Die Bücher sind am Montag pünktlich eingetroffen, als ich gerade mit einer Exploration begonnen habe. Jetzt sind sie im neuen Bücherregal aufgestapelt, das inzwischen gar nicht mehr so leer und mikrig aussieht und bevor wir am Abend auf den Rathausplatz gegangen sind, um Diana Krall zu hören, habe ich noch fünf eingesackelt und an die Nationalbibliothek, den ORF, das Literaturhaus, die Gesellschaft für Literatur und an Helmut Schönauer geschickt. Ich weiß nicht, ob ich schon von meinen diesbezüglichen Gefühlen geschrieben habe, denn das ist ja eine irgendwie aussichtslose Sache. Kurt Neumann schreibt mir dann zurück, „daß ich schon im Vorjahr oder so gelesen habe und daher auch die anderen lesen lassen soll“, deshalb habe ich diesmal auch die Alte Schmiede ausgelassen und Marianne Gruber antwortet lieb, „Schon viel besser, aber Sie wissen ja…!“, trotzdem denke ich, ich sollte es tun und zumindestens die Nationalbibliothek verlangt auch ihr Pflichtexemplar. Es ist ja wieder ein sehr schönes Buch geworden und ich denke dann auch immer, daß ich besonders darauf hinweisen soll.
Den „Stadtroman“ habe ich 2007 im Uhudla, als den noch El Awadalla betrieben hat, vorgestellt und 2009 das „Haus“ und „Die Radiosonate“ im „reading!!!room“. Da sitze ich dann stundenlang und mache Aussendungen, nur um zu hören, „daß die Großmutter Geburtstag hat und man daher nicht kommen kann!“ und lese vor drei oder vier Bekannten, auch nicht gerade lustig.
Aber die „Sophie Hungers“ wird am 17. 10. im Cafe Amadeus vorgestellt, wie ich mit Christian Schreibmüller vereinbarte und wieder alle herzlich dazu einlade.
Jetzt ist für Buchpräsentationen ohnehin ein schlechter Zeitpunkt, weil alle auf Urlaub sind und wir morgen losfahren.
Die Post war diesmal eine positive Überraschung, denn als ich die „Sophie Hungers“ vor ein paar Wochen an die deutsche Bibliothek nach Leipzig schickte, habe ich sechs Euro achtig bezahlt, jetzt nur über sieben Euro für alle fünf Bücher. Es gibt oder gab aber eine Buchhandlung in Wien, die Bücher nach Deutschland sammelte und einmal in der Woche damit über die deutsche Grenze zum nächsten Postamt fuhr.
Jetzt gehts ans Vorbereiten und Packen. Die Bücher, die ich mitnehme, sind herausgesucht. Für die Reisereportagen habe ich ein schönes handgeschöpftes Buch mit Büttenpapier, roten Umschlag und Extrableistift, das mir einmal die Brigitte zu einem meiner Geburtstagsfeste brachte, gefunden und dann gibt es noch ein Musterbuch von BoD für die allgemeinen Schreibnotizen. Die 3 S und das grüne Notizbuch kommen natürlich mit und auch ein bißchen Papier, falls ich doch etwas mit der Hand schreiben will.
Das habe ich auf unserer Sizilienreise vor zwei Jahren mit der „Sophie Hungers“ intensiv getan. Aber damals habe ich mich beim Schreiben ziemlich gequält und war ausgeschrieben, obwohl das Buch dann gut angenommen wurde.
Bei der „Frau auf der Bank“ geht das Schreiben eigentlich gut, ich habe seit meinem letzten Eintrag auch weiter geschrieben und halte derzeit bei über achtundvierzig Seiten, einundzwanzigtausendachthundertdreiundsechzig Worten und fünfzehn Szenen. Wieviel ich heute noch schreibe weiß ich nicht, habe aber ein vages Konzept und bin mit den Gedanken in meinem Kopf und dem Leben meiner Protatgonisten eigentlich zufrieden. Thomas Wollinger hat da in seinen Blog wieder ein sehr schönes Video von seinen Erlebnissen nach einem Schreibtag hineingestellt und das ist sehr interessant, denn ich denke, solche Gefühle und Erlebnisse sollten sich mehr Menschen erlauben, statt nur zu den Romanen anderer zu greifen und zu sagen „Ich versuche es erst gar nicht, denn bei mir wird es sicher Mittelmaß!“. Ich weiß „Lesen ist Abenteuer im Kopf“, aber „Schreiben ist das sicher auch!“, so behaupte ich jedenfalls immer trotzig, wenn ich mein Schreiben mit „Zähnen und mit Klauen“ verteidige.
Cornelia Travnicek hat übrigens eine Antwort auf weitere Schreiber unter Dreißig mit ihrem Hinweis auf die Zwanzignamenliste des heurigen FM4 Literaturwettbewerbs gegeben, die jetzt von der Vor- an die Hauptjury übergeben wird, um dann im Herbst das Buch und die zehn Preisträger zu haben. Da werden sicher einige unter Dreißigjährige dabei sein. Einen davon kenne ich durch die Anthologie des „Duftenden Doppelpunkts“, die ich im Frühling bei dem diesbezüglichen Literaturquiz gewonnen habe, nämlich Christoph Aistleitner, der dort den Würdigungspreis bekommen hat.
Kataloge und Prospekte über die Masuren liegen auch am Schreibtisch, da hat Alfred im Februar von den Ferienmessen bzw. von seiner Vorjahrsreise einiges mitgebracht. Ich glaube, er hat mir auch ein Buch darüber geschenkt, aber das läßt sich nicht mehr finden oder liegt auf Alfreds Bücherstoß und dann muß man natürlich seine Hosen, T-Shirts, ect. einpacken.
Wir fahren mit dem Campinganhänger und übernachten auf Campingplätzen. Daß es auf den Masuren schön ist, haben mir inzwischen einige Leute gesagt und es gibt auch viele, die dort hinreisen oder sonst in Polen Urlaub machen.
Dann gibts natürlich schon Hinweise, auf die Herbstneuerscheinungen, so hat Thomas Glavinic ein neues Buch, das im August erscheint, der war auf Pilgerfahrt im Balkan, auf seiner Verlagsfacebookseite läßt sich das Weitere nachlesen und Eva Rossmann hat natürlich auch einen neuen Krimi geschrieben, der „Unterm Messer“ heißt, von Schönheitsoperationen handelt und am 7. September in der Buchhandlung Kuppitsch vorgestellt wird.
2011-07-27
Vorbereitungen
2011-07-25
Weiter mit den drei S
Wie ist es mit der „Frau auf der Bank“ weitergegangen, werden meine Leser wissen wollen? Gut und schlecht, wie meist, denn, daß die Schwankungen, zumindestens zu meinem Schreiben gehören, habe ich schon begriffen. Man startet mit einer Idee, bei mir ist es wieder eine Art Stadtstreicherin, die diesmal eine Psychiatriepatientin sein kann, durch Wien herumfahren lassen, die Geschichte der jungen Austro-Türkin Sevim, die sich emanzipieren will, ist bald dazugekommen, denn dazu gibt es viel Material und auch, daß die Selma mit einer Psychiaterin namens Svetlana, die, bzw. deren Eltern aus einer Belgrader Barackensiedlung kommen, ihre Therapiegespräche hält.
Bücher, wo die Heldinnen, ihre Geschichte einer Therapeutin erzählen und die Szenen mit „…Frau Doktor sagte xx und sah die Therapeutin lächelnd an“, habe ich zwar schon einige. Aber diesmal soll es auch, um die Geschichte der Svetana gehen und ich will sie mit denen der zwei anderen S verknüpfen.
Vorige Woche bin ich mit diesen Ideen nach Wilhelmsburg gefahren und damit zurückgekommen, daß es mit jeweils einem sehr verschienenen Geburtstagsfest beginnt, das habe ich am Freitag sehr euphorisch getan, beim Radausflug an die Donau am letzten Wochenende war es dann wieder weg und die Tage in Wien haben mich auch nicht sehr daran denken lassen. Ich habe mir die einundzwanzig und nicht achtzehn, vorhandenen Seiten zwar ausgedruckt, auf die Charakterbögen, die ich diesmal wieder führen will, aber vergessen. Zum Glück waren die in der grünen Mappe und die drei kleinen Heftchen für S S und S habe ich mir gestern selbst gebastelt.
Letzte Woche habe ich mir von meinen Büchern auch noch die herausgesucht, bei denen schon Vorformen zu finden sind und ein bißchen darin gelesen.
Die Figur der Selma ist noch am wenigsten klar, zwar weiß ich jetzt, sie hat Soziologie, Germanistik und Philosophie studiert, ein paar Jahre als Soziologin am Instiut für höhere Studien gearbeitet, lebt jetzt von der Grundsicherung oder so, in der von der Großmutter übernommenen kleinen Wohnung, hat irgendwo die Paranoia diagnostiziert bekommen und sucht am Rathausplatz als Stadtsheriffa den Bürgermeister.
