Obwohl der Samstag vor Muttertag und die SPÖ in St. Pölten auf dem Riemerplatz vielleicht kleine Blumenstöckchen verteilt, habe ich mich entschlossen nach dem Frühstück, Cornflakes mit Banane und Erdbeeren, was es in Harland öfter gibt, im Bett mit der Plauderei zu beginnen und den Alfred nicht in der Stadt auf einen Kaffee zu treffen, obwohl es um das literarische Leben der Eva Jancak im Moment eigentlich sehr still ist. Zwar bin ich fleißig wie zuvor und trödle beim Korrigieren der „Zwillingswelten“ auch nicht allzusehr herum, obwohl es nur langsam weitergeht, aber das ist gut, denn ich denke, das lehrt den Kopf und verringert die Gefahr, sich beim nächsten Buch zu sehr zu wiederholen. Ein bißchen schwierig ist ist ja diesmal, da der erste Teil so lang ist, so wird das eine Endloskorrektur, während ich den „Friedhof der ungeleseen Bücher“ und „Evelina Hahnenpichlers Katze“ kaum noch durchgeschaut habe. Trotzdem habe ich mich schon, um die Beschreibung gekümmert, zuerst Thomas Wollinger gefragt, dem es dann doch zu viel war und dann E.A. Richter, der mich immer so nett zu seinen Lesungen einlädt. Ich habe ja an sich kein Problem mir die Texte selbst zu schreiben, das hat auch den Vorteil, daß sie dann genauso sind, wie ich sie will, andererseits ist es vielleicht gut gelegentlich einen bekannteren Namen zu haben, der zum Lesen verlockt und die Sicht der anderen ist ja auch sehr interessant.
Eine Vorschau der „Absturzgefahr“ habe ich schon vorige Woche gegeben und finde das „Wolkencover“ das der Alfred während eines Betriebsausflugs aus dem Bus fotografiert hat, besonders schön. Ansonsten geht es auch da nicht so schnell, da sich der Alfred den Text noch ein zweites Mal durchsieht, es mit der Leseprobe auf der Homepage also noch dauern wird.
Von den Lesungsrückgängen habe ich schon berichtet, als ich am Dienstag von der Muttertagsjause zurückgekommen bin. Die Volksstimmeanthologie 2010 dauert diesmal auch besonders lang, die von 2009 war ja schon im November fertig und wurde schon in diesem Jahr präsentiert und bei dem Text, den ich nach einigen Zögern doch für „Landstrich“ geschrieben habe, habe ich auch eine (sehr liebe) Absage erhalten, vielleicht war der Text zu politisch.
Sonst gibts ein bißchen was erfreuliches, nämlich zwei Gewinne. Nachdem ich „Diesseits von Eden“ gewonnen habe, habe ich mich bei Dietmar Füssels Gewinnspielen nicht mehr beteiligt, um nicht zu lästig zu sein, er hat mich aber aufgefordert wieder mitzumachen, so daß ich beim dritten Anlauf eine „Log“ gewonnen habe und bei FixPoetry an dessen wöchentlichen Gewinnspielen ich mich auch gern beteilige, habe ich zweisprachige Gedichte deutsch/türkisch von Gerrit Wustmann „Bejoglu Blues“, die einen Streifzug durch Istanbul, darstellen gewonnen. Das Buch ist sogar schon gekommen, so daß ich es mit dem anderen Gedichtband, den ich vor einem Jahr bei FixPoetry gewonnen habe, demnächst lesen werde. Meine Hundertbücherleseliste ist zwar schon bis Platz 94 verplant, so daß ich, wenn ich mir die restlichen sechs Stück für eventuelle Belegexemplar aufhebe, erst im nächsten Jahr dazu komme, aber dafür habe ich schon eine neue Liste im Computer, da sich, weil ich regelmäßig zu den Bücherkästen kommen, schon einiges Interessantes angesammelt hat. Die Ungeduld das zu lesen z.B. Hans Lothars „Der Engel mit der Posaune“, Lotte Ulbrichts „Lebenserinnerungen“ oder was zum Thema Türkisch passt, die Erzählungen von Seher Cakir „Zitronenkuchen für die sechsundfünfzigste Frau“, das ich mir schon vor fast zwei Jahren von Christa Stippinger erschnorrte, ist zwar da, da ich aber eine sehr disziplinierte Menschin bin, halte ich mich an die Leseliste, die gibt auch Struktur, man kann nichts vergessen und aufmerksame Leser werden es bemerken, ich bin sehr gut unterwegs, so daß das hundertste Buch vielleicht schon im November gelesen ist und daß ich dann, weil ich mich wahrscheinlich sovieso mit dem Leben der zweiten Gernerationstürkin Sevim Aktan oder so beschäftigen werde, ohnehin gerne türkische Geschichten oder Gedichte lesen werde. Was die türkischen Übersetzungen betrifft, gibt es einen Uralt-Erfolg zu vermelden, hat ja Lale Rodgarkia-Dara einmal für eine Fernfahrer-Aktion, die sich dann auf zweisprachige Einkaufssackerl beschränkte, Sätze gesucht, so daß ich einen aus „Der Reise nach Odessa“ hingeschickt habe. Auf dem Sackerl ist er zwar nicht, aber im Internet, wie ich kürzlich entdeckte, zu finden. Man kann mich also nicht nur auf Hindu, das Literaturgeflüster in google-Übersetzungen, sondern sogar auf Türkisch lesen.
Von Lale Rodgarkia-Dara gibt es noch zu vermelden, daß sie gestern im Literaturhaus war, da wollte ich eigentlich hingehen und sie für die „Mittleren VI“ einladen, wir sind aber schon am Freitag nach Harland gefahren und ich muß nicht überall hingehen, drei Literaturveranstaltungen pro Woche sind ohnehin genug. So habe ich Katharina Hackers „Die Habenichtse“, ein berühmtes deutsches Buchpreisbuch, das vom Flohmarkt von Alfreds bibliophiler WU-Kollegin stammt, angefangen im Badezimmer liegen lassen. Auf der Harlander Leseliste würde jetzt Ralf Rothmanns „Der Windfisch“ stehen, aber ob ich dazu komme, das an- bzw. auszulesen, ist fraglich, da ich ja in Harland Radfahren möchte, zu korrigieren habe und wir morgen wieder auf die Rudolfshöhe gehen.
