warnung vor den Adjektiven, die der Autor Philipp Tingler, 2001 in Klagenfurt offenbar so oft verwendete, daß ihm Robert Schindel empfahl, zwei bis drei Kilo davon hinauszuschmeißen.
Eigentlich alles altbekannte Sachen, die man inzwischen in jeden Ratgeber finden kann, die Angela Leinen von Kapitel zu Kapitel mit vielen Beispielen belegt.
„Denn der Autor kann zwar alles machen, drollige Katzengeschichten schreiben und seine Wörter mit dem Zufallsgenerator mischen oder Texte ohne Sätze verfassen, nur darf er sich nicht wundern, wenn der Leser das nicht lesen will!“
Da frage ich mich dann immer, woher weiß man das eigentlich so genau, was „der“ Leser will und bei welcher Fehlerzahl er das Buch genervt ins nächste Eck schmeißt, gibt es da so viel ich weiß ja keine Untersuchungen, sondern eher Expertenmeinungen, die sich meist sehr selbstbewußt äußern.
Spannend auch, daß das, obwohl das wahrscheinlich ohnehin schon jeder weiß, der sich fürs Schreiben interessiert, offenbar noch oft passiert, wird man ja, um beim Bachmannpreis lesen zu dürfen, ausgewählt. Bekommen die Juroren ja hunderte Einreichungen und dürfen daraus je zwei Texte vorschlagen.Trotzdem ist Angela Leinen das Angeführte bei diesen Texten aufgefallen und sie führt das auch an vielen Beispielen aus. Richard David Precht hat 2004 in seinem Text „Baader braun“, zuviele Klischees verwendet und Helga Glantschnig 2002 im Text „Verschollen“, die Vorbereitungen einer Frau zu ihrem Selbstmord sehr breit geschildert, die diesen dann nicht ausführte, was die Juroren als fad und langweilig erlebten und natürlich wird auch angeführt, daß 2009 bei den meisten Juroren Linda Stifts Text durchfiel, der sich mit dem Flüchtlingselend befaßte, weil man das ja angeblich nicht kollektiv beschreiben darf. Mir hat zwar das Kollektive-Ich bei diesen Text sehr gut gefallen, weil ich den Eindruck hatte, daß ich dadurch erst verstanden habe, was da im doppelten Boden des überfüllten Lastwagens vor sich geht.
So werden die Fehler durchanalysiert, die aus einem unzumutbaren Buch ein lesbares Buch machen könnten und ich habe mir diesen „benutzerfreundlichen und sehr unterhaltsamen Leitfaden für alle Buchliebhaber“, wie auf der Rückseite steht, auch vom Alfred zum Geburtstag gewünscht.
Jetzt habe ich ihn gelesen und auch einige Fettnäpfchen gefunden, in die ich noch immer lustig trete und nehme mir natürlich vor, darauf zu achten, um, wie Robert Schindel beim Symposium für Sprachkunst sagte, in der Qualität besser zu werden, was natürlich wichtig ist.
Trotzdem bleibe ich ein wenig ratlos zurück, da diese Gebrauchsanweisung, auch ein Schritt zur Gleichmacherei ist, weil am Ende vielleicht, die nach den Krtierien der Riesenmaschine konstruierten Texte überbleiben könnten und wenn alle, die beim Bachmannpreis lesen wollen, ihre Texte nach diesen Kriteren durchsehen, fällt außer den Fehlern, vielleicht auch viel an Originalität heraus, was mir nicht gefallen würde.
Für den Leser ist es sicher interessant das Buch zu lesen, wenn man da auch aufpassen und vorsichtig sein sollte und in seiner Krealtivität sollte man sich auch nicht hemmen lassen.

