Seit heute gibts einen neuen offenen Bücherschrank, den dritten neben dem in der Zieglergasse und dem am Brunnenmarkt, im neunten Bezirk, in dem offenbar erst seit kurzem so benannten Heinz Heger Park. Unter dem Namen Heinz Heger erschien 1972 das Buch „Die Männer mit dem rosa Winkel“ ein Bericht eines Homosexuellen über seine KZ-Haftzeit.
Deshalb gibt es täglich dieses Buch zur freien Entnahme, der Nationalfond hat den Ankauf gefördert und der Kasten, das ist wieder ein Novum besteht aus drei schalen hohen Kasteln, einer ist mit rosa Winkeln geschmückt, da gibt es dann ein kleines Fach mit dem Buch, das täglich von einem Arzt, der am Zimmermannplatz eine Gemeinschaftspraxis hat, hineingestellt wird. Es gibt auch eine Tafel, die auf die Geschichte des Buches hinweist und eine, wo man lesen kann, daß Frank Gassner und noch einige andere Engagierten dieses Projekt angeregt, finanziert und initieert haben und dann einen kleineren und einen größeren Kasten mit den Büchern.
Im Februar 2010 wurde in der Zieglergasse/Westbahnstraße der erste Kasten eröffnet, seither bin ich ich eine sehr regelmäßige Benützerin, habe schon viele Bücher dort gefunden, gelesen und besprochen, ein paar auch selber hingebracht und vor allem in zwei meiner Bücher, in der „Mimi“ und in der „Absturzgefahr“ darüber geschrieben und berichte auch im Literaturgeflüster gern darüber.
Man könnte soziologische Studien betreiben, was sich alles da finden läßt. Die Büchergilde Gutenberg Bücher der Fünfzigerjahre, das, was ich von meinem Vater erbte, die Vicki Baum, die Pearls S. Buck ctc, sind, glaube ich, schon verschwunden, bzw, die Leute, die sie besessen haben gestorben und ihre Bibliotheken aufgelöst.
Jetzt geht es eher um die Siebzigerjahre, um das, was gerade in war, als ich studiert habe. Karin Struck und Gabriele Wohmann wird entsorgt oder auch das, was die Leute so lesen und nachher nicht mehr brauchen. Da gab es ja ein Interview mit einer Germanistin, die sagte, sie trägt ihre Krimis hin, weil sie die nur einmal liest.
Ich habe auch einmal ein Paar mehrere Schachtel mit englischen Krimis einräumen sehen.
Die eigentliche Idee des sehr engagierten Betreibers, der für seine Projekte sehr kämpft und wenn man seine facebook Seite liest, auch genügend Niederlagen erlebt, ist ja das Kunstprojekt. Fank Gassner ist ein bildender Künstler, dem geht es mehr, um die Schränke, weniger um die Bücher.
Die sind pro Standort jeweils extra geplant, sehen ganz anders aus und auch entsprechend teuer, dann begannen die Schwierigkeiten mit den Finanzierungen, den Bewilligungen, etc.
Es geht auch, wie bei der Sendung Diogonal deutlich wurde, um den öffentlichen Raum und gar nicht um das Lesen, das sagte Frank Gassner, daß er das nicht fördern will und das finde ich, die ich von der anderen Seite komme, sehr interessant. Denn es ist spannend zu beobachten, wie aufwendig es ist, einen Kasten irgendwohin zu stellen, in dem Leute ihre alten Bücher räumen und sich welche nehmen können. Ich merke aber auch, daß es manchmal schwierig ist, ein Buch zu tauschen. Damit kann man bei Autoren gehörig ins Fettnäpfchen treten. Im Kapitalismus muß man eben alles verkaufen und so landen auch alte Bücher am Flohmarkt und mit dem Büchercrossing tue ich mir schwer, das ist mir zu kompliziert und zu bürokratisch, so finde ich diese Idee sehr gut.
Und es funktioniert ja auch. Der Schrank ist immer voll und ich denke, daß das sowohl das Geben und das Nehmen klappt, die einen leeren ihre Bücherschränke, die anderen lesen gratis und schreiben darüber, so wie ich und das ist wahrscheinlich die Funktion des öffentliches Raumes, schade nur, daß man dafür offenbar viel Geld und viel bürokratischen Aufwand braucht.
Daß sich das Produkt Buch gerade jetzt sehr verändert, bekommt man mit, wenn man auf Buchmessen geht oder die Seite des Literaturcafe. de liest. Da ist ja jetzt das E-Buch stark im Kommen und ich denke inzwischen auch, daß man durch E- Bücher viel Papier erspart, aber daran müßen wir uns erst gewöhnen, derzeit hört man immer noch, es geht nicht ohne das gute alte Buch, weil der Leser den Roman sehen, riechen und begreifen will, daß sich das vielleicht in zwanzig dreißig Jahren ändert und man dann ganz anders liest, läßt sich schon vorstellen. Die Leute lesen auch immer weniger und die Pisa Studie zeigt, daß man da viel fördern muß und da kommt ein bildender Künster von einer ganz anderen Seite, stellt Kunstwerke in den öffentlichen Raum und löst damit sehr viel aus. Die Grünen lese ich auf Frank Gassners Facebook Seite stellten sich auch quer, so daß das jetzt der letzte Kasten ist, den Frank Gassner schon wieder aus seiner eigenen Tasche finanziert, weil in Zeiten, wie diesen kein Geld dafür da ist und der in der Otto Bauergasse scheint doch nicht zu kommen, obwohl es schon einen Entwurf dazu gibt.
Heute gab es also die feierliche Eröffnung. Ich verfolge ja Frank Gassners facebook Seite und bekomme von ihm auch die Einladungen zu den Besprechungen, so weiß ich, daß die drei schmalen Kästen schon vor ein paar Tagen aufgebaut und verhüllt wurde. Um 13 Uhr war die Bezirksvorsteherin, die glaube ich, gar nicht viel finanziert hat, da und hielt eine schöne Rede, in dem sie beteuerte, wie sehr sie das Projekt ideell unterstützt und Frank Gassner und seinen Eltern dankte, daß sie sich so dafür einsetzen.
Es waren eine Menge, vor allem junge Leute da. Es gab Mineralwasser und was zum Knabbern und nachdem die Kästen enthüllt waren, wurde eifrig fotografiert. Inzwischen räumten einige junge Mädchen ganze Säcke mitgebrachter Bücher ein. Eine Frau stürzte sich auf das rosa Winkel Buch, das nahmen dann auch die Politiker in die Hand und posierten damit vor den Fotografen. Radio Arbabella und Radio Wien machte Interviews, die Frau Bezirksvorsteher betonte, wie sehr sie sich freue, daß ihr Bezirk den letzten Schrank bekommen hat, denn in Zeiten der Pisa Studie ist die Förderung des Lesens doch sehr wichtig und von einigen jungen Leute hörte ich ebenfalls, wie sehr sie sich freuen, daß sie dort, wo sie wohnen, einen Gehsteigbücherkasten bekommen haben.
Ich wundere mich noch immer, wie kompliziert das Einfache ist. Denn eigentlich könnte man ja in jedem Amtshaus und in jener Volkshochschule eine Schachtel aufstellen und man legt hinein oder nimmt, das ginge dann mit viel weniger Aufwand und Frustration. Aber ich weiß schon, es geht um das Kunstprojekt und um den öffentlichen Raum und ich habe auch nichts dagegen.
Für mich ist der offene Bücherschrank auf jeden Fall sehr wichtig und die Zahl meiner gelesenen Bücher hat sich, seit ich ihn frequentiere, auch verdoppelt. Wenn der offene Raum dadurch belebt wird und die Leute zusammenkommen, ist das sicher auch sehr schön.
