Literaturgefluester

2011-04-18

Die Apothekerin

Filed under: Uncategorized — jancak @ 20:10

„Die Apothekerin“ Ingrid Nolls 1994 erschienener dritter Roman ist eine hintergründige Schilderung komplizierter Beziehungen. Die Apothekerin Hella Moormann-Graber liegt mit dem zweiten Kind, das wegen einer Anomalie der Placenta nicht austreichend versorgt wird, im Krankenhaus und erzählt, wie Scheherazade dem Sultan, um ihre Angst zu übertönen, ihrer krebskranken Zimmernachbarin Rosemarie Hirte ihr Leben und damit hat sie viel zu tun.
Ist sie ja die Tochter einer gerne Fleisch essenden Mutter und eines vegetarisches Vaters, sein Vater, ein Nazi hat im dritten Reich Behinderten Gift in die Königsberger Klopse gemischt und das übergebliebene seiner Enkeltochter in einem Blumentopf vererbt, die schon frühzeitig lernte, Liebe durch Leistungen zu erkaufen, so daß sie sich als Studentin zu lauter Süchtlern, Kranken, Neurotikern hingezogen fühlte und später bei einem Levin landet, der sein Zahnmedizinstudium abbricht, ihr einen Autokauf und einen Kater aufschwatzt und sie mit seinem geizigen Großvater zusammenbringt, den er gern beerben will. Der erleidet auch eine Herzattacke, wird aber wieder gesund und droht Levin zu enterben, so daß er auf Hellas Gift zurückgreifen muß und ess dem Opa ins Gebiß gipst. Am Schluß ist die brave Hella die Erbin, muß Levin aber heiraten und der setzt ihr seine Freundin Margit und den vorbestraften Dieter ins Haus. Hella, die ja eigentlich nur einen Mann und viele Kinder versorgen will, fühlt sich von der ehemaligen Haushälterin verdrängt, so daß sie sie zum Fensterputz animiert und sie als stolpert, ausläßt, so daß sie deren Tod leider nicht verhindern kann. Levin verschwindet vorübergehend, Dieter weiß Hella sanft zu trösten, so daß sie schließlich schwanger wird und nicht sagen kann, wer der Vater ihres Kindes ist, beide Männer stürzen sich darauf, obwohl sie Hella vorher um Geld betrogen haben. So kommt es zu Weihnachten zu einer Schlägerei, Levin werden vom gewalttätigen Dieter die Zähne ausgeschlagen, Dieter greift zum Messer, bedroht Hella und Pawel, das ist einer ihrer Kunden, ein wahrer Traummann und ganz nach ihrem Geschmack, nur leider hat er nicht nur zwei Kinder, die er treu versorgt, sondern auch eine psychotische Ehefrau namens Alma, die die meiste Zeit zwar in einer Klinik verbringt, probehalber aber entlassen wird, als Hella ihre beiden Männer in den Oberstock verbannt hat und mit Pawel und den Kindern, der inzwischen seine Wohnung verloren hat, im Erdgeschloß lebt.
Alma, die nostalgische Kleider trägt, sich laut Hella, wie ein verwöhntes Kind benimmt, sich von ihr bekochen läßt und ansonsten zu den Männern im Oberstock fernsehen geht, zündet schließlich das Haus an, so daß Hella schließlich Dieter und Levin Geld für einen Autohandel vorstreckt, sich mit Pawel Kolja, Lene, dem kleinen Niklas und dem Kater Tamerlan, in ein Haus im Weinberger Nibelungenviertel zurückzieht und von ihnen im Krankenhaus, während sie auf Mariechens Geburt, die das Kind von Pawel ist, wartet, besucht wird.
Am Ende ist alles gut, nur Hella bei ihren bürgerlichen Eltern unten durch, „da sowohl Pawel als auch sie weiterhin verheiratet sind, allerdings nicht miteinander“, nur gut, daß Rosemarie Hirte, bevor sie, da ihr Krebs geheilt ist, entlassen wird, den erlösenden Rat gibt, Alma das restliche Gift des Nazi-Großvaters in die Pfeffer Streichwurst zu mischen. Hella wird zwar fortan Vegetarierin, aber sonst ist alles bestens…
Eine hinterfotzige Schilderung der heilen Welt, der 1935 geborenen Ingrid Noll, die zuerst ihre Kinder aufzog, dem Arztgatten in der Praxis half und 1990 mit „Der Hahn ist tot“, erfolgreich wurde. Das Buch, habe ich, wie die „Apothekerin“ im Bücherschrank gefunden und werde es demnächst lesen. Rosemarie Hirte kommt dort ebenfalls vor, beziehungsweise spielt sie dort die Hauptrolle und eine Ingrid Noll Verfilmung habe ich einmal im Kono gesehen, ob das „Der Hahn ist tot“ oder ein anderes Buch war, weiß ich nicht mehr, werde es aber vermutlich herausbekommen. Inzwischen sind weitere hintergründige Krimis von ihr erschienen, in denen biedere Frauen ihre Ehemänner auf unkonventionelle Weise morden. Im Leipzig habe ich sie einmal Lesen gehört, der letzte Noll Roman heißt „Ehrenwort“ und geht, glaube ich, um Sterbehilfe.

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