Nun kommt der ganze Reisebericht, nachdem ich schon einzelne Reportagen vorangestellt habe.
Donnerstag vor zwei Wochen sind wir über die Tschechai nach Tschenstochau oder Czestochowa gefahren, wo der Campingplatz gleich neben dem berühmten Heiligtum mit der schwarzen Madonna liegt. Alfred hat den Ort ausgesucht, weil er auf der Reiseroute liegt, über Krakau wäre es auch gegangen, das hat er im letzten Jahr so gemacht. Ein Abend und ein Morgen dort, beziehungsweise zwei davon, weil wir auf der Rückfahrt noch einmal hinkamen, kann aber ein Erlebnis sein, denn es ist sehr beeindruckend über die großen Parkplätze zu gehen und die Pilgergruppen mit ihren speziellen T-Shirts und Fahnen, die Nonnen und die Priester durch das Paulinerkloster gehen zu sehen. In der Seitenkapelle mit der berühmten Madonna, scheint es fast ständig Messen zu geben und auch sonst knien, beten und singen die Gläubigen dort. Beeindruckend eine Reise nach Polen damit zu beginnen und sehr interessant. Ich war bisher nur dreimal sehr kurz in Polen. Das erste Mal in den frühen Neunzigerjahren, als ich mit dem akademischen Reisebüro für vier Tage nach Lemberg und Kraukau gefahren bin, damals ein Wahnsinn, weil viel zu kurz, so sind wir überall zu spät hingekommen und die Reiseführer waren zum Teil nicht da. Ich habe aber meine „Reise nach Odessa“ nach diesen Eindrücken geschrieben, dann sind wir auch während unserer hohen Tatra Aufenthalte, ein paarmal über die polnische Grenze gefahren. Zakopane liegt ja gleich bei Tatranska Lomnika, so sind wir an einem Regentag einmal nach Auschwitz gefahren und voriges Jahr einen Tag nach Krakau und weil der Alfred voriges Jahr mit dem Karli zwei Wochen in den Masuren war, bin ich auf die Idee gekommen, dorthin zu wollen.
Also losgefahren, ausgerüstet einigen Büchern, darunter Ilona Lütkemeyers „Mit 80 Seiten um die Welt“, einen Reisetagebuchschreibratgeber, den ich im März im offenen Bücherschrank gefunden habe und einem schönen roten Buch mit Bleistift aus Büttenpapier, das mir die Brigitte einmal zum Geburtstag schenkte und habe auch im Auto eifrig die achtzig Schreibaufgaben gemacht. Reisetagebuch habe ich auch geschrieben und inzwischen einige Reisereportagen, so daß ich mich hier kurz halten kann.
Alfred hat einen genauen Reisplan erstellt, so sind wir am nächsten Tag nach Torun gefahren, dort an der Weichsel spazieren und in die Altstadt gegangen. Dann hatten wir schon die Masuren, diese ehemalige ostpreußische Seenplatte in Nordpolen erreicht. Das heißt nicht ganz, denn die nächste Station war Elblag, da sind wir drei Tage geblieben, haben die berühmte Marienburg besucht und sind einen Tag mit dem Schiff den oberländischen Kanal entlanggegfahren. Dann ging es in die Nähe von Olsztyn oder Allenstein, dort haben wir auf dem sehr kleinen Piratencamp direkt am See auf einer Hotelwiese übernachtet, wo ich mich ein bißchen in die Literatur Ostpreussens eingelesen habe. Ernst Wiechert wurde dort geboren, wir sind auch an dem Ort, wo es ein kleines Museum gibt, vorbeigefahren, haben es aber nicht besichtigt, daß ich „Die kleine Passion“ von ihm unlängst aus dem Bücherschrank gezogen habe, hatte ich fast vergessen. Den Namen Arno Surminski hat Alfred mir genannt, wir haben, habe ich gerade nachgeschaut „Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreussen nach Deutschland?“ von ihm,“Die Reise nach Nikoleiken“ nicht, aber dorthin sind wir erst ein paar Tage später gekommen.
Dann gibt es noch Günter Grass, in Danzig Geboren, dorthin sind wir nicht gekommen, Siegfried Lenz, von dem ich einige Bücher gelesen habe und die Gräfin Dönhoff. Ich habe mir aber nur den Grzgorz Kielawski mitgenommen und der ist in Walbrzych geboren. Es war aber ohnehin nicht als literarischer Urlaub gedacht, so sind wir weiter zum „Sonatacamp“ und da waren wir schon direkt bei der Seenplatte, ein sehr idyllischer Campingplatz, wo die Pfadfinder ihre Zelte hatten, von dem ich schon schrieb. Wir haben begonnen mit der Zeluga-Schifflinie die Seen abzufahren. Da wir ja nicht segeln und nicht paddeln, was man beides dort sehr gut kann, haben wir drei Schiffausflüge gemacht. Den ersten von Gizycko nach Wegorzewo, wo wir in einer urigen Schifferkneippe Fische gegessen haben. Am nächsten Tag haben wir die Festung Boyen bersichtigt, bei den Nazibunkern und der Wolfschanze waren wir auch und beim Schloß Steinort oder Szynort. Im Gasthof zum schwarzen Schwan, wo man laut Prospekt noch echt masurisch essen kann, sonst hat die italienische Küche schon sehr die Piroggen, die Kartoffelpuffer und das Bigos verdrängt, waren wir und im Storchendorf Zywkowo. Am Samstag sind wir nach Wigry zu dem ehemaligen Kamaldulenserkloster gefahren und wieder schön idyllisch direkt am See übernachtet, wo man mit einem Schiff eine Runde machen konnte, mit dem schon Johannes Paul II gefahren ist. Das Bild des letzten Papstes sieht man überhaupt an jeder Kirche und am Sonntag sind auch wir nach Mikolajki gekommen, dieses ehemalig verschlafene Fischerdorf, das sich zum Nobelort gewandelt hat und von dort noch zweimal mit dem Schiff gefahren. In Gizycko habe ich in einem italinenischen Restaurant einen sehr exquisiten Fisch in Salzkruste gegessen und am nächsten Tag in Ruciane gebackenen Zander in einem wieder urigeren Lokal.
Alfreds Geburtstag haben wir am Dienstag auch gefeiert und dann gings schon wieder zurück. Die „Sommergeschichten“, die ich im letzten Jahr in der hohen Tatra begonnen habe, habe ich zu Ende gelesen, den „Granatapfelbaum“, den ich ebenfalls mitgenommen habe, nicht. Dafür habe ich in Tschenstochau auf dem Klo einen englischen Krimi in deutscher Sprache gefunden. Mit den drei S bin ich nicht wirklich weitergekommen. Ich habe am Samstagnachmittag in Wigry zwar ein bißchen darin geblättert, die ostpreussische Seenlandschaft ist aber nicht wirklich inspirierend sich mit den Schicksal einer paranoiden Außenseiterin, einer Belgrad geborenen Psychiaterin und einer Austro Türkin zu beschäftigen. Da habe ich vor, das Manuskript, wenn ich mit den Buchbesprechungen und den Reisereportagen fertig bin, noch einmal von Anfang an durchzugehen, um wieder in die Handlung hineinzukommen, beziehungsweise sie weiter zu konzipieren.
Ja richtig, etwas Literarisches gibt es schon zu berichten, als wir Dienstag in Mikolaiki spazierengegangen sind, haben wir eine Buchhandlung gesehen, dort lagen die Bücher in großen Schachteln oder auf langen Tischen, da habe ich einen Wolf Haas auf Polnisch entdeckt, um welches seiner Bücher es sich gehandelt hat, habe ich zwar nicht herausgefunden, es könnte aber um klischeehaft zu schätzen „Silentium“ gewesen sein.
Als wir schon über der österreichischen Grenze waren, habe ich im Kulturjournal gehört, daß Josef Haslinger einen neuen Roman über einen tschechischen Eiskockeyspieler geschrieben hat, der am Donnerstag im Museumsquartier bei den O-Tönen vorgestellt wurde.
[Falls es wen interessiert: eine Auswahl (etwa 200 von über 1100 Bildern) gibts hier –alfred]
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