Bei meinem jetztigen Work on progress, geht es zwar nicht um die Bücherschränke aber über Leselisten und das was dort draufsteht, stammt zum Teil aus dem Schrank und ich komme mit dem Korrigieren auch recht gut voran. Letzte Woche habe ich es im Computer einmal durchkorrigiert und es auf fünfundneuzig Seiten reduziert. Danach das ganze händisch durchgesehen, um das was noch verändert werden soll, anzustreichen. Hauptsächlich ist es die Sprache an der ich arbeite, da habe ich durch die Rückmeldungen meiner Leser viel gelernt. Zu kürzen und zu verbessern ist sicher auch noch viel und ich denke ich werde noch viele Durchgänge brauche, bis es stimmt. Aber auch das erlaube ich mir jetzt viel leichter, früher war ich eher verzweifelt, daß es noch immer nicht fertig ist, jetzt denke ich, es braucht halt seine Zeit, bis es stimmt. Beim Mittelteil, dem „Friedhof der ungelesenen Bücher“, habe ich sogar gedacht, das wäre vielleicht etwas für den Bachmannpreis. Ich reiche da zwar nicht mehr ein und hätte auch keine Verlagsempfehlung, es wäre wahrscheinlich auch zu lang und da ich im Literaturgeflüster ausführlich darüber geschrieben habe, würde es vielleicht auch nicht als unveröffentlicht gelten und sprachlich wirds den Oberprofis wahrscheinlich auch zu einfach und zu unoriginell sein, aber ich dachte, das würde ich nehmen, wenn mich jemand dazu einlädt und das ist ja auch schon ein Erfolg, daß es mir gefällt.
2011-03-31
Offener Bücherschrank und rosa Winkel
2011-03-29
Zum Untergang des Abendlands
Grundbücher nach 1945, so heißt die Reihe in der Alten Schmiede, die gemeinsam mit dem Adalbert Stifter Institut in Linz durchgeführt wird, bei der ich, obwohl am Montag das 37. Buch oder so vorgestellt wurde, noch nicht so oft war, gerade einmal bei Fred Wanders „Siebenten Brunnen“, glaube ich mich zu erinnern.
Diesmal wurde Friedrich Torbergs „Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes“, vorgestellt, eine wahrhaft bekannte Anekdotensammlung „Gott soll mich vor allem hüten, was noch ein Glück ist“ bzw. „Alles was ein Mann schöner ist, als ein Aff ist ein Luxus“, das ich nicht gelesen habe, mag ich ja keine Witze. Jetzt habe ich es aber im Bücherschrank gefunden. Vielleicht ändert sich meine Meinung und ich revidiere meine Vorurteile, habe ich gedacht und dem Mann so erzählt, neben dem ich Platz genommen habe. Der hatte, die von David Axmann geschriebene Torberg-Biografie zur Unterschrift mitgebracht, denn David Axmann, der Torbergkenner, Herausgeber und Nachlaßverwalter hielt ein Referat über das “ Vorleben der Tante Jolesch“ und der 1966 in Leningrad geborene Vladimir Vertlib eine kommentierte Lesung. Das heißt er las aus dem Kapitel „Kaffeehaus ist überall“, in dem es um das Cafe Herrenhof ging, in dem Torberg Stammgast war und das zwei Zimmer hatte, ein hinteres und ein vorderes, in dem man entweder am Nachmittag oder am Abend seinen Stammplatz hatte, in dem es eine Literatenrunde gab und das noch bis 1960 existierte, dann hatte es nur mehr zwei Gäste, Leo Perutz und einen anderen Dichter, die sich nicht leiden konnten, so daß sie nicht miteinander sprachen und dann einen eigenen Text mit dem Titel „Die Wiederauferstehung des Abendlandes“, in dem er erklärte, daß er mit zweiundzwanzig das erste Mal in einem Kaffeehaus war, weil man um das Geld für einen kleinen Brauen zu Hause ja zehn Kaffees bekommt und seine Freunde kann man dort auch treffen, wer das so sieht, hat von der Wiener Kaffeehauskultur keine Ahnung, so nahm Vladimir Vertlib „Die Tante Jolesch“ ins Cafe Eiles mit, seither ist er auch ein Österreicher. Dann folgte David Axmann und war konsterniert, daß er sich zwar Vladimir Vertilbs Text schicken ließ, aber nicht fragte, weilche Stellen er lesen würde, es waren genau die, die auch der Biograf ausgewählt hatte, so erzählte er ein bißchen, wie es zu dem Buch gekommen ist, das 1975 erschienen ist.
Torberg war da mit seinem Lebenswerk „Süsskind von Trimmberg“ gerade fertig, der Verlag wollte etwas Lustiges und Wienerisches, denn das kommt in Deutschland immer gut an und bewarb es als Satirensammlung, was Torberg sehr erbitterte.
Friedrich Torberg hatte aber viele Anekdoten auf Lager, so daß er von seinen Freunden und Feinden als „Anekoteles“ bezeichnet wurde, was ihn ebenfalls erzürnte und die Geschichte von dem untergegangenen Wien, das es 1975 nicht mehr gab, weil zwölf Millionen Juden verschwunden sind und im Cafe Herrenhof nur noch zwei saßen, haben die Wiener verstanden und, wie Vladimir Vertlib meinte, auch die Antisemiten unterhalten. Ich denke, daß ich, wenn ich das Buch 1975 gelesen hätte, wahrscheinlich nicht sehr viel davon mitbekommen hätte, weil ich von der Geschichte damals nicht viel wußte habe, bin aber durch die Lesung und Diskussion neugierig geworden, so daß ich es bereits auf meiner Leseliste habe, für 2011 wird es sich zwar vielleicht nicht mehr ausgehen, aber dann nehme ich es mir vor, denn man erfährt, wie Klaus Kastberger, der die anschließende Diskussion leitete, darin nicht nur über das Wiener Kaffeehaus, sondern auch über das Prager Abendblatt und so weiter und so fort und ich denke, daß ich mit dem Literaturgeflüster eigentlich auch so etwas will. Anekdoten über meine literarische Begegnungen sammlen und aufschreiben, was Erika Mitterer, Andreas Okupenko usw. zu mir sagten, als ich sie das letzte Mal gesehen habe.
Viele Anekdoten sind inzwischen vergessen, weil wir das Wissen darüber nicht mehr haben, wurde in der Diskussion erörtert und David Axmann meinte auf Kurt Neumanns Frage, daß es nicht das beste Buch von Friedrich Torberg wäre. Torberg selbst hielt den „Süsskind“ für sein bestes, seine Theaterkritiken und Essays wären besser, als die Anekdoten, aber lange nicht so bekannt und das Buch ist sehr erfolgreich geworden und hat sehr viele Auflagen erlebt. Es war auch sehr voll in der Alten Schmiede, viele sind gekommen, die etwas über die Entstehung und die Geschichte der „Tante Jolesch“ hören wollten. So ist hinter mir Norbert Leser gesessen und mit Margit Heumann, die mir heute einen Kommentar geschrieben hat, habe ich auch gesprochen.
Klaus Kastberger beendete mit den Worten, daß wir jetzt nach Hause gehen sollten, um das Buch zu lesen, aber ich hatte von Christiane Zintzens In/ad/ae/qu/at erfahren, daß es in der Galerie Splitter eine Ausstellung zum zweiten Todestag von Elfried Gerstl gibt, Graphiken nach ihren grit-texturen und Renald Deppe hat einen Text von ihr gespielt. Das war, als ich gekommen bin aber schon vorbei, so habe ich mich nur kurz mit einer ehemaligen Lehrerin Annas unterhalten und zu dem 1908 geborenen Friedrich Torberg, der 1930 mit seinem „Schüler Gerber“ berühmt wurde und der in den Siebzigerjahren sehr das Kulturlebens Wien prägte, kann ich ich aus meiner Anekdoten-bzw. Literaturgeflüstersammlung auf die Ausstellung zum hundertsten Geburtstag verweisen.
2011-03-28
Du blutest, du blutest
„Du blutest, du blutest“, der neue Roman von Michaela Falkner ist ein Buch über Gewalt und und Krieg, aber auch ein Versuch in poetisch schönen Worten die grausamsten Dingen des Lebens zu erzählen und sich mit einer Wirklichkeit auseinanderzusetzen, die so unwirklich und unbeschreibbar ist, daß man sich ihr nur mit sehr viel Distanz, Dissoziation, Listen, Regeln, aber auch mit schönen Sätzen, Bildern und Beschreibungen entziehen kann und man kann es sich wahrscheinlich auf mehr als eine Art und Weise deuten und so habe ich das Buch, daß ich einem Zug gelesen haben, schließlich ganz anders verstanden, als ich bei der Lesung dachte.