2011-02-05

Morrisons Versteck

Filed under: Uncategorized — jancak @ 11:28

Peter Henischs 1991 beim guten alten Residenz-Verlag erschienener Roman „Morrisons Versteck“ handelt, wie ich der Beschreibung entnehme von legendären Sänger der Rockgruppe „The Doors“, Jim Morrison, der am 3. Juli 1971 in einer Pariser Badewanne mit siebenundzwanzig Jahren gestorben ist.
Da der Roman in einer Zeit geschrieben wurde, in der man offenbar nicht mehr so einfach vom Anfang bis zum Ende erzählen durfte, macht der 1943 in Wien geborene, Peter Henisch, der mit „Die kleine Figur meines Vaters“ 1975 bekannt wurde, eine Mischung aus Vampirgeschichte und Rockbiografie bzw. einen Fleckerlteppich aus Anspielungen, Parodie, Ernst und Phantasie daraus. In kurzen oder auch längeren Szenen wird auf dreihundert Seiten das Leben des ebenfalls 1943 geborenen Jim Morrison erzählt und das auf so vielen Ebenen, mit Gedichten, Zitaten und einem Sprachgemisch von Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch, daß es gar nicht einfach ist sich auszukennen, so daß sich der Autor auf Seite 237 sozusagen seiner Leser erbarmt und eine Beschreibung des bisher Geschehenen gibt:
„Der Journalist und mäßig erfolgreiche Schriftsteller Paul hat ziemlich merkwürdige Briefe von der Fotografin Petra erhalten, die ihn fast 20 Jahre früher erotisiert hat. An einem Ort, den sie vorsichtshalber verschweigt, will sie dem 1971 verstorbenen und / aber von diversen Legenden umrankten Rockstar Jim Morrison begegnet sein. Durch eine Einladung zu einer Lesereise und/ oder auch auf der Flucht vor Petras Briefen ist Paul nach Amerika geraten. Und nun sitzt er in einem Hotelzimmer in Los Angeles und versucht, der ihn immer ärger bedrängenden phantastischen Geschichte eine (seine) realistische Geschichte entgegenzusetzen:
Von einem Journalisten und mäßig erfolgreichen Schriftsteller namens Paul, der nach Amerika gereist ist. Und zwar anläßlich einer Lesereise, zu der man ihn überraschenderweise eingeladen hat, und das läßt sich mit seinen Morrison-Recherchen verbinden. Er will nämlich ein Buch über Jim Morrison schreiben, obwohl sich sein Freund Morgenrot, ein Musikjournalist, an den er sich wegen dieses Projektes gewandt hat, Jim Morrison nicht leiden kann. Und nun sitzt er in seinem Zimmer des Marina-Motels in L.A.; und den Nachmittag hat er verschlafen, weil er eine ziemlich anstrengende Nacht hinter sich gebracht hat, aber jetzt ist er wieder einigermaßen wach und schreibt ungefähr folgendes:…“
Er verläßt aber auch das Hotelzimmer und geht mit einem Video eines Door-Konzerts, das er verstaubt in einem Laden gefunden hat, in einen Sexclub, um es dort abzuspielen, da es im Motel keinen Videorecorder gibt. Dreimal geht er dorthin, bis es ihm gelingt, das Video zu Ende zu sehen, hat er dazwischen doch immer wieder Visionen, Petra und Jum Morrison tauchen dabei auf und versuchen ihn in ihre Liebesspiele einzubeziehen. Dann kauft er Knoblauch und Vampirphähle und bricht in der Nacht zum Friedhof auf, jetzt befinden wir uns wieder in Paris und beginnt, während ihn Paul Morgenrot noch abhalten will, schon zu schaufeln. Kurz darauf befindet sich der Schriftsteller im Zug, der gerade in den Zielbahnhof einfährt, schickt ein Telegramm „Mit Morrison“ fertig und beschließt „sich von dem Vorschuß, den ihn der Verlag für die Zusendung des halben Manuskriptes gewährte, ein paar Tage Erholung in einer mit dem Roman in keiner Weise verbundenen Gegend zu gönnen“. So kommt er in eine kleine Ortschaft, nimmt ein Zimmer im einzigen Hotel und reißt am nächsten Morgen das Fenster auf: „Da sah ich die Mauer. Und dahinter den Garten.“
