Jetzt kommt das letzte Buch, das ich mir bei Thalia 2008 aus der Schnäppchenkiste gezogen habe und es gibt auch Antwort auf die Frage nach welchen Kriterien ich mir die Bücher aus den Kisten ziehe. Bei mir ist es der bekannte Name, der mich interessiert und von Harald Schmidt hatte ich auch als Nichtdeutsche und Nichtfernseherin offenbar schon etwas gehört, wenn ich dann auch ein bißchen über den Nonsense-Stil im ersten Teil, den Tagebüchern 1945 – 52, stolperte, denn die sind eindeutig eine Mogelpackung, bekommt man doch nicht was drauf steht. Harald Schmidts Autobiographie kann das nicht sein, was da beschrieben wurde, ist der ja, wie ich Wikepedia entnehme, 1957 in Neu-Ulm geboren und ein deutscher Schauspieler, Kabaretist, Kolumnist, Entertainer und im „Nächtlichen Angebot“ steht etwas von Helge Malchow, keine Ahnung wer das ist, der „nachdenklich an seiner Pfeife sog“ und dem Protagonisten „Gold, Silber und Bronze“ etc bot „Das alles soll dir gehören, wenn du nur bis Tagesanbruch deine Autobiographie geschrieben hast!“
Der Protagnonist ließ sich nicht lumpen und so fängt es mit „Ich war eine Sturzgeburt“ an.
„Das war damals nichts Ungewöhnliches, denn unsere Familie hatte es eilig. Als ich am 18. August 1937 in St. Peterburg dem Heutigen Putingrad zur Welt kam, war meine Mutter gar nicht dabei…“
So geht es, für eine realistische Schreiberin, etwas gewöhnungsbedürftig weiter, dem Umschlagtext entnahm ich dann, daß es in den Tagebüchern vor allem „um das Hollywood der Siebzigerjahre geht.“
Schmidt stürzt aber eifrig weiter, kommt vom Hundersten ins Tausendste, schreibt von einer „Abreise nach Melbourne“, erzählt von“ Onkel Erich, der im Hubschrauber landet“ und davon, „daß die Familie am 1. Juli 1935 in New York an Bord der „MS Butterfly“ Kurs Antwerpen“ geht.
Es kommen aber auch berühmte Schriftsteller, „wie gesagt, Becket“ vor. „Wir alle mochten Sam, damals in Paris“ oder „Andre Gide, der den Protagonisten vom Bahnhof abholt“ u.s.w.u.s.f.
Spätestens da habe ich nachgegooglet und bin bei Amazon draufgekommen, daß sich „Schmidt in den sogenannten Tagebüchern im höheren nonsens erprobt.“ Es steht aber auch etwas da von „wortgewandt, erfrischend, zynisch und wirklich empfehlenswert“, was für eine, die sich fast vierzig Jahre ernsthaft um das Schreiben bemüht und immer wieder an Beistrichfehlern, Adjektiven, zu flacher Personenführung oder mangelnden Interesse zu scheitern scheint, schwer verständlich ist. Es sind aber auch Fotos des bärtigen Autor mit Unterschriften wie „Vor dem Haus meiner ältesten Tochter in Sidney“, beigefügt und die Auflage soll, wie ich irgendwo hörte, hoch gewesen sein.
Aber wir wissen schon, das Leben ist ungerecht und es sind auch nicht alle so humorlos, wie ich, außerdem ist im zweiten Teil des Buchs, ab Seite sechzig „die traditionelle Auswahl der aktuellesten Focus Kolumnen statt DVD und Reisetoaster“ angefügt und da wird es realistischer und politischer, wenn es auch schwer verständlich bleibt, denn das Buch wurde 2005 aufgelegt. Also gibt es keinen deutschen Kanzler mehr und den Namen „Condoleezza Rice“ hat man vielleicht auch schon vergessen und außerdem ist für eine Österreicherin auch die aktuelle deutsche Innenpolitik nicht so ganz präsent. Trotzdem bin ich mit diesen Teil, trotz der gewaltigen Gedankensprünge, die Schmidt macht, in dem er pro Kolumne von Thema zu Thema springt, besser zurechtgekommen. Die Kolummnen sind in mehrere Teile gegliedert und verschiedenen Themenkreisen zugeordnet, Politik, Europa, Geld etc.
Beeindruckend war da schon die allererste Geschichte „Kindersparbuchmärchen“, wo es um „Hartz unlimited“ geht, die von einer Jennifer handelt, die sich eine Zahnspange wünscht, die sie leider nicht bekommen kann, weil sie keine Zähne hat, weil ihre Eltern sie so liebten, daß sie sie schon mit der Nuckelflasche mit Eistee verwöhnten. Jetzt ist Jennifer übergewichtig und das Hochbett mußte zusätzlich verstärkt werden, als es eines Tages am Fenster kratzt und ein rotmetallicer Rabe mit Flügelheizung und tiefer gelegten Schwanzfedern Einlaß begehrt. „Hartz, Hartz“, krächzt er und will ihr Sparbuch haben. Jennifer will es ihm auch geben, kommt aber zu spät, so daß der Rabe „Mich will auch keiner!“ schluchzt und dann „fuhr der Wagen wie von Geisterhand zum Arbeitsamt“
So sind die Geschichten, die bei Focus erschienen, den ich nur selten lese, die sich in der Abteilung „Mängelzwerge“ beispielsweise mit Sprache, Technik und Medien beschäftigen, wo sich Schmidt über die Deutschen lustig macht, die sich gegen die Volkszählung wehren, dann aber mit ihren „Fotomachhandy“ herumlaufen und das „freiwillig schaffen, was der böse Polizeistaat nicht zusammenbrachte, die freiwillige Selbstversklavung auf garantiert neuestem technischen Standard“.
Der „Rechtschreibreform“ ist eine Seite gewidmet „Für Rechtschreibung ist die first lady zuständig, tönt es aus dem weißen Haus“, während „aus kremelnahen Kreisen verlautet wurde, daß es Präsident Putin, eher wurscht sein soll, wie geschrieben wird, solange er das „was“ entscheiden kann.“
So geht es weiter auf fast zweinhundert Seiten und es ist sicher interessant, die Focus-Kolumnen so kompakt vor sich zu haben, auch wenn man daran sehen kann, was inzwischen veraltet und was noch immer aktuell ist. so habe ich in Polen vorige Woche im neuen Spiegel darüber gelesen, was die Regierung gegen die Kinderfeindlichkeit zu tun plant und mit wieviel Geld und Kinderkrippen, sie die deutsche Frau zu mehr Kindern bewegen möchte. Schmidt schreibt schon 2005 davon in seinen Kolumnen „Teure Eltern“ und „Keine Kinder“, dann werden auch die Fernsehserien auf die Schaufel genommen und vieles mehr.
Interessant, auch wenn ich mir mit einem Nonsensentertainer eher schwer tue, das Schmidt viele Bücher bei veröffentlicht hat, kann ich aber im Anhang finden und ich höre bei meinen Frankfurt oder Leipzig Messebesuchen auch immer von ihm. Jetzt weiß ich, wie er schreibt und ob ich mir ein zweites Buch von ihm aus den Ramschkisten ziehen werde, wird man sehen, ausschließen kann ich es nicht.
2011-08-19
Mulatten in gelben Sesseln
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