Literaturgefluester

2011-03-09

Katharinas Reise

Filed under: Uncategorized — jancak @ 10:25

Bei meinem letzten Schreibbericht habe ich ja kühn eine Fahrt ins Blaue angekündigt, Stammleser wissen es wahrscheinlich schon, sehr viel ist daraus nicht geworden und die Katharina hängt immer noch im Autobahnrestaurant Kaiserswalde bzw. in Arnoldstein an der Dreiländerecke fest, ißt ihre Spätzlepfanne, liest ihre Krimis, erzählt statt zu erleben und macht, höchstwahtrscheinlich das, was meine Kurzleserin JuSophie, das flotte vor sich Hinschreiben ohne Ecken und Kanten nennt.
„Wollen Sie sich nicht einmal vom schönen Sandstrand auf steinigen Untergrund begeben?“, hat sie mich vor ca sechs Wochen gefragt und ich habe sie nicht verstanden, denn meine depressiven Heldinnen sind ja kantig genug. Aber wahrscheinlich ist es das, ich habe eine Idee und presche los, viel zu schnell höchstwahrscheinlich, tippe wie wahnsinnig und bin dann bald an einer Wand, von der ich so schnell nicht herunterkomme. So war es jetzt auch. Vor ca einem Monat mit der „Absturzgefahr“ fertiggeworden, die Ideen der Zwillingsschwestern waren da schon im Kopf und auch die Warnung, daß ich nicht vielleicht wieder von einer depressiven Bücherleserin schreiben soll, die ihre Bücher im Bücherschrank findet… . Der Besuch bei meiner Cousine Irmi hat mich dann auf die Idee mit der Mutter, die ihre Kinder verläßt und ihrer Katze alles vermacht, gebracht.
Eine tolle Idee, aber sie war nicht sehr ausgereift und ich habe dann auch nach einer Woche Pause, wo ich die Fenster putzte und das Leinen Buch las, wieder sehr schnell zu schreiben angefangen. Die Recherchefahrten habe ich ausgelassen und gedacht, das brauche ich jetzt nicht. Es sind dann auch sehr flott sechzig Seiten entstanden. Die Katharina ist zum Begräbnis ihrer Mutter losgefahren, zuerst wußte ich nicht, wie lange sie nach Linz brauchen wird, denn wenn sie auf der Landstraße fährt und in jeden Dorf halt macht und dabei ihr Leben reflektiert, braucht sie sehr lang. Die zwei Fallgeschichten von der Lenka und Martha, zwei nicht geschriebene Romane, sind ja auch sehr bald dazugekommen und die Lisbeth in den Hintergrund getreten.
Die Geschichte der Martha Binder hat sich, wie ich glaube, auch sehr spannend entwickelt, die Katharina war abwechselnd auf dem Jungendamtkongreß vor zwanzig Jahren mit ihrer Freundin Heidrun, dann wieder aktuell im Hotel Wolfinger und hat den wohnungslosen Architekten Harald Schneider kennengelernt. Beim Begräbnis ist bezüglich Mutter nicht sehr viel herausgekommen. Warum sie vor dreiunddreißig Jahren ihre Töchter verlassen hat, erfuhr man nicht so recht. Dann war das Begräbnis vorüber, die Katharina überlegte abzureisen und zur Lenka nach Trapani zu fahren. Eigentlich wollte ich sie ja nach Taormina kommen lassen, wo wir vor zwei Jahren ein paar Tage waren, nur ist mir der Name dieser Stadt nicht eingefallen und beim Nachgooglen bin ich auf Trapani, die Stadt mit der berühmten Karfreitagsprozession gekommen, da war ich zwar auch schon, aber das ist länger her.
Dazwischen entstand noch die Idee mit Lisbeths Leseliste und meine Aktion am Freitagabend mir eine solche zu erstellen. Das hat ein bißchen Leben in die Geschichte gebracht, aber wieder die Gefahr erhöht, in den schon ausgelatschten Pfaden zu verbleiben. Denn wenn ich immer nur schreibe „Heute habe ich Jurij Brezans „Die grüne Eidechse“ ausgelesen, liebe Schwester!“, bringt das wahrscheinlich sowohl JuSophie als auch Angela Leinen zum Schreien und es verführt auch zu der Falle, daß sie mit ihren Büchern in der Wohnung den gewünschten passiven Selbstmord begeht, den schon die Josepha Stock in der „Radiosonate“ versuchte. Nun gut, die Katharina besuchte mit Harald Schneider einen Jazzuclub und reiste am nächsten Morgen ab. Nach Trapani kann sie sich wie bei „Kurz nach 4“ viel Zeit lassen, aber eigentlich hat sie ja nicht so viel zu erzählen, denn was mit der Mutter vor dreiunddreißig Jahren passiert ist, wußte ich noch nicht. Also die Lenka Geschichte kommen lassen, wenn mir das so gut gelingt, wie die der Martha Binder, habe ich weitere dreißig vierzig Seiten und wenn die Katharina in Trapani ist, kann die Lisbeth schon verhungert sein, ganz egal wieviele Bücher sie inzwischen gelesen hat.
Ging aber nicht, denn die Lenka Geschichte war schon in Graz am realen letzten Sonntagmorgen auf ein paar Seiten erzählt. Ich ging mit dem Sebastian Fitzek in die Badewanne und erlebte ein wirkliches Lehrstück von „Show not tell!“, das sich gewaschen hat und mich noch ein paar Tage später beeindruckte. Mit der Katharina war es aber vorläufig aus und so bin ich gestern am Laptop gesessen, habe korrigiert und gedacht „Ich kann es schon wieder nicht und alle, die mir das schon längst sagen wollen, haben recht!“
Die Frage soll die Lisbeth eine eigene Stimme bekommen und wie integriere ich das möglichst originell stand im Raum. Was da half, außer, daß ich die dreiundsechzig Seiten, die ich am Sonntagmorgen hatte, durch neuerliches Korrigieren, in dem ich eineinhalb wegstrich und eineinhalb hinzuschrieb, auf einen neuen Gleichstand brachte, wo die Katharina lustlos von Graz nach Arnoldstein fährt und dort im Rasthaus ein Zimmer bezieht, war, daß ich meine Schreibberichte, die sich im Literaturgeflüster inzwischen angesammelt haben, nochmals durchgegangen bin. Denn da habe ich ja schon über das Schreiben vom „Haus“, „Sophie Hungers“ „Heimsuchung“, „Mimi“ und „Absturzgefahr“ berichtet, um zu schauen, was wiederholt sich, was bleibt gleich.
Das war sehr konstruktiv, denn es hat mir geholfen, lockerer mit meinem Schreiben umzugehen und danach wußte ich, die Katharina wird jetzt ziemlich flott nach Trapani fahren, dort wird ihr die Lenka von ihren Kriminalromanen erzählen, die Lisbeth liest inzwischen ihre Bücher und hört irgendwann auf darüber zu berichten oder auch nicht. Wenn sie das tut, kann sich die Katharina Sorgen machen und die Lenka kann ihren Sohn, der in Wien Medizin studiert, nachschauen schicken und die Lenka hat auch ein Problem mit ihrem Bruder, der ihr wegen der verlorenen Sachwalterschaft immer noch sehr böse ist.
Da war gestern übrigens ein Jugendamtsskandalbericht in den Nachrichten über eine Frau, die mit ihren Kindern nicht mehr telefonieren darf, weil der Sohn bei ihr bleiben will, was ja sehr gut zu meinen zwei Geschichten passt.
Ideen habe ich inzwischen wieder genug und damit ein vages vorläufiges Konzept, das sich sicher noch sehr ändern läßt.
Harald Schneider kann die Katharina zu seiner Wohnungseinweihungsparty nach Linz einladen und Frau Richter hat inzwischen vielleicht doch ein Tagebuch gefunden, in dem etwas von der Depression der Evelina Hahnenpichler steht, derentwegen sie sich mit Fünfzig zu ihrer Katze zurückgezogen hat und die hat sie sich vielleicht deshalb zugelegt, weil sie vorher wegen der Katzenallergie des Vaters keine haben konnte und deshalb Schuldgefühle wegen der Kinder hatte, etc…
Der Franz Riegler könnte auch von seiner Frau verlassen werden und sich eine neue Wohnung suchen, die findet er vielleicht neben der der Bücherleserin und borgt sich bei ihr einen Werkzeugkasten oder einen Löscafe aus und die Geschichte nimmt vielleicht eine andere Wendung. Das habe ich gestern so gedacht und in mein grünes Buch notiert, dann bin ich heute morgen in die Präventionstagung der Frau Innenminister „Visionen für starke und gesunde Kinder“ aufgebrochen, die ja ganz gut zum Thema passt, nur leider hat mich meine legasthene Schlamperei übersehen lassen, daß die erst morgen ist und da kann ich nicht hin, weil ich eine Diagnostik und zwei Stunden habe.
Ja, ja, meine Leser haben schon recht, daß ich mir selbst die Fallen stellen, allerdings habe ich dadurch Zeit zum Weiterschreiben gewonnen und den Recherchetag, den ich mir gestern wieder wünschte, scheine ich vorläufig nicht zu brauchen. Und wenn ich über meine Fallen schreibe, finde ich vielleicht auch leichter hinaus.