So endet der Roman und man hat, wenn man soweit gekommen ist, viel über den legendären Sänger, sein Leben und politische Situation Amerikas der sechziger Jahren gelernt. Und das Buch, ein Fund aus dem Bücherschrank, ausrangiert aus einer städtischen Büchereifiliale, das zufällig auf der Leseliste stand, passt auch ganz gut zu der Diskussion der letzten Tage, über das realistische Schreiben, ob man nach Auschwitz überhaupt noch so schreiben kann und, wie spannend es die Leser wollen. Vampirromane sind heute in, ob das 1991 schon so war, weiß ich nicht und auch nicht, ob der durch die heutigen AHS gegangene Durchschnittsleser, soviel Geduld aufbringt, um sich auf die dreihundert Seiten Anspielungen, Buchzitate und ständige Perspektivenwechseln einzulassen. Peter Henisch kommt mir vor refelektiert auch ironisch das Romanschreiben und macht immer wieder kleiner Einschübe, in dem er darüber schreibt. Das Lesen von Nichtlinearen ist anstrengend, erfordert Konzentration und Geduld, vor allem wenn man darüber rezensieren will. Man hat aber etwas davon und man hat eigentlich auch drei oder vier Romane gelesen, bzw. Stoff gefunden aus denen sich die locker machen ließen.
Ich bin eigentlich ein Fan von Peter Henisch, beziehungsweise habe ich schon einige Bücher von ihm gelesen.
„Bali oder Swoboda steigt aus“, „Baronkarl“, „Der Mai ist vorbei“, „Die kleine Figur meines Vaters“, „Eine sehr kleine Frau“, „Hamlet bleibt“, „Pepi Prohaska Phrophet“, „Steins Paranoia“, „Zwischen allen Sesseln“, um das jetzt so durcheinanderzumischen, wie es in meinem Bibliothekskatalog steht. In den Achtzigerjahren habe ich mir die bei Residenz erschienenen Bücher, regelmäßig gekauft und da ich in dieser Zeit meine Manuskripte „Zwischen Hütteldorf und Heiligenstadt“, die „Hierarchien“, etc. selber an Residenz schickte und auch Ähnlichkeiten am „realistischen Stils“ Peter Henischs zu meinem fand, kann ich mich erinnern, daß ich, beispielsweise nach dem Erscheinen von „Steins Paranoia“ 1988, da war ich gerade in die GAV aufgenommen worden, dachte, jetzt müßte es mit meinen Sachen eigentlich auch klappen. Hat aber nicht, wie ich inzwischen weiß.
Ich habe Peter Henisch auch bei einigen Lesungen z.B. bei Rund um die Burg, aber auch in einer Grabenbuchhandlung 2000, während der Donnerstagsdemonstration, als gerade draußen die Demonstranten vorbei stürmten, er hat, glaube ich, aus dem „Schwarzen Peter“ gelesen, erlebt und sehe ihn auch immer wieder als Publikum, z.B. bei der Lesung von Reinhard Wegerth im Oktober oder auch auf der Straße, wohnt er doch, glaube ich, in der Josefstadt.
Das neueste Buch, das ich von ihm gelesen habe, war das 2007 bei Deuticke erschienene „Eine sehr kleine Frau“, das was mich am meisten beeindruckte „Der Mai ist vorbei“, weil es da um Wien 1968 und die Wespennest-Mitarbeit geht. Den zuletzt erschienenen Roman „Der verirrte Messias“ habe ich nicht gelesen, sondern nur bei Rund um die Burg gehört.
Und wenn ich schreibe, daß ich ein Fan von Peter Henisch bin, übertreibe ich ein wenig, ich würde aber gern so wie er schreiben können, wenn „Morrisons Versteck“ vielleicht auch besonders abgehoben war. Die anderen Romane scheinen mir linearer und einfacher lesbar zu sein.

