Auch in St. Pölten gibt es einen Rathausplatz in dem im Sommer in Verbindung mit dem Cinema Paradiso und Kulinarik ab sechzehn Uhr open Air Filme laufen. Als wir noch nach Wien gependelt sind, waren wir öfter dort, die Akustik war aber nicht so gut und es war auch etwas schwierig, da ich in der Nacht nicht gerne Rad fahre. Seit wir wieder in Wien wohnen, gehe ich dort auf dem Rathausplatz bzw. auf den Karlsplatz ins Kino unter Sternen, was ja einfacher ist, am Samstag gab es aber, wie im Cinema Paradiso Programmheft steht eine besondere Sensation, nämlich „Kult-Literat Harry Rowohlt tritt mit seiner legendären Bühnen-Show im Open Air Kino in St. Pölten auf.“
Harry Rowohlt, der 1945 in Hamburg geboren wurde, ist der Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt, hat Pu der Bär und Frank MC Courth übersetzt, eine Kolumne Pooh`s Corner in der „Zeit“, und tritt in der Fernsehserie „Lindenstraße“ als Obdachloser Harry auf, letzteres war mir als Nichtfernseherin nicht bekannt, ebenso nichtso sehr der Schauspieler und Rezitator, habe ich von meinen Zeitungslektüren ja eher den Schriftsteller und Übersetzer mitbekommen.
Alfred hat mich schon länger auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht, zwölf Euro Eintritt im Vorverkauf, vierzehn an der Abendkassa, bei Schlechtwetter findet die Veranstaltung im Kino statt, die ersten hundertzwanzig Tickets können dort hinein, alle anderen werden umgetauscht. wir haben uns erst gestern dazu entschlossen, geregnet hat es auch, so war es unklar, wie es mit den Karten wird, bzw. wieviele Leute sich im Raum St. Pölten für Harry Rowohlt interessieren.
„Die live-Auftritte genießen einen nahezu legendären Ruf, ein Großteil dieser Veranstaltungen ist bereits lange im Voraus ausverkauft“, lese ich in Wikipedia. Es war auch sehr voll im Kino, die Dame an der Kasse hat etwas von Stufenplätzen gesagt, wir haben eine Weile gewartet, dann reguläre Tickets mit freier Platzwahl bekommen, allerdings waren, als wir in den Saal gekommen sind, nur mehr ganz hinten zwei Plätze frei.
„Harry Rowohlts exzessive Solo-Bühnenauftritte dauern lang“, steht weiter in Wikipedia, „selten weniger als vier manchmal auch sechs Stunden“, die einleitende Dame sprach von zweimal siebzig Minuten mit einer Pause, die man, wie Harry Rowohlt ausführte, zum Bücherkaufen, zwei lagen bei der Kasse auf, pinkeln und zum Trinken nutzen könne und er unterbricht die Lesungen steht weiter „häufig für Kommentare zu den Texten, abwscheifende Bemerkungen, Anekdoten, autobiographische Erzählungen, Dialoge mit dem Publikum und vieles mehr“.
So war es auch, Harry Rowohlt erzählte, daß er schon einmal in der ehemaligen Synagoge gelesen hätte und im Zug, die Ansage „St. Pölten“ zweimal mit Chris Lohners schöner Stimme hörte. Er sprach auch von einer Aufwärmphase, in der man ihn fotografieren könne, was Alfred reichlich tat und begann mit Kindergedichten in Englisch und Deutsch. Den Namen des Autors habe ich leider nicht verstanden. Harry Rowohlt zeigte aber Illustrationen, die man, wie er meinte in den ersten drei Reihen erkennen könne, für die anderen erklärte er sie. Eines zeigte ein Kind, das auf einen Stapel Bücher saß, das Gedicht hieß dann auch „Bücher, Bücher, Bücher“, wobei Harry Rowohlt erwähnte, daß er für seine Freundin Greta (habe ich den Namen richtig zitiert?) die Werke von Proust, Ingeborg Bachmann und Sigfried Lenz gelesen hätte. Lenz würde er nochmals lesen, was er diesen bei einer Begegnung auch sagte, worauf dieser lakonisch einwarf, das ist, weil man seine Sachen schnell vergißt. Da würde ich zwar für die Bachmann plädieren, aber ich habe einen Heimvorteil, aber auch ein bißchen Lenz gelesen und erinnere mich an die „Deutschstunde“.
Weiter ging es mit „Pooh`s Corner“ und einer Geschichte, die in England spielt, das Zuhören war zumindestens für mich wegen der deutschen Aussprache und den vielen Anspielungen, die man als nicht „Zeit“-Leserin vielleicht so versteht, nicht ganz leicht. Harry Rowohlt erwähnte aber, daß er, seit bei ihm eine Poly-Neuropathie diagnostiziert wurde, nicht mehr trinkt. In Wikipedia steht etwas von „Schausaufen mit Betonung“, das jetzt „Betonung ohne Schausaufen“ heißen würde. Harry Rowohlt scheint viel auf der Frankfurter Buchmesse zu lesen, so kam die vor, Marcel Reich-Ranicky, Günter Grass und die Zeitschrift „Focus“, mit der seine Wickel zu haben schien und natürlich Anspielungen auf Österreich, das Wiener Hotelzimmer in dem er sich befand, als einer seiner Übersetzten verstorben ist, so daß er die Nachrufworte halten sollte und er erzählte auch, daß Gerhard Roth bevor in die Steiermark auf Urlaub fährt, mit verstellter Stimme alle Wiener Autoren anrufen würde, um ihnen etwas zu erzählen, über das sie, wenn er dann verschwunden ist, zu rätseln haben, das habe ich zwar von Helmut Qualtinger gehört, aber ich bin kein Insider des Wiener Literaturbetriebs.
Dann kam die Pause mit den Getränken, am Büchertisch lagen Plakate auf, die Harry Rowohlt geduldig mit den Büchern signierte und dazu noch Witze machte und nach Namen fragte. Ich traf ihn auch am Klo, bevor er ins Pissoir verschwand, nach der Pause kamen die Hymnen, die Witze und der Hammer, wie es Harry Rowohlt nannte. Er erwähnte auch, daß er mit dem Rowohlt Verlag nichts zu tun hat, obwohl das alle von ihm glauben und ihre Bücher bei ihm herausbringen wollen. Die Hymnen, Harry Rowohlt dürfte ein ähnliches Showtalent, wie Rolf Schwendter zu sein und hat mich stark an ihn erinnern, wenn auch etwas volkstümlicher, bezogen sich auf Amerika und Hamburg „Dann erwarte ich mir, daß Sie aufstehen“ und „ich werde mir notieren, St. Pölten steht nicht auf“, die Witze auf Ostfriesland und das Burgenland, da beides, wie Harry Rowohlt meinte, zu vergleichen ist. Mit Witzen habe ich es ja nicht so, da ich die meisten nicht lustig finde, das traf auch für den Hammer, die Katzengeschichte zu, die den Literaturpreis für grostesken Humor, in deren Jury Harry Rowohlt sitzt, gewonnen haben dürfte. Sie war auch sehr lustig, Harry Rowohlt telefonierte mit einem Zigarettenpäckchen als Handy und es ging um Katzen und Blumen, die man zu füttern und zu gießen vergessen hat und jetzt kommen die Besitzer vom Urlaub heim und man will schnell in die Wohnung, um die Kadaver zu entfernen, geht aber nicht, weil man keinen Schlüßel hat oder den nicht findet und der, der das Schlamassel verursacht hat, ist ein Schauspieler, kurz vor seinem Auftrit und telefoniert sich in letzter Minute deppert und krumm.
Beim Abgehen, Zugaben gab es nicht, begrüßte Harry Rowohlt seine Bekannten und stand noch eine Weile im Gespräch vor dem Kino, soviel Volksnähe ist für so einen Star ungewöhnlich, umso mehr, da im Programmheft etwas von „…ich war schon vorher ein arrogantes Arschloch steht!“, zu regnen hatte es inzwischen auch aufgehört und ich habe Ingrid Reichel von der LitGes gesehen, sonst habe ich niemanden gekannt.
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