2 Kommentare »

  1. *lach* Depressive Heldinnen sind sowas von schwammig und auf Rückzug, nix Kanten und Ecken, wenn Sie diese ausarbeiten würden in ihrer Persönlichkeit, ginge es ihnen ja besser. That’s their problem, you understand?
    Sie haben meinen Satz aus unserem mailing aus dem ursprünglichen Kontext gezogen. Macht nix. Wichtig ist für mich die Botschaft, nicht verstanden worden zu sein. Daher empfehle ich Ihnen den Thomas Wollinger und die Vicky Frysak für Ihr nächstes Romanprojekt, dort werden Sie bestimmt verstanden werden. Es kommen zu diesen qualitativen Schreibseminaren auch AutorenInnen die schon in Publikumsverlagen veröffentlicht haben, um an sich als Schreibende zu arbeiten.
    http://www.texthobel.at/schreibseminar/termine.htm
    Alles Gute weiterhin
    und Mimis Bücher schicke ich Ihnen mit der nächsten Post, die ich aufgeben muss wieder zu.

    Kommentar von JuSophie — 2011-03-09 @ 14:03 | Antworten

  2. Ja, ich weiß, daß ich Sie da ein bißchen mißbrauchte oder auch als Beispiel nahm, um aus der Schule oder meinen persönlichen Schreiberlebnissen zu plaudern, nichts für ungut, war nicht böse gemeint und ich denke auch, Sie hatten recht oder ich hatte es zumindestens so verstanden.
    Thomas Wollinger und Victoria Frysak haben in ihren Seminaren sicherlich einige Tips und Tricks, wie man aus den Fallen heraus oder gar nicht erst hineinkommen kann. Vielen Dank für die Empfehlung, ich bin ja, wie Sie wissen, eine begeisterte Leserin von Thomas Wollingers Blog.
    In diesem Fall wollte ich aber nur aus meinem Schreiballtag plaudern, vielleicht interessiert es jemanden, wie es einer im einsamen Schreibkämmerlein so geht.

    Kommentar von jancak — 2011-03-09 @ 15:42 | Antworten


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