Es geht um einen kleinen Jungen, in einer namenlosn Stadt, in welchen Land das spielt, wird nirgends ausgeschrieben, nur die Jahreszahl 2010, glaube ich. Trotzdem dachte ich, an Ex-Jugoslawien, vielleicht weil der Junge, in dessen Land und Heimatort der Krieg ausgebrochen ist, Ivan heißt, aber, daß die Namen neu erfunden werden und sie die Kinder, um sie sich zu merken, hundertmal an die Wände schreiben, steht auch in dem Buch geschrieben.
Da ist also der kleine Junge, „der an einem schönen Tag im Sommer, mit dem Linienbus in die nächste Stadt fahren soll. „Morgen werde ich zwölf“
Dann scheinen die Soldaten in das Dorf zu kommen, die Leute zu töten und der Junge gerät in die Gewalt der Soldaten, Terroristen, etc. auch das erfährt man nicht genau, nur, daß er irgendwo gefangengehalten wird, vielleicht seinen Vater tötet, seine Mutter vergewaltigt und, das auch an den anderen Kinder so sieht.
Das alles in wunderschönen poetischen Worten und Sätzen und geheimnisvollen Bildern. Er geht dann in das Haus der Eltern, die Mutter und der Vater haben viel gearbeitet, es gibt eine Schwester zu der er eine gute Beziehung hatte und die ihn mit ihren starken Händen, da zwei Jahre älter, irgendwohin getragen hat. Die ist vielleicht auch ermordet, vergewaltigt, vergraben worden.
Zwischendurch wird noch von Ausgangssperren berichtet, von Flüchtlingen, die das Land gerade noch verlassen können, von Notarztwagen und von Dolmetschern.
Der Junge gerät dann in einen Wald, wo die Mienen liegen und die Leichenteile herumliegen, die er sich zusammenbastelt, um aus ihnen einen neuen Menschen, einen Spielgefährten etc zu basteln. Er kommt wieder in das elterliche Haus, „wo mittlerweile das Wasser abgedreht ist, die Fensterrahmen im obersten Stockwerk herausgerissen, das Balkongeländer abmontiert sind. Und im Garten hinten die Wiese mit Chemikalien besprüht, die Zusammengepferchten langsam und qualvoll verreckten“
Dort findet er dann viele Kinder, die Übergebliebenen namens Maximilian, Georg, Emad, Omar, Alexander, Zinedine, uswusf. und das deja vue, das flash back beginnt wahrscheinlich.
Gründen sie doch „eine Gang, um nachts zu kommen, zu plündern und zu entführen.“
„Wir werden Krieg gegen die Erwachsenen führen, Dinge tun, zu denen sie selbst nicht fähig wäre, die sie nicht wagen würden.“
Die Kinder verlieren dann auch ihre Namen, werden zu Nummern und wieder werden nur die stärksten Überleben und am Schluß ist „Ivan dann nach Hause gelaufen, hat sie das Leben genommen, weil er es nicht mehr ausgehalten, das war im Herbst“
Das steht auf Seite 115 kurz vor Schluß, der letzte Satz auf Seite 118 lautet dann noch „Kinder hängen am Baum.“
Dazwischen hat man einen Schnellkurs in Traumataverarbeitung bekommen, beschreibt Michaela Falkner das alles ja in schönen kurzen Sätzen, führt dissoziativ-distanziert ein in das Elend, das in Afghanistan, Irak, Kosovo oder wo auch immer Tag für Tag passiert und wir inzwischen auch hautnahm in unseren Fernsehern miterleben können. Während das Buch erschienen ist, hat es in den arabischen Ländern neue Unruhen und Tote gegeben und in Japan den Tsunami mit dem Reaktorunfall, dessen Auswirkungen wir noch erleben werden.
Man bleibt sprachlos zurück, denkt, ich will nicht so viel Gewalt, überlegt, ob es Michaela Falkner mit diesem Buch gelungen ist, das Kunststück zu schaffen, die grauslichsten Inhalte in schönen Worten hinüberbringen, fragt sich, ob man das lesen muß und will und ob man das Buch jetzt richtig verstanden hat und denkt, daß die, die das überlebt haben, auch die sind, die in den Lastwägen mit den doppelten Böden über die Grenzen kommen. Linda Stift hat das bei einem Bachmannpreislesen so beschrieben und Ludwig Laher vor kurzem in seinem Buch „Verfahren“ in etwas weniger poetischen Worten , wo ich bei einer Bloggerin las, daß sie das Lesen abgebrochen hat, weil es ihr zu wenig erzählend und zu dokumentierend gewesen ist.
„Kunst ist ein Manifest“, steht sicher irgendwo oder denke ich mir jetzt und das Leben ist ein einziger Gewaltakt und ich habe das Glück in einer Zeit und an einem Ort zu leben, wo mir das nicht selbst passiert, aber wissen, daß das gar nicht so weit weg geschieht, ist auch nicht gerade lustig und Michaela Falkner sicher eine interessante junge Frau und militante Romantikerin, wie der Deutschlandfunk über sie meint.
2011-03-27
Statusmeldung
„Statusmeldung“, das Romandebut des 1982 geborenen Autors, Journalisten und Filmemacher Fabian Burstein, findet man als den ersten facebook Roman beschrieben.
„Julian Kippendorf existiert eigentlich nur als digitales Pseudonym in Social Networks…Doch dann trifft er eine folgenschwere Entscheidung: Er offenbart seine wahre Identität. Mit einem Schlag wird alles nachvollziehbar“, steht auf der Buchrückseite.
Oder auch „Ort der Handlung ist die Internet Plattform. Sein Held sucht im Web Trost und Rat.“ (Wiener-online.at)
Beim Lesen tat ich mir da schon etwas schwerer, bis ich irgendwann kapierte, das eigentlich alles trotz des coolen Tonfalls und der neu deutsch/englischen Sprache, sehr einfach ist und dann hat es wieder einen Sog, daß man es fast mit Goethes „Werther“ vergleichen könnte, ein Roman der Jugendkultur, wir schreiben ja 2011, und der interaktive Web-Roman spielt 2009 und findet, das ist die Novität, nur in den neuen Medien statt oder doch nicht so ganz.
Ein facebook Roman ist es, glaube ich nicht, obwohl das Medium vorkommt, einen großen Teil würde ich, als Blog verstehen, er spielt also im Social Net und beginnt, das ist nicht so neu, mit einer Publikumsbeschimpfung.
„Wissen Sie was Sie meinen Augen sind? Verdammte Vojeure. Internet-Freaks. Schicksaljunkies. Hinterfotzige Online Spanner…“
Dann folgt ein eher trivialer Schlagertext und irgendwann kommt
Julian Kippendorfs Profil:
Geschlecht:männlich
Geburtstag 15. 7. 1975
Heimatstadt:Wien
Beziehungsstatus:Single
Bei Lieblingsbücher gibt es keine Angaben. „Denn Bücher sind zu Statussymbolen degeneriert. Kein Mensch sagt, was er wirklich liest. Stattdessen werfen die vermeintlichen Conaisseure Lektüren in den Raum von denen man gemeinhin glaubt, sie mache einen geheimnisvoller, schöngeistiger, interessanter…“
Dieser Julian schickt also poetische Essays durchs Netz, die Titel haben, wie „Das ist ein Überfall“ oder „Sinne“ kommuniziert mit seiner Community darüber, wird beschimpft etc und irgendwann kapiert man, er ist aus Liebeskummer, seine Freundin Leila hat ihn verlassen, aus der Welt verschwunden, keine Telefonnummer, keine Adresse, niemand weiß wo er ist, er schickt aber seine Befindlichkeit durch das Netz, kommuniziert auf diese Art und Weise mit Leila, die inzwischen von seinem Bruder Fritz schwanger ist, seine Mutter macht sich Sorgen und beginnt sich seinetwegen mit den neuen Medien zu befassen, es gibt aber Telefonanrufe, Chats und Facebook Auftritte.
„Julian Kippendorf hat wieder mal seine, scheinbar nicht vorhandenen Grenzen ausgelotet.
Helmut Bernstein und 3 anderen gefällt das“.
Lernt Jo Hanna kennen, gibt zwischendurch seine Drogenexzesse bekannt, worauf sich seine Freunde ärgern und seine Mutter entlassen wird, ändert sein Profil auf
„Beziehungsstatus: undefinierbar“,
um, es, nach wahrscheinlich Daniel Glattauers Vorbild, ganz zu löschen, nachdem er mit seiner Johanna zusammengekommen ist, die das dann gleichfalls tut.