Die deutschen Bücherbloggerinnen haben aber wieder einen Lesemarathon ausgerufen, wie ich Dark Angel Mira, deren Blog ich derzeit für den besten, wegen seiner erfirischenden individuellen Art halte, entnehme, die sich gerade mit einem Buch auf der Coach befindet.
Ein solcher Lesemarathon schwebt mir ja auch immer vor plane ihn, wenn mich mit den „Zwillingswelten“ fertig bin, ein. Ja und bezüglich der Aktion „Buchkauffrei“ bei der Dark Angel Mira auch mitmacht, gibt es zu vermelden, daß ich, als ich am Dienstag zum Psychologen Jour fixe bei der Silvia gegangen bin, bei „Bücherlandung“ schon einen Stoß ein „Euro Bücher“, darunter einiges Litetraturwissenschaftliches und Imre Kertez Nobelpreisrede, in Händen hielt, die ich dann nicht zur Kassa trug, sondern zurücklegte.
Die Bücherliste habe ich inzwischen im Sinne einer möglichen „Die Frau auf der Bank“ – Recherche auch ergänzt.
2011-05-07
Wochenendgeflüster
2011-05-06
Der Mann mit dem Hut
Joseph Zoderer ist auf Fotos meist mit einem schwarzen Hut abgebildet und gilt als einer der bekanntesten Südtirolerautoren. Als ich 1996 in Klagenfurt beim Bachmannpreislesen zuhörte, habe ich mir in einer Libro Abverkaufskiste „Das Schildkrötenfest“, ich glaube um fünfzig Schilling gekauft und gelesen. Erinnern kann ich mich nicht mehr sehr daran, für mich galt Zoderer aber immer als Autor mit Kultcharakter ähnlich, wie Norbert C Kaser, gesehen habe ich ihn aber noch nicht. Jetzt ist bei Haymon das achtzehnte Buch, der Roman „Die Farben der Grausamkeit“ erschienen, das am Mittwoch im Literaturhaus Graz, am Donnerstag in der Alten Schmiede vorgestellt wurde und vorigen Freitag bei den „Beispielen“ im Radio war. Die Südtiroler Autoren haben offenbar eine große Lobby, so sah ich, als ich in die Alte Schmiede kam, Robert Huez in Zeitschriften blättern und Hannelore Kofler ist ein paar Plätze neben mir gesessen. Sabine Gruber habe ich gesehen und noch einen Autor, dessen Namen mir jetzt nicht einfällt. Der Lehrer, der aus Retz zu den Literaturveranstaltungen gefahren kommt und sich die Bücher signieren läßt, sagte mir, daß man ihm in seiner Buchhandlung von dem Roman abgeraten hätte, weil wieder eine Beziehungsgeschichte eines älteren Mannes, also das, was ich immer Gustav Ernst unterstelle.
Kurt Neumann bezog sich in seiner Begrüßung gleich darauf und beschrieb „Die Farben der Grausamkeit“, als großes Epos eines Mannes mit schrankenlosen Liebesverlangen und starker Sinnlichkeit als Daseinsberechtigung, Joseph Zoderer widersprach dem zwar am Ende der Veranstaltung, als eine junge Frau wissen wollte, ob es in dem Buch jetzt um Liebe oder den Eros geht?
„Das ganzen Themen der Literatur bestehen aus der Leben und dem Tod!“, antwortete er enthusiastisch, beklagte die Mißverständnisse seiner Rezensenten, begrüßte seine erste Frau, die im Publikum saß und scheint ein sehr extrovertierter Charakter zu sein. Jedenfalls hat er viel erzählt, einen schwarzen Hut hat er auch aufgehabt und eine weiße Jacke getragen. Oliver vom Hove, der eingeleitet hatte, sprach auch von Superlativen, der am jüngsten aussehende Fünfundsiebzigjährige, der berühmteste Südtiroler Autor und erzählte von einem Geburtstagsfest in Bruneck, das von Peter Handke, Gerhard Rühm, Pazul Nizon, Peter Estherhazy, Robert Schindel, Robert Menasse etc ausgerichtet wurde. Er erzählte auch ein bißchen vom Lebenslauf, in Graz aufgewachsen, in Wien studiert, Gründungsmitglied der Kronenzeitung, was dem Journalisten in der ersten Reihe ein bißchen irritierte, bzw. zu weiteren Fragen veranlaßte, mit dem Roman „Die Walsche“ berühmt geworden, etc.
In „Die Farben der Grausamkeit“ , wie es zu dem Titel kommt, habe ich aus der Lesung nicht herausgekommen, geht es um einen Mann zwischen zwei Frauen, Richard, ein Journalist, der mit Selma und zwei Buben in einem Haus lebt, bzw. dieses baut, ihnen vom Einkaufen Süßigkeiten oder Spielsachen mitbringt, es gibt sehr schöne Naturbeschreibungen, aber auch eine Redaktionspraktikantin namens Ursula, die er zum Spaghettikochen in seiner Wohnung auffordert und „da hat sie ja gesagt“, sie essen sie mit viel Parmesan und grünen Salat. Richard wird dann noch zum Auslandskorrespondenten befördert, so kommt er 1989, als die Mauer fiel nach Berlin, erlebt dort den Umbruch und trifft Ursula, die plötzlich Miguela heißt und Spanisch spricht, wieder. Das habe ich auch nicht so verstanden, aber Zoderer sagte ja, daß er quergelesen hat, so daß man vieles nicht mitbekommen wird. Oliver vom Hove sprach dann von einem Sog, der bei der Lesung nicht so deutlich wurde, verglich Richard mit Odysseus und sprach von der Irrfahrt, die dieser macht, bis er zu Frau und Hund nach Hause kommt und Joseph Zoderer erzählte, daß er im November 1989 in Berlin gewesen ist, den Roman aber verdichtet hätte, um die Handlung zusammenzubringen.
