Irgendwie habe ich, glaube ich, Aharon Appelfeld mit Hartmut Abendschein verwechselt, auf dessen Texte ich bei Christinae Zintzens
in/ad/ae/qu/at gestoßen bin, die Lesung war im Programm der Hauptbücherei angekündet und am Montag im Morgenjournal, so habe ich es mir angestrichen, dann wäre ich beinah doch nicht hingegangen, weil ich den Heinrich Steinfest Krimi auslesen oder korrigieren wollte und zweimal am Tag einen Literaturgeflüsterartikel, das geht doch nicht, bin dann doch gegangen und habe mich vor dem offenen Bücherschrank, dem man seine Beschädigung nicht mehr sehr ansieht, mit einem jüngeren Mann unterhalten, der mich fragte, ob ich mich für „Frauenliteratur“ interessierte, weil ich gerade Claudia Keller „Ich schenk dir meinen Mann“ in der Hand hielt, dabei hätte es auch Radek Knapp „Franjo“ gegeben, was ich, glaube ich, schon habe und den Fantasyroman „Die Ameisen“, den ich einmal zurückgebracht habe auf Französisch.
Als bei der Galerie Westlicht vorbeigekommen bin, in der es gerade eine Thomas Bernhard Ausstellung zu geben scheint, kam der Mann heraus, den ich immer bei Literaturveranstaltungen sehe und den ich, als es im Volkstheater die Widerstandslesungen gab, für einen Billeteur gehalten habe, er ist in die Straßenbahn eingestiegen, ich bin zu Fuß weitergegangen und in einen erstaunlich vollen Vortragesaal gekommen.
In der ersten Reihe ist Heinz Janisch wahrscheinlich neben Frau Appelfeld gesessen, der andere Platz war frei, so daß ich Glück hatte und Heinz Janisch erzählte mir, daß Aharon Appelfeld am 15. Mai in die Sendung „Menschenbilder“ kommt.
Es war eine Veranstaltung mit dem jüdischen Museum, den Rauriser Literaturtagen und dem Institut für Judaistik und Aharon Appelfeld ist ein 1932 in der Nähe von Czernowitz geborener, sehr freundlicher Mann, der aus der „Geschichte meines Lebens“ erzählte, daraus gelesen hat Robert Reinagl, den ich von den Literatur im März oder Herbst Veranstaltungen kenne, Doris Appel, die irgendwie einen ähnlichen Namen hat und eine ORF Abteilungsleiterin ist, hat moderiert und mit dem alten Herrn gesprochen, der mich schon bei der ersten Feststellung, daß er die Menschen liebe, aufhorchen ließ. Das wäre bei seiner Bigorafie nicht zu vermuten, hat er doch die Muttersprache Deutsch nur bis zu seinem achten Lebensjahr gesprochen, er entschuldigte sich auch dafür, daß er es nicht so gut könne. Er konnte es sehr gut, wenn das jiddisch darin auch nicht zu überhören war und erzählte, daß er mit seinen assimilierten Eltern sehr behütet in Czernowitz aufgewachsen ist, der Großvater war Gutsbesitzer und gläubig, die Eltern nicht, er hatte eine eigene Synagoge, wo der kleine Aharon beten lernte, ruthenisch und ukrainisch hat er auch gesprochen. Als er acht war, wurde die Mutter ermordet, er wurde mit dem Vater interniert, hat sich dann einige Jahre in den Wäldern der Ukraine durchgeschlagen, bei einer Prostiutierten gelebt, sich Kriminellen angeschlossen und in der Küche der russischen Armee gearbeitet, bevor er 1946 nach Israel kam, wo er bei Martin Buber studierte und Professor für hebräische Literatur war, spät zu publizieren anfing und eine Menge Romane geschrieben hat, die auch ins Deutsche übersetzt wurden. Doris Appel interviewte den alten Herrn, der seine Geschichte sehr freundlich und so schnell erzählte, daß Robert Reinagl mit dem Lesen gar nicht nachkam, der las dann zwei Stellen, eine wie der kleine Aharon mit dem Großvater in der Synagoge ist und nicht beten kann und dann noch eine über die Rolle der Sprache, Muttersprache Deutsch, die Kultursprache Hebraisch, wie e es nannte, die er, glaube ich, auch beim Großvater lernte, der Kafka und die Bücher von Max Brod auf Hebraisch hatte.
Doris Appel lobte den alten Herrn für sein Erzählen und meinte, daß es es in dem Buch nicht so chronologisch ist, „aber das ist Literatur“ sagte der dann bestimmt und meinte auch, daß man mit den Worten, die man von Gott bekommen hat, sparsam umgehen soll, er hat aber sehr viel erzählt und das war auch sehr interessant, weil der Name Aharon Appelfeld bisher offenbar an mir vorbei gegangen ist, er den vielen Leuten, die gekommen waren, aber durchaus ein Begriff gewesen sein dürfte, so daß es beim Büchertisch ein großes Gedränge gab.
Louis Begley, den ich vor einiger Zeit auch in der Hauptbücherei hörte und dessen „Lügen in Zeiten des Krieges“ als nächstes auf meiner Leseliste steht, ist ein ebenso charmanter älterer Mann, mit einem ähnlichen Schicksal und einer ähnlichen Bigorafie, ob es bei ihm auch so voll gewesen ist, kann ich mich nicht mehr erinnern.
2011-04-06
Aharon Appelfeld erzählt
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