Eigentlich eine ganz einfache Geschichte, um Liebe, Tot und Einsamkeit, die aber in einer sehr coolen Sprache, ein besserer Ausdruck fällt mir dazu nicht ein, das Lebensgefühl der Generation Social Network wiedergibt.
Es gibt auch einige sehr spannende Beschreibungen von Einkaufszentren, wo es dem Helden vor dem Geruch der Kebab Buden und der Massentierhaltung ekelt, er resumiert über die wohlstandsverwahrloste Jugend, scheint sich in den verschieden Drogenzuständen gut auszukennen und holt, weil er sozial empfindlich ist, für verschiedene Junkies die Rettung, beziehungsweise hindert er sie, über die Straße zu kriechen, bevor die kommt und beschreibt, daß ein Hund zwei Monate einen Dachboden meidet, weil er den Angstschweiß des Erhängten riecht. Dazu passt der Vergleich zu dem 1979 geschriebenen „Fünf Fingern in Wind“, wo es noch kein Facebook und kein Internet gab, die verschiedenen Rausch- und Liebeszustände, der um die Zwanzigjährigen, werden trotzdem beschrieben.
Im Literaturcafe. de habe ich vor kurzem ein Interview mit Thomas Glavinic gehört, wo Wolfgang Tischer, den Autor lobte, weil er, im Gegenseatz zu den meisten, die neuen Medien verwendet, da habe ich mich sehr gewundert, kenne ich doch einige Internet, Twitter, Facebook Romane, etc und arbeite, obwohl ich eigentlich eine eher altmodische Autorin bin, ebenfalls damit.
Das Buch hat auch im Internet seinen Auftritt, so gibt eine Facebookseite Julian Kippendorfs und man kann bei www.statusmeldung.at einige Webauftritte finden.
Alfred ist auf das Buch über einen Falterartikel im Jänner gestoßen, es war dann auch im Leporello darüber zu hören.
Es war, wie schon erwähnt, ein bißchen mühsam zu lesen, kenne ich mich mit den neuen Medien, obwohl ich sie zumindestens teilweise verwende, doch nicht wirklich aus. Interessant vor allem darüber zu philosophieren, was darf und soll man im Internet preisgeben, was ist privat, was öffentlich, was ehrlich, was nicht?
Fragen, die mich und das Literaturgeflüster, das ja ziemlich authent ist, ebenfalls betreffen.
Julian Kippendorf verwendet sehr oft den Ausdruck „Mach kaputt, was dich kaput macht“ und spricht von der „ziemlich deprimierenden Gleichung, daß für ihn nur 95 % stimmen müssen. Die fehlenden fünf Prozent sind absolut okay.“
Dann ist es trotz der starken Sprache wieder ganz einfach, geht es ja, wie schon Marcel Reich-Ranicky sagt, immer nur um die Liebe, im Werther, in den „Fünf Fingern im Wind, in „Statusmeldung“ und in den Millionen anderen Romanen der Weltliteratur, egal ob sie jetzt traditionell oder in den neuen sozialen Formen geschrieben wurden.
2011-03-26
Fünf Finger im Wind
Alfred Paul Schmidts 1978 im Europaverlag erschienener, Reinhard Urbach gewidmeter Roman „Fünf Finger im Wind“, wird auf der Buchrückseite als „Geschichte von fünf jungen Leuten, die zum Countdown der Kultur wird: Anpassen oder Verrecken, das ist hier die Frage“, beschrieben, was sich als Geschichte einiger verbummelter Studenten entpuppt, die in Graz zu Hause sind, aber typisch für die Siebzigerjahre ihre Sommer zum Geldverdienen in Schweden verbringen. So beginnt der Roman auch dort. Prado, Slobodin und Brandl wohnen als Hausmeister in einer Wohnung in der Malmstensgatan 5, die einer Hausbesitzerfirma gehört, die baufälligen Bretterbuden in der Göteborger Innenstadt bald abreißen will. Aber Prado Schulmann hält es ohnehin nicht lang dort aus, bekommt er doch einen Brief von seiner Freundin Lena, die ihm mitteilt, daß sie sich in seinen Freund Rankerl verliebte, was Prado veranlaßt schleunigst, das heißt über Hamburg und München zurückzufahren, wobei er die Pausen auf den Bahnhöfen, bis er den nächsten Zug bekommt, mit Saufgelagen übersteht, wo es zu interessanten und vor allem feuchtfröhlichen Bekanntschaften kommt.
Das Saufen, Ficken und das Raufen, mit denen sich die Grazer Szene in den Siebzigerjahren, wie man hört, beschäftigt haben soll, geht in der steirischen Metropole munter weiter. Prado wird endgültig von Lena verlassen, die sich schließlich als Ehefrau Reinhard Renkendorfers wiederfinden wird. Bis es soweit ist, stoppt die sechszehnjährige Hemma, deren Leidenschaften aus Sex und Sandeln besteht, von Voitsdorf nach Graz, weil ihr das Leben dort zu langweilig ist. In ihrer Unicef Handtasche führt sie ein verschmuddeltes Taschenbuch mit sich auf dessen Titelseite „Deutsche Erzähler“ steht, worauf sie von dem fetten Radiohändler, der sie mitnimmt, den Rat bekommt, doch etwas Gescheiteres zu lesen. „Trotzkopf“ oder „Mit beiden Füßen in der Luft“ von Alfred Paul Schmidt, vielleicht“, der ihr schließlich anbietet „ihm für einen Hunderter einen runterzublasen“. Hemma tuts aus Verlegenheit für Dreihundert,geht dann in den örtlichen Jazzkeller, wo sie den Trompeter Matthäus sucht, vorläufig ist aber nur die Kellnerin Martha da, mit der Hemma in der Küche erhebende Momente erlebt, um schließlich den Frauenheld Slobodin zu treffen, der später für fünf Monate in Untersuchungshaft kommt, weil er bei einer Lesung des Dichters Billy Pirkners (Wer steht für den nur Pate?) im Zentrum für zeitgenössische Zersetzungskultur einen Vorhang angezündet und damit ein Happening veranstaltet haben soll. Als Hemma für Slobodin die Mite zahlen soll, verschwindet sie als Saisonarbeiterin nach Tirol, wo sie zuerst ihren Trompeter findet, um schließlich als Maitresse eines Zahnarztes ihr Leben zu beenden.
Man sieht das geschlechtsspezifische Frauenbild der Siebzigerjahre oder das von Alfred Paul Schmidt. Kommen Frauen ja nur als Aufriße vor, oder wie bei den beiden Frauenfiguren, die etwas deutlicher beschrieben werden, als durchaus sexuell aktiv, um dann als Gattinnen oder Geliebte zu verschwinden. Die Männer machen inzwischen Karrierre oder auch nicht. Denn die fünf Finger im Wind, von denen mindestens drei männlich sind, sind ja Aussteiger und haben sich wahrscheinlich, bevor sie in den Hofrats- oder Beamtenstand kommen, schon längst zu Tode gesoffen. Nach den fünf Monaten die Slobodin in Untersuchungshaft verbringt, denn er kann sich, da er zum Tatzeitpunkt betrunken war, an nichts erinnern, verschwinden die Freunde wieder nach Skandinavien, wo zumindestens Prodo in den Armen einer dicken, schwangeren Aushilfelehrerin hängen bleibt. Was seine Freunde Slobodin und Frank Mohacs, der zeitweise als Versicherungsvertreter arbeitet, machen werden, bleibt ungewiß.
