Literaturgefluester

2011-06-07

Im Klangtheater

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:11

Eigentlich habe ich Montag zu Hause bleiben wollen und mich erst Dienstagabend entweder nach den Literaturhaus-Auftritten oder dem Fest für Conny Hannes Meyer im Augarten Aktiosradius wieder melden, dann bin ich am Morgen aufgewacht und die sanfte Stimme von Ö1 hat mich darüber informiert, daß im Radio Kultur Cafe Renald Deppe, den ich letzte Woche in der Galerie Splitter hörte, auftritt und ein Stück von Monika Trotz, mit deren Tochter, die Anna ja zur Schule ging, dargeboten wird. Während ich überlegte, ob es da freien Eintritt gibt, sprach die Stimme weiter „Und im Klagtheater gibt es noch eine Veranstaltung, da wird in der Reihe Zauberberg Andrea Winklers neues Hörspiel mit der Musik von Hannes Raffaseder präsentiert“, das wußte ich zwar schon, denn ich blättere das Heimspiel-Programm zumindestens durch, bin keine so besondere Hörspielfreundin und mit Andrea Winklers Sprachkunst habe ich, wie meine Leser wissen, auch meine Schwierigkeiten. Aber irgendwie ziehen mich ihre poetischen, handlungslosen Texte an und über Andrea Winkler habe ich auch schon einiges geschrieben, sie in einem meiner Texte zitiert und, daß ich meine Sprache gern „verwinklern“ würde, darüber poetisiere ich auch manchmal. Die Entscheidung war also gefallen, schade, daß man sich nicht zweiteilen kann und im Klangtheater, dem dritten Aufführungsort im Radiokulturhaus, war ich nur einmal bei einer langen Nacht des Hörspiels vor Jahren und in den „Zauberberg“ habe ich es überhaupt noch nie geschafft. Das ist eine Veranstaltungsreihe, die einmal im Monat eine Vorpremiere einer Hörspielaufführung bietet, die Autoren sind da und das Publikum wird, wie Peter Klein, der Moderator launig verkündet, als Versuchskaninchen mißbraucht, um herauszufinden, wo es lacht, stöhnt, weint oder schläft…
Man verkauft mit der kostenlosen Eintrittskarte gleich einmal alle Rechte an seinem Bild und seinen Tonaufnahmen, dafür darf man selbst nicht fotografieren und auch das ORF-Team beim Filmen nicht stören und wenn man deshalb nichts sieht, kann man das Geld für seine Eintrittskarten nicht zurückverlangen. Es war aber ohnehin kein Fernsehteam anwesend und bloggen darf man, glaube ich, schon darüber und auch seine Meinung abgeben, zumindestens forderte Peter Klein das Publikum dazu auf.
Während ich im Foyer auf den Eintritt wartete, kam der junge Mann, der bei meiner Lesung im Dezember in der Alten Schmiede war, ein Oberösterreicher, der von Linz nach Wien gezogen ist und da auch Andrea Winkler Oberösterreicherin ist, scheint er sich für ihre Literatur zu interessieren.
„Niemand da vor der Tür“ – „Ein Verhör? Ein Theaterstück? Eine Anklage? Ein böser Traum?“, steht in der Heimspielzeitschrift.
„Aber die Vorstellung hat längst begonnen, merken Sie nicht, daß Sie längst begonnen hat?“, begrüßte Peter Klein das Publikum gleich mit einem Zitat aus dem Hörspiel und erklärte, daß man das, was man nun zu hören bekommt, noch nie gehört hat.
„Vergessen Sie alle Hörspiele in ihrer ursprüglichen Bedeutung, denn der Komponist und Audiokünstler Hannes Raffaseder, ebenfalls aus ÖO und jetzt an der Fachschule St. Pölten lehrend, hat den Text nicht illustrierend oder kommentierend vertont, ein Spiel, daß die bestehende Welt nicht abbildet, sondern eine neue schafft. Und eine Handlung, die von einer Handvoll Schauspieler heruntergelesen wird, wird es ebenfalls nicht geben!“
Dafür gab es eine Frauenstimme und viel Musik, Geräusche, Meeresrauschen und immer wieder die gleichen Sätze, die höchst poetisch in die Gehörgänge drangen.
Mit „Vielleicht so, jemand den ich nicht sehen kann, klammert sich an den Vorhang, steckt den Kopf zu mir und sagt nichts“, hat es dann begonnen, was mich ein bißchen an die Priessnitzpreisverleihung erinnerte. Dann kam Meeresrauschen, Regen und eine Person, die ein Unternehmen in dem man denken durfte, verlassen hat und deshalb zur Rechenschaft gezogen wird oder sich schämen soll, erzählt seine Geschichte, „den liegengebliebenen Regenschirmen und Kappen“, dann regnet es aber niemand steht vor der Tür und immer wieder „fangen Sie doch endlich an mit der Vorstellung, aber die Vorstellung hat längst begonnen!“, das Ganze in mehreren Wiederholungen, von hinten nach vorne, bis sich der Kreis schließt und zurückgeht vor die Tür „Wenn Sie erlauben, habe ich jetzt genug erzählt und wenn Sie nicht verstehen, was die Welt von Ihnen will, fragen Sie die Welt, wenn die schweigt, fragen Sie ihren Nachbarn!“
Dann gabs Applaus und Peter Klein wandte sich an das Publikum, worauf sich ein anderer Komponist und Hörspielautor meldete, erklärte, daß er gerade von einem Hörspielseminar zurückgekommen sei und wenn das Publikum einverstanden wäre, drei Referate zu drei Themen geben könne, er hat sich nämlich sehr auf die Vorstellung gefreut, „aber schade wieder nichts?“
Da wollte das Publikum natürlich wissen, worin die Enttäuschung liegt?
„Nichts Neues, nur eine Wiederholung der Siebzigerjahre, alles schon gehört!“ und so weiter und so fort, da habe ich meinen Mund nicht halten können und erklärt, daß es mir sehr gefallen hätte, ich Literatur hörte und eine Handlung, die ich nicht erwartet hätte, worauf Peter Klein diese erklärt haben wollte, denn Andrea Winkler und eine Handlung, das gibt es nicht, es sind aber mehrere Ebenen da, ein Verhör, eine Anklage, ein Theaterstück, ein böser Traum, wie schon in der Ankündigung steht, den Kafka habe ich am wenigstens gehört und die Musik auch nur als Geräuschskulisse empfunden, wahrscheinlich weil ich mich darauf konzentrierte mir eine Handlung zu konstruieren.
Edith Ulla Gassner sprach von der Musik, die für sie das Hörspiel zum Hörstück macht und Andrea Winkler erklärte dem enttäuschten Komponisten sanft, daß es nicht ihr Anspruch sei, etwas Neues zu erschaffen. Es ging dann in der Diskussion darum, ob die Wiederholungen schon im Text enthalten waren, es war ein Prosatext von fünf oder sechs Seiten, der von Hannes Raffaseder zerlegt, mit Musik untermalt und wieder zusammengesetzt wurde und das Ganze ist eine wirklich sehr poetische Sprachmelodie, die der Hörer, der sich am Abend das Hörspiel aufdreht, ganz naiv erleben kann, er kann sicher auch, wie der Komponist nach neuen Klangwelten suchen und frustriert zurückbleiben oder auch, wie ich nach der Handlung in Andrea Winklers Sprachwelt suchen, wenn einer realistischen Autorin das schon so wichtig ist.
Es wird am 7. Juni in Ö1 gesendet, so daß man sich sein eigenes Bild zu machen kann, was ich wirklich nur empfehlen kann, da Peter Klein vermutete, daß fünfzig Hörer zweiundfünzig Deutungen geben werden, wozu Andrea Winkler wieder lieb und freundlich nickte.

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