2011-02-03

Abschluß und Neuanfang

Filed under: Uncategorized — jancak @ 19:42

Nach dem intensiven Schreibcoaching der letzten zwei Wochen bin ich gestern überraschend schnell mit der „Absturzgefahr“ fertig geworden. Jetzt liegts beim Alfred, damit er es durchsieht, die Rechtschreib- und Grammatikfehler korrektiert und es für die Druckerei vorbereitet. Ein Umschlagfoto brauchen wir auch. Da hätte ich an Wolken gedacht. Ein Flugzeug stürzt ja ab und auch sonst passiert den Protagonisten einiges was ganz gut dazu passt. Außerdem fotografiert der Alfred ja ganz gerne solche, als wir das vorletzte Mal in der hohen Tatra waren, kann ich mich erinnern, daß wir sehr lange zum Campingplatz brauchten, weil er immer wieder stehen geblieben ist, um das Spiel der Wolken einzufangen. Einen Beschreibungstext brauche ich auch und habe schon eine Idee, wem ich fragen werde, wenns der Alfred durchgesehen hat, bekomme ich den Text zur Schlußkorrektur, bevor wir es an den Digitaldruck schicken.
Ansonsten bin ich frei für den Neubeginn. Ich bin ja eine fleißige Schreiberin. Daß ich nur für Quantität statt für Qualität bin, glaube ich nicht, aber ich bin halt eine Schnelle und man lernt auch durch das viele Schreiben. Gar nicht zu schreiben halte ich wohl auch nicht aus und so haben sich schon ein paar Ideen in meinem grünen Notizbuch angesammelt. Allerdings sind die sehr vage. Da ist die Idee von zwei Zwillingsschwestern, eine könnte durch Österreich oder Europa fahren, die andere sich über ihre Bücher machen und dabei ihr Leben refektieren und die Handlung entwickeln. Nicht sehr originell, das gebe ich schon zu. Also werde ich nicht gleich morgen damit anfangen, sondern, ich weiß, das habe ich schon öfter geschrieben, mir diesmal wirklich viel Zeit für das Neue lassen.
Da ist ja auch die Idee erst einmal ein Monat oder auch ein halbes Jahr nichts zu schreiben, um mich für das Neue zu öffnen. Da bin ich zwar skeptisch, ob ich das zusammenbringe. Aber eine längere Ordnungsphase ist sicherlich gut. Ich habe auch meine Schreibabschluß- bzw. Anfangrituale. Fensterputzen gehört dazu, bzw. zum Friseur gehen. Das Letztere habe ich heute getan, am Rückweg vom Besuch bei meiner Cousine Irmi bin ich bei Fair hair vorbeigekommen. Das nächste wäre meine Schreibnotizen ordnen und langsam ein Gerüst erstellen. Mit Schreibbücher lesen fange ich inzwischen auch ganz gerne eine neue Arbeit an.
Vor der „Absturzgefahr“ im Sommer kann ich mich erinnern, daß mir Louise Doughtys „Ein Roman in einem Jahr“ sehr geholfen hat. Diesmal wartet Angela Leinens „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“, daran kann ich eine weitere Themensuche für mein Grundgerüst anschließen. Zeitungslesen und Themen heraussuchen mit denen sich das auffüllen läßt und vielleicht eine Zeitlang Szenen sammeln, um zu verhindern, daß ich zu schnell fertig werde. Ein bißchen was ist ja daran, daß ich sehr schnell in ein manisches Schreiben gleite bzw. die eingefahrenenen Gleise nicht verlasse. Eine mahnende Stimme oder Hand, die mich festhält, wenn ich zu schnell voran will, wäre schon ganz gut. Mir auch meine Schwachstellen noch einmal bewußt machen und da kämen die Rechtschreib- und Grammatikfehler wohl an letzter Stelle.