Sie werden aber wahrscheinlich weitersaufen, die örtlichen Grazer Lokalitäten aufsuchen, mit VWs, Volvos und anderen damals üblichen Autos herumkutschieren und dabei schaurig schöne Dinge erleben, die Alfred Paul Schmidt immer wieder in die Geschichte vom Sinn des Lebens, das keinen rechten Sinn zu haben scheint, einzuflechten weiß, wie die von dem, „der sein Geld damit verdient, daß er auf der Kungsportsavenue, der Göteborger Prachtstraaße, neue Zeitungen zu unlesbaren Fertzen zerriß. Von dem Geld das er dafür in seinen Hut bekommt, kauft er neue Zeitungen am Kiosk, ein Verfahren, das folgende Vorteile hat: Die Zeitungen wurden umgesetzt, Arbeitsplätze bleiben erhalten, niemand braucht den Schund zu lesen, man konnte die gewonnene Zeit mit Langeweile, Schlaf oder anderen Hobbies ausfüllen…“
Außerdem gibt es eine Fülle von literarischen Anspielungen und es tauchen immer wieder schöne Sätze und Zitate, wie „Alle Städte sind gleich, nur Venedig ist anders! (F.Torberg)“ oder „Da die Leute ihren Nachbarn nichts, dem Fernsehen aber alles glauben (Urs Widmer) sei es von überaus großer Wichtigkeit, daß…“
Ein interessanter Rückblick in die politisch so bewegten und auch hoffnungsvollen Siebzigerjahren, wo in Graz, die Autoren (heute auch Autorinnenversammlung) gegründet wurde, Wolfgang Bauer und Peter Handke spazierengingen und wahrscheinlich auch ihre Achterln tranken, des 1941 geborenen Alfred Paul Schmidt, der am 31. März seinen siebzigsten Geburtstag feiert, zu dem ich sehr herzlich gratuliere.
Im Jänner gab es diesbezüglich schon eine Festveranstaltung in der Alten Schmide, die Rainhard Urbach, ein Alfred Paul Schmidt Spezialist, moderierte, die mich zu der Lektüre, des im Bücherschrank gefundenen Romans bewegte, der mich an meine Wiener Studentenzeit in der Otto Bauergasse, die etwas weniger feucht fröhlich war, erinnerte.
Von Alfred Paul Schmidts vielen Romanen sind, wie Kurt Neumann und Reinhard Urbach bei der Veranstaltung bedauerten, die meisten vergriffen, eine gute Gelegenheit die Bücherschränke aufzusuchen, denn es ist sehr interessant Romane aus den Siebzigerjahren wiederzulesen, an denen man sehr deutlich sehen kann, wieviel sich inzwischen verändert hat, wird doch beispielsweise sehr viel und ungeniert geraucht.
2011-03-25
Tschechische Erzähltradition
Obwohl ich eigentlich zu Hause bleiben und an meiner Listeliste weitermachen wollte, hat es mich dann doch in die Alte Schmiede verschlagen, denn da gab es ein interessantes Programm. Zwei tschechische Erzähler nämlich Edgar Dutkar und Emil Hakl, beide aus Prag, deren Bücher beim Braumüller Literaturverlag herausgekomen sind.
Kurt Neumann hat eingeleitet und den Braumüller Verlag als sehr innovativ gelobt, dann kam die Übersetzerin Christa Rothmeier, die ich von den IG-Autoren kenne und manchmal bei Literaturveranstaltungen treffe und hat ein bißchen was zu den Autoren erzählt.
Bei beiden Prosabüchern geht es um Alltagsprache, die dann auf eine entsprechende Art und Weise übersetzt wurde, bei Emil Hakl von einem Berliner, bei Edgar Dutkar von Julia Hansen-Löve, die einen österreichischen Slang verwendete und auch die deutsche Übersetzung gelesen hat.
Bei beiden geht es auch um autobiografische Elemente. So handelt „Waisenhausgasse 5“ des 1941 geborenen von der Kindheit des Autors in einem Waisenhaus, in das er 1947 kam, weil seine Mutter aus politischen Gründen verhaftet wurde, die über den eisernen Vorhang floh, nach Australien kam und dort handelt ein anderes schon übersetztes Buch des Autors „Fräulein, der Hundefänger kommt!“, von der Begegnung des Autors als Erwachsener mit seiner Mutter in Australien.
„Waisenhausgasse“ hat Edgar Dutkar, als junger Mann geschrieben, es konnte aber lange Zeit nicht unzensiert in Prag erscheinen, so ist es erst vor einigen Jahren herausgekommen und es ist, wie Christa Rothmeier betonte, ein vordergründig fröhliches Buch, handelt es ja von den Kindheitserinnerungen des siebenjährigen Bubens in dem Waisenhaus. Davon wie er mit seinen Freunden statt in die Schule auf eine Art Naturparadies geht und dort nach drei Grazien oder fetten Weibern sucht. Ja die Sprache ist manchmal etwas derb und auch ein bißchen frauenfeindlich, da gab es, sagte der Autor im Interview schon eine Beschwerde, aber was soll man machen, Buben sprechen nun mal so.
Das zweite Buch, des 1958 als Jan Benes in Prag geborenen Emil Hakel „Treffpunkt Pinguinhaus“- Spaziergänge mit dem Vater, handelt von solchen Spaziergängen zwischen Vater und Sohn in Prag, wo sie in deftiger Sprache Schnaps trinken und die Welt philosophisch erkunden.
Emil Hakel, den Christa Rothmaier mit Bohumil Hrabal verglichen hat, meinte, daß er kein Ploterzähler sei, weil ihn das nicht interessiere.
In der Diskussion ging es dann auch sehr viel um die neuen tschechischen Erzählweisen, deren Besonderheit hervorgehoben wurde.
Eine interessante Veranstaltung, weil ich von beiden Autoren noch nie etwas gehört habe, interessant auch in der zweisprachigen Lesung ein bißchen Tschechisch zu hören und das autobiografische Erzählen, das die jüngere tschechische Vergangenheit beleuchtet, ist sicher ebenfalls sehr interessant.
2011-03-24
Die Mittleren V
Teil fünf meiner GAV-Lesereihe, die Mittleren – Literatur von Frauen mit Marietta Böning, Eva Jancak, Ilse Kilic, Margot Koller, Gabriele Petricek und Hilde Schmölzer, darüber und warum sie nicht mehr im Literaturhaus stattfindet, habe ich ja schon öfter geschrieben. Teil III und IV läßt sich nachlesen und der V Teil war auch ein Erfolg.
Zwar bin ich nicht so besonders motiviert hingegangen, hat ja Gabriele Petricek eine Performance angekündigt und auch, daß sie einen Mann in die Frauenlesung hineinschmuggeln will und Hilde Schmölzer hat bei der Vorbesprechung gemahnt, nicht zu lange zu lesen und ich wußte ja, daß ich für meine zwei Szenen aus der „Absturzgefahr“ die fünfzehn Minuten überziehen würde, es sind aber schöne Szenen, vom nicht Tauben füttern dürfen im Burggarten und die über Margrets Traumatisierung. Ich habe auch gedacht, ich komme vielleicht zu spät, da ich um fünf noch eine Stunde hatte, dann war ich aber schon vor halb sechs dort und Gabriele Petricek hat gerade die Sesseln hergeräumt. im Parterresaal gab es auch eine Lesung und zwar stellte da Promedia „Die Linke und der Sex“ – Klassische Texte zum wichtigen Thema vor, das auch in Leipzig präsentiert wurde.
Ich legte meine Bücher auf den Büchertisch und wartete auf das Publikum. Anfang war es nicht sehr voll und ich hörte, daß es bei der Frauen lesen Frauen Lesung am Montag, wo Vera Ferra-Mikura gelesen wurde, sehr voll gewesen war und hörte, die Namen der Frauen, die leider nicht kommen konnten. Dann kam schon Margit Heumann, die ich bei den TextHobelSpänen kennenlernte und die auch bei den Mittleren III gewesen ist und Rudi Lasselsberger, der sich auch im Literaturgeflüster wieder gemeldet hat und ein neues, ebenfalls selbstgemachtes Buch „Tanz in den Mai“ hat. Erika Parovski kam, Herr Blaha, Ruth Aspöck und noch ein paar Leute, die ich kannte, dann ging es schon los mit der Lesung.
Ich las meine Einleitung in der ich meine Schreibbiografie erwähnte, die Frauen, die ich dabei kennenlernte aufzählte und erklärte, wie ich auf die Idee kam, eine Frauenlesereihe „Die Mittleren“ zu nennen.
Begonnen hat, da ich zum Leidwesens Hilde Schmölzers eine bin, die sich gern an die alphabetische Reihenfolge hält, die 1971 geborene Marietta Böning mit Gedichten aus dem fröhlichen Wohnzimmerband „Rückzug ist eine Trennung vom Ort“. Es gibt noch einen zweiten Gedichtband „Seh-Gänge“ und dann noch das Theaterstück „Die Umfäller“ von ihr.