In der Diskussion erkundigte sich der Herr in der ersten Reihe, wie schon erwähnt nach der Kronenzeitungsgründung, die Joseph Zoderer, der in Wien als Gerichtberichterstatter gearbeitet hat, sehr launig darzustellen wußte, es gab dann noch einen Band mit politischen Gedichten. Die Südtirolfrage spielt laut Wikipedia in seinen Werken auch eine große Rolle und ich habe eine Südtiroler Legende persönlich kennengelernt, um mich ebenfalls in Superlativen zu üben nach in Bruneck, wo Joseph Zoderer laut Wikipedia eine Schreibwohnung hat, bin ich gelegentlich während der Schiwochen in Obergail gekommen und bin dort, da ich keine Schifahrerin bin, sehr lange und sehr intensiv in der großen Buchhandlung gesessen, wenn ich vom Spazierengehen schon erfroren war.
2011-05-05
Aus der schönen neuen Welt
Die schöne Welt ist gar nicht so neu, gibt es Günter Wallraffs „Expeditionen in die Arbeitswelt“, seine verdeckten Vermittlungen und Enthüllungsjournalismus doch schon seit vierzig Jahren und es war auch nicht so einfach sich zu entscheiden, gab es doch ein anderes durchaus aktuelles deutsches Parallelprogramm, nämlich Heinrich Steinfests Stuttgart 21 Krimi „Wo die Löwen weinen“ in der Hauptbücherei und da ich mir den literaturcafe.de podcast in seinen sechzehn Folgen durchaus intensiv gegeben habe und ja auch „Den Mann der den Flug der Kugel kreuzte“, vor kurzem gelesen habe, wollte ich mir das eigentlich geben. An Günter Wallraff kommt man aber nicht so leicht vorbei, wurde ich doch durch die sehr intensiven Spaziergänge in denen der duftende Doppelpunkt seine zweite Arbeitswelt Anthologie vorbereitet, auf ihn aufmerksam, da er ja auch zu dieser Gruppe 61 gehörte, die in Deutschland, die Literatur der Arbeitswelt förderte. Jetzt ist das realistische Schreiben ja wieder ein bißchen unmodern und der Fischer TB hat seine Reihe Literatur der Arbeitswelt mit seiner Millionenauflage inzwischen eingestellt und den Max von der Grün und den Luitpold Stern Preis, die beiden österreichischen Initiativen, gibt es ebenfalls nicht mehr, Günter Wallfraff aber schon. Als ich am Sonntag vom Parlament zurückgekommen bin und bevor wir uns auf die Mayday Parade der Prekären machten, habe ich ein Stückchen Ö1 Quiz gehört und das war lustig, denn da erklang gerade die „Internationale“ aus dem Radio. Das Kulturquiz hat nach Günter Wallraff und Marie Jahoda gefragt und darauf hingewiesen, daß er am Mittwoch bei den Wiener Vorlesungen ist. Da hatte sich dann mein Bauch entschloßen hinzugehen, aber als zu Mittag das Programm bekanntgegeben wurde, wurde gesagt, daß im „Tag zu Tag“, nicht Günther Wallraff ist, da sein Flugzeug einen Schaden hatte, also habe ich beim Kulturamt angerufen, ob die Veranstaltung stattfindet und mir, als ich vor sechs weggegangen bin, um einen Platz zu bekommen, das Programm der Hauptbücherei eingesteckt, denn wenn es doch ausfällt, könnte ich ja….
Vor halb sieben war ich schon im Rathaus, konnte mir den Platz aussuchen, bin sehr prominent in der Mitte der zweiten Reihe gleich hinter den reservierten VIP Plätzen gesessen und konnte die Vorbereitungen der Kameraleute beobachten. Susanne Brandsteidl, die Wiener Stadtschulpräsidentin saß mit einem alten „Aufmacherbuch“ in der Hand vor mir und wenn ich nicht irre, ist Franz Küberl neben ihr gesessen. Es war sehr voll. Hubert Christian Ehalt hat eingeleitet und ein langes Gespräch mit Günter Walfraff geführt, der 1942 geboren wurde. Er war ein schlechter Schüler, erzählte er, machte eine Buchhändlerlehre, las Brecht und den frühen Böll und schrieb auch schon ein paar Gedichte, dann verweigerte er den Wehrdienst, wurde psychiatrisiert und als abnorme Persönlichkeit entlassen. Das ermutigte ihn in die verschiedensten Unternehmen zu gehen und mit seinen Aufdeckungen zu beginnen, der falsche Name und die Verkleidung haben sich dabei ganz zufällig ergeben. Einige seiner Bücher sind sehr berühmt geworden und haben Millionenauflagen erreicht. Ich erinnere mich, daß ich mir, als ich 1977 in die Otto Bauergasse zog, mir auch die gerade erschienene Bild-Zeitung Enthüllung „Der Mann, der Hans Esser war“ gekauft und begierig gelesen zu haben. „Ganz unten“ und die „Industriereportagen“ habe ich auch. Bei einem blauen Sofa in Frankfurt ging es um das Buch oder den Film „Schwarz und weiß“, wo Günter Wallraff in die Maske eines Schwarzen schlüpfte und eine Wohnung mieten, einen Jagdgewehrschein machen und eine Uhr kaufen wollte“.
Stücke aus dem Film wurden auch gezeigt und Günter Wallraff las ein Stück aus einem Buch, wo es um die Bäckerei ging, die Lidl zuliefert und gab eine ausgezeichnete Analyse der deutsch österreichischen Gesellschaft und erklärte was sich seit dem Fall des Kommunismus verändert hat. Seither ist die Schere noch mehr auseinandergegangen, es gibt die reiche Oberschicht und die prekären Arbeitsverhältnisse, Hartz IV, bzw. die Gerneration Praktikum. Einen Stammtisch der habilitierten Pizzafahrer, Mobbing bei den Betriebsräten und einen Film darüber, von dem noch nicht ganz klar ist, ob er am 11. Mai im Fernsehen gezeigt werden kann. Denn es gibt auch viele Prozesse. Die Publikumsdiskussion war ebenfalls sehr intensiv, eine Allgemeinmedizinerin aus dem Süden Wiens erzählte von der Hoffnungslosigkeit ihrer arbeitslosen Burn Out Patienten, eine Frau erkundigte sich nach der Diskriminierung der Älteren und der Frauen. Günter Wallraff sah die Hoffnung in der Quotenregelung und in einer verbesserten Bildung, aber wir haben ja eine ÖVP, die strikt gegen die Gesamtschule ist, die die Gesellschaft vielleicht vermischen könnte.