Daß die Personenführung vielleicht zu flach ist und ich manches zu sehr von außen schildere, mag schon stimmen. Einen Spikzettel mit den Fehlerquellen machen und versuchen von einer anderen Sichtweise aus zu schreiben, wäre sicherlich nicht schlecht.
In der nächsten Zeit werde ich auch noch mit anderen beschäftigt sein. Die Steuererklärung wird in den nächsten Wochen zu machen sein und die Frauenlesung muß ich vorbereiten. Das wäre auch ein Ritual damit zu beginnen, bevor ich mich auf den neuen Text einlasse. Den Termin für das Vorbereitungstreffen vorschlagen, das Flugblatt machen und meinen Einleitungstext vorbereiten. Lesen, denke ich, werde ich aus der „Absturzgefahr“ und das wäre auch das erste Mal, das ich daraus vortrage. Zwei Szenen könnte ich mir vorstellen, die wo die Margret von ihrer Traumatisierung erzählt und als zweite, die wo die Fritzi Jelinek mit dem Laptop im Burggarten sitzt, das Mail von Jan bekommt und die Kindergärtnerin beobachtet, die ihre Gruppe vom Taubenfüttern abhalten will „No food for birds, only food for kids!“
Und das Fremdlesen ist auch immer eine schöne Einstiegsübung. Da habe ich einmal bei den Bücherblogs von einem Lesemarathon gelesen und gedacht, das würde ich auch gern tun. Zwar bin ich mir nicht wirklich sicher, ob ich es aushalte, eine ganze Woche oder länger nichts zu tun, als zu lesen. Aber wenn der Alfred im März nach Spanien fährt, könnte ich mir das vornehmen. Da lenkt zwar leipzig liest.de, das ich mir heuer nur über das Internet geben werde, ein wenig ab. Aber es haben sich bei mir ein paar Chick Lit Romane angesammelt, die ich außertourlich gerne einschieben möchte und zwei Frühjahrsneuerscheinungen sind inzwischen auch zu mir gekommen.
Das wären schon einige Punkte für das Zeitlassen, um möglichst frisch und unverbraucht in das neue Schreibprojekt zu starten. Josef Winkler hat in der Sendung im Gespräch vorige Woche gesagt, daß ihn jeden neue Buch unter den Druck stellt, daß er sein letztes überholen muß. Da bin ich zwar nicht ganz so streng, aber von einer etwas anderen Warte einzusteigen, wäre schon sehr gut. Mal sehen, wie es mir gelingt. Meine Leser können es beobachten und zwei Meldungen kann ich zum Schluß auch noch machen. Die Erste ist erfreulich, bin ich da ja einmal mit einer Schätzung richtig gelegen. Meistens irre ich mich ja mit meinen Preisprognosen, aber diesmal hat meine Vermutung, daß Dorothee Elmiger den Rauriser Literaturpreis gewinnt, gestimmt.
Das zweite ist ein Artikel im literaturcafe.de, der mich ein wenig verwirrte. Nämlich der Bericht einer Autorin, die sich für O,7 bis 4 Cents pro Wort im Akord bei Internet-Content-Agenturen verdingt und dort Rezensionen, Lesermeinungen und Forendiagloge unter wechselnden Namen schreibt. Ich habe gar nicht gewußt, daß es so was gibt und auch nicht, daß angeblich ein Großteil der Internettexte nicht von Usern, Bloggern, angegestellten und freiberuflichen Juournalisten erstellt werden. Eine recht triste Sicht der prekären Tätigkeit einer erfolglosen Autorin. Mein Blog ist aber echt und wird von mir selbst geschrieben.