Ich las, wie schon erwähnt, zwei Szenen aus der Absturzgefahr, Ilse Kilic folgte mit einem Gedicht über ihre Katze Susi Tractor und las dann aus dem Band „Selbstbeschreibung“ ihre literarische Biografie, Fritz Widhalm projezierte dazu stimmige Zeichnungen, so wird die kleine Erzählstimme beispielsweise von der Last der Sprache zerdrückt. Margot Koller, der Wasserfan las aus den 25 spritzigen Storys „Alle Wege führen zum Wasser Geschichte 12 „Ich war die vierte Frau im Harem“. Die „Flaschenpost an Josy“ habe ich ja schon gelesen und hier besprochen und von Ilse Kilic gibt es ja auch mindestens einen Artikel im Literaturgeflüster. Die 1957 geborene Gabriele Petricek, die ich von alle den Frauen am kürzesten kenne, hat ein Stück aus ihrem zweiten Buch gelesen und dabei von ihren Amerika und Englandaufenthalten erzählt, bei denen ihre Texte übersetzt und vorgetragen wurden. Sie hat auch schon mit dem Translator und Poeten Peter Waugh, der im Cafe Kafka einen open mike macht, mehrmals gelesen, so hat er den Text danach auf Englisch vorgetragen und Gabriele Petricek hat ihn inzwischen auf eine Overhead Folie geschrieben. Inzwischen mußte Hilde Schmölzer lange warten, bis sie an die Reihe kam. Sie las ein Stückchen ihres bei Kitab wiederaufgelegten „Vaterhauses“ und die Frauenlesung Teil V hat wieder einen schönen Querschnitt über die unterschiedlichen weiblichen Schreibweisen geboten.
Ideen für Teil VI, den ich demnächst einreichen werde, gibt es schon. Wir sind noch länger im Hof des Amerlinghauses gesessen und haben uns intensiv mit Peter Waugh und seiner Frau Hanane Aad unterhalten, die ebenfalls Poetin ist. Beide wohnen, wenn ich mich nicht irre, in dem Haus in der Ferdinandstraße, wo einst Veza Canetti wohnte und da gab es ja vor Jahren eine Veranstaltung, wo Peter Waugh aus einem Fenster englische Gedichte gelesen hat. Weil ich zwei doppelte Podium-Hefte aussortieren wollte, sind wir über den Bücherschrank zurückgegangen und dort habe ich ein Schreiblernbuch gefunden „Mit 80 Seiten um die Welt – Schreiben unterwegs – Ihr persönlicher Weg zum kreativen Reisetagebuch“, das werde ich mir im Sommer mitnehmen wenn wir in den Urlaub fahren.
2011-03-23
Reinhard Kaiser-Mühleckers neues Buch
Reinhard Kaiser-Mühleckers „Wiedersehen in Fiumcino“ wurde gestern in der Gesellschaft für Literatur vorgestellt. Das ist der dritte Roman des 1982 in Kirchdorf an der Krems Geborenen, der 2007 mit seinem bei Hoffmann und Campe erschienenen Debut „Der lange Gang über die Stationen“, in den Literaturbetrieb eingetreten ist. Das Buch wurde, wie Manfred Müller in seiner Moderation erklärte, vor drei Jahren in der Gesellschaft für Literatur vorgestellt, da war ich nicht dabei, aber irgendwann, noch vor den Zeiten des Literaturgeflüsters, im Radiocafe bei einer literarischen Soiree, wo sich alle wunderten, daß ein so junger Österreicher gleich bei Hoffmann und Campe erscheinen kann.
Das Buch wurde sehr kontrovers besprochen, hat einige Preise bekommen u.a. 2009, den Buchpreis der ÖO Arbeiterkammer, wo ich einmal zwei meiner Digitalbücher hinschickte, um zu hören, daß man Selbstgemachtes dort nicht einreichen kann.
2009 erschien der zweite Roman „Magdalenenberg“. Da war ich bei der Lesung im Literaturhaus. Jetzt ist das dritte Buch erschienen.
In der Gesellschaft für Literatur waren wieder auffällig viele junge Leute, die sich auch Plätze reservieren ließen. Robert Prosser, der ganz anders schreibt habe ich gesehen und gefragt, wie seine Lesung in Leipzig war? Der stellt sein zweites Klever-Buch „Feuerwerk“ nächste Woche im Palais Wilczek vor.
„Wiedersehen in Fiumcino“ wird, wie Manfred Müller in seiner Einleitung erklärte, von vier Erzählerstimmen, drei Männern und einer Frau erzählt.
„Nach sieben Monaten in Argentinien kehrt Joseph zurück nach Europa und trifft seine Freundin wieder, von der er sich nicht einmal verabschiedet hat“.
So stehts im Programmt. Reinhard Kaiser-Mühlecker las, wie Christiane Schmidt, die Cheflektorin, die wieder begrüßte, betonte, aus allen diesen Perspektiven vor. Josef ist die erste, die zweite, die verlassene Freundin Sabina, dann gibt es noch einen argentinischen Arzt namens Augusto und einen Freund Hans oder Juan, der in einem Museum arbeitet.
Im Gespräch mit Manfred Müller betonte dieser, das Reinhard Kaiser-Mühlecker vor drei Jahren überrascht gewesen wäre, plötzlich Mittelpunkt des Literaturbetriebs zu sein und wollte von ihm wissen, wie es ihm inzwischen damit ginge, betonte, daß er ein sehr schneller Arbeiter sei und ließ uns wissen, daß er den ersten linear erzählten Roman in einigen Wochen oder Monaten geschrieben hat.
An „Wiedersehen in Fiumcino“, der nicht linear geschrieben ist, hat Reinhard Kaiser-Mühlecker vier Jahre geschrieben und Manfred Müller wunderte sich darüber, daß er gleichzeitig nur an einem Projekt arbeiten würde, weil das die meisten Autoren anders machen. Da habe ich wohl den Kopf geschüttelt und mich gewundert. Kenne ich ja nur Julia Kröhn, die in ihren Blog von den vier oder fünf gleichzeitig in Arbeit befindeten Projekten erzählt und ich schreibe eigentlich sehr linear eine Sache nach der anderen. Als mich Manfred Müller beim Wein und den Knabberstangen darauf ansprach ist mir eingefallen, daß das nicht stimmt. Schreiben tue ich nur an einem, aber es gibt ja die Korrekturen, der noch nicht erschienenen Bücher, jetzt z.B. „Absturzgefahr“, die ich zwischendurch ansehe und manchmal habe ich schon Ideen für das nächste, die ich sammle, während ich beim Schreiben bin.
„Wiedersehen in Fiumjcino“ ist jedenfalls ein erzählendes Buch, bei den Leipzig Interviews, die ich vor ein paar Tagen hörte, habe ich gerade von den Österreichern, beispielsweise Peter Clar, der auch bald in die Gesellschaft für Literatur kommen wird, gehört, daß sie nicht erzählend schreiben. Das wird ja immer wieder angeprangert, daß Realität zu platt ist und niemanden interessiert.
Reinhard Kaiser-Mühlecker fiel mir aber durch seine sehr schönen klaren Sätze auf und platt scheint die Handlung von dem Mann, der einfach nach Argentinien verschwindet und seiner Freundin, als sie die Flugtickets liegen sieht, vorschwindelt, er würde nach Rom zu einem Kongreß oder so fliegen, nicht zu sein, sondern eher geheimnisvoll, zumindest ist mir das bei den paar vorgetragenen Stellen so vorgekommen.
Am Ende zieht sich dieser Josef in ein kleines Dorf namens Rohr zurück, um zu schreiben, als ich gestern meinen Eintrag über Magdalenenberg gelesen habe, ist mir aufgefallen, daß der Protagonist dort auch Josef heißt. Interessant, daß das Manfred Müller in seinem Gespräch nicht erwähnte und nicht fragte, ob es derselbe Ich-Erzähler sei?
Er bezog sich aber auf das einsame Schreiben in Rohr, Reinhard Kaiser-Mühlecker scheint sich inzwischen auch irgendwohin zurückgezogen zu haben, vorher hat er in Wien gelebt und meinte, daß er beim ersten Buch den Vergleich zu Thomas Bernhard gezogen habe, da sei Reinhard Kaiser-Mühlecker empört gewesen, jetzt hat er gemeint, Bernhard ist ja ein interessanter Autor und er sei auch in seiner Nähe aufgewachsen und hätte sich sein Haus öfter angesehen.