So beginnt die erste Szene, wie weit ich damit komme weiß ich nicht, also wieder die Frage, wie bei den Zwillingswelten, bleibt es eine Randfigur, die zwischen der Sevim und der Svetlana vermittelt oder geht es tiefer, weil sie eigene Begegnungen hat oder der Svetlana die Geschichte ihrer Depression erzählt? Ich weiß es nicht, werde mir deshalb aber keine Sorgen machen oder ein Schreibseminar buchen, sondern weiterschreiben.
Am Mittwoch war ich in der Stadt bei meinen Sommergesprächen, wo ich von den „drei S“ nicht sehr viel gesprochen habe und habe dann Peter Handke gelesen. Das soll Frau, wenn sie selber schreiben will, wahrscheinlich nicht, obwohl ich „Wunschloses Unglück“ ohnehin sehr realistisch empfunden habe, es sind auch die entsprechenden Kommentare gekommen, aber natürlich, wie „Handke“ schreibe ich nicht und da das auch nicht mein Vorsatz ist, habe ich mich nicht in die anderen Texte eingelassen, sondern zurück zum Eigenen gegangen, was nicht so einfach war, denn ich habe ja sehr viel Sevim Material und weiß auch, daß sie sich im Laufe der Handlung von ihrem Mann trennen, einen Beruf suchen etc wird, aber wie fange ich das an?
Begonnen habe ich es mit der verpatzten Geburtstagsfeier und, daß sie von ihrer Freundin Leila einen Tanzkurs zum Geschenk bekommt, war auch schon geschrieben, aber zu Beginn der Geschichte ist sie fünfunddreißig, wie die anderen Frauen auch und ihre Töchter zehn und fünfzehn und wollen beide ins Gymnasium, wie fange ich es da mit der Vergangenheit an, daß sie vor einer Zwangsheirat in diese Ehe geflüchtet ist, ihr der Mann nichts erlaubt und ständig schimpft, war auch schon geschrieben, aber wie mache ich das mit den Rückblenden? Flechte ich sie ein, oder fange ich das Ganze noch einmal mit einer achtzehnjährigen Sevim an, die gerade dabei ist ihre Ehe bei den Eltern durchzusetzen? So weit war ich Ende letzter Woche, bevor ich an die Donau gefahren bin.
Zögernd sind am Donnerstag die ersten Szenen gefloßen und das „Ich kann es nicht, ich kann es nicht“, ist auch mehrmals gekommen. Allerdings auch, daß es vielleicht der Reiz der Geschichte ist, das Ganze aus sich heraus entwickeln lassen, also Bülent kommt nicht nach Hause, schmeißt Leila dann hinaus, bricht die Rosen ab und sie geht mit dem Gutschein am nächsten Tag in die Tanzschule, trifft vorher Selma auf der Bank und in der Tanzschule Svetlana, die ja auch einen solchen Kurs zum Geburtstag bekommen hat, daß die im Laufe der Geschichte ihren Oberarzt heiratet bzw. ihn ihren Eltern vorstellt und in die Hietzinger Villa zu seinen geht, war auch schon klar.
Aber alles andere kann sich von Szene zu Szene entwickeln und das habe ich vom letzten Bachmannpreis mitgenommen, daß es immer etwas Neues werden soll, also aus dem Material das ich habe, etwas Eigenes entstehen lassen.
Wie das mit der Selma wird, wird sich zeigen, ich kann ja noch einmal mit den früheren Büchern in die Badewanne gehen oder was ich immer so gerne will, den Rohtext umschreiben, umändern etc, weil man das vielleicht auch können soll.
So gesehen fürchte ich mich auch nicht, wenn der Rohtext wieder in sechs Wochen manisch entsteht, das gehört vielleicht zu mir und die nächsten zwei Wochen fallen ohnehin flach, weil nach Polen nehme ich keinen Laptop mit und seit dem „Nanowrimo“ schreibe ich nicht mehr mit der Hand.
Und wer es wissen will, es gibt inzwischen zehn Szenen und vierunddreißig Seiten oder vielleicht mehr, da es jetzt Samstagvormittag ist und ich den Artikel erst nach Montag losschicke, denn am Freitag habe ich meine Vorbereitungsliteratur gelesen und vorher noch in einem „Biber“, daß die Austro-Türkinnen sich ihre Männer aus der Türkei holen und, wie es ist mit dem Kopftuch einzukaufen und wieviel Schminke es sein darf, die Sevim ist aber nicht gläubig, hat kein Kopftuch und trägt kurze Röcke.
Die Seher Cakir Geschichten haben mein Sevim Material verfestigt, aber natürlich schreibe ich aus der Sicht der Österreicherin, die gerade „bir ekmek, anne!“, sagen kann.
Ja richtig, ein Türkisch Wörterbuch habe ich mir auch noch herausgelegt. Die „Beyoglu Blues“-Gedichte, die von einem jungen Deutschen stammen, waren auch sehr interessant, haben aber nur irgendwie dazugepasst, denn in Istanbul war die Sevim wahrscheinlich noch weniger als ich und wurde dort auch nicht geboren, sondern in Wien und die Eltern kommen aus dem anatolischen Dorf. Daher gibt es danach keine Sehnsucht und es stirbt auch kein Großvater dort, den sie beerdigen muß, das war schon in der „Heimsuchung“, aber die Ayten war Sozialarbeiterin und die Sevim meldet sich vielleicht beim Penny an der Kasse an oder läßt sich als Heim- oder Kindergartenhelferin ausbilden.
„Der Granatapfelbaum“ liegt noch in Wien, den nehme ich mir nach Polen mit und außerdem noch Grzegorz Kielawskis Erzähband „So wie du kann jeder aussehen“, den ich auch noch nicht gelesen habe, das Reiseschreiblernbuch und den Band Sommergeschichten, die ich voriges Jahr auf der hohen Tatra nur halb gelesen habe.
Die letzte oder vorletzte Szene, die ich geschrieben habe, handelt davon, daß die Selma im offenen Bücherschrank den „Granatapfelbaum“ findet, wieder sehr bekannt, aber ich war jetzt schon drei Wochen nicht dort und in der nächsten wird sie ihn mit den letzten Sachertortenstücken in den Rathauspark mitbringen und Sevim wird ihr die nach parfumstinkende Visitenkarte der Karin Leitner zeigen, die Bülent aus der Jacke gefallen ist.
So weit, so gut, ich hoffe mein Schreibbericht ist so einigermaßen verständlich, aber natürlich kann es ganz anders werden.
Und die Bücher sind gekommen, allerdings war keiner zu Haus, so hat der Zusteller, sie in der Tierhandlung gegenüber deponiert und die haben sie zurückgeschickt, weil sie Urlaub machen. Waren das noch Zeiten, als die Post die Pakete brachte und man sie sich am nächsten Werktag vom Postamt holen konnte! So kommen sie angeblich am Montag wieder, wenn das stimmt, kommt hier ein Bild herein.
2011-07-24
Harry Rowohlt in St. Pölten
Auch in St. Pölten gibt es einen Rathausplatz in dem im Sommer in Verbindung mit dem Cinema Paradiso und Kulinarik ab sechzehn Uhr open Air Filme laufen. Als wir noch nach Wien gependelt sind, waren wir öfter dort, die Akustik war aber nicht so gut und es war auch etwas schwierig, da ich in der Nacht nicht gerne Rad fahre. Seit wir wieder in Wien wohnen, gehe ich dort auf dem Rathausplatz bzw. auf den Karlsplatz ins Kino unter Sternen, was ja einfacher ist, am Samstag gab es aber, wie im Cinema Paradiso Programmheft steht eine besondere Sensation, nämlich „Kult-Literat Harry Rowohlt tritt mit seiner legendären Bühnen-Show im Open Air Kino in St. Pölten auf.“
Harry Rowohlt, der 1945 in Hamburg geboren wurde, ist der Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt, hat Pu der Bär und Frank MC Courth übersetzt, eine Kolumne Pooh`s Corner in der „Zeit“, und tritt in der Fernsehserie „Lindenstraße“ als Obdachloser Harry auf, letzteres war mir als Nichtfernseherin nicht bekannt, ebenso nichtso sehr der Schauspieler und Rezitator, habe ich von meinen Zeitungslektüren ja eher den Schriftsteller und Übersetzer mitbekommen.
Alfred hat mich schon länger auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht, zwölf Euro Eintritt im Vorverkauf, vierzehn an der Abendkassa, bei Schlechtwetter findet die Veranstaltung im Kino statt, die ersten hundertzwanzig Tickets können dort hinein, alle anderen werden umgetauscht. wir haben uns erst gestern dazu entschlossen, geregnet hat es auch, so war es unklar, wie es mit den Karten wird, bzw. wieviele Leute sich im Raum St. Pölten für Harry Rowohlt interessieren.