2011-02-02

Erzählprobleme und Protagonistenmeinungen

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:02

Das Feedback zu „Mimis Bücher“ hat mich auf einige Gedanken gebracht, die ich auch meine Leser wissen lassen möchte. Wer erzählt die Geschichte? Sind die Meinungen der Protagonisten, die des Autors und was ist, wenn der Protagonist eine andere Meinung hat, politisch unkorrekt ist, etc?
Auslöser war der Satz, den Mimis Bruder Günther, ein zweiundzwanzigjähriger Medizinstudent beim Mittagessen vor sich hin denkt „…wer interessiert sich für Literatur von Behinderten, wenn die Universitäten überlaufen sind und die überforderten Lehrer in den öffentlichen Schulen schon bei an sich normalen Migrantenkindern zwanzig Prozent Analphabeten produzieren?“, ein etwas flapsig formulierter Satz, den er vielleicht in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gehört hat, denn beide sind ja voll davon und die Zahlen stimmen auch. Analysiert man den Satz selbst, ist er vielleicht nicht ganz richtig, denn Kinder kommen meist als Analphabeten in die Schule, lernen dort schreiben und lesen und wie die Pisa-Studie zeigte, verlassen zwanzig Prozent der Kinder diese, ohne den Sinn des Gelesenen zu verstehen. Korrekter wäre wohl zu schreiben, daß die Kinder in der Schule nicht gut lesen lernen. Aber Protagonisten haben nicht immer ein korrektes Deutsch, sprechen flapsig vor sich hin, verwenden Mundart etc. und sagen vielleicht auch manchmal etwas, das man nicht sagen sollte.
Was mich betrifft, so muß ich zugeben, daß mir, die ich auch manchmal Satiren schreibe, die flapsige Formulierung gefällt und zu dem Inhalt stehe ich, wie meine Leser wissen, auch, bin ich ja mit der derzeitigen Bildungspolitik nicht zufrieden. In diesem Fall vertritt der Protagonist meine Meinung und ich habe, wenn man so will, vielleicht ein bißchen Schleichwerbung betrieben, denn es geht in dem Buch ja nicht, um die Pisa Studie sondern, um das Schreiben und das Leben mit Downsyndrom.
Ein anderes Beispiel wäre das, was ich in meinem Kommentar schon anführte, was ist, wenn ich einen Roman über Neonazis schreibe und meinen Protagonisten sagen lasse, daß Hitler für ihn der größte ist? Dann sollten die Kritiker und Leser auch nicht wütend das Buch wegschmeißen, denn der Autor ist ja nicht der Ich-Erzähler, obwohl das oft verwechselt wird.
Einmal hatte ich ein ähnliches Problem bei der Lesung aus dem „Wiener Stadtroman“, der in Wien an einem Tag im Viertelstundentakt von acht Uhr früh bis Mitternacht spielt, wo verschiedene Personen ihren Weg kreuzen und ihn wieder verlieren. Eine davon, die ich sehr mag, ist ein sogenannter Stalker, ein geschiedener Mann, der die Trennung von seiner Frau nicht überwunden hat, sie daher ständig anruft, ihr Rosen vor die Türe legt und dabei von einer Frauenwohngemeinschaft beobachtet wird. Im Publikum waren einige Feministinnen, von denen ich später hörte, daß sie bei dem Text böse schauten. Dabei bin ich selber Feministin, konnte mich aber in den Werner Franthauser gut hineinversetzen und habe mir vorgestellt, wie es ihm nach der Trennung geht. Er lernt im Laufe des Tages auch eine Frau kennen und der Roman deutet an, daß es ihm gelingt mit Elizabeth, die er, weil sie keine Wohnung hat, in seinem Büro schlafen läßt, die Krise zu überwinden.
Wieder zurück zu „Mimis Bücher“, da gab es noch ein Erzählproblem. Nämlich die Frage, ob Menschen mit Down Syndrom krank, gesund, normal, behindert etc sind und ob man das diskutieren sollte? Das Down Syndrom ist eine Chromosomenanomalie ganz klar. Eine Erzählung aber kein Sachbuch. Da man üblicherweise nicht sehr viel über das Leben von Down Syndrom Betroffenen weiß, ist es sicher wichtig darüber zu informieren, aber nicht im Vortrag mit dem Zeigestaberl, sondern „Show not tell!“, wie das so schön heißt.
Um das zu können muß man einiges über die Betroffenen wissen. Ich habe einmal bei der Lebenshilfe gearbeitet, immer wieder behinderte Klienten in meiner Praxis und bin seit vier Jahren Jurorin beim Ohrenschmaus. Dann gibt es eine Website und auf der bin ich auf Texte, wie die von Michaela König gestoßen, die schon drei Bücher geschrieben hat und da habe ich gemerkt, daß sich die Betroffenen, als gesund und normal definieren und ihnen die Vermittlung dieses Inhalts ein großes Anliegen ist.
So fährt die Mimi zu Kongressen und hält auf diesen Vorträge über das Leben mit Down Syndrom, auch das ist ident und gibt es und weil die Mimi sensibel ist, merkt sie auch, daß ihre Mutter, das vielleicht, obwohl sie es nicht sagt, nicht so sieht.