Das Publikum wollte dann noch wissen, wie es sich mit einem Stipendium lebe und ob man damit leichter schreiben kann, was Reinhard Kaiser Mühlecker bejahte und bedauerte, daß es beispielsweise in Italien weniger oder vielleicht sogar keine Literaturstipendien mehr gäbe, ein anderer fragte, ob der Autor sein Studium beenden würde, was dieser energisch verneinte.
Ein interessanter Abend mit einer interessanten Diskussion, die Einblick in das Entstehen von Literatur gab. Sehr klar ist mir die Handlung aus den paar Stellen nicht geworden, so daß ich gespannt bin, ob ich die Gelegenheit bekomme das ganze Buch zu lesen.
Nachher gab es was zu Trinken und zu Knabbern, ich habe mit ein paar Leuten gesprochen und mir die Szene sonst von außen angesehen. Denn da sieht man, wie Reinhard Kaiser-Mühlecker ebenfalls erwähnte, ja am meisten.
Ein interessanter junger Autor in dem, wie ich finde, sehr vielschichtigen österreichischen Literaturbetrieb.
2011-03-22
Überarbeiten
Vorige Woche bin ich mit dem Rohentwurf meines neuen Buchprojekts fertiggeworden. Wiederum sehr schnell die hundert Seiten hingeschrieben und mal mehr, mal weniger dabei gelitten. Jetzt liegt ein halbes Jahr vor mir, das Manuskript so zu überarbeiten, daß ich es dem Alfred geben kann, damit er es für den Digitaldruck setzt oder, wie man das nennt, was dann an die Druckerei geht. Beim Schreiben habe ich inzwischen meine Rituale.
Ich bin eine, die beim Rohentwurf, obwohl sie es vielleicht gern anders hätte, sehr schnell ist und auch eine, die dann gar nicht mehr soviel daran verändert, obwohl ich mich schon meist ein halbes Jahr damit beschäftigte, bis ich es aus der Hand gebe.
Zufälligerweise haben sich in letzter Zeit einige Blogs mit dem Thema Überarbeiten beschäftigt. So hat Anni Bürkl die Punkte zusammengestellt, wie ein Buch entsteht und Nejasha, eine andere Made in Austria Bücherbloggerin, die auch selbst schreibt, hat sich an einem Überarbeitungs-Nanorimo beteiligt und genau beschrieben, wie sie das macht.
Ein Punkt, den man immer findet, ist, den Rohentwurf einige Zeit liegen lassen. Das tut eine so Schnelle, wie ich schon wieder nicht oder nur ansatzweise. Im Gegenteil, ich korrigiere bei meinen längeren Texten und die habe ich ja meistens, immer zwischendurch. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gehe ich es von Anfang an durch und oft muß ich auch was abändern, damit die Handlung wieder stimmt, weil ich am Anfang woanders hinwollte, als schließlich daraus geworden ist.
Durch das Leipzigschauen der letzten Tage ist der Text zwar doch ein paar Tage liegengeblieben und die drei, vier Punkte die Nejasha erwähnt, sind für mich auch relevant.
Wo muß ich noch recherchieren? Wo ist es zu ungenau? Wo stimmt die Handlung nicht? Wo muß es noch sprachlich besser werden? Nejasha erwähnt noch die Wiederholungen, die zehn bis fünfzehn Prozent des Textes, um die es schließlich kürzer wird.
Das habe ich für mich auch gefunden, obwohl ich es mir nicht farblich markiere und ich drucke mir, obwohl ich ja sehr sparsam bin, sehr viel aus, weil ich glaube, daß ich nicht anders arbeiten kann. Obwohl ich, seit ich 2009 beim Nanowrimo mitmachte, nicht mehr mit Hand vorschreibe, sondern gleich in den Computer tippe. Sich also, wie man sieht, im Laufe eines Schreiberinnenlebens doch viel ändern kann.
Daß ich mir den Text sprachlich genau ansehen will, habe ich mir vorgenommen, kommen da ja die meisten Kritiken. Neyasha spricht von Wortwiederholungen und Schachtelsätzen. Da wird auch bei mir viel zu bearbeiten sein. Plotlöcher und unlogische Figuren habe ich sicher auch, habe ich ja ziemlich planlos vor mich hingeschrieben und muß jetzt angleichen, damit das Alter, das Aussehen etc der Figuren stimmt und bezüglich der Recherche, bin ich auch eine, was man vielleicht als Schwachpunkt auslegen kann, die nicht so besonders viel recherchiert und da bin ich beim Schreiben auf einen interessanten Punkt gestoßen. Nämlich auf Evelina Hahnenpichlers Katze, der hat sie ja ihr Vermögen vererbt und eine Nachbarin zur Katzensitterin bestimmt und die nimmt die Katze zum Begräbnis mit.
Da kam dann irgendwann die Frage, auf die ich noch immer keine Antwort weiß. Darf man das? Darf man Katzen auf ein Begräbnis mitnehmen? Ich habe versucht das im Internet zu ergooglen, bin aber nur auf einen Katzenfriedhof gestoßen und habe mich entschieden, daß das erlaubt ist, bzw. daß das Evelina Hahnenpichler in ihrem Testament so festgelegt hat.
Gestern ist mir noch eingefallen, daß ich mir das Tagebuch der Evelina Hahnenpichler, das noch kaum korrigiert ist, besonders anschauen und eventuell verändern sollte. Denn da stellen sich die Zwillingsschwestern bzw. Katharina am Anfang die Frage, warum die Mutter den Vater mit Fünfzig plötzlich verließ und wissen die Antwort nicht, bzw. schreiben sie es der Midlifekrise zu. Im Tagebuch der Mutter steht, daß sie es selber nicht so genau wußte, irgendwann später kam es dann zum Ausbruch der endogenen Depression. Da habe ich gestern gedacht, daß es vielleicht Romantauglicher ist, wenn sie die Familie wegen ihrer Krankheit verläßt. Weil sie den Töchter ihre Depression nicht zumuten wollte, ist sie gegangen und enterbt hat sie sie, weil ohnehin nicht so viel zu Erben war, sie ihre Katze aber gut versorgt wissen wollte.
Das ist jetzt meine Aufgabe so daran zu feilen, bis es keine Ungereimtheiten mehr gibt und die Geschichte von Katharinas Reise zum Begräbnis ihrer Mutter bzw. nach Trapani so weit von der Wirklichkeit entrückt und literarisch wird, daß es die Leser gerne lesen wollen.
Denn darüber, daß man nicht so gerne liest, was man selbst erleben kann, habe ich gerade bei literaturcafe.de, ein Interview gehört und deshalb vererbt Evelina Hahnenpichler ihrer Katze ja auch alles und verläßt deshalb ihre Töchter. Die Idee selber ist gar nicht so ungewöhnlich, habe ich das ja irgendwie erlebt bzw. vor ein paar Wochen etwas Ähnliches erzählt bekommen.
Ein Punkt bei dem ich es auch ein bißchen anders mache, sind die Testleser. Denn die habe ich eigentlich nicht. Beziehungsweise ist der Alfred mein Testleser, der korrigiert die Fehler, schaut sich die Sprache an und sagt mir auch, wenn etwas unlogisch ist.
Eine regelmäßige Testleserverschickung mache ich eigentlich nicht, weil ich die daran Interessierten wahrscheinlich gar nicht finde. Tue ich mir für den Buchtext schon schwer genug, so daß ich den oft selber schreibe. Zwar habe ich früher ein paar meiner Sachen Judith Gruber-Rizy zum Durchsehen gegeben und die „Mimi“ der Anna und dem Otto Lambauer, weil ich wissen wollte, ob es sprachlich stimmt. Sonst bin ich bezüglich Testleser vielleicht ein wenig skeptisch, allerdings diskutiere ich meine Texte seit einiger Zeit sehr genau im Internet und da kommt auch einiges zurück, was ich als Interessant bezeichnen würde.
So hat mich Frau Haidegger bei der Sophie Hungers darauf aufmerksam gemacht, daß es ja eine Musikerin dieses Namens gibt, so daß ich für alle Fälle ein S angehängt habe und mit der „Mimi“ gab es auch so eine Diskussion, allerdings war das Buch zu diesem Zeitpunkt schon gedruckt.
