Literaturgefluester

2011-10-20

Grundbuch: Wand

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:39

Wieder einmal Grundbücher in der Alten Schmiede, die Reihe mit Klaus Kastberger, einem Autor und einem Literaturwissenschaftler die in Wien und in Linz im Stifterhaus, der Reihe nach alle wichtigen österreichischen Bücher seit 1945 vorstellt, die ich irgendwie sträflich vernachläßigt habe. Aber beim Fred Wander und beim Friedrich Torberg bin ich, glaube ich, gewesen, jetzt war Marlen Haushofer dran.
Ein wichtiger Roman, „Die Wand“, die 1963 erschienen ist und von dem Marlen Haushofer zu ihrem Förderer Hans Weigel laut Daniela Strigl gesagt haben soll, „Daran wirst keine Freude haben, denn das ist eine Katzengeschichte“.
„Eine Katze“ erklärte Daniela weiter, „kommt auch darin vor, aber nicht nur!“
Da gibt es noch viel anderes und die in Wien geborene und in der Steiermark lebende Autorin, Olga Flor, las auch gleich den Anfang des Berichtes vor, der am fünften November aufgeschrieben wurde. Obwohl sich die Ich-Erzählerin gar nicht sicher ist, ob es wirklich der fünfte November ist, sind ihr in dem Jagdhaus in das sie im April mit ihrer Cousine Luise und deren Mann Hugo gefahren ist, doch nicht nur die Uhr, sondern auch die Zeit abhanden gekommen. Sie schreibt jedenfalls ihren Bericht auf dem Briefpapier von Hugo Rüttlinger auf und erzählt, wie beide ins Dorf gegangen sind, während sie mit dem Hund Lux in der Hütte blieb, Reisfleisch zum Abend kochte und sich dann in ihr Zimmer einsperrte. Am Morgen waren die Beiden noch nicht zurück und als sie sie suchen wollte, stieß sich Lux an einer unsichtbaren Wand die Schnauze blutig, sie bekam eine Beule und die Menschen, die sie fand, als sie durch den Fluß watete, waren tot. So bleibt sie mit dem Hund in dem Waldhaus zurück, lebt von den Vorräten, die Hugo sorgfältig eingelagert hat, erklärt sich das Ganze durch eine Atomkatastrophe und findet irgendwo eine trächtige Kuh und eine Katze. So weit hat Olga Flor gelesen. Daniela Striegl hat dann noch erklärt, daß schließlich ein Mann in diese Idylle eindringt, um den Stier, der auch noch dazugekommen ist und den Hund zu töten, worauf die übergebliebene Frau ihn erschießt und zum Schreiben aufhört, als das Briefpapier endet.
Daran schließen sich viele Deutungen an. In den Sechzigerjahren ist das Buch kein Erfolg geworden, weil ja nicht so experimentell, wie die Wiener Gruppe, sondern hat von den Männern nur mittelmäßige Kritiken bekommen, die Daniela Strigl vorlas, dann kamen die Achtzigerjahre und die Frauenbewegung, die das Buch entdeckte. Daniela Striegl brachte noch eine Deutung Erika Dannebergs, die mit Marlen Haushofer befreundet war, wo die Wand als Schizophrenie erklärt wird und psychoanalytische Deutungen.
Ein Mann im Publikum wies auf den Einfluß Kafkas hin, dem sich Kurt Neumann anschloß und ich denke mir, es läßt sich auch mit dem Krieg und der Biografie erklären. Da ist in den Sechzigerjahren eine traumatisierte Frau mit einer schlechten Ehe und einem unehelichen Kind in einer oberösterreichischen Kleinstadt gesessen, hat vom kalten Krieg und der Atomangst gehört, eine Mauer durch die Stadt Berlin gab es auch und, wie Daniela Strigl erklärte, auch Schundhefte a la Perry Rhodan, die sie gern gelesen hat. Da brauche ich gar keine psychoanalytische Deutungen, um mir diese Ausweglosigkeit und das Weltuntergangszenario zu erklären. Ich kann mich auch erinnern, daß ich einmal, als ich vielleicht zehn Jahre war, das wäre dann 1963 gewesen oder auch ein bißchen jünger, bei meiner Tante Grete saß und die sprach mit meiner Mutter vom nächsten Atomkrieg, wo die Menschen sterben und die Natur überbleibt.
So erklärt sich auch die Ich-Erzählerin die „Wand“, aber ich habe das Buch nicht gelesen und auch von der Vereinnahmung durch die Frauenbewegung in den Achtzigerjahren nicht viel mitbekommen. In den Siebzigerjahren, als ich gerade in die Otto Bauergasse zog, war aber „Die Tapetentür“ im Radio und dieses Buch habe ich mir in dieser Zeit, auch in der legendären Buchhandlung „Herzog“ auf der Mariahilferstraße gekauft und gelesen. Sonst nicht sehr viel. Als Daniela Strigl 2000 die Haushofer Biografie, die jetzt „Wahrscheinlich bin ich doch verrückt“ heißt, im Radio Kultur Cafe vorstellte, gab es einen Quiz und einen Herrn, der mir beim Ausfüllen der Fragen ein wenig half, so daß ich die gleiche Punktezahl mit ihm hatte und er war noch so lieb und hat mir das Buch geschenkt und die Frauen lesen Frauengruppe hat Marlen Haushofer auch ein paar Mal im „Siebenstern“ aufgeführt.
Judith Gruber-Rizy hat mir die „Wand“ auch einmal geborgt, die ich ein paar Monate zu Hause hatte, aber nicht gelesen habe. Irgendein Vorurteil hat mich wohl abgehalten, aber die Stellen, die Olga Flor gelesen haben, haben durchaus interessant geklungen.
Ja und einen „Haushofer trifft Celan“-Abend hat es im Literaturhaus auch gegeben.
In der Alten Schmiede war es sehr voll. Ein paar Plätze waren für die Familie Haushofer reserviert und auch eine Schulklasse war da. Sonst habe ich außer einem Stammbesucher nur Elfriede Haslehner gekannt, die mir erzählte, daß sie auch einmal einen ähnlichen Text geschrieben hat.Ich kann mich auch erinnern, daß sie einmal daraus gelesen hat, als wir uns bei Valerie Szabo trafen.

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