Mütter halten ihre Kinder leicht für krank, die Nachbarn und die Menschen auf der Straße, die nicht viel Erfahrung mit Menschen mit Behinderung haben, sehen das wieder anders. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mich einmal mit meiner kleinen Tochter mit einigen Arbeitskreisfrauen traf, eine hatte einen kleinen Buben mit Downsyndrom, der sehr kräftig war und die Anna an den Haaren riß. Die Mutter hat ihn weggezogen, die anderen Frauen haben nicht sehr verständnisvoll darauf reagiert und Sachen gesagt, die man eigentlich dem erdachten Nazi in den Mund legen könnte und mich den Kopf schütteln ließen. Auch das ist realistisch, auch wenn es nicht sein sollte.
Wenn ich also die verschiedensten Protagonistenstimmen sprechen lasse, habe ich das Leben mit Downsyndrom wohl am besten gezeigt, so daß man es sich nachher vielleicht ein bißchen vorstellen oder sich weiter mit dem Thema beschäftigen kann. Also habe ich den Günther, der seine Schwester sehr mag, auch in seiner Ambivalenz gezeigt und mit den Schwierigkeiten, die man vielleicht hat, wenn man als hochbegabter jüngerer Bruder einer behinderten Schwester aufwächst.
Um die Sprache der Mimi zu treffen, habe ich mich an den Texten Betroffener orientiert und den Text von meiner Tochter, die Behindertenbetreuerin ist und von Otto Lambauer, der bei der Caritas in diesem Bereich arbeitet, durchsehen lassen. Hundertprozentig wird es mir nicht geglückt sein, kann es wahrscheinlich auch nicht. Wie ich aber an den Texten merke, die ich Jahr für Jahr für den Ohrenschmaus durchsehe, ist die Sprache der Einreichenden auch sehr verschieden.
Das sind vielleicht die Ecken und die Kanten, die mir angeblich fehlen, was ich nicht so sehe, sondern denke, das Ende der „Mimi“ ist nicht so wunderbar positiv, wie es Otto Lambauer in seinem Beschreibungstext formulierte, sondern alltäglich und normal.
Der dritte Kritikpunkt führt zu der Frage, wie genau man Dinge benennen kann und soll. Da ist das Beispiel das Honorar das Johannes Staudinger der Therapeutin Roswitha Horvath zahlt. Sie verlangt von ihm siebzig Euro, das ist der realistische Stundensatz vom Frühling 2010, als das Buch geschrieben wurde. Bücher haben aber kein Ablaufdatum, liest man es in zehn, zwanzig Jahren, wirkt der Preis veraltet, also kann man sicher diskutieren, ob es nicht professioneller ist, die Zahl wegzulassen. Das ist ein Tip, den ich mir mitnehmen kann, um in meiner Sprache genauer zu werden. Allerdings finde ich es wieder spannend in alten Büchern zum Beispiel in denen von Elisabeth Gürt zu lesen, daß ein Kaffee zwei Schilling und eine Semmel zwanzig Groschen kostet.
Man sieht, die Kritik, so harsch sie mir zuerst auch vorkam, hat viel in mir ausgelöst. Ich habe ja und meine Leser wissen es, mit dem Annehmen von Kritik, wie viele andere Autoren, Schwierigkeiten und kritisiere selbst nicht sehr. Ich bin auch eine, die Bücher meist zu Ende liest, es passiert mir aber öfter, daß ich in der Badewanne liege und mich über den Autor ebenfalls ärgere oder Schwierigkeiten mit seinem Sprachstil habe und denke, das kann ich nicht besprechen. Ich lese dann zu Ende und am Schluß kann ich darüber schreiben. Ich habe mir, da ich niemanden verletzen will und sicher etwas harmoniebedürftig bin, auch angewöhnt, nicht zu werten, sondern den Inhalt wiederzugeben, zu schreiben, wie ich das Buch empfunden habe und was ich über den Autor weiß. Auf Fehler weise ich natürlich hin, beispielsweise, wenn wieder jemand den Psychiater mit dem Psychologen verwechselt, wie es mir schon oft passierte.
Die Kritik, die ich beispielsweise beim Arbeitskreis schreibender Frauen erlebte, habe ich nicht als konstruktiv empfunden und ich glaube, sie war das auch nicht. Das hat sich inzwischen geändert. Inzwischen haben die meisten Schreibseminare ein Infoblatt, wo die Regeln des Feedbackgebens erläutert werden und die gleichen meist denen der guten Kommunikation. Also von seiner Meinung, seinem Erleben und davon, wie der Text auf einen wirkte, als „Das ist dir aber jetzt mißlungen!“ oder von einem schlechten Text zu sprechen.
Die Autorin abholen, wo sie steht und sie ein wenig auf ihren Weg weiterführen, wäre ein Satz, der mir gefällt.
Denn konstruktive Kritik ist, wie ich an mir selber sehe, wichtig, habe ich jetzt aus den Kritikpunkten einen ganzen Artikel gemacht, von dem es mich freuen würde, wenn er einige meiner Leser beim Schreiben etwas weiterbringt. Wie weit ich selber genauer geworden bin, wird mein nächster Text zeigen, inzwischen korrigiere ich immer noch an der „Absturzgefahr“ und bin damit in den letzten Tagen nicht weitergekommen.

« Vorherige Seite

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.