Ich finde und das machen inzwischen auch ein paar andere, eine öffentliche Diskussion über den Schreibprozess schon sehr interessant und lerne viel dabei und so bin ich gespannt, wie es mit den Zwillingswelten weitergeht. Ein bißchen habe ich mich ja auch während des Leipzighörens nicht hindern lassen, in den Text hineinzusehen. Er hat noch viele Ungereimtheiten und ob es mir wirklich gelingt, sehr viel Neues in den Text hineinzubringen, bin ich mir auch nicht so sicher. Denn da bin ich, die ich viel lese, auch ein wenig skeptisch, ob das überhaupt gelingen kann? Es wurde ja schon wirklich viel geschrieben und ich bin auch eine, die nicht gern übertreibt. Meine Spezialität ist wahrscheinlich schon die Ehrlichkeit und der kleine leise Ton. Mal sehen, ob und wie ich die Ecken und die Kanten, die die Lisbeth und die Katharina sicher haben, so hinbekomme, daß eine spannende Geschichte mit meiner vielleicht nicht so besonders künstlichen Sprache entsteht? Ich werde meine Leser weiterhin ein bißchen mitschnuppern lassen und bin auf Anregungen, Empfehlungen, Hinweise gespannt.
2011-03-21
Schmelzwasser
„Schmelzwasser“ von Sigfrid Maron ist, wie auf der Buchrückseite steht “ krumm und gebogen und frei erfunden, wie ja ein Großteil unserer Geschichte heute ver- oder zurechtgebogen, wenn nicht völlig neu erfunden wird. Weder aus Sicht der Künstler, noch aus Sicht der Musikindustrie bzw. deren Mitarbeiter, von der Putzfrau bis hinauf zum Konzernchef, habe ich die geringste Ahnung von mehr oder minder. Was ich schreibe, habe ich gehört, gelesen, geträumt, fantasiert.“
Unter Autor und Titel auf der ersten Seite samt weißrussischer Übersetzung von Sergej Iljitsch Mladowskowitsch, steht noch, „eine Assoziationskette möglicherweise ein Roman keine Gebrauchsanweisung für eine Waschmaschine aber fast ein Kochbuch“, was sich wohl darauf bezieht, daß es auf den letzten Seiten ein paar Rezepte, wie Gulasch, Sauerkraut, Semmelknödel und Marillenkuchen gibt und beginnt, nach einigen Widmungen, einem Forwort (Achtung, bevor wieder eine Mahnung bezüglich meiner Rechtschreibung kommt, das ist im Buch so geschrieben und wird auch erklärt) und Erklärungen „mit quietschenden Reifen, Folgehorn und Blaulicht“ und einer Fahrt des Notarztwagens in ein Krankenhaus und endet fast, denn dann kommt noch eine Stellungnahme des Übersetzers, die Kochrezepte und auch schon die Rezensionen vom Schwarzataler Bezirksboten bis zur Furche und einer Seite Platz mit Gegendarstellungen, mit dem Erwachen aus der Narkose oder sonstigen Zuständen.
„Schlecht geträumt?“, fragt die Frau am Bett.
„Das war ein ganzes Buch, was macht nur solche Träume?“
„Das Abendessen!“, sagt Schwester Erika und hängt eine Literflasche Flüssignahrung an, „nur das Abendessen.“
Dazwischen liegen zweihundertfünfundachtzig Seiten, ein Paar Zeichnungen, in denen man beim russischen Finanzminister Alexej Kudrin, rein zufällig, weil das ja jede Ähnlichkeit, wie darunter steht, sein soll, Karl Heinz Grasser erkennt und zwei Handlungssträhne. Die eine ist ein wirrer Monolog, des auf der Intensivstation liegenden mit wahrscheinlich ebenfalls nur zufälligen Ähnlichkeiten zum Autor, Teile seiner Lebensgeschichte, wilde Fieberphantasien aber auch Betrachtungen zur politischen Lage, schwarz-blau, Asylpolitik, Kommunismus, Gott und die Welt etc, dann folgen Geschichten von seinem Taxi fahrenden Neffen, der ihm einen Werkzeugkasten verspricht und als Koch oder Kellner in einem seltsamen Hotel arbeitete. Der Ich-Erzähler kocht auch Sauerkraut etc und schreibt vielleicht an einem Roman über die Musikindustrie, in der er uns und das ist der zweite Strang, an dem Arsch bzw. Geschäftsführer Mike Peschl der Priestwein AG, die Auswirkungen der Globalisierung erklärt. Will Peschl doch die beste aller Sekretärinnen ficken und in der folgenden Mitarbeiterversammlung alle entlassen, einsparen, freisetzen, kündigen oder wie das in Neu Deutsch-Englisch so schön heißt heißt. Er kommt dann nicht in seine Wohnung hinein, stolpert über Leichen und einer seiner gekündigten Mitarbeiter tarnt mit der besten aller Sekretärinnen eine Geiselnahme und entkommt mit der ins Hotel Minsk in der Nezawisimosti-Alle 11.
Was es mit der weißrussischen Übersetzung auf sich hat, der Ich-Erzähler säuft bzw. kommuniziert immer wieder mit dem Übersetzter Mladi, der das im Dialekt geschriebene Buch zuerst auf weißrussisch und dann auf Hochdeutsch zurückübersetzt, habe ich nicht ganz verstanden, aber das kann man, wie ja schon im Vorwort steht, offenbar überhaupt nicht.
Das Buch ist also ein gigantischer Monolog, eine Fieberfantasie und Weltabrechnung eines kritischen Denkers, der möglicherweise oder auch nicht, großen Spaß am Vorsichhinfabulieren hatte, des 1944 in Wien geborenen, sozialkritischen Lidermachers Sigi Marons, der 1956 an Kinderlähmung erkrankte, sich 1997 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog, einige Male für die KPÖ kanditierte und 2010 mit dem Doppelalbum „Es gibt kan Gott“ auf die Bühne zurückkehrte. Daraus habe ich ihm am Volksstimmefest singen und spielen gehört. Im November gab es in der Kunsthalle am Karlsplatz ein weiteres Konzert bzw. die Buchvorstellung, des in der Bibliothek der Provinz erschinenen „Schmelzwassers“, auf der Alfred war und mit das Buch zum Geburtstag schenkte
Sigi Maron ist auch GAV Mitglied und so habe ich 1990 in einer von Georg Bydlinsky organisierten Lesung im Pfarrheim von Maria Enzersdorf, das Flugblatt hängt noch am Harlander Klo, mit ihm gelesen.
Ein interessantes Buch einer offenbar sehr selbstbewußten, kritischen Stimme, die offenbar keine Angst vor den kritischen Leserstimmen und deren Wutausbrüchen hat, sondern mit ihnen immer wieder direkt kommuniziert und gleich von vornherein feststellt, daß man das Buch nicht lesen muß.
Denn „es besteht keine generelle Vorschrift überhaupt Bücher zu lesen, ganz besonders nicht dieses“ und wie erwähnt, die Rezensionen hat er sich auch schon angefügt. So meint er, daß der Schwarzataler Bezirksbote meinen würde „Das ist kein Krimi und kein Roman, das ist Pornografie der schlimmsten Art. Solchen Autoren sollte man die Bleistifte wegnehmen, die Bleistiftspitzer natürlich auch.“
Tröstlich für die Rezensentin, die ja auch schon hörte, „daß sie sich nicht als solche nennen und auch nicht glauben sollte, daß sie schreiben darf weil sie es vielleicht ein bißchen kann, weil sie damit ja Ressourcen klaue und dem Betrieb schaden würde, aber wie!“
Der Unterschied zwischen meinen und Sigi Marons Texten ist vielleicht, daß ich es womöglich ernster meine, unsicherer bin und mich auch bemühe es meinen Kritikern recht zu machen oder auch nicht, was weiß man schon genau?
Ein interessantes Buch, daß ich allzu strengen Kritikern zur Lektüre sehr empfehlen kann. Man lernt dabei über den Tellerrand hinaus zu schauen. Wem das nicht gefällt, der kann sich ja an die Kochrezepte halten und „das und nicht der Gulasch“ dabei essen. Ein Achterl rot oder einen grünen Vetliner sollte man vielleicht dazu trinken.