In der Presse gibts auch eine vierseitige Beilage, so daß man all das nachlesen und daß die neue Arbeitswelt nicht sehr schön ist, habe ich auch schon bemerkt und ich schreibe auch darüber. Die Privatisierung der Post fällt mir dazu noch ein, die die unkündbaren Beamten in den sogenannten Pool steckt und sie dann mittels Jobcoachs oder Trennungsberatern zu einer Umschulung als Horterzieher bewegen will. Ganz schön kompliziert die neue Arbeitswelt. Günter Wallraff lobte das Internet als neues Aufdeckungsinstrument und machte einen sehr sympathischen Eindruck, als er beim Büchertisch seine Bücher signierte. Der Bibliothekar, den mir Ruth Aspöck einmal vorstellte, stand beim Ausgang und drückte mir die Einladung zu „Wir rufen auf! Penner, Fleischwölfte und anderes arbeitsscheues Gesindel“, die zweite duftende Doppelpunkt Anthologie, die nächste Woche, leider parallel mit der Festwocheneröffnung, in der AK Bibliothek vorgestelt wird in die Hand. Ottwald John gab mir eine Einladung für das Theater in der Drachengasse.
2011-05-04
Fünf-Sterne-Kerle inklusive
Das nächste Chick Lit aus dem Bücherschrank stammt von Gaby Hauptmann und da habe ich, glaube ich, einmal bei libromanie gelesen, daß eine Kundin zu ihr in die Buchhandlung kam und von der großen bzw. spannenden Autorin schwärmte.
„Der neue Beststeller“ steht auf dem Cover und ich habe von der 1957 geborenen Autorin noch keinen anderen Roman gelesen, habe von ihr aber das Buch „Mehr davon – Vom Leben und der Lust am Leben“, eine Art Biografie „mit zahlreichen Fotos“, das in in den Schachteln lag, die der Buchhändler in Edith Broczas Haus, nach dem er sein Geschäft sperrte, ihr in den Hauseingang stellte. So habe ich mich in das Leben und das Werk der offenbar sehr beliebten Bestsellerautorin schon mal eingeblättert und der Roman ist sehr spannend geschrieben und gibt auch ein paar realistische Einblicken in das Leben Anfang dieses Jahrhunderts.
Da gibt es ein Reisebüro, das offenbar die Kosten für ein teures Fotomodell sparen will und so dem ersten hübschen jungen Mädchen, das sich nach einer Wintersportreise erkundigt, einen Brief ins Haus schickt, daß sie bei einem Preisausschreiben eine Woche Aufenthalt in einem Luxushotel in Zürs am Arlberg, Leihschi, die Anfahrt und noch ein paar Hüttengutscheine gewonnen hat.
Das hübsche junge Mädchen ist die dreiundzwanzigjährige Kathrin Hübner aus Stuttgart, die ohne Abitur bei Schlecker an der Kasse schuftet, bei einer Tante wohnt und einen Freund namens Ronny hat, der rein rot gemustertes Kopftuch und einen Ohrring trägt.
Dankenswerterweise sind in dem Buch die wichtigsten Personen am Anfang aufgelistet und so kann es los gehen. Kathrin bekommt von der Tante fünfzig Euro zugesteckt, kleidet sich im Secondhandladen schick ein und steigt in den Bus.
Ein paar bissige Bemerkungen über die Österreicher kommen auch, so wird irgendwo behauptet, daß der österreichische Kaffee schlechter, als der deutsche ist, dabei machte ich mich doch in meinen Texten immer über den deutschen Kaffe lustig, bevor das Cappuccino und das Caffe latte Zeitalter kam.
Lesen keinen Österreicherinnen Gaby Hauptmann und regen die sich dann nicht auf? Nun gut, die schöne Kathrin kommt in das Luxushotel und trinkt sich die nächsten Tage einmal in den Hütten durch, gibt es dort doch eine Reihe Luxusmänner, die zwar Frauen haben, aber offenbar eine Wette abschlossen, wer das Reisebüromodel ins Bett bekommt. Kathrin ist auch eine sehr gute Schifahrerin, schließlich kommt sie vom Schwarzwald her und will sich auch nicht lumpen lassen, so investiert sie einige ihrer Gutscheine in die Luxusweißweinflaschen, die die Runde ständig trinkt, obwohl sie von den Mathiasen, Jans, Olivers etc gern eingeladen wird.
Sie bekommt auch einiges mit, so die blonde Barbie die sich von ihrem reichen alten Mann total umoperieren ließ, den nackten Mann im Zimmer eines anderen, rennt auch selbst mal nackt durch die Hotelgänge, legt ihr doch jemand handgeschriebene Gedichtchen ins Zimmer und ein anderer will sie mit einem schönen Schmuckstück kaufen, im letzten Jahr hat er die Gewinnerin mit einem Auto gewonnen.
Aber Kathrin ist nicht blöd, so bestellt sie ihre vier Verehrer in Bermudashorts, um zwei Uhr nachts mit je einer Flasche Champagner in den Keller und wird dafür von ihnen ausgezogen und in den Schnee geworfen. Eingeschneit wurde sie auch und ihr Freund Ronny, der sie, eifersüchtig geworden, besuchen will, schafft es nur in den Gemeindekotter, dafür soll sie für den Staatsanwalt Jan einen Koffer mit seinem vergessenen Laptop nach Zürich bringen, dafür handelt sie sich heraus, darf sie eine Woche mit Ronny im Residenz wohnen, weil sie aber, wie im Beschreibungstext steht, von der jungen Schulabbecherin innerhalb einer Woche zu einer Frau reift, die weiß was sie will und ihren Nutzen daraus zu ziehen versteht“, löst sie den Code des Sicherheitsschloßes und findet statt einen Laptop fünf Millionen Schmiergeld im Koffer, so daß die schöne Junge Frau mit ihren übergebliebenen Gutscheinen, die offenen Rechnungen hat das Haus übernommen und die Fototermine sind wegen der Wetterlage auch in den Schnee gefallen, in Zürich in der Bahnhofstraße eine Bank betritt und selbstbewußt „Ich möchte gern ein Konto eröffnen!“, sagen wird. Ihr Abitur wird sie auch nachholen, studieren und bei Ronny bleiben.