„Die live-Auftritte genießen einen nahezu legendären Ruf, ein Großteil dieser Veranstaltungen ist bereits lange im Voraus ausverkauft“, lese ich in Wikipedia. Es war auch sehr voll im Kino, die Dame an der Kasse hat etwas von Stufenplätzen gesagt, wir haben eine Weile gewartet, dann reguläre Tickets mit freier Platzwahl bekommen, allerdings waren, als wir in den Saal gekommen sind, nur mehr ganz hinten zwei Plätze frei.
„Harry Rowohlts exzessive Solo-Bühnenauftritte dauern lang“, steht weiter in Wikipedia, „selten weniger als vier manchmal auch sechs Stunden“, die einleitende Dame sprach von zweimal siebzig Minuten mit einer Pause, die man, wie Harry Rowohlt ausführte, zum Bücherkaufen, zwei lagen bei der Kasse auf, pinkeln und zum Trinken nutzen könne und er unterbricht die Lesungen steht weiter „häufig für Kommentare zu den Texten, abwscheifende Bemerkungen, Anekdoten, autobiographische Erzählungen, Dialoge mit dem Publikum und vieles mehr“.
So war es auch, Harry Rowohlt erzählte, daß er schon einmal in der ehemaligen Synagoge gelesen hätte und im Zug, die Ansage „St. Pölten“ zweimal mit Chris Lohners schöner Stimme hörte. Er sprach auch von einer Aufwärmphase, in der man ihn fotografieren könne, was Alfred reichlich tat und begann mit Kindergedichten in Englisch und Deutsch. Den Namen des Autors habe ich leider nicht verstanden. Harry Rowohlt zeigte aber Illustrationen, die man, wie er meinte in den ersten drei Reihen erkennen könne, für die anderen erklärte er sie. Eines zeigte ein Kind, das auf einen Stapel Bücher saß, das Gedicht hieß dann auch „Bücher, Bücher, Bücher“, wobei Harry Rowohlt erwähnte, daß er für seine Freundin Greta (habe ich den Namen richtig zitiert?) die Werke von Proust, Ingeborg Bachmann und Sigfried Lenz gelesen hätte. Lenz würde er nochmals lesen, was er diesen bei einer Begegnung auch sagte, worauf dieser lakonisch einwarf, das ist, weil man seine Sachen schnell vergißt. Da würde ich zwar für die Bachmann plädieren, aber ich habe einen Heimvorteil, aber auch ein bißchen Lenz gelesen und erinnere mich an die „Deutschstunde“.
Weiter ging es mit „Pooh`s Corner“ und einer Geschichte, die in England spielt, das Zuhören war zumindestens für mich wegen der deutschen Aussprache und den vielen Anspielungen, die man als nicht „Zeit“-Leserin vielleicht so versteht, nicht ganz leicht. Harry Rowohlt erwähnte aber, daß er, seit bei ihm eine Poly-Neuropathie diagnostiziert wurde, nicht mehr trinkt. In Wikipedia steht etwas von „Schausaufen mit Betonung“, das jetzt „Betonung ohne Schausaufen“ heißen würde. Harry Rowohlt scheint viel auf der Frankfurter Buchmesse zu lesen, so kam die vor, Marcel Reich-Ranicky, Günter Grass und die Zeitschrift „Focus“, mit der seine Wickel zu haben schien und natürlich Anspielungen auf Österreich, das Wiener Hotelzimmer in dem er sich befand, als einer seiner Übersetzten verstorben ist, so daß er die Nachrufworte halten sollte und er erzählte auch, daß Gerhard Roth bevor in die Steiermark auf Urlaub fährt, mit verstellter Stimme alle Wiener Autoren anrufen würde, um ihnen etwas zu erzählen, über das sie, wenn er dann verschwunden ist, zu rätseln haben, das habe ich zwar von Helmut Qualtinger gehört, aber ich bin kein Insider des Wiener Literaturbetriebs.
Dann kam die Pause mit den Getränken, am Büchertisch lagen Plakate auf, die Harry Rowohlt geduldig mit den Büchern signierte und dazu noch Witze machte und nach Namen fragte. Ich traf ihn auch am Klo, bevor er ins Pissoir verschwand, nach der Pause kamen die Hymnen, die Witze und der Hammer, wie es Harry Rowohlt nannte. Er erwähnte auch, daß er mit dem Rowohlt Verlag nichts zu tun hat, obwohl das alle von ihm glauben und ihre Bücher bei ihm herausbringen wollen. Die Hymnen, Harry Rowohlt dürfte ein ähnliches Showtalent, wie Rolf Schwendter zu sein und hat mich stark an ihn erinnern, wenn auch etwas volkstümlicher, bezogen sich auf Amerika und Hamburg „Dann erwarte ich mir, daß Sie aufstehen“ und „ich werde mir notieren, St. Pölten steht nicht auf“, die Witze auf Ostfriesland und das Burgenland, da beides, wie Harry Rowohlt meinte, zu vergleichen ist. Mit Witzen habe ich es ja nicht so, da ich die meisten nicht lustig finde, das traf auch für den Hammer, die Katzengeschichte zu, die den Literaturpreis für grostesken Humor, in deren Jury Harry Rowohlt sitzt, gewonnen haben dürfte. Sie war auch sehr lustig, Harry Rowohlt telefonierte mit einem Zigarettenpäckchen als Handy und es ging um Katzen und Blumen, die man zu füttern und zu gießen vergessen hat und jetzt kommen die Besitzer vom Urlaub heim und man will schnell in die Wohnung, um die Kadaver zu entfernen, geht aber nicht, weil man keinen Schlüßel hat oder den nicht findet und der, der das Schlamassel verursacht hat, ist ein Schauspieler, kurz vor seinem Auftrit und telefoniert sich in letzter Minute deppert und krumm.
Beim Abgehen, Zugaben gab es nicht, begrüßte Harry Rowohlt seine Bekannten und stand noch eine Weile im Gespräch vor dem Kino, soviel Volksnähe ist für so einen Star ungewöhnlich, umso mehr, da im Programmheft etwas von „…ich war schon vorher ein arrogantes Arschloch steht!“, zu regnen hatte es inzwischen auch aufgehört und ich habe Ingrid Reichel von der LitGes gesehen, sonst habe ich niemanden gekannt.
2011-07-23
Beyoglu Blues
Weiter mit dem kleinen Türkei Schwerpunkt, nämlich dem Gedichtzyklus „Beyoglu Blues“ von Gerrit Wustmann aus dem Fix Poetry Verlag, der sich in zehn Gedichten, wie Erika Glassen, die Herausgeberin der türkischen Bibliothek des Unionsverlags meint „gerade im Zusammenhang mit der Übersetzung von Miray Atli als eine nostalgische Liebeserklärung an Istanbul erweist.“
Beyoglu, so entnehme ich dem Buch ist ein Stadtteil auf der europäischen Seite Istanbuls, den Gerrit Wustmanns durch seine „präzische Wahrnehmung und subtile poetischer Sprache zum Rauschen“ bringt.
Ob und wie lange er, der 1982 in Köln geboren wurde und in Kerpen als freier Journalist und Online-Redakteur lebt, dort war, weiß ich nicht, seine Gedichte wurden jedenfalls von der 1988 geborenen, in Köln studierenden Miray Atli ins Türkische übesetzt. Das kleine Bändchen, das ich vor ein paar Monaten bei einem der wöchentliche Gewinnspiele von Fix Poetry, bei dem ich gern mitmache, gewonnen habe, ist zweisprachig und wird von Erika Glasen sehr gelobt.
„Es ist nicht das lärmige Tamtam der Discos und Beatclubs, nicht das undurchdringliche Gewimmel der Jugendlichen, die in Scharen an den Wochenenden die Nebenstraßen und die Kinosäle bevölkern, sondern für den Poeten noch der beschauliche Ort, über dem die Möwen kreisen, an dem die Katzen im Müll streunen und altbekannten Typen ihre Waren anbieten und ihr Wesen treiben.“
Die zehn Gedichte beschreiben also den Stadtteil einer Stadt, in der ich vor vierundzwanzig Jahren ein paar Tage war und sich seither sicher sehr verändert hat, mit der ich mich vor zwei Jahren, als ich meine türkische Sozialarbeiterin Ayten Akmaz zum Begräbnis ihres Großvaters dorthin schickte, ein wenig übers Internet beschäftigte und die ich für meine „Drei S-Geschichte“, eigentlich gar nicht brauchte, da Sevims Eltern ja aus Anatolien kommen und sie sie daher höchstwahrscheinlich auch nicht mehr kennt, als ich, da ich aber auch ein wenig nostalgisch bin und die „Beyoglu Gedichte“ zum Thema passen, habe ich sie nach Harland mitgenommen und mich vorhin in der Badewanne in ihren Reiz eintauchen lassen, ist ja schon das Titelbild des kleinen Heftchens sehr poetisch.
