„Der kälteste Winter“ von der 1923 geborenen Paula Fox „Erinnerungen aus dem befreiten Europa“ oder „Eine Fahrt in Herz der Finsternis“, wie auf der Buchrückseite steht, sind seine Reihe von Texten, die eine Reise auf einem notdürftig umgebauten Kriegsschiff nach Europa schildern, wo die dreiundzwanzigjährige Paula Fox einen Winter in London, Paris, Warschau und Spanien verbringt. Geschickt und beauftragt wurde sie von einer Nachrichtenagentur. Die Reise scheint sie sich als Kellnerin in einem Ferienhotel im Frühjahr 1946 in den Catskills verdient zu haben und die Geschichten erst viel später, der Band ist 2005 in der Originalausgabe erschienen, zusammengestellt zu haben. Beginnen tut es in New York, wo Paula Fox geboren wurde und die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte, mit einer Schilderung von Begegnungen mit Menschen „deren Namen heute zum Teil auf berühmten Grabsteinen stehen.“ Duke Ellington zum Beispiel oder Billie Holiday, die „in einem Jazzclub auf der zweiundfünfzigsten Straße auf einem Barhocker saß und sie bat „Schätzchen wärst du so nett?“ ihren Pelzmantel aufzuheben, der ihr von den Schultern gefallen war.“ Es gibt dann auch ein Bild von Billie Holiday im Pelzmantel im Buch und das ist in verschiedene Kaptitel geteilt, die von New York nach Europa und wieder zurück führen.
So kommt sie mit dem umgebauten Kriegsschiff 1946 zuerst nach London, wo sie bei drei Ehepaaren wohnt, von denen eines ein Kind hat, das die berühmte Schule von Summerhill besucht. Paula Fox arbeitet bei einen Verleger und sieht Manuskripte durch, obwohl sie keine Arbeitserlaubnis hat und so auch einmal Besuch von der Polizei bekommt. Es gibt ein Foto vom zerstörten Straßenverkehr Londons. Dann geht es nach Paris, wo auf den Champs Elysees vor kurzem noch die schwarzen Nazistiefeln entlangmarschierten. Die Französinnen versuchen jedoch schon wieder unbekümmert ihren Beschäftigungen und Besorgungen nachzugehen. Sie trifft kurz Jean Paul Sartre und einen Mann, der die Schaflederjacke trägt, die ihn drei Jahre im KZ wärmte und wird, als sie wieder in London ist von der Nachrichtenagentur mit einem Flugzeug nach Prag und von dort im Zug nach Warschaugeschickt, weil sie nur eine kleine Journalistin ist, die bedeutenderen dürfen direkt in das zerstörte Warschau fliegen, sie wird auch vor dem kalten Winter gewarnt und darf in einem der drei noch existierenden Hotels wohnen, wo man nur einmal in der Woche baden kann und auch nur, wenn einem zuvor das Stubenmädchen das heiße Wasser nach oben schleppt und in die Badewanne lehrt. Sie reist mit den anderen Journalisten herum und erfährt, daß niemand öffentlich von den Juden spricht. Mrs Helen Grassner ist aber eine davon und empfindet Schuldgefühle, daß niemand von ihrer Familie umgekommen ist und hat Schwierigkeiten mit dem Jungen mit dem Holzstumpf, der vor dem Hotel steht und Zeitungen verkaufen will und die, die sie nicht kaufen, mit dem Holzstumpf ins Schienbein tritt.
Dann geht es in ein ehemaliges Jagdschloß eines preußischen Adeligen im Tatragebirge, das die polnische Regierung in ein Erholungsheim für Kinder aus Konzentrationslagern umgebaut hat, bevor Paula Fox zu einem siebzigjährigen Onkel nach Spanien fährt, der mit dem Philosophen Ortega y Gasset befreundet war. Der Onkel hat einen Hund, der Perlita heißt, den er mit Knoblauch aufzog und hatte Schwierigkeiten mit General Francos Polizei, weil er in einem Brief an seine Schwester in Amerika der Hoffnung Ausdruck gab, bald vom Faschismus erlöst zu werden. Leider zeigte ihn eine junge Cousine aus Cadiz an, so daß er verhaftet und gefoltert wurde, trotzdem ist Paula Fox sehr traurig, als sie nach Amerika zurückkehrt und nicht sicher, ob sie nicht in Europa bleiben hätte sollen.
Das letzte Kapitel heißt „Astronomiestunde“ spielt wieder in Amerika und in den Fünfzigerjahren, da ist Paula Fox Lehrerin in einem Heim für schwer erziehbare Jugendlichen und fährt mit einem solchen Jungen, der sich für Astronomie interessiert, zur Columbia University um ihm ein Teleskop zu zeigen. Das spannt wieder den Bogen von den Jugendlichen in Amerika zu denen in dem Erholungsheim an der Tatra und zu den Erfahrungen, die sie zehn Jahre zuvor im zerstörten Europa machte.
Das Buch mit den Geschichten des kältesten Winters, die Paula Fox „von den Ketten befreite, von deren Fesseln sie gar nichts ahnte“ ist sicher sehr interessant, wenn auch vieles nur kurz angerissen wird und daher vage und schwer verständlich bleibt, dennoch passt es wahrscheinlich das Buch am Karfreitag zu lesen.
Von Paula Fox, die, wie Wikipedia schreibt, lange Zeit vergessen war und heute als eine Klassikerin der Modere gilt, habe ich, 2002 das erste Mal gehört, als ich auf der Frankfurter Buchmesse auf eine Lesprobe ihres Buches „In fremden Kleidern – Geschichte einer Jugend“ stieß. Bei Beck und bei dtv sind ihre Bücher erschienen. Von den „Kalfornischen Jahren“ habe ich auch etwas gehört, gelesen habe ich bis auf diese Kriegserinnerungen noch nichts von ihr, glaube aber, daß ich vor kurzem erst auf eine Rezension von oder über sie gestoßen bin. Hat doch Bernadette Conrad 2011 bei Beck „Die vielen Leben der Paula Fox“ herausgebracht, ebenso ist 2011 der Band „Die Zigarette und andere Stories“ erschienen.
2011-04-22
Der kälteste Winter
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