Oder auch nicht, denn Aris Fioretos wurde ja 1960 in Göteborg als Sohn eines griechischen Vaters und einer österreichischen Mutter geboren, studierte vergleichende Literaturwissenschaft, lebt in Stockholm und Berlin und hat 2009 den Roman „Der letzte Grieche“ geschrieben, der jetzt bei Hanser herausgekommen ist. Ich kenne den Namen glaube ich von meinen Buchmessensurfings bzw. einem Interview mit Dennis Scheck, das Buch ist, glaube ich, auch hoch oben auf der Bestsellerliste gestanden und dann habe ich vor einigen Wochen in der Sendung Ex Libris von ihm gehört, da er auch die „Nelly Sachs Werkausgabe“ herausgegeben hat, die wurde am Mittwoch in der schwedischen Botschaft vorgestellt und hätte mich auch sehr interessiert, habe mich aber für Otto Kernberg und das Sigmund Freud Museum entschieden und bin dafür am Donnerstag besonders rechtzeitig in die Alte Schmiede gegangen, weil ich dachte, wenn ein schwedischer Bestsellerautor in Wien zu hören ist, ist es sicher voll.
Mitnichten, zehn vor sieben bin ich in einem leeren Saal bzw. vor dem Büchertisch gestanden, sagte mir doch Petra Meßner auf meine Frage, wo denn die Leute wären „Dann können Sie in Ruhe schmökern!“, was ich auch tat und da hat mich vor allem, der von Aris Fioretos herausgegebene Bildband über Nelly Sachs interessiert, ein schönes Buch, das ich mir zum Geburtstag schenken lassen könnte und dann gab es noch zwei Bände Werkausgaben. Die 1891 in Berlin geborene Nelly Sachs, die mit ihrer Mutter gerade noch nach Stockholm flüchten konnte, 1966 den Nobelpreis bekam und 1970 starb, war, wie ich einigen Ex Libris oder Tonspursendungen im letzten Jahr entnahm offenbar genauso traumatisiert, wie Paul Celan und einen Briefwechsel zwischen den beiden gibt es auch.
Interessant, daß das ein Exilgrieche, der perfekt Deutsch spricht, herausgibt und den Autor in einer Zeit kennenzulernen, wo Griechenland ja in aller Munde ist, ist ebenfalls sehr spannend und ein Buch das „Der letzte Grieche“, heißt, natürlich auch.
Es sind dann doch ein paar Leute in die Alte Schmiede gekommen, darunter Sabine Gruber, die öfter zu Literaturveranstaltungen geht, Walter Famler ist auch im Publikum gesessen und Kurt Neumann hat wieder eingeleitet. Er tut das ja immer sehr umfassend, es ist aber auch ein umfassender Roman, der in den Jahren zwischen 1967 und 1969 spielt und dann wieder in einer Zeitspanne von hundertzwanzig Jahren. Der letzte Grieche ist jedenfalls 1967 ein vierundzwanzigjähriger junger Mann, Analphabet, Linkshänder und Plattfußbesitzer, Aris Fioretos macht es seinem Helden nicht sehr leicht und der steht plötzlich in einem schwedischen Spital, wo der einzige Grieche des Ortes Arzt ist, das dürften autobiografische Elemente sein und Aris Fioretos der Arztsohn, der als Sechsjähriger einen solchen Besuch in der Praxis seines Vaters erlebte. Es gibt noch einen Gegenspieler namens Kostas, das ist der erste Grieche und der schreibt eine Enzyklopädie über die Auslandsgriechen und in diese kommt Janis als der letzte hinein. Kostas hat eine Schwester mit der Janis in Griechenland eine Zeitlang in die Schule ging und die sich in ihn verliebte, aber der Gastarbeiter, der in den Sechzigerjahren nach Schweden kam, heiratet das schwedische Kindermädchen, das sich allerdings emanzipieren will, was der Macho nicht versteht, so daß er ein Loch ins Präservativ sticht und eine eine wunderschöne Tochter wird geboren, mit der er offenbar am Schluß des Buches nach Griechenland flüchtet oder dorthin flüchten will, während das Kindermädchen zu Kostas geht. Das Ganze ist sehr kompliziert aufgebaut, erklärte Kurt Neumann und besteht aus verschiedenen Stilmitteln, so gibt es auch Listen und Essays. Eine solche las Aris Fioretos vor und dann noch die fulminante Stelle, in der die Schwester dem Bruder die hundert Arten erklärt, warum sie Janis liebt, wegen dem Grübchen auf der Wange, seinem Hemd, seinem Lächeln, weil er sie besuchte oder nicht etc, aber deshalb, weil er sie liebte nicht.
Die griechische Geschichte von der ich nicht viel weiß, spielt auch eine Rolle, die Großmütter der beiden Helden sind 1922 aus Smyrna geflüchtet und einen griechischen Militärputsch gab es 1967 auch.
2011-06-17
Ein Grieche in der Alten Schmiede
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