Von Gaby Hauptmann habe ich inzwischen auch noch die beiden anderen Bestseller „Die Meute der Erben“ und „Frauenhand auf Männerpo“ gefunden.
2011-05-03
Muttertagsjause und Lesungsreduktionen
Seit einigen Jahren werde ich von der Bezirksvorstehung Mariahilf, wo wir früher wohnten, zu den Muttertagsfeiern eingeladen und war auf diese Art und Weise zweimal im Haus des Meeres, einmal habe ich eine Schiffsfahrt versäumt und heute gabs eine Muttertagsjause mit einem Konzert von Clown Enrico Heinz Zuber, der auch schon siebzig ist, im Pensionistenwohnhaus am Loquaiplatz, ein heiterer nostalgischer Nachmittag zum Nachdenken, Mitsingen und Gesundlachen mit Melodien aus der Kindheit. Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann begrüßte wieder alle Frauen, ganz egal, ob sie Mütter, Imas oder Stiefmütter sind, Elisabeth Zoumboulakis-Rottenberg, die ich bei einer dieser Gelegenheiten kennenlernte, habe ich nicht gesehen und ich war wiedermal die Jüngste, aber die zwei bisherigen Muttertagsfeiern, die ich erlebte, haben mich nicht nur sehr beeindruckt, sondern waren auch literarisch höchst produktiv.
Kann ich mich doch erinnern, daß ich an einem schönen Nachmittag vor drei Jahren, einen Befund habe ich unfertig am Schreibtisch liegen lassen, um nicht zu spät zu kommen, einige Stunden im Haus des Meeres herumgekraxelt bin, die Stiege hinauf zum Aussichtsplateau, zum Krokohaus, wo die kleinen Äffchen kokettierten, zum Haifischbecken und zurück. Im Sommer darauf ist dann eine Szene der „Radiosonate“ entstanden, die sich genau darauf bezieht. Natalie bekommt in der Schule einen Ferienpass mit freien Eintritt in das Haus des Meeres und beschließt sich jeden Tag mit ihrer Liebe Patrick dort zu treffen, macht ihre Begegnungen mit den kleinen Äffchen, tauscht den ersten Kuß und entdeckt ihre Mutter mit Boris Alkemirov im Wintergarten. Im vorigen Jahr, als es wieder in das Haus des Meeres ging, habe ich der Bezirksvorsteherin bzw. Elisabeth Zoumboulakis-Rottenberg das Buch dann mitgebracht, bin aber vorher im Esterhazypark gesessen, habe während ich auf den Eintritt wartete in den Gratiszeitungen „Heute“ oder „Österreich“ geblättert und dabei einer Kindergartengruppe zugesehen, die offenbar auch auf dem Weg ins Haus des Meeres war, aber vorher von den Kindergärtnerinnen mit Sunkist -oder Kakaopackungen und Knabberstangen gefüttert wurden und als ein Stück davon auf dem Boden fiel, so daß sich die Tauben darauf stürzten, von einer Englisch sprechenden Kindergärtnerin mit „This is no food for birds“ belehrt wurden. Das habe ich dann die Fritzi Jelinek im Burggarten beobachten lassen, während sie Harald Hoffmanns fünf Generationenroman coacht und ein Mail von Jan bekommt, daß er seine Hochzeitsreise nun doch nicht nach Wien machen wird. Das wird man bald auf meiner Homepage lesen können. Die Vorankündigung gibt es schon, das Buch noch nicht, so daß ich diesmal nichts zum Mitbringen hatte und ich habe höchst wahrscheinlich auch keine neue Impression mit nach Hause genommen, obwohl der Kuchen gut war, die Erinnerungslieder sehr nostalgisch und das Ambiente eines Pensioneistenheimes, auch wenn ich mich dort nicht anmelden will, sicherlich sehr produktiv, bzw. habe ich ja in der „Begrenzten Frau“, die Geburtstagsfeier der Frieda Fischer in ihrer Seniorenresidenz beschrieben, die wahrscheinlich in etwa so verlaufen ist und Jakob Mandelbaum aus den „Wiener Verhältnissen“, hat ja auch eine Seniorenresidenz bewohnt, wie etliche anderer meiner ältereren Helden und Heldinnen auch.
Die Bezirksvorstehung Mariahilf macht ja nicht nur die Muttertagsfeiern und die Bezirksfestwochenveranstaltungen, sondern im Herbst auch eine Frauenwoche und da war ich vor zwei Jahren bei einem Schreibseminar, das dann im Vorjahr zu einer Frauenlesung und auch dazu führte, daß ich 2010 relativ viel gelesen habe. So wie es aussieht scheint das 2011 anders zu sein und einige fixe Lesungen, die ich in den letzten Jahren hatte, nicht mehr zu geben. Die Frauenlesung in Mariahilf war ja eine einmalige Sache, die Art Margareten hat es zweimal gegeben, ob die 2011 eingespart wurde oder mich nur der Herr Bezirksvorsteher nicht mehr einlädt, weil ich im letzten Jahr zu lang gelesen habe, weiß ich nicht, beim „Tag der Freiheit des Wortes“ den ich von 2001 bis 2009 mit Ausnahme von 2002 organisierte und dann wegen der Literaturhausschwierigkeiten als die GAV beschloß, daß man nur mehr eine Lesung pro Jahr organisieren soll, sozusagen zugunsten der Frauenlesung zurückgab, die GAV hat die Veranstaltung dann zur Vorstandssache gemacht, die Petra Ganglbauer organisiert, habe ich im vorigen Jahr gelesen, heuer aber nicht. Ich muß zwar nicht überall lesen, tue es aber trotzdem gern, so finde ich das ein bißchen schade. Bezüglich Linkes Wort – Volkkstimmefest steht das Thema noch nicht fest und die Anthologie 2010 ist auch noch nicht da. Die Frauenlesung im November in der Galerie Heinrich, die es glaube ich, seit 2006 gibt und zu der wir nach einer „Eigenes“- Lesung der Frauen lesen Frauen Gruppe des ersten Wiener Lesetheaters oder den Mittleren I von Frau Waclawicek eingeladen wurden und die Judith Gruber-Rizy organiserte, wird es, wie ich vor kurzem hörte auch nicht mehr geben. Da haben wir bei den Literaturtagen im November ja einige Jahre umsonst gelesen, dann gabs ab 2009 ein kleines Honorar und bei der letzten damit Schwierigkeiten. Es wird ja überall eingespart und da ich gerne lese finde ich es schade, plötzlich um eine Drittel oder sogar um die Hälfte weniger Lesungen zu haben, so daß es vielleicht nur mehr die Poet-Night, meine Geburtstagslesung, die ich mir selber organisiere und die Lesung im Cafe Amadeus, die schon angekündigt habe, gibt, obwohl ich auch da nicht garnz sicher bin, ob und wie das wird.
Es wäre auch schön, wenn wieder etwas Neues kommt, ich würde z.B gern einmal bei „Rund um die Burg“ lesen, aber ob es das noch gibt, ist ja auch nicht ganz klar, so daß ich dort nicht mehr hingeschrieben habe.
2011-05-02
Stavaric Lesung im Literaturhaus
Der 1972 in Brünn geborene, seit 1972 in Wien lebende Michael Stavaric ist ein sehr fleißiger Schreiber, den ich wahrscheinlich seit 2006 kenne, denn da war ich bei einer Lesung im Literaturhaus, wo wahrscheinlich sein erster bei Residenz erschienener Roman „stillborn“ vorgestellt wurde. Da kann ich mich erinnern, daß ich erstaunt darüber war, wie voll es war und, daß ich von den vorwiegend jungen Leuten im Publikum niemanden kannte. 2007 hat er beim Bachmannpreis gelesen, wenn man bei Wikipedia schaut, findet man eine lange Publikationsliste, fünf Bücher für Erwachsene, erzählte die Germanistin Susanne Hochreiter bei der heutigen Literaturhauspräsentation von des fünften Buchs „Brenntage“, bei dem es um die literarische Aufarbeitung der Kindheit geht.
Dann gibt es noch „Terminfera“ und „Magna“, ebenfalls bei Residenz erschienen, „Deja vue mit Pocahontas“, wo ich im Vorjahr bei den Textvorstellungen in der Alten Schmiede war, „Böse Spiele“ 2009 bei Ch. Beck erschienen, Kinderbücher und verschiedene Übersetzungen.
So hat er Marketa Pilatova „Wir müssen uns irgendwie ähnlich“ sein und auch das kleine Büchlein „Das Jahr vierundzwanzig“ von Patrik Ourednik, das ich schon immer lesen wollte, übersetzt.
Einige Bücher dieser langen Lliste sind an mir vorbeigegangen, so daß ich ganz erstaunt auf den Büchertisch schaute, denn Michael Stavaric ist ja noch ein junger Autor. Er hat einen durchaus originellen Stil. Wikipedia schreibt von einen kreativen Zugang zur Sprache und, daß das wie wichtiger als das was ist und das war bei „Stilborn“ und auch bei „Termifera“ zu merken, von denen ich ein bißchen was mitbekommen habe und trifft auch auf „Brenntage“ zu.
Das Literaturhaus war wieder mit sehr vielen mir unbekannten jungen Leuten gefüllt, Linda Stift und ich glaube auch Andrea Grill habe ich erkannt, Sabine Gruber, die auch bei Ch. Beck verlegt, ist neben dem Verlagsleiter in der ersten Reihe gesessen und es hat wieder mit Musik, nämlich dem Song, der in dem Buch als Motto steht, begonnen. Dann ging es los mit den Brenntagen und der Geschichte des jugendlichen Ich Erzählers der mit seinem Onkel in dessen Haus er lebt an den Brenntagen seine alten Stofftiere verbrennt, es gibt eine Siedlung in dem der Junge mit dem Onkel und der Tante lebt, die Mutter ist gestorben, die Tante stirbt später auch und einen Wald in dem er mit anderen Kinder spielt, es gibt auch Mienen und Soldaten, die durch die Gegend streifen, eine seltsame unwirkliche und auch fremde Gegend. Der Onkel hat ein Gewehr und geht für den Neffen auf die Jagd, schießt Tiere und stopft sie für ihn auf, die Kinder haben ihre Rutuale und versuche im Wald Geister zu fangen, dabei verschwinden sie und der Junge wäscht seine Wäsche, um auch unsichtbar zu werden und ebenfalls zu verschwinden.
In der Diskussion ist es auch um Weltuntergangstimmung gegangen und der Verlagsleiter meinte, daß man die Kindheit, als Idylle oder als Schrecken erleben kann, bei Thomas Bernhard war es das letztere. Mich hat diese Stimmung seltsammerweise an das neue Buch von Michaela Falkner erinnert, obwohl sie einen anderen Zugang und eine andere Sprache hat, ziehen sich die Kinder dort ja auch in den Wald zurück und basteln sich aus Toten Puppen, bei Stavaric lösen sie sich auf.
Wie das zu Michael Stavarics Kindheitserinnerungen passt, habe ich auch nicht ganz verstanden, er sprach aber von den Intitialriten, die man als Junge machen muß um dazuzugehören und von der Großmutter, die von einem Jäger tote Fasane und Hasen bekam, mit denen er als Kind spielte.
Tiere spielen in seinen Büchern eine große Rolle, wurde in der Diskussion besprochen und Michael Stavaric hat auch ein Stück aus einem seiner Kinderbücher vorgelesen. In der Diskussion wurde erwähnt, daß das Szenario auch zu einem Fantasybuch passen würde und da sind mir Elfriede Kerns „Schwarze Lämmer“, 2001 bei Jung und Jung erschienen, eingefallen, bei dem es ja auch um Waldrituale und Anklägne vom Horror-Genre und Gothic-Novel geht, ob Michael Stavaric „Brenntage“ so gewalttätig sind, weiß ich gar nicht, geht es ja um Kindheitserinnerungen. Um Riutale und seltsame, beziehungsweise kleine Ironien, verpackt in einer schönen Sprache scheint es aber zu gehen. Man wird durch das Buch angeregt über seine eigene Kindheit nachzudenken, meinte Susanne Hochreiter am Schluß der Diskussion und fügte hinzu, daß sie seither viel liebevoller mit ihren Stofftieren sprechen würde.
2011-05-01
Augenstern
„Augenstern“ von Harry Mulisch, ein weiterer Bücherschrankfund, wird als Roman bezeichnet, obwohl er das mit seinen hundertdreizehn Seiten wahrscheinlich nicht ist, eine Erzählung vielleicht oder, wie auf der Buchrückseite steht „Der Traum eines Taugenichts? Wirklichkeit? Eine phantastische autobiographische Erinnerung“?
Ich muß gestehen, ein wenig ratlos hat mich das Lesen schon gemacht, da ich eine bin, die immer gleich wissen will, um was es geht und nervös reagiert, wenn die Handlung ins Surreale kippt und es eigentlich nicht zu verstehen ist, wohin Madame Sasserath so plötzlich verschwand. Mit dem Taugenichts habe ich nicht so viel anfangen können und verstehe auch nicht so viel von der Literaturgeschichte, um an Dorian Gray zu denken, wie ich es in einer Besprechung las.
Inzwischen deute ich es mir als eine Parabel auf das Schreiben, stimme Buchkontakte zu, daß es ein feines süffiges Romänchen ist und beginne mit dem Anfang, schreibt Harry Mulisch doch auf der ersten Seite „Jedes Leben hat seine Geheimnisse und diese müssen gewahrt werden.“ Und dann „Zu den Geheimnissen meines Lebens gehört ein Ereignis, das sich zutrug, als ich mit achtzehn Jahren für einige Monate der Augenstern von Mme Sasserath war.“
Dann geht es los mit der Geschichte und kurz nach den Krieg hinein. Es ist der Mai 1945 und der achtzehnjährige Ich-Erzähler ist ohne Papiere und ohne Geld, „wie es damals üblich war“ in den sonnigen Süden aufgebrochen und hat sich in Rom als Tankstellengehilfe verdungen. Da kommt eines Tages ein Rolls-Royce mit einer achtundachtigjährigen alten Dame, Madame Sasserath, die Witwe des Erfinders der Sicherheitsnadel, der sie damit zu der reichsten Frau der Welt machte, und er spricht sie, weil er als Holländer ihr Flämisch versteht, an, hält ihr einen Vortrag bzw. ein Lob auf das Benzin, das sie mit ihrem Rolls-Royce nach Hause bringt. Daraufhin nimmt sie ihn als Gesellschafter mit in ihre Villa in Capri mit den vielen Hausangestellten, Luxushündchen, Rembrandts, Matisses, Cezannes, van Goghs, etc, die an den Wänden hängen und er muß gar nichts tun, als ihr ein wenig vorzulesen und sie unterhalten.
Da habe ich eigentlich mehr an „Harold und Maude“, als an den „Taugenichts“ gedacht, denn der Jüngling will ja schreiben, kann es nur noch nicht, denn noch pauscht er alles auf und schreibt, wo er heute „Es blieb eine Minute lang still“, schreiben würde, ganze Absätze.
Er hat auch einen Widersacher in dem Sekretär Point, verliebt sich vielleicht ein wenig in Madame, geht aber doch in die Stadt hinunter und unterhält eine Beziehung zu einer, um fünf Jahre älteren Töpferin aus Luxenburg, „da die um fünf Jahre jüngeren Frauen erst dreizehn sind“ und freundet sich mit einem amerikanischen Romanautor, einem französischen Philosophen und einen schwedischen Maler an. Es kommt auch der Tag, wo er Madame Sasserath, die nicht schlafen kann, einen wertvollen Dienst erweist. Er bringt ihr nämlich das Träumen bei, da er davon ausgeht, daß „Wer nicht schlafen kann, nicht träumen will.“
Ab da überstürzt sich die Handlung. Madame Sasserath hat noch unter Mussolini der italienischen Regierung einen Sessellift auf den Vesuv versprochen, der nun eingeweiht werden soll und sie will ihn nur in Begleitung ihres Augensterns eröffnen. Sie will auch mit ihm allein hinauffahren und ließ ihn auch die Eröffnungsrede halten. Dann hat er aber auf der Fahrt hinauf eine Erscheinung, kommen doch plötzlich von oben Menschen hinuntergefahren, die ihm bekannt erscheinen, obwohl er sie nicht kennt und als er sich zu Madame umsieht, ist sie verschwunden.
Da hat es wie erwähnt, bei mir ausgesetzt. Es geht aber in dem Buch weiter. Er fährt hinunter, läßt, als ihm der Sekretär des Mords beschuldigt, nach der Leiche suchen, kehrt nach Holland zurück und wird ein berühmter Schriftsteller, denn das Schreiben hat er nun gelernt und die, die in den Sesseln herunterfuhren, waren die Protagonisten seiner späteren Romane.
Nun gut, ich deute es mir als Parabel auf das Schreibenlernen und was das mit dem Verschwinden von Madame Sasserath zu tun hat, bleibt das Geheimnis des Protagonisten, bzw. Autors, so steht es ja auf der ersten Seite.
Das Buch ist offenbar in Amsterdam zwischen dem 3. und dem 24. Dezember 1986 geschrieben worden, so steht es am Ende. Auf Deutsch ist es 1989 erschienen und Harry Mulisch, der 1927 geboren wurde, ist im Oktober 2010 in Amsterdam gestorben. Er hat viele Romane geschrieben, von denen ich bisher nur „Siegfried – eine schwarze Idylle“, die Geschichte um Hitlers fiktiven Sohn gelesen habe, weil mir Alfred das Buch einmal zu Weihnachten schenkte.
Wiedersehen in Fiumcino
In „Wiedersehen in Fiumcino“, dem dritten Roman des 1982 geborenen Reinhard Kaiser-Mühlecker wird, könnte man so sagen, die Midlifekrise der Generation Dreißig besprochen, der prekär Beschäftigten, sozial total vernetzten, die in der globalisierten Welt herumreisen, arbeiten, lieben und irgendwann mit Schrecken feststellen, daß sie die ersten grauen Haare bekommen zu haben.
Stimmt nicht so ganz, denn der Joseph Wagner, Reinhard Kaiser-Mühleckers Held, ist kein prekär Beschäftigter, sondern ein weltweit anerkannter Agronom, der schon das ererbte Haus seines Vaters verkaufte und sich dafür in dem Heimatdorfes eines Bekannten, keines Freundes, denn dieses Wort auszusprechen, ist für ihn viel zu verbindlich, ein anderes kaufte.
Es geht also um einen Beziehungslosen oder auch, wie es im Klappentext steht, um das Portrait eines außergewöhnlichen jungen Mannes, der eine eigenartige Faszination auf seine Mitmenschen ausübt, das in vier Perspektiven erzählt wird.
Die Mehr – Perspektiven Erzählweise scheint sehr beliebt zu sein, habe ich sie in den Osterferien ja gerade in Orhan Pamuks „Stillen Haus“ gefunden. Marketa Pilatova hat für „Wir müssen uns irgendwie ähnlich sein“ auch diesen Stil gewählt und ich erzähle meine Geschichten auch öfters vierstimmig. Die Ich-Form verwende ich dabei gewöhnlich nicht und ich erzähle auch viel linearer.
Reinhard Kaiser-Mühlecker tut das nicht, sondern springt mit den seinen vier Ich-Erzählern, drei Männern und einer Frau, durch die Zeit und läßt sie die Ereignisse des Jahres, in dem Josef seine Ex-Frau, Namen zu nennen, fällt ihm, ja schwer, plötzlich verläßt und nach Argentinien geht, um dort in Supermärkten die Konzentration der Soja Produkte, die dort angeboten werden, zu untersuchen, ohne ihr zu sagen, daß er das vorhat, aus ihrer Sicht erzählen.
Die anderen Erzählstimmen sind der Schulfreund Hans Kramer, der Bekannte der schon vor zehn Jahren nach Argentinien gegangen ist und dort als Museumswärter arbeitet, vorher hat er etwas studiert, ohne irgend einen Abschluß zu machen, wird dafür von Joseph für einen Versager gehalten, obwohl er sehr erfolgreich Bücher über Holocaust Vertriebene geschrieben hat. Hans Kramer holt Joseph vom Flughafen ab und bringt ihm, statt in ein Hotel in eine Wohnung zu Freunden, bei denen er aber nicht lange bleibt, er zieht zu Savina, der weiblichen Erzählerstimme, auch eine Orientierungslose, weil sie ihr Gitarrespielen aufgegeben hat, da sie ein zu kleines Talent dafür besaß, von ihrem Ex- Freund Lucho gestalkt wird und Joseph, obwohl sie ihn liebt, aus der Wohnung schmeißt, weil ihr zu unverbindlich ist.
Joseph ist aber ein arbeitswütender, der stunden- und nächtelang über seinen Studien sitzt und nur ungern mit Savina Ausflüge in das argentinische Hinterland macht. Der vierte Erzähler ist Augusto, der Sohn eines Großgrundbesitzer, der der die Wälder roden läßt und das Soja anbaut, sich von seinem Vater löste, Medizin studierte, gerade seine Facharztausbildung macht, kein Geld hat und offenbar seiner Nachtdienste wegen, schlecht schläft. Er ist mit Joseph im selben Flugzeug gesessen und hat ihn später in der U-Bahn wiedergetroffen, so freunden sich die Unverbindlichen an, beziehungsweise verbringen sie das Jahr in Argentinien miteinander und wechseln ihre Partner.
Hat Augusto doch bei einem Ärztekongreß die Übersetzerin Ceci getroffen, sich in sie verliebt und viel Kaffee mit ihr getrunken, sie kommt jedoch im Laufe der Geschichte mit Hans Kramer zusammen. Savina schmeißt Joseph aus der Wohnung, so daß er in ein Hotel ziehen muß, am Ende seines Argentinienaufenthaltes fliegt er über Rom zurück. Fiumcino heißt der dortige Flughafen und dort trifft er auf seine Ex-Frau wieder, die gerade eine Fotoaufnahme macht, aber das ist völlig bedeutungslos, kehrt er ja nicht zu ihr zurück, sondern siedelt sich in seinem neuen Haus in Rohr an, wo er die Zugriffe auf seine Internetseiten mißt, geht mehrmals zum Arzt und läßt sich untersuchen, der ihm immer wieder bestätigt, daß er vollkommen gesund ist, ihm schließlich anbietet ein Bier miteinander zu trinken und ihm einen Stoß Papier in die Hand drückt, um seine Beschwerden aufzuschreiben, bevor er das nächste Mal kommt. Er will ihn offenbar loswerden, Joseph fängt aber zum Schreiben an und will auch Mesner werden und es gibt auch eine sehr schöne altmodische Geschichte in dem Buch, die offenbar von Hans Kramer aufgeschrieben wurde, die Sage über den Untergang des Dorfes oder der Stadt Rohr.
Denn Reinhard Kaiser-Mühlecker, das weiß ich schon von der literarischen Soiree bei der ich über seinen ersten Roman hörte, ist ein sehr altmodischer Erzähler, er verwendet auch manchmal etwas kitschig wirkende Formulierungen und er erzählt sehr fein und bedächtig.
Ein großartiger Erzähler scheint er allemal zu sein. Dadurch, daß die vier Erzähler alle von sich erzählen und durch die Zeit springen, ist das Lesen wieder etwas mühsam und eigentlich erzählen sie auch nicht sehr viel. Ein Stück Lebensabschnitt vier junger Menschen in Argentinien von denen zwei dort geboren wurden, zwei aus Österreich kommen und dann ist es wieder doch sehr viel. Ihre Lieben, ihre Wirrungen, Ängste, Hoffnungen, aber auch die unserer globalisierten, sicherlich etwas verrückten Welt und er hat auch immer sehr schöne Bilder und Geschichten und eine sehr langsame, bedächtige Erzählweise, dieser junge Mann aus OÖ, der mit seinen nicht einmal noch dreißig Jahren so ungewöhnlich erfolgreich ist.