Zehn Gedichte also und mit den Katzen fängt es auch an.
„die katzen die im müll
streunen und die müllabfuhr
um mitternacht die müllsammler
und der schuhputzer der lächelt
wenn der muezzin ruft und
die tauben sich auf den
minaretten sammeln“
Weiter geht es mit „ornamenten im staubigen boden“ zu den „minaretten“ und den „haltestellen, wo jörg fauser aus der bahn steigt“
zu
„galata kulesi unten
nacht der akkorde der sitar
blick dieses lachens und
die nachtlichter der schiffe
auf dem bosporus“
Das „genuesische perspektiv“ wird beschrieben, die „namenlosen seitengassen“ und das
„heimatlose asien
zieht weiter
nach westen
kleine verwerfungen
rücken näher“
bis zu
„ich höre beyoglu
das flimmern:hintergrundrauschen
sanftes winden von blättern
und mülltüten in den gassen
der monotone ruf der erschöpften
ich höre beyoglu“
Ein bißchen läßt sich also der Sound der Stadt und die Stimmung vorstellen, auch wenn dieser „Beyoglu Blues“, die Gedichte eines jungen deutschen Lyrikers sind.
2011-07-22
Zitronenkuchen für die sechsundfünfzigste Frau
„Seher Cakir schreibt Geschichten, in denen Frauen in der Türkei oder in Mitteleuropa mit und ohne Migrationshintergrund in einer Welt, die ihnen viel abverlangt, Stärke und Entschlossenheit, Spontanität und Sensibität zeigen“, steht auf der Buchrückseite und es sind starke Geschichte von starken und auch schwachen Frauen, von einer manchmal ganz gemeinen Bruatalität, Melancholie und Wehmut und noch vielem mehr. So beginnt es irgendwo in Anatolien oder anderswo, wo die schwarze Oma unterm Zwetschkenbaum vor der Schotterstraße sitzt und ihrer Urenkeltochter, die Geschichte ihres Lebens erzählt und immer wenn es besonders spannend wird, sie um Ayran schickt.
Fünfzehn oder sechzehn war sie, die alte Oma, als sie eines Morgens aufwachte und ihre Eltern und die elf Geschwister an der Pest verstorben in ihren Betten fand, so daß sie sich aufmachen mußte, um für das Begräbnis zu sorgen und als sie auf der Straße einschlief, wurde sie von einem Mann aufgelesen, der fünfundfünfzig oder fünfundvierzig andere Frauen hatte, der die Familie begrub und sie mitnahm in seinem Harem, wo sie dann den Großvater gebar, der nach dem Tod des Efendis von den drei übergebliebenen Frauen aufgezogen wurde.
Es geht gleich weiter mit Güllü, was „die mit Rosen“ heißt, aber gar nicht so idyllisch ist, denn Güllü wurde in das Nachbardorf verheiratet, wo sie jeden Morgen früh aufstehen muß, obwohl sie doch so müde ist, aber der Mann und die Schwiegermutter treiben sie aus dem Haus und der ganze Körper tut ihr weh von dem Mann, der in sie eingedrungen ist und der sie schlägt, obwohl sie sich doch nur nach einem Leben in der Stadt und der Liebe ihrer Freundin, die ebenfalls verheiratet wurde und nun die Arbeit machen muß, sehnt. Dann geht es in den Migrationshintergrund und da ist eine Frau aus Istanbul weggegangen, wo sie ihren Mann verließ und in Wien eine Tochter auf die Welt brachte, die nun von einem Ticket nach Paris träumt, während sie mit dem Taxi in ein Altersheim voller Schuldgefühle fährt, weil sie doch ihrer Mutter einmal versprochen hat, sie nie in ein Altersheim zu geben, nun fährt sie hin, um mit ihr dort spazierenzugehen, aber auch, um ihr zu sagen, daß sie weggehen wird.
In „Frühstück mit einem Unbekannten“, fährt eine Frau in einem Zug nach Prag um dort ihren Freund zu treffen, während „Sevim und Savas“ die Geschichte mit dem Romeo und Julia Motiv wieder besonders tragisch ist. Die Autorin bekommt sie in einem Cafe erzählt, die Geschichte der sunnitischen Sevim und deren alevitischen Freund Savas, die nicht heiraten dürfen, sich das aber trotzdem schwören und auch, wenn es nicht gelingt, sich im Stadtpark gemeinsam aufzuhängen, nur dann muß Sevim mit dem Eltern in das Heimatdorf, wo sie verheiratet werden soll. Sie läßt sich nicht, sondern geht solange in den Hungerstreik, bis der Arzt mit den Eltern im Krankenhaus schimpft. So fahren sie wieder zurück und Sevim wundert sich keine Antwort von Savas auf ihre SMS zu bekommen, ist er vielleicht doch untreu gewordenß, denkt sie wütend, aber er hat sich ohne sie im Stadtpark aufgehängt, als der Anruf ihres Vater kam, daß er sie vergessen soll…
„In Donnerstag bis Freitag“ muß eine Frau ihrer Freundin, einer Ärztin, deren Haushalt sie offenbar versorgt, sagen, daß sie als Köchin in ein Hotel nach Ägypten geht. Das homosexuelle Motiv und die Frauenliebe dringt öfter durch in den Texten, auch, daß die Frauen bevor sie ins Flugzeug steigen, sich betrinken, ob das wohl die Flugangst der Autorin oder etwas anderes ist?
Schöne, starke Geschichten und ein bißchen fremd, die von Helen beispielsweise, die eigentlich Hülya heißt und von der Mutter zum vierzehnten Geburtstag den rötesten Nagellack und Lippenstift geschenkt bekam, obwohl der Vater schimpfte. Helen ist eine moderne Frau mit einem leider schwulen besten Freund, die keinen Mann findet, weil sie Jungfrau bis zur Ehe bleiben will und er Türke sein soll. Das geht solange, bis sie durch eine Zyste erfährt, daß sie ohne Jungfrauhäutchen geboren wurde, worauf sie spontan beschließt ihr Leben zu verändern.
Im „Der Nußbaum“ schaut Selma teilnahmslos zu, wie ihre Mutter ihr neugeborenes Kind vergräbt und darüber einen Nußbaum pflanzt, während die starke Zehra, die eigentlich Forscherin werden wollte, von ihrem Mann in Dorf verschleppt wird, weil er sie für eine Hure hält und sie dort im Kuhstall mit einem Gewehr erschießt. Nach all dem Elend und der Unterdrückung gibt es aber auch in der Türkei geborene und in Wien aufgewachsene Frauen, die „nur“ an der Melancholie leiden, deshalb ihren Freund und ihren Job verlassen und „Ein Mal nach Lissabon und kein Zurück“ fliegen, weil es dort den Fado und das richtige Wort für ihre Traurigkeit gibt.
Seher Cakir wurde 1971 in Istanbul geboren, kam 1983 nach Wien und hat das Schreiben wahrscheinlich auch in der Schreibwerkstatt von Christa Stippinger gelernt. Jedenfalls wurde sie 2005 Preisträgerin des Literaturwettbewerbs „Schreiben zwischen den Kulturen“. Es gibt die „Mittwochgedichte“, ein Portrait in den „Tonspuren“, wo sie über ihre austro-türkische Identität erzählt, ein Wiener-Wortstätten-Stipedium, wo das Theaterstück „Sevim und Savas“ entstand und 2008/2009 ein Staatsstipendium für Literatur.
Der Kurzgeschichtenband ist 2009 in der Edition Exil herausgekommen, wer wissen will, wie es jungen austro-türkischen Frauen gehen kann, sollte ihn unbedingt lesen und es ist wiederum sehr schade, daß ich zwei Jahre zum Besprechen brauchte, aber ich lese ja nicht so gerne Kurzgeschichten und Sehr Cakir hat bei der Präsentation vor zwei Jahren ohnehin die meisten Geschichten zumindestens angelesen.
2011-07-21
Wunschloses Unglück und andere Prosatexte
Vorige Ostern habe ich mir in der Buchabverkaufskiste in Wilhelmsburg Peter Handkes „Wunschloses Unglück“ um einen Euro gekauft, die 1972 erschienene berühmte Erzählung, in der er sich mit dem Selbstmord seiner Mutter auseinandersetzt.
1975 oder 1976 besuchte ich in Hamburg Rudolf Blazejewski, der mir das Buch als Reiselektüre mitgegeben wollte. Da mir Peter Handke damals zu experimentell erschien, ich hatte mir, glaube ich, schon vorher „Den Hausierer“ gekauft und damit nicht viel anfangen können, habe ich es abgelehnt und die Erzählung jetzt erst gelesen. Allerdings bin ich nicht ganz sicher, ob in der Donauland Linzenausgabe, die ich erwischte, der ganze Text abgedruckt ist, endet sie doch auf Seite zweiundneunzig und dann kommen noch eine ganze Reihe Prosatexte, in dem zweihundertvierzig Seiten Buch „Die Begrüßung des Aufsichtsrats“, der „Hausierer“ und die „Hornissen“ auf je neun Seiten, der Prozeß (für Franz K.) u. u. u.
Also höchstwahrscheinlich Ausschnitte von bekannten frühen Texten, ohne nähere Angabe, was mich beim Lesen zunehmend verwirrte.
„Wunschloses Unglück“, hat mich aber sehr erstaunt, bin ich da doch mit meiner experimentellen Einschätzung sehr weitab gelegen. Peter Handke hat aber, entnehme ich Wikipedia, diese autobiographische Erzählung gesondert von seinen übrigen Werken betrachtet. Ist sie ja auch erstaunlich realistisch und beginnt mit „Unter der Rubrik „Vermischtes“ stand in der Sonntagsausgabe der Kärtner Volkszeitung folgendes…“, dann folgen einige Seiten in denen Peter Handke seine Gefühle beschreibt, bevor es mit der Biografie der Mutter, die Selbstmord mit Schlaftabletten begangen hat, beginnt.
Die Mutter Maria ist solwenischer Abstammung und der Großvater war ein sehr sparsamer Mann, der immer wieder sein ganzes Geld an den Inflationen verloren hat und immer wieder von vorne zu sparen begann. Man sparte auch für die Mitgift der Töchter, aber nicht für ihre Ausbildung, so mußte sich die Mutter, nachdem sie dem Großvater vergeblich anbettelte sie einen Beruf erlernen zu lassen, selber emanzipieren, in dem sie von zu Hause ausriß und im Hotel am See das Kochen erlernte, da ließ der Großvater sie gewähren, umsomehr da „am Kochen wenig zu erlernen war“.
Der Krieg kam dazwischen und Hitler in „thriumphaler Fahrt nach Klagenfurt“, die Mutter ging nach Deutschland zur Arbeit und als Vater für den kleinen Peter suchte sie sich einen schon verheirateten „deutschen Parteigenossen, der im Zivilberuf Sparkassenangestellter war“ aus. Heiratete aber kurz vor der Entbindung einen „Unteroffizier der Deutschen Wehrmacht, der sie schon lange verehrte“. Mit dem lebte sie eine Zeitlang in Berlin und kehrte mit ihm und zwei Kindern später nach Griffen zurück, um weitere Kinder zu bekommen, bzw. diese abzutreiben. Der Mann trank, die Mutter lachte ihn aus, versuchte immer wieder ein eigenständiges Leben und scheitere immer wieder daran. Wurde depressiv und von einem Nervenarzt behandelt, um sich schließlich „hundert kleine Schlafabletten verschreiben zu lassen“ und diese nach einem Abschiedsbrief einzunehmen.
„In dem Brief, der sonst nur Bestimmungen für ihre Bestattung enthielt, schrieb sie mir am Schluß, sie sei ganz ruhig und glücklich, endlich in Frieden einzuschlafen. Aber ich bin sicher, daß das nicht stimmt.“
Zwischendurch gibt es immer wieder erstaunliche Reflexionen über das Schreiben, die in die Autobiografie eingebettet sind.
„(Ab jetzt muß ich aufpassen, daß die Geschichte nicht zu sehr sich selbst erzählt.)
„Manchmal bin ich freilich während der Arbeit an der Geschichte all der Offenheit und Ehrlichkeit überdrüssig gewesen und habe mich danach gesehnt, bald wieder etwas zu schreiben, wobei ich auch ein bißchen lügen und mich verstellen könnte, zum Beispiel ein Theaterstück.“
Dann folgen in dem mir vorliegenden Text zwei Seiten Seiten „Anekdoten“, wie „Sie war menschenfreundlich“ oder „Sie nahm ihr Geheimnis mit ins Grab“ und am Schluß der Satz „Später werde ich über all das Genaueres schreiben“ „geschrieben Jänner/Februar 1972“ zu einer Zeit also, da Peter Handke schon berühmt war, entnehme ich doch Wikepedia, daß der „vierundzwanzigjährige Peter Handke innerhalb weniger Monate zu einer Art Popstar der deutschen Literatur geworden ist“.
Ich bin, wie ich schon in einem anderen Artikel erwähnte, kein unbedingter Handke-Fan, obwohl ich einiges, auch die späteren, sehr poetischen Werke, von ihm gelesen habe. Mit diesem Text kann ich aber sehr viel anfangen und es tut mir wirklich leid, daß ich das Buch in Hamburg nicht genommen habe. Aber höchstwahrscheinlich hätte ich es damals nicht verstanden, auch wenn ich da schon viel gelesen habe.
Mit den anderen Prosatexten, zumal es sich da um Ausschnitte handeln dürfte, habe ich mir schwerer getan, sie pflichtbewußt gelesen, werde mich aber, auch damit es nicht zulang wird, nicht sehr mit dem Besprechen beschäftigen.
Es sind Ausschnitte wichtiger Frühwerke, in Handkes Frühwerk entnehme ich Wikipedia, nimmt die Sprache und das Reflektieren der Innen und der Außenwelt eine wichtige Rolle ein. Das war den Ausschnitten zu entnehmen, ansonsten bin ich ihnen, weil ich mich nicht sehr einlassen wollte, eher ratlos gegenübergestanden und habe mich nur gefragt, ob er damit den Bachmannpreis gewonnen hätte?
Aber Handke hat sich dann ja anderen Themen zugewandt, ist poetischer und sprachlich stilisierter geworden, mit dem Bleistift durch das Land gewandert, hat die Nation mit seiner Jugoslawien-Verteidigung gespalten und sich unbeliebt gemacht. Allerdings war, glaube ich, auch die „Puplikumsbeschimpfung“ eines der Werke, die in den Sechzigerjahren zu seinem Popstarstatus führten. Dann hat sich die Kritik ein wenig von ihm abgewandt. Peter Handke wird es aushalten und hat auch einige Preise abgelehnt und auf seine Nominierung zum deutschen Buchpreis für die „Morawische Nacht“ zugunsten Jüngerer verzichtet. Hat eine große Publikationsliste, vor kurzem ein neues Buch herausgebracht und auch einen großen Fankreis, so hat mich, als ich vor zwei Jahren in der Wiener Vorlesung über Handke und Bernhard war, ein solcher gefunden, der mir die links zu seiner Sammlung schickte.
2011-07-20
Sommergespräche
Thomas Wollinger hat heute in seinem Blog ein tolles Video passend für die Sommerfrischenschreibwerkstatt hineingestellt, nämlich ein Portrait von sechs New Yorker Roman- Autoren, die über ihre Stadt, bzw. den elften September schreiben und von denen fünf seit 2000 zu Stars geworden sind. Jay Mc Inerney, Marisha Pessl, Jonathan Safran Foer, Jonathan Franzen, Nicole Krauss und Rick Moody. Jonathan Safran Foer und Jonathan Franzen habe ich davon gekannt und auch ihre Bücher gelesen. Das passt auch zu dem Profil Artikel über die jüngeren österreichischen Autoren über den ich gestern geschrieben habe.
Ansonsten bin ich immer auf der Suche nach einem Sommerfrischenprogramm und bemühe mich St. Pölten literarisch zu erleben. War die letzten zwei Jahre auf Besuch im Residenzverlag, habe mich im Vorjahr mit Doris Kloimstein im Cafe Schubert getroffen und mich dabei nicht ohne Schwierigkeiten an der Traisen durch die Frequency gekämpft und daß ich mich heuer wieder mit Doris Kloimstein treffen will habe ich mit ihr bei der Kremser-Lesung am ersten Juli ausgemacht. Eine Woche später habe ich mich mit ihr für heute am Rathausplatz zum Mittagessen verabredet und so bin ich heute, mit dem Rad in die Stadt gefahren.
Ich kenne die 1959 geborene, ehemalige LitGes-Obfrau und derzeitiges Ehrenmitglied schon sehr lang. Sie ist für mich eine der St. Pölter Literaten, mit denen ich Kontakt aufnehmen kann, Zdenka Becker sehe ich gelegentlich, zum Beispiel vor dem Cafe Schubert oder auf der Buch Wien, Alois Eder habe ich früher manchmal beim Thalia oder in der Kremsergasse getroffen, er hat sich aber, glaube ich, aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Da würde noch Robert Eglhofer überbleiben, den ich 2007 bei Ruth Aspöck Radkarawane kennengelernt habe, aber der hat ein Haus in Altenmarkt und ist daher meist dann nicht in St. Pölten, wenn ich ihn dort treffen will.
Die Sommerfrische ein wenig literarisch zu gestalten, auch wenn die LitGes gerade Sommerpause macht und sonst nichts los ist, ist aber sicher eine gute Idee und so ist heute ein literarisches Mittagessen bzw. ein Sommergespräch mit Doris Kloimstein daraus geworden, die mir von ihrem Roma, an dem sie kontinuierlich schreibt und auch sonst einiges Interessantes erzählte.
St. Pölten ist ein Dorf, habe ich mir im vorigen Jahr gedacht, als wir vor dem Cafe Schubert saßen und alle fünf Minuten jemand auftauchte, der Doris Kloimstein grüßte. Diesmal war das Wetter war nicht so schön, daß man im Freien sitzen konnte, als wir aber den Rathausplatz hinaustraten, habe ich Brigitte Schramm, die auch aus St. Pölten stammt, bzw. öfter herkommt, um ihre Eltern zu besuchen, gesehen. So habe ich auf die Suflaki mit Reis und Salat, dem Gläschen Samos und dem Ouzo, einen Cafe Latte im Cinema Paradiso mit der Brigitte, nicht Ingrid Schramm, getrunken, denn die ist eine Malerin und die Autorin „Der Liebespriesterin“, die vor einigen Jahren bei „Rund um die Burg“ in der Erotiknacht gelesen hat, während Brigitte Schramm nicht schreibt, aber als gute Freundin von Ruth Aspöck alle ihre Sachen gelesen hat und auch bei der Lesung in Krems war.
Also doch ein bißchen literarisch, zumindest das Gespräch über Clemens J. Setz Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädterkindes“, den sie zuletzt gelesen hat. Vor ein paar Jahren hat Robert Eglhofer eine St. Pölten Stadtführung für Ruths Freundinnen gemacht, da waren wir und Brigitte Schramm dabei und bei Ruths letzten Saisonsschlußfest habe ich sie auch getroffen.
Ansonsten ist gerade die Anna nach Harland gekommen und das Korrekturexemplar der „Absturzgefahr“ ist auch eingetroffen. Der Beschreibungstext stimmt jetzt, ich werde es aber noch einmal durchsehen, damit alles passt. Seher Cakirs „Zitronenkuchen für die sechsundfünfzigste Frau“ und Gerrit Wustmanns „Beyoglü Blues“ habe ich mir als Einstimmungslektüre für den neuen Roman aus Wien mitgenommen und mir die vorhandenen einundzwanzig Seiten der „Frau auf der Bank“ ausgedruckt. Daß ich mir für jede meiner Protagonistinnen ein eigenes Heft anlegen wollte, habe ich in der Arbeitshektik des Montags und des Dienstags vergessen. Charakterbögen waren aber in der grünen Mappe, so daß ich damit anfangen kann.
2011-07-19
Unter Dreißig
Als ich Sonntag mit dem Zug von Krems nach St. Pölten gefahren bin, habe ich das Profil durchgeblättert, das sich Alfred am Bahnhof kaufte und bin im Kulturteil unter dem Titel „Etwas kommt ins Rollen“, auf einen der raren Berichte über Literatur und auf den Versuch eine allgemeine Tendenzen im Schreiben jüngerer Österreicher zu orten, gestoßen.
„Namhafte Verlage, renommierte Preise, enthusiastische Rezensionen: Österreichs Schriftstellerinnen und Schriftsteller drängen neuerdings verstärkt an die Öffentlichkeit.“
Dann folgten zehn Namen und zehn Kurzportraits unter Dreißigjähriger, die quer durch den Krautgarten auf jeweils einer halben Seite „über lästige Fragen, Schreibblockaden und das Glück im stillen Kämmerlein zu sitzen“ ausgefragt wurden.
An sich mag ich solche Verallgemeinerungen nicht, da stellt man im hinteren Drittel der Wochenzeitschrift auf ein paar Seiten Clemens J. Setz, Nadja Spiegel, Gerhild Steinbuch, Reinhard Kaiser Mühlecker, Sonja Harter, Bernhard Strobel, Phillipp Weiss, Lukas Meschik, Barbara Aschenwald und Ann Cotten, die meisten acht- oder neunundzwanzig, nur Nadja Spiegel und Lukas Meschik stechen da mit neunzehn und zweiundzwanzig aus dem Reigen, schreibt ein paar Zeilen über die letzte Veröffentlichung, stellt Fragen wie „Müssen Autoren also intensiver leben?“ oder „Wie gehen Sie mit Erfolgsdruck um?“ und wirft in einem Vorwort auch noch ein paar Thesen, wie „Das Arbeitsverständnis dieser Autorinnen und Autoren ist zugleich von Pragmatismus und Professionalismus geprägt, vom Schreiben als Handwerk im besten Sinn“ oder Behauptungen wie „Mit der zumal in Österreich traditionell gepflegten Ansicht vom Autor als Originalgenie hat die junge Generation wenig am Hut“, aufs Papier
Das Nachwort in diesem Literaturschnellkurs fehlte und natürlich auch andere Autoren unter Dreißig, wie Cornelia Travnicek, Sara Wipauer, Martin Fritz, Anna Weidenholzer, Robert Prosser, Magda Woitzuck, Yasmin Hafdeh, Cornelia Hülmbauer, Sophie Reyer, Valerie Fritsch, Emily Walton, um mal elf aufzuzählen und auch die, die meinem gestrigen Artikel zufolge ebenfalls schreiben, aber nicht den Fm4 Wettbewerb gewonnen haben, einen Blog zur Selbstdarstellung führen oder in den renommierten Verlagen aufgefallen sind, also die, die zwar auch schreiben, über die die renomomierten Literaturkritiker nichts wissen, bzw. es nicht der Mühe Wert erachten sie in einem Profil-Artikel vorzustellen und ihnen Fragen wie „Was ist schön daran im stillen Kämmerlein zu schreiben?“, „Muß man wie besessen lesen, um selbst Autor werden“ oder „Sehen Sie sich in Konkurrenz zu anderen jungen Autoren?“ stellen“
Ich mag wie erwähnt, diese Verallgemeinerungen und auch den Versuch aus zehn Kurzportraits eine Theorie über die österreichische Literaturlandschaft der unter Dreißigjährigen auszustellen nicht, fürchte aber fast, daß der Literaturbetrieb so abläuft, habe ich mich doch vor ein paar Jahren gewundert, als ich in der Gesellschaft der Literatur bei der Präsentation des neuen, noch nicht ganz auf Deutsch übersetzten Buches, einer jungen rumänischen Schriftstellerin war, daß es am Buffet mit, ich glaube, Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ verglichen wurde und war baff, wäre mir ein solcher Vergleich bei einem Roman, der von einem Kindertransport in ein rumänisches Ferienlager handelt, nicht eingefallen. Wie kommt der Zuhörer darauf?, habe ich mich gefragt. Inzwischen fürchte ich fast, daß das vielleicht eingefallen ist, weil man Robert Musil eben kennt oder kennen muß, aber damit wird schon wieder vieles ausgeschlossen und das störte mich bei diesem Vergleich und stört mich auch an diesem Artikel, obwohl es sicher gut gemeint ist, der Profil-Leserschaft, die vielleicht nicht so viel, wie ich in die Alte Schmiede geht, die österreichische Gegenwartsliteratur an ein paar Beispielen, in ein paar Zelen mit ein paar Verallgemeinerungen näherzubringen.
Zuerst habe ich „Wow!“, dann habe ich nachgedacht und bin darauf gekommen, daß in diesen Gemeinplätzen gar nicht so viel Erkenntnis steckt.
Gut, ein paar jungen Autoren haben in den letzten Jahren Preise gewonnen, Clemens J. Setz mit seinem Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ den Leipziger Buchpreis 2010 und da waren, wie ich mich erinnern kann, alle überrascht, weil die meisten gedacht haben, Arno Geiger würde ihn bekommen. Valerie Fritsch, Martin Fritz und Cornelia Travnicek einen der fm4-Literaturpreise, Anno Cotten und Gerhild Steinbuch den Priessnitz-Preis und Reinhard Kaiser Mühlecker hat schon drei Romane bei Hoffmann und Campe verlegt und all das ist interessant und sicher wichtig für die österreichischen Leser und Leserinnen zu wissen, daß es mehr Autoren, als Elfriede Jelinek, Barbara Fritschmuth und Friederike Mayröcker gibt. Ich glaube ohnehin, daß sich die österreichischen Zeitungen und Zeitschriften viel zu wenig mit Literatur beschäftigen, so sollte ich über „Etwas kommt ins Rollen“ eigentlich nicht Maulen, sondern mich darüber freuen, daß dem Profil die junge Literatur im Sommer sechs Seiten wert war.
Ich schreibe im Literaturgeflüster auch immer wieder darüber und habe, aufmerksame Leser werden es bemerken bei meiner Ergänzung sicher einige genauso wichtige Namen vergessen.
Die Teilnehmer am Hochschullehrgang für Sprachkunst habe ich dabei vollständig ausgelassen, die Autoren vom Ohrenschmaus und sicher auch ein paar Poetry-Slamer, also frage ich mein Publikum, wer fehlt noch?
Für Ergänzungen bin ich dankbar und kann, wenn es gewünscht wird, dem ersten dem was einfällt, sogar mein neues Buch zur Verfügung stellen, allerdings der teuren Posttarife wegen nur innerhalb Österreichs und wenn es geht, gegen Abholung.
2011-07-18
Wieder einmal Schreibgedanken
Eigentlich wollte ich gestern etwas über meine Verwunderung, daß es mir nicht und nicht gelingt literarisch aufzufallen oder einen Verlag zu finden, was bei einer, die wahrscheinlich mehr und länger schreibt, als die meisten, die beim Bachmannpreislesen, schon ein wenig seltsam ist, schreiben, denn es sollte neben meinen Schreibberichten auch Bemühungen gebn, wie sich das verändern läßt.
Am Anfang meines Schreibens in den Siebzigerjahren war ich sehr unsicher und habe außer dem Arbeitskreis schreibender Frauen nicht viel literarisches Feedback gehabt. Da waren zwar Autorinnen, wie Marie Therese Kerschbaumer, Elfriede Haslehner, Christa Stippinger und Erika Danneberg dabei. Arthur West habe ich auch dort kennengelernt, in den Literaturbetrieb bin ich dadurch aber nicht gekommen. Zaghaft sind dann die ersten Informationen, welche Stipendien und Verlage es gibt, zu mir gedrungen, so daß ich ziemlich wahllos und sehr unsicher meine Texte an die mir vorhandenen Adressen schickte. Das war mir alles sehr unangenehm und ich wußte auch nicht recht, was und wie ich das hinschicken soll. Heute gibt es Seminare, wo man das Exposeschreiben beispielsweise lernen kann. Mir hat Elfriede Haslehner einmal gesagt, es wäre noch zu früh, mich für ein Stipendium zu bewerben, da war ich beleidigt, habe es trotzdem getan, keines bekommen und irgendwann aufgehört mich dafür zu bewerben. Ich kann mich noch erinnern, daß ich damals dachte, macht ja nichts, es braucht mich nur jemand für einen Preis vorschlagen, dann geht es weiter. Inzwischen beginne ich zu ahnen, daß das genau mein Problem ist, daß mich niemand vorschlägt und in den vierzig Jahren, die ich schreibe, dieses offenbar niemand aufgefallen ist.
Das verstehe ich ganz ehrlich eigentlich nicht und wenn ich mir meine fünfundzwanzig Bücher, die trotzdem entstanden sind, so anschaue, wird mir das auch nicht klarer. Zwar stimmt es sicher, ich habe in den Achtziger- und Neunzigerjahren zu schnell auch Unfertiges, Unkorrigiertes an den damaligen Residenzverlag und Droschl geschickt oder auch wahllos an den Gemüsegarten der Verlagslandschaft, deren Adressen, ich im Handbuch der IG Autoren gefunden habe, weil ich nicht wußte, wie das anders geht und ich auch niemanden hatte, der mich mit konstruktiver Kritik weiterbrachte, da ich die, die es im Arbeitskreis gab, als nicht als konstruktiv empfunden habe, sondern so empfand, als solle ich eigentlich zu schreiben aufhören und dagegen habe ich wahrscheinlich auch ein wenig stur angekämpft. Das Schwierigste war, glaube ich, meine Hemmung. Am Anfang hatte ich ziemliche Schreibblockaden, aber einen starken Willen und den Gedanken, ich muß schreiben, denn wenn ich es nicht tue, dann gibt es nichts von mir. Das ist besser geworden und das sehe ich als Lernprozeß. Wie ich auch glaube, daß man weiterkommt, wenn man nicht aufgibt, sondern es immer wieder versucht.
Die Schreibblockaden sind verschwunden und auch die quälenden Gedanken, mit denen ich mich zum Schreibtisch zwingen mußte. Jetzt weiß ich meistens über was ich schreibe und kann mit der Kritik, die kommt, auch etwas anfangen. Das heißt, ich glaube zu wissen, wo sie sie stimmt und wo nicht.
Da war ich am Anfang ziemlich überfordert und habe meistens „Wow!“, gedacht und nichts verstanden, obwohl ich sagen muß, daß mir der Herr Ammann, als ich 1989 die „Hierarchien“ an seinen Verlag schickte, einen sehr lieben Brief geschrieben hat und auch Karl-Markus Gauß hat das beim „Lieben Gott“ ein bißchen später getan und gemeint, ich sollte nicht so eins zu eins, sondern etwas erhöht und abgehoben schreiben, das würde ich mir jetzt so interpretieren und verstehe nun auch, wie er das meinte. Durch Erfahrung und Übung lernt man. Durch das Literaturgeflüster habe ich mir meine Hemmungen weggeschrieben und das regelmäßige Reflektieren, was ich hier praktiziere, ist auch sehr förderlich. Den ersten Erfolg habe ich noch in meinen Arbeitskreiszeiten gesehen, da saßen wir einmal im Wohnzimmer der Valerie in Grinzing bei Kaffee und Kuchen und sie sagte, „Mir fällt eigentlich immer was ein!“
„Wow!“, habe ich neiderfüllt gedacht“Mir nicht!“
Seit mehr als zehn Jahren tut es das bei mir aber auch. Ich würde sagen, als ich die „Hierarchien“ fertig hatte, die dann in der Edition Wortbrücke bei Jack Unterweger erschienen sind, war bei mir einmal Pause, weil ich ja bis 1995 ziemlich intensiv meinen Vater betreut habe, danach hat es angefangen zu fließen, möglicherweise mit „Thea Leitners verrückten Traum“ oder auch mit „Lore und Lena“, die schon etwas früher entstanden sind. Ich habe weiter herumgeschickt und war vor allem bei „Lore und Lena“ sehr erstaunt, daß das niemand wollte, denn da hatte ich beim Schreiben einen ziemlichen Rausch und bin mit den Franks, dem Alfred und der Anna auch um den Neusiedlersee gefahren und habe die anderen dabei mehrmals verloren, weil ich ständig an „Lore und Lena“ dachte. Es war auch die Zeit, wo mein „Verhaltenstherapie bei erwachsenen Stottern“, bei ORAC erschienen ist und da ging es auch.
Aber gut, im Literaturbereich ist es anders, ich habe also herumgeschickt, eine Zeitlang aufgehört mich um Stipendien zu bewerben, weil ich durch meine Praxis ja etwas verdiente und mir Waltraud Haas einmal sagte, daß man das dann nicht mehr machen soll, wieder angefangen und endgültig aufgehört.
2000 hielt ich mein erstes Digitaldruckbuch in Händen, dachte wieder „Wow, wie schön!“ und begriff erst später in welch fürchterliches Fettnäpfchen ich mich damit gesetzt habe, denn damit war es offenbar total aus „Eigenverlag, das geht doch nicht!“, obwohl ich es ja gar nicht nenne und auch kein Verlag bin, aber andere kenne, die das offenbar ein bißchen geschickter sehr wohl so machen. Aber geschickt bin ich wohl nicht sehr, sondern gradlinig und offen. Also irgendwann auch mit der Verlagssuche aufgehört, aber weitergeschrieben, immer mehr und immer besser auf der einen Seite, auf der anderen habe ich die leeren Kilometer und Themenwiederholung sicher drin, würde da vielleicht schon einen Lektor brauchen, der mich auf das aufmerksam macht, das merke ich dann beim Lesen in der Badewanne.
Die Möglichkeit des Literaturgeflüsters war wieder ein Schritt nach vorn oder auch einer nach hinten, wie man es nimmt, denn, daß die Kritiker, die Literatur in Blogs vielleicht nicht so ernst nehmen und sich nicht die Zeit, in sie hineinzuschauen, kann ich mir schon denken und auch, daß vieles da im Argen liegt. So stoße ich immer wieder auf Drohungen, ich kann es nicht anders nennen, daß, wenn man einmal etwas bei BoD oder sonstwo selbst verlegt, man niemals mehr eine Chance auf einen Publikumsverlag hat, denn kein solcher würde dann noch etwas nehmen. Nele Neuhaus hat, glaube ich bewiesen, daß das nicht stimmt, ist aber wahrscheinlich ein Einzelfall.
Das irritert dann sehr, wie es auch die Leute tun, die meine Bücher mit spitzen Fingern anfassen und gedehnt „Sehr schön!“, sagen. Wenn sie sie nicht lesen, können sie das nicht wissen. Seit 2004 schicke ich nichts mehr herum, denke aber immer, daß ich mich damit vielleicht selbst ins Abseits setze, was ich nicht will, so habe ich die „Radiosonate“ 2008 auf der Buch Wien dem Kitab Verlag angeboten und hingeschickt, aber leider keine Antwort bekommen. Ist kein so schlechter Roman, war sogar in Ö1, daß es aber gruppendynamische Effekte gibt, weiß ich natürlich und, daß der Literaturbetrieb sehr sehr hierarchisiert ist, auch, obwohl es bei literaturcafe.de ein Interview mit Daniela Strigl gibt, wo sie bedauert, daß man sowenig von den Produkten der Kleinverlage weiß und das sehe ich auch so, daß die meistens gar nicht wahrgenommen werden, wie auch das Beispiel von Judith Gruber-Rizys Buch Drift, das 2009 bei Edition Art Science erschienen ist zeigt, weil offenbar der Verleger von Michel Bozikovic gar nicht schaute, ob es nicht schon ein Buch dieses Namens gibt, obwohl ich bei dem Eigenverlagsseminar, das ich bei der Buch Wien machte, hörte, daß man, bevor man seinem Roman einen Titel gibt, das machen soll.
Es gibt offenbar eine oder zwei Handvoll Autoren, die von den Kritiker als anerkannt wahrgenommen werden, die sie auswählen und zitieren, das sind dann auch die, die ständig Preise bekommen und die überall lesen und die anderen interessieren offenbar nicht und das finde ich, wie Daniela Strigl schade, weil ich ebenfalls glaube, daß man dabei viel übersieht und fühle mich mit Recht oder Unrecht übersehen. Irgendwie werde ich da wohl in der Mitte liegen, bin froh, daß es das Literaturgeflüster gibt, wo ich mich präsentieren kann, habe dadurch, das hab ich schon geschrieben, viel gelernt und finde es auch schade, wenn es nur als Nachricht über den Literaturbetrieb, wo man Sachen findet, die es sonst nicht gibt, wahrgenommen wird, kann es aber nicht ändern, sondern nur selber besser machen, indem ich mich für die Literatur der anderen interessiere und es ist kein Schaden, denke ich, zu wissen, was in der Literatur außer bei Clemens J. Setz, Andrea Winkler etc noch passiert, denn die österreichische Literatur ist sehr vielfältig und es gibt ein paar tausend und nicht nur zehn Autoren und mindestens ein paar Hundert davon schreiben auch wirklich gut.
2011-07-17
Unterwegs mit den drei S
Auf der Fahrt nach Wilhelmsburg am Donnerstag ist mir ziemlich schnell eingefallen, wie ich den neuen Roman, ich nehme einmal an, daß es einer wird, beginnen könnte. Wieder wenig originell mit einem Geburtstagsfest, allerdings feiern alle drei Heldinnen eines und jede auf höchst unterschiedliche Art. Daß die Selma im offenen Bücherschrank den „Granatapfelbaum“ findet und ihn Sevim übergibt, wenn sie sie am Rathausplatz trifft und, daß sowohl Sevim, als auch Svetlana einen Tanzkurs zum Geburtstag bekommen, waren weitere Einfälle.
Am Freitag habe ich „Die Frau auf der Bank“ begonnen und die drei Geburtstagsszenen hingeschrieben. Selma feiert um Mitternacht mit einem Fläschchen Hofer Sekt vor dem Springbrunnen im Rathausplatz allein, Sevim wartet auf Bülent, der nicht kommt, dafür kommt ihre Freundin Leila und bringt Rosen, Sekt und den Gutschein für den Tanzkurs mit und Svetlana kommt von ihrem Dienst nach Hause, ihre Familie hat eine Geburtstagsparty vorbereitet und einen Gutschein für einen Tanzkurs bekommt sie auch.
Soweit die Einführung in die drei S und so wirds wahrscheinlich auch heißen „Die Frau auf der Bank oder dreimal S“.
Am Freitag war ich noch mit dem Mailwechsel zwischen dem Alfred und dem digitaldruck.at beschäftigt. Das PDF von „Absturzgefahr“ ist jetzt an die Druckerei gegangen, das Korrekturexemplar als PDF zurückgekommen. Ich war damit zufrieden, dem Alfred ist aber aufgefallen, daß die Buchbeschreibung Schlangenlinien wirft. Mal sehen, wie es weitergeht, ob das Buch kommende Woche kommt und ob auch der Umschlang in Ordnung ist.
Am Samstag bin ich wieder einmal auf den Klangturm hinaufgefahren, habe mir die Ausstellung angeschaut und meinen Roman im Kopf mitgenommen. Vor allem die Figur und die Geschichte der Sevim Erdogan habe ich schon ziemlich plastisch vor mir, die wird sich im Lauf der Handlung scheiden lassen und viel Material habe ich eigentlich auch schon. Bei der Svetlana ist das ähnlich, die wird von ihrer Patientin Selma, die eine Paranoia, keine Borderlinestörung hat, aufgefordert sich in OA Hardenberg zu verlieben, bzw. sich in die Beziehung einzulassen, wie das mit Selma wird, ist noch am unklarsten. Das sind die dunklen Flecken oder auch das Schwammige sozusagen.
Ich bin Donnerstag und Freitag wieder mit meinen Büchern in die Badewanne gegangen, um mich vor allem in die zu vertiefen, wo schon Selma Vorformen zu finden sind und da ist es mir ähnlich, wie beim letzten Mal gegangen, es gibt ein paar Sachen, die finde ich sehr gut und schade, daß das noch nicht aufgefallen ist und ansonsten habe ich natürlich Wiederholungen und Schwachstellen, habe ich ja schon wirklich viel geschrieben und höchstwahrscheinlich fehlt mir wirklich das Lektorat.
Gestern habe ich weitergeschrieben und da kamen schon die ersten Zweifel und Schwierigkeiten. Die vierte Szene war eine über Sevim, schließt an das Geburtsfest an und erzählt, wie es weitergeht, sie fährt mit dem Gutschein auf den Rathausplatz, um in weiterer Folge Selma dort zu treffen. Da kam dann schon die Frage, wie weit soll ich in die Vergangenheit zurück und was ist jetzt die Handlung? Vielleicht zurück zum Start und von vorne anfangen, also erzählen, wie es war, wie die Kinder im Kindergarten einen Ausflug machten, Sevim mitfahren wollte, den Bus versäumte und dann zum ersten Mal in ihrem Leben mit den Zug gefahren ist. Aber wie mache ich das? Zuviele Rückblenden gehen vielleicht nicht, jetzt ist Sevim ja fünfundreißig und Aysha und Aygül zehn und fünfzehn und was ist die Handlung? Daß sie sich scheiden läßt, wie kommt sie dorthin?
Also doch nicht so einfach. Ich habe noch eine Selma Szene geschrieben und mich dann entschloßen in die Vergangenheit der Sevim zurückzugehen.
Ich werde mir auch drei Hefte anlegen für jede S eines und die Biografie bzw. den Charakterbogen ausfüllen und Materila sammeln.
Viel mehr Handlung habe ich bis jetzt nicht, nur den Vorsatz, mir diesmal wirklich viel Zeit zu lassen, die drei Geschichten ineinander verknüpfen und wenn es geht so oft umschreiben bis es wirklich passt. Damit bin ich in den Sonntag, da habe ich noch kurz Thomas Wollinger einen Kommentar auf seine neue Erfolglos Schreiben Folge mit diesen Problemen geschrieben, dann bin ich mit dem Alfred mit dem Rad nach St. Pölten gefahren und von dort mit dem Zug nach Melk, wollte er er doch zum Glatt und Verkehrt Festival und da trat am Nachmittag in Rossatzbach bei einem Heurigen das Kollegium Kalksburg auf. In Schwallenbach haben wir die Gaby getroffen, die sich dort, nachdem sie auf Ruth Aspöcks Dichterradkarawane 2007 mitgefahren ist, ein Haus kaufte und die wir immer besuchen, wenn wir dort vorbeikommen. Mittagessen in Spitz mit der Fähre auf die andere Donauseite, dazwischen eifrig Marillensammeln, was ja auch ein Highlight der sommerlichen Radtouren durch die Wachau ist.
Um drei waren wir bei dem Heurigen, sind in der Hitze und dicht an der Bühne gesessen, haben Wienerlieder gehört und uns mit den Leuten am Tisch unterhalten, dann mit einer kleineren Fähre über die Donau und bis Krems gefahren. Von dort mit dem Zug nach St. Pölten. Inzwischen gab es einen Wetterwechsel, wurde es doch sehr windig und meine drei Frauengestalten sind mir inzwischen irgendwie auch entschwunden. Ich werde mir morgen aber die achtzehn Seiten ausdrucken. Morgen besucht mich auch meine Cousine Irmi und als ich ds letzte Mal bei ihr war, bin ich kurz darauf mit der „Absturzgefahr“ fertiggeworden und zu den „Zwillingswelten“ hat sie mich auch ein bißchen inspiriert. Mal sehen ob das diesmal auch so wird und, daß ich vielleicht versuchen sollte, mich besser zu verkaufen, ist vielleicht ein auch nicht unwichtiger Aspekt, denn möglicherweise krankt es schon ein bißchen, daß ich da nicht sehr erfolgreich bin, nur wie ich das machen soll, ist noch schwieriger, als aus dem vorhandenen Material einen